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Allgemeine Zeitung, Nr. 35, 4. Februar 1850.

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[Spaltenumbruch] Anfangs unseres Jahrhunderts in ihrer Begeisterung -- welche der noth-
wendige Rückschlag des unmittelbar vorbergehenden kalten Rationalismus
war -- in den gegentheiligen Fehler verfallen waren, sich in den dunkeln
Irrgängen phantastischer Mystik beinahe gänzlich verloren zu haben. Der
Verfasser hat beide Klippen vermieden. Auf objectivem Standpunkte
stehend gibt er uns die Zeit wie sie war, mit ihren großartigen Licht- und
Schattenseiten; er führt uns mit ungetrübtem Blick durch die größten
Ereignisse zu dem Detail der Tracht und Sitte, und vervollständigt auf
solchem Wege sein Werk zu dem bedeutenden Gemälde einer umfassenden
Sittengeschichte jener Jahrhunderte.

Es wäre wohl sehr zu wünschen daß sich für dieses Buch ein Ueber-
setzer fände, damit das Werk, an und für sich schon so werthvoll und
seinem Inhalt nach engverbunden mit der Geschichte des deutschen Mittel-
[Spaltenumbruch] alters (da wir doch nicht läugnen wollen von welch eminentem Einfluß
gerade damals schon Frankreich auf Deutschland war), in der diesseitigen
Litteratur seine wohlverdiente Aufnahme fände.

Aus dem Schlußworte, welches den Inhalt der vier Bände in einem
kurzen Ueberblick zusammenfaßt, wollen wir hier nur eine Stelle an-
führen die uns von Bedeutung scheint. Der Verfasser sagt nämlich:
"Bevor wir den Feudalzustand ganz und gar verwerfen und die moderne
Richtung als einen Zustand der Vollkommenheit verkünden, sollten wir
doch erst wissen welche Fundamentalsätze nachhaltiger wirken werden und
tiefere Wurzeln geschlagen haben."

Das Werk ist schön ausgestattet und mit Vignetten, welche gleich-
zeitigen Manuscripten, Monumenten etc. entnommen sind, sinnreich ge-
schmückt.

[irrelevantes Material]

[Spaltenumbruch] Anfangs unſeres Jahrhunderts in ihrer Begeiſterung — welche der noth-
wendige Rückſchlag des unmittelbar vorbergehenden kalten Rationalismus
war — in den gegentheiligen Fehler verfallen waren, ſich in den dunkeln
Irrgängen phantaſtiſcher Myſtik beinahe gänzlich verloren zu haben. Der
Verfaſſer hat beide Klippen vermieden. Auf objectivem Standpunkte
ſtehend gibt er uns die Zeit wie ſie war, mit ihren großartigen Licht- und
Schattenſeiten; er führt uns mit ungetrübtem Blick durch die größten
Ereigniſſe zu dem Detail der Tracht und Sitte, und vervollſtändigt auf
ſolchem Wege ſein Werk zu dem bedeutenden Gemälde einer umfaſſenden
Sittengeſchichte jener Jahrhunderte.

Es wäre wohl ſehr zu wünſchen daß ſich für dieſes Buch ein Ueber-
ſetzer fände, damit das Werk, an und für ſich ſchon ſo werthvoll und
ſeinem Inhalt nach engverbunden mit der Geſchichte des deutſchen Mittel-
[Spaltenumbruch] alters (da wir doch nicht läugnen wollen von welch eminentem Einfluß
gerade damals ſchon Frankreich auf Deutſchland war), in der dieſſeitigen
Litteratur ſeine wohlverdiente Aufnahme fände.

Aus dem Schlußworte, welches den Inhalt der vier Bände in einem
kurzen Ueberblick zuſammenfaßt, wollen wir hier nur eine Stelle an-
führen die uns von Bedeutung ſcheint. Der Verfaſſer ſagt nämlich:
„Bevor wir den Feudalzuſtand ganz und gar verwerfen und die moderne
Richtung als einen Zuſtand der Vollkommenheit verkünden, ſollten wir
doch erſt wiſſen welche Fundamentalſätze nachhaltiger wirken werden und
tiefere Wurzeln geſchlagen haben.“

Das Werk iſt ſchön ausgeſtattet und mit Vignetten, welche gleich-
zeitigen Manuſcripten, Monumenten ꝛc. entnommen ſind, ſinnreich ge-
ſchmückt.

[irrelevantes Material]

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[558/0014] Anfangs unſeres Jahrhunderts in ihrer Begeiſterung — welche der noth- wendige Rückſchlag des unmittelbar vorbergehenden kalten Rationalismus war — in den gegentheiligen Fehler verfallen waren, ſich in den dunkeln Irrgängen phantaſtiſcher Myſtik beinahe gänzlich verloren zu haben. Der Verfaſſer hat beide Klippen vermieden. Auf objectivem Standpunkte ſtehend gibt er uns die Zeit wie ſie war, mit ihren großartigen Licht- und Schattenſeiten; er führt uns mit ungetrübtem Blick durch die größten Ereigniſſe zu dem Detail der Tracht und Sitte, und vervollſtändigt auf ſolchem Wege ſein Werk zu dem bedeutenden Gemälde einer umfaſſenden Sittengeſchichte jener Jahrhunderte. Es wäre wohl ſehr zu wünſchen daß ſich für dieſes Buch ein Ueber- ſetzer fände, damit das Werk, an und für ſich ſchon ſo werthvoll und ſeinem Inhalt nach engverbunden mit der Geſchichte des deutſchen Mittel- alters (da wir doch nicht läugnen wollen von welch eminentem Einfluß gerade damals ſchon Frankreich auf Deutſchland war), in der dieſſeitigen Litteratur ſeine wohlverdiente Aufnahme fände. Aus dem Schlußworte, welches den Inhalt der vier Bände in einem kurzen Ueberblick zuſammenfaßt, wollen wir hier nur eine Stelle an- führen die uns von Bedeutung ſcheint. Der Verfaſſer ſagt nämlich: „Bevor wir den Feudalzuſtand ganz und gar verwerfen und die moderne Richtung als einen Zuſtand der Vollkommenheit verkünden, ſollten wir doch erſt wiſſen welche Fundamentalſätze nachhaltiger wirken werden und tiefere Wurzeln geſchlagen haben.“ Das Werk iſt ſchön ausgeſtattet und mit Vignetten, welche gleich- zeitigen Manuſcripten, Monumenten ꝛc. entnommen ſind, ſinnreich ge- ſchmückt. München, im Januar 1850. Franz Pocci. _

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 35, 4. Februar 1850, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine35_1850/14>, abgerufen am 01.06.2024.