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Allgemeine Zeitung, Nr. 35, 29. August 1914.

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29. August 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch]
Das ist Tors letzte eiserne Tat,
Zu rächen der Midgardschlange Derrat,
Die Gier, darunter Europa verroht,
Die unsers Jahrhunderts Kultur bedroht.
Und drum noch einmal beim deutschen Blut:
Tod, Tod der politischen Gaunerbrut!
Erst mit dem Ende des Ungeheuers
Erstickt die Glut des höllischen Feuers,
Der Krieg, der Europas Nationen verzehrt
Und Asiens Völker stärkt und bewehrt. --
Dann soll ein Jahrhundert des Friedens sich freuen
Und die Welt sich wieder im Geist erneuen.


Bücheranzeigen.
Ignaz Döllingers Briefe an eine junge Freundin. Heraus-
gegeben von Dr. Heinrich Schrörs, Professor der katholischen
Theologie an der Universität Bonn. Mit zwei Bildnissen. Josef
Kösel'sche Buchhandlung, Kempten und München 1914. Preis ge-
heftet M 3.50.

Dieses Buch bietet eine Ueberraschung seltener Art, denn wohl
niemand war heute gewärtig, daß nach der großen Biographie Döl-
lingers von Professor Friedrich neue und intime Privatbriefe
Döllingers an die Oberfläche gelangen würden. Wer weiß auch,
wie er selbst darüber gedacht haben würde. Durch eine lange Reihe
von Jahren hatte Döllinger zarte, aber völlig reine Beziehungen
zu einem jungen hochbegabten Mädchen, das später die Mutter un-
seres Kammersängers Alfred v. Bary geworden ist. Aus ihrem
Nachlaß nun und offenbar mit Zustimmung der Verwandten hat
Professor Schrörs diese Briefe mit einer biographischen Einleitung
und mit Anmerkungen und den Bildern der zwei Hauptbeteiligten
herausgegeben. Döllinger schreibt da in den 60er Jahren des
vorigen Jahrhunderts seinem "lieben Kinde" über alles Mögliche.
Er leitet die Studien und die Lektüre Anna Gramichs, so heißt die
junge Freundin, läßt sie an den eigenen Arbeiten und Sorgen teil-
nehmen und zeigt überall das freundlichste Interesse an dem Schick-
sal des jungen Mädchens. Es gibt fast keine hervorragendere Per-
sönlichkeit aus jener Zeit, die nicht durch dieses Buch ginge: König
Ludwig II. und Richard Wagner, Hans von Bülow, Döllingers
Freund Lord Acton und zahllose Schriftsteller und Gelehrte, die
den weiten Interessenkreis Döllingers füllten, von dem man einst
gesagt hat, daß er das universellste Wissen seiner Zeit besitze. Die
Anmerkungen tragen viel zum Verständnis der Briefe und ihrer
Andeutungen bei, ja sie wiederholen sogar oft schon Gesagtes, nur
einmal im 42. Briefe (im ganzen sind es 100) lassen sie uns im Stich.
Aber es ist wohl anzunehmen, daß dort Schakespeare gemeint ist, den
Döllinger seiner Freundin geschickt hat. Merkwürdigerweise fehlt
gerade dieser Dichter, der später noch namentlich erwähnt wird, im
Personenregister. Druck und Ausstattung dieser prächtigen Brief-
sammlung, in der man nur die Antworten Anna Gramichs an Döl-
linger entbehrt (es sind nur die Bruchstücke vorhanden) würden das
Buch von selbst allein schon empfehlen, wenn nicht der wertvolle
Inhalt schon unser lebhaftestes Interesse zu erwecken imstande wäre.

Eine billige Kriegskarte (G. Freytag, Die Grenzgebiete
Oesterreich-Ungarns und Serbiens
, 1:1,250,000,
1914) in sehr hübscher farbiger Ausführung ist eben bei G. Freytag
& Berndt, Wien, VII. erschienen und gegen Einsendung von 35 h
(30 Pfg.) in Briefmarken von jeder Buchhandlung, event. vom Ver-
lage zu beziehen. Auch die vorzügliche Freytagsche Karte der
Balkanhalbinsel 1:1,250,000 (Preis K 1.20 = M 1.--) liegt in
neuer Auflage vor und sei ebenso, wie die ersterwähnte Karte
unseren Lesern bestens empfohlen.

Handel und Jndustrie
Kriegsbilanz.

Wir leben in einer Zeit der Ausnahmsgesetzgebung.
Dies gilt besonders auf dem Gebiete des Handels, auf dem der
[Spaltenumbruch] Ausbruch eines Weltkrieges den Erlaß einer Anzahl von Verord-
nungen notwendig gemacht hat, um den erschütterten geschäftlichen
Verkehr wenigstens einigermaßen in Gang zu erhalten. Sah man
auch in Deutschland von einem allgemeinen Moratorium ab,
so traf man doch Erleichterungen für Wechselverpflichtungen, Hypo-
thekzinszahlungen, man annullierte gesetzliche Vorschriften, die den
Gläubigern Rechte gegen ihre Schuldner einräumten usw. Nur
auf einem Gebiete, dem des Effektenhandels konnte nur
sporadisch durch die zwangsweise Feststellung von Liquidations-
kursen, Lieferungsterminen für bereits früher abgeschlossene Ge-
schäfte ein gewisser Modus festgesetzt werden. Die Hauptaktion be-
stand aber in einem völligen Schlusse der Börsen, bezw.
einer weitgehenden Unterbindung jeden Verkaufes. Zurzeit läßt
sich nicht absehen, wann für den Effektenhandel wieder normale
Verhältnisse eintreten.

Inzwischen sollte aber nichts unterlassen werden, was wenig-
stens einer bestimmten Gattung von deutschen Werten, den
Staatspapieren von Vorteil sein könnte. Wir meinen den
Erlaß einer Ausnahmsbestimmung für die Bilanzierung solcher
Papiere für das Jahr 1914/15 (August--August). Der § 261 des
HGB. bestimmt, daß Wertpapiere und Waren, die einen Börsen-
oder Marktpreis haben, höchstens zu dem Kurse oder Marktpreis
des Zeitpunktes für welchen die Bilanz bestellt wird, soferne dieser
Preis jedoch den Anschaffungs- oder Herstellungspreis übersteigt,
höchstens zu dem letzteren eingesetzt werden. D. h. also: ist der
Ankaufspreis niedriger als der Preis am Bilanztage, darf man
ein Wertpapier nur zum Ankaufspreis einsetzen; ist der Ankaufs-
preis aber höher, als der des Bilanztages, so muß der entstandene
Verlust abgeschrieben werden. Der Sinn dieser Bestimmung ist
klar; es soll einerseits die Einstellung fiktiver Gewinne bei den
am Bilanztage vorhandenen Effekten verhindert, andrerseits
aber ein Verlust, wenngleich ebenfalls nur fiktiver Natur,
berücksichtigt werden.

Für die Friedenszeit kann einer solchen Vorschrift, ob-
wohl sie eigentlich unlogisch ist, zugestimmt werden, da sie
wesentlich zur Solidität und Wahrhaftigkeit der Bilanz beiträgt.
Anders liegen aber die Dinge in Kriegszeiten; hier ist eine
höhere Gewalt eingetreten, die auch Ausnahmen auf dem
Gebiete der Bilanzvorschriften zur Folge haben sollte.
Selbstverständlich kann es indessen nicht angehen, für alle Arten
von Wertpapieren oder felbst nur für größere Gruppen derselben
Vorschriften dafür zu erlassen, daß nicht der Kurs der Papiere am
Bilanztage maßgebend wäre, sondern der zu einer früheren
Zeit, vielleicht am Tage vor Ausbruch des Krieges in den Kurs-
blättern festgesetzte Preis, als Bilanzpreis anzusehen wäre.
Eine solche Verordnung würde durchwegs falsche Bilanzen schaffen,
wenn nicht gleichzeitig an Stelle des nicht abgeschriebenen Verlustes
ein entsprechender Gegenposten als Kursreserve vorhanden ist. Eine
solche Vorschrift hätte zur Folge, daß Gesellschaften Gewinne
ausweisen könnten, die tatsächlich durch rechnerisch vorhandene aber
nicht gebuchte Kursverluste wesentlich übertroffen wurden.

Jst also von dem Erlasse einer neuen Bilanzvorschrift im
Allgemeinen abzusehen, so könnte eine solche doch für eine
ganz genau bestimmte Gattung, und zwar die vom Deutschen
Reiche und den Einzelstaaten
ausgegebenen Obligationen
erlassen werden. Schuldtitel, die vom Staate selbst ausgegeben,
für deren Verzinsung er selbst die Verpflichtung übernommen hat,
können überhaupt, besonders aber in Notfällen, von einem ganz
anderen Standpunkte in bezug auf ihren Wert und ihre Behandlung
beurteilt werden, als andere private Effekten. Gewissermaßen
muß der Staat für seine Wertpapiere, bezw. für deren Coupons
ebenso einstehen, wie für seine Banknoten. Entsprechend
dieser Anschauung erschiene ein Gesetz berechtigt, in dem bestimmt
wird, daß, solange der Krieg dauert, derjenige Kurs bestimmter
Wertpapiere als Bilanzkurs gelten dürfe, der am 25. Juli,
dem schon mehrfach zu Regulierungen bestimmten Abrechnungstage,
festgestellt wurde. War der Ankaufs-, bezw. Bilanzierungskurs
höher als der am 25. Juli, so ist der bis dahin entstandene Verlust
abzuschreiben, war er niedriger, ist der Ankaufs-, bezw. letzte
Bilanzierungskurs zu belassen. Vermieden soll also nur werden,
daß die durch den Krieg herbeigeführte Kursverschlechterung
in der Wertberechnung der Staatspapiere zum Ausbruch kommen
muß.

Die praktische Wirkung einer solchen Maßregel könnte sich für
die in sie einbezogenen Werte sehr günstig gestalten. Sie bewahrt

29. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch]
Das iſt Tors letzte eiſerne Tat,
Zu rächen der Midgardſchlange Derrat,
Die Gier, darunter Europa verroht,
Die unſers Jahrhunderts Kultur bedroht.
Und drum noch einmal beim deutſchen Blut:
Tod, Tod der politiſchen Gaunerbrut!
Erſt mit dem Ende des Ungeheuers
Erſtickt die Glut des hölliſchen Feuers,
Der Krieg, der Europas Nationen verzehrt
Und Aſiens Völker ſtärkt und bewehrt. —
Dann ſoll ein Jahrhundert des Friedens ſich freuen
Und die Welt ſich wieder im Geiſt erneuen.


Bücheranzeigen.
Ignaz Döllingers Briefe an eine junge Freundin. Heraus-
gegeben von Dr. Heinrich Schrörs, Profeſſor der katholiſchen
Theologie an der Univerſität Bonn. Mit zwei Bildniſſen. Joſef
Köſel’ſche Buchhandlung, Kempten und München 1914. Preis ge-
heftet M 3.50.

Dieſes Buch bietet eine Ueberraſchung ſeltener Art, denn wohl
niemand war heute gewärtig, daß nach der großen Biographie Döl-
lingers von Profeſſor Friedrich neue und intime Privatbriefe
Döllingers an die Oberfläche gelangen würden. Wer weiß auch,
wie er ſelbſt darüber gedacht haben würde. Durch eine lange Reihe
von Jahren hatte Döllinger zarte, aber völlig reine Beziehungen
zu einem jungen hochbegabten Mädchen, das ſpäter die Mutter un-
ſeres Kammerſängers Alfred v. Bary geworden iſt. Aus ihrem
Nachlaß nun und offenbar mit Zuſtimmung der Verwandten hat
Profeſſor Schrörs dieſe Briefe mit einer biographiſchen Einleitung
und mit Anmerkungen und den Bildern der zwei Hauptbeteiligten
herausgegeben. Döllinger ſchreibt da in den 60er Jahren des
vorigen Jahrhunderts ſeinem „lieben Kinde“ über alles Mögliche.
Er leitet die Studien und die Lektüre Anna Gramichs, ſo heißt die
junge Freundin, läßt ſie an den eigenen Arbeiten und Sorgen teil-
nehmen und zeigt überall das freundlichſte Intereſſe an dem Schick-
ſal des jungen Mädchens. Es gibt faſt keine hervorragendere Per-
ſönlichkeit aus jener Zeit, die nicht durch dieſes Buch ginge: König
Ludwig II. und Richard Wagner, Hans von Bülow, Döllingers
Freund Lord Acton und zahlloſe Schriftſteller und Gelehrte, die
den weiten Intereſſenkreis Döllingers füllten, von dem man einſt
geſagt hat, daß er das univerſellſte Wiſſen ſeiner Zeit beſitze. Die
Anmerkungen tragen viel zum Verſtändnis der Briefe und ihrer
Andeutungen bei, ja ſie wiederholen ſogar oft ſchon Geſagtes, nur
einmal im 42. Briefe (im ganzen ſind es 100) laſſen ſie uns im Stich.
Aber es iſt wohl anzunehmen, daß dort Schakeſpeare gemeint iſt, den
Döllinger ſeiner Freundin geſchickt hat. Merkwürdigerweiſe fehlt
gerade dieſer Dichter, der ſpäter noch namentlich erwähnt wird, im
Perſonenregiſter. Druck und Ausſtattung dieſer prächtigen Brief-
ſammlung, in der man nur die Antworten Anna Gramichs an Döl-
linger entbehrt (es ſind nur die Bruchſtücke vorhanden) würden das
Buch von ſelbſt allein ſchon empfehlen, wenn nicht der wertvolle
Inhalt ſchon unſer lebhafteſtes Intereſſe zu erwecken imſtande wäre.

Eine billige Kriegskarte (G. Freytag, Die Grenzgebiete
Oeſterreich-Ungarns und Serbiens
, 1:1,250,000,
1914) in ſehr hübſcher farbiger Ausführung iſt eben bei G. Freytag
& Berndt, Wien, VII. erſchienen und gegen Einſendung von 35 h
(30 Pfg.) in Briefmarken von jeder Buchhandlung, event. vom Ver-
lage zu beziehen. Auch die vorzügliche Freytagſche Karte der
Balkanhalbinſel 1:1,250,000 (Preis K 1.20 = M 1.—) liegt in
neuer Auflage vor und ſei ebenſo, wie die erſterwähnte Karte
unſeren Leſern beſtens empfohlen.

Handel und Jnduſtrie
Kriegsbilanz.

Wir leben in einer Zeit der Ausnahmsgeſetzgebung.
Dies gilt beſonders auf dem Gebiete des Handels, auf dem der
[Spaltenumbruch] Ausbruch eines Weltkrieges den Erlaß einer Anzahl von Verord-
nungen notwendig gemacht hat, um den erſchütterten geſchäftlichen
Verkehr wenigſtens einigermaßen in Gang zu erhalten. Sah man
auch in Deutſchland von einem allgemeinen Moratorium ab,
ſo traf man doch Erleichterungen für Wechſelverpflichtungen, Hypo-
thekzinszahlungen, man annullierte geſetzliche Vorſchriften, die den
Gläubigern Rechte gegen ihre Schuldner einräumten uſw. Nur
auf einem Gebiete, dem des Effektenhandels konnte nur
ſporadiſch durch die zwangsweiſe Feſtſtellung von Liquidations-
kurſen, Lieferungsterminen für bereits früher abgeſchloſſene Ge-
ſchäfte ein gewiſſer Modus feſtgeſetzt werden. Die Hauptaktion be-
ſtand aber in einem völligen Schluſſe der Börſen, bezw.
einer weitgehenden Unterbindung jeden Verkaufes. Zurzeit läßt
ſich nicht abſehen, wann für den Effektenhandel wieder normale
Verhältniſſe eintreten.

Inzwiſchen ſollte aber nichts unterlaſſen werden, was wenig-
ſtens einer beſtimmten Gattung von deutſchen Werten, den
Staatspapieren von Vorteil ſein könnte. Wir meinen den
Erlaß einer Ausnahmsbeſtimmung für die Bilanzierung ſolcher
Papiere für das Jahr 1914/15 (Auguſt—Auguſt). Der § 261 des
HGB. beſtimmt, daß Wertpapiere und Waren, die einen Börſen-
oder Marktpreis haben, höchſtens zu dem Kurſe oder Marktpreis
des Zeitpunktes für welchen die Bilanz beſtellt wird, ſoferne dieſer
Preis jedoch den Anſchaffungs- oder Herſtellungspreis überſteigt,
höchſtens zu dem letzteren eingeſetzt werden. D. h. alſo: iſt der
Ankaufspreis niedriger als der Preis am Bilanztage, darf man
ein Wertpapier nur zum Ankaufspreis einſetzen; iſt der Ankaufs-
preis aber höher, als der des Bilanztages, ſo muß der entſtandene
Verluſt abgeſchrieben werden. Der Sinn dieſer Beſtimmung iſt
klar; es ſoll einerſeits die Einſtellung fiktiver Gewinne bei den
am Bilanztage vorhandenen Effekten verhindert, andrerſeits
aber ein Verluſt, wenngleich ebenfalls nur fiktiver Natur,
berückſichtigt werden.

Für die Friedenszeit kann einer ſolchen Vorſchrift, ob-
wohl ſie eigentlich unlogiſch iſt, zugeſtimmt werden, da ſie
weſentlich zur Solidität und Wahrhaftigkeit der Bilanz beiträgt.
Anders liegen aber die Dinge in Kriegszeiten; hier iſt eine
höhere Gewalt eingetreten, die auch Ausnahmen auf dem
Gebiete der Bilanzvorſchriften zur Folge haben ſollte.
Selbſtverſtändlich kann es indeſſen nicht angehen, für alle Arten
von Wertpapieren oder felbſt nur für größere Gruppen derſelben
Vorſchriften dafür zu erlaſſen, daß nicht der Kurs der Papiere am
Bilanztage maßgebend wäre, ſondern der zu einer früheren
Zeit, vielleicht am Tage vor Ausbruch des Krieges in den Kurs-
blättern feſtgeſetzte Preis, als Bilanzpreis anzuſehen wäre.
Eine ſolche Verordnung würde durchwegs falſche Bilanzen ſchaffen,
wenn nicht gleichzeitig an Stelle des nicht abgeſchriebenen Verluſtes
ein entſprechender Gegenpoſten als Kursreſerve vorhanden iſt. Eine
ſolche Vorſchrift hätte zur Folge, daß Geſellſchaften Gewinne
ausweiſen könnten, die tatſächlich durch rechneriſch vorhandene aber
nicht gebuchte Kursverluſte weſentlich übertroffen wurden.

Jſt alſo von dem Erlaſſe einer neuen Bilanzvorſchrift im
Allgemeinen abzuſehen, ſo könnte eine ſolche doch für eine
ganz genau beſtimmte Gattung, und zwar die vom Deutſchen
Reiche und den Einzelſtaaten
ausgegebenen Obligationen
erlaſſen werden. Schuldtitel, die vom Staate ſelbſt ausgegeben,
für deren Verzinſung er ſelbſt die Verpflichtung übernommen hat,
können überhaupt, beſonders aber in Notfällen, von einem ganz
anderen Standpunkte in bezug auf ihren Wert und ihre Behandlung
beurteilt werden, als andere private Effekten. Gewiſſermaßen
muß der Staat für ſeine Wertpapiere, bezw. für deren Coupons
ebenſo einſtehen, wie für ſeine Banknoten. Entſprechend
dieſer Anſchauung erſchiene ein Geſetz berechtigt, in dem beſtimmt
wird, daß, ſolange der Krieg dauert, derjenige Kurs beſtimmter
Wertpapiere als Bilanzkurs gelten dürfe, der am 25. Juli,
dem ſchon mehrfach zu Regulierungen beſtimmten Abrechnungstage,
feſtgeſtellt wurde. War der Ankaufs-, bezw. Bilanzierungskurs
höher als der am 25. Juli, ſo iſt der bis dahin entſtandene Verluſt
abzuſchreiben, war er niedriger, iſt der Ankaufs-, bezw. letzte
Bilanzierungskurs zu belaſſen. Vermieden ſoll alſo nur werden,
daß die durch den Krieg herbeigeführte Kursverſchlechterung
in der Wertberechnung der Staatspapiere zum Ausbruch kommen
muß.

Die praktiſche Wirkung einer ſolchen Maßregel könnte ſich für
die in ſie einbezogenen Werte ſehr günſtig geſtalten. Sie bewahrt

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[535/0009] 29. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung Das iſt Tors letzte eiſerne Tat, Zu rächen der Midgardſchlange Derrat, Die Gier, darunter Europa verroht, Die unſers Jahrhunderts Kultur bedroht. Und drum noch einmal beim deutſchen Blut: Tod, Tod der politiſchen Gaunerbrut! Erſt mit dem Ende des Ungeheuers Erſtickt die Glut des hölliſchen Feuers, Der Krieg, der Europas Nationen verzehrt Und Aſiens Völker ſtärkt und bewehrt. — Dann ſoll ein Jahrhundert des Friedens ſich freuen Und die Welt ſich wieder im Geiſt erneuen. Bücheranzeigen. Ignaz Döllingers Briefe an eine junge Freundin. Heraus- gegeben von Dr. Heinrich Schrörs, Profeſſor der katholiſchen Theologie an der Univerſität Bonn. Mit zwei Bildniſſen. Joſef Köſel’ſche Buchhandlung, Kempten und München 1914. Preis ge- heftet M 3.50. Dieſes Buch bietet eine Ueberraſchung ſeltener Art, denn wohl niemand war heute gewärtig, daß nach der großen Biographie Döl- lingers von Profeſſor Friedrich neue und intime Privatbriefe Döllingers an die Oberfläche gelangen würden. Wer weiß auch, wie er ſelbſt darüber gedacht haben würde. Durch eine lange Reihe von Jahren hatte Döllinger zarte, aber völlig reine Beziehungen zu einem jungen hochbegabten Mädchen, das ſpäter die Mutter un- ſeres Kammerſängers Alfred v. Bary geworden iſt. Aus ihrem Nachlaß nun und offenbar mit Zuſtimmung der Verwandten hat Profeſſor Schrörs dieſe Briefe mit einer biographiſchen Einleitung und mit Anmerkungen und den Bildern der zwei Hauptbeteiligten herausgegeben. Döllinger ſchreibt da in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts ſeinem „lieben Kinde“ über alles Mögliche. Er leitet die Studien und die Lektüre Anna Gramichs, ſo heißt die junge Freundin, läßt ſie an den eigenen Arbeiten und Sorgen teil- nehmen und zeigt überall das freundlichſte Intereſſe an dem Schick- ſal des jungen Mädchens. Es gibt faſt keine hervorragendere Per- ſönlichkeit aus jener Zeit, die nicht durch dieſes Buch ginge: König Ludwig II. und Richard Wagner, Hans von Bülow, Döllingers Freund Lord Acton und zahlloſe Schriftſteller und Gelehrte, die den weiten Intereſſenkreis Döllingers füllten, von dem man einſt geſagt hat, daß er das univerſellſte Wiſſen ſeiner Zeit beſitze. Die Anmerkungen tragen viel zum Verſtändnis der Briefe und ihrer Andeutungen bei, ja ſie wiederholen ſogar oft ſchon Geſagtes, nur einmal im 42. Briefe (im ganzen ſind es 100) laſſen ſie uns im Stich. Aber es iſt wohl anzunehmen, daß dort Schakeſpeare gemeint iſt, den Döllinger ſeiner Freundin geſchickt hat. Merkwürdigerweiſe fehlt gerade dieſer Dichter, der ſpäter noch namentlich erwähnt wird, im Perſonenregiſter. Druck und Ausſtattung dieſer prächtigen Brief- ſammlung, in der man nur die Antworten Anna Gramichs an Döl- linger entbehrt (es ſind nur die Bruchſtücke vorhanden) würden das Buch von ſelbſt allein ſchon empfehlen, wenn nicht der wertvolle Inhalt ſchon unſer lebhafteſtes Intereſſe zu erwecken imſtande wäre. A. v. M. Eine billige Kriegskarte (G. Freytag, Die Grenzgebiete Oeſterreich-Ungarns und Serbiens, 1:1,250,000, 1914) in ſehr hübſcher farbiger Ausführung iſt eben bei G. Freytag & Berndt, Wien, VII. erſchienen und gegen Einſendung von 35 h (30 Pfg.) in Briefmarken von jeder Buchhandlung, event. vom Ver- lage zu beziehen. Auch die vorzügliche Freytagſche Karte der Balkanhalbinſel 1:1,250,000 (Preis K 1.20 = M 1.—) liegt in neuer Auflage vor und ſei ebenſo, wie die erſterwähnte Karte unſeren Leſern beſtens empfohlen. Handel und Jnduſtrie Kriegsbilanz. Von W. Prager. Wir leben in einer Zeit der Ausnahmsgeſetzgebung. Dies gilt beſonders auf dem Gebiete des Handels, auf dem der Ausbruch eines Weltkrieges den Erlaß einer Anzahl von Verord- nungen notwendig gemacht hat, um den erſchütterten geſchäftlichen Verkehr wenigſtens einigermaßen in Gang zu erhalten. Sah man auch in Deutſchland von einem allgemeinen Moratorium ab, ſo traf man doch Erleichterungen für Wechſelverpflichtungen, Hypo- thekzinszahlungen, man annullierte geſetzliche Vorſchriften, die den Gläubigern Rechte gegen ihre Schuldner einräumten uſw. Nur auf einem Gebiete, dem des Effektenhandels konnte nur ſporadiſch durch die zwangsweiſe Feſtſtellung von Liquidations- kurſen, Lieferungsterminen für bereits früher abgeſchloſſene Ge- ſchäfte ein gewiſſer Modus feſtgeſetzt werden. Die Hauptaktion be- ſtand aber in einem völligen Schluſſe der Börſen, bezw. einer weitgehenden Unterbindung jeden Verkaufes. Zurzeit läßt ſich nicht abſehen, wann für den Effektenhandel wieder normale Verhältniſſe eintreten. Inzwiſchen ſollte aber nichts unterlaſſen werden, was wenig- ſtens einer beſtimmten Gattung von deutſchen Werten, den Staatspapieren von Vorteil ſein könnte. Wir meinen den Erlaß einer Ausnahmsbeſtimmung für die Bilanzierung ſolcher Papiere für das Jahr 1914/15 (Auguſt—Auguſt). Der § 261 des HGB. beſtimmt, daß Wertpapiere und Waren, die einen Börſen- oder Marktpreis haben, höchſtens zu dem Kurſe oder Marktpreis des Zeitpunktes für welchen die Bilanz beſtellt wird, ſoferne dieſer Preis jedoch den Anſchaffungs- oder Herſtellungspreis überſteigt, höchſtens zu dem letzteren eingeſetzt werden. D. h. alſo: iſt der Ankaufspreis niedriger als der Preis am Bilanztage, darf man ein Wertpapier nur zum Ankaufspreis einſetzen; iſt der Ankaufs- preis aber höher, als der des Bilanztages, ſo muß der entſtandene Verluſt abgeſchrieben werden. Der Sinn dieſer Beſtimmung iſt klar; es ſoll einerſeits die Einſtellung fiktiver Gewinne bei den am Bilanztage vorhandenen Effekten verhindert, andrerſeits aber ein Verluſt, wenngleich ebenfalls nur fiktiver Natur, berückſichtigt werden. Für die Friedenszeit kann einer ſolchen Vorſchrift, ob- wohl ſie eigentlich unlogiſch iſt, zugeſtimmt werden, da ſie weſentlich zur Solidität und Wahrhaftigkeit der Bilanz beiträgt. Anders liegen aber die Dinge in Kriegszeiten; hier iſt eine höhere Gewalt eingetreten, die auch Ausnahmen auf dem Gebiete der Bilanzvorſchriften zur Folge haben ſollte. Selbſtverſtändlich kann es indeſſen nicht angehen, für alle Arten von Wertpapieren oder felbſt nur für größere Gruppen derſelben Vorſchriften dafür zu erlaſſen, daß nicht der Kurs der Papiere am Bilanztage maßgebend wäre, ſondern der zu einer früheren Zeit, vielleicht am Tage vor Ausbruch des Krieges in den Kurs- blättern feſtgeſetzte Preis, als Bilanzpreis anzuſehen wäre. Eine ſolche Verordnung würde durchwegs falſche Bilanzen ſchaffen, wenn nicht gleichzeitig an Stelle des nicht abgeſchriebenen Verluſtes ein entſprechender Gegenpoſten als Kursreſerve vorhanden iſt. Eine ſolche Vorſchrift hätte zur Folge, daß Geſellſchaften Gewinne ausweiſen könnten, die tatſächlich durch rechneriſch vorhandene aber nicht gebuchte Kursverluſte weſentlich übertroffen wurden. Jſt alſo von dem Erlaſſe einer neuen Bilanzvorſchrift im Allgemeinen abzuſehen, ſo könnte eine ſolche doch für eine ganz genau beſtimmte Gattung, und zwar die vom Deutſchen Reiche und den Einzelſtaaten ausgegebenen Obligationen erlaſſen werden. Schuldtitel, die vom Staate ſelbſt ausgegeben, für deren Verzinſung er ſelbſt die Verpflichtung übernommen hat, können überhaupt, beſonders aber in Notfällen, von einem ganz anderen Standpunkte in bezug auf ihren Wert und ihre Behandlung beurteilt werden, als andere private Effekten. Gewiſſermaßen muß der Staat für ſeine Wertpapiere, bezw. für deren Coupons ebenſo einſtehen, wie für ſeine Banknoten. Entſprechend dieſer Anſchauung erſchiene ein Geſetz berechtigt, in dem beſtimmt wird, daß, ſolange der Krieg dauert, derjenige Kurs beſtimmter Wertpapiere als Bilanzkurs gelten dürfe, der am 25. Juli, dem ſchon mehrfach zu Regulierungen beſtimmten Abrechnungstage, feſtgeſtellt wurde. War der Ankaufs-, bezw. Bilanzierungskurs höher als der am 25. Juli, ſo iſt der bis dahin entſtandene Verluſt abzuſchreiben, war er niedriger, iſt der Ankaufs-, bezw. letzte Bilanzierungskurs zu belaſſen. Vermieden ſoll alſo nur werden, daß die durch den Krieg herbeigeführte Kursverſchlechterung in der Wertberechnung der Staatspapiere zum Ausbruch kommen muß. Die praktiſche Wirkung einer ſolchen Maßregel könnte ſich für die in ſie einbezogenen Werte ſehr günſtig geſtalten. Sie bewahrt

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Christopher Georgi, Susanne Haaf, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 35, 29. August 1914, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine35_1914/9>, abgerufen am 23.11.2024.