Allgemeine Zeitung, Nr. 35, 29. August 1914.29. August 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
Das ist Tors letzte eiserne Tat, Zu rächen der Midgardschlange Derrat, Die Gier, darunter Europa verroht, Die unsers Jahrhunderts Kultur bedroht. Und drum noch einmal beim deutschen Blut: Tod, Tod der politischen Gaunerbrut! Erst mit dem Ende des Ungeheuers Erstickt die Glut des höllischen Feuers, Der Krieg, der Europas Nationen verzehrt Und Asiens Völker stärkt und bewehrt. -- Dann soll ein Jahrhundert des Friedens sich freuen Und die Welt sich wieder im Geist erneuen. Bücheranzeigen. Ignaz Döllingers Briefe an eine junge Freundin. Heraus- gegeben von Dr. Heinrich Schrörs, Professor der katholischen Theologie an der Universität Bonn. Mit zwei Bildnissen. Josef Kösel'sche Buchhandlung, Kempten und München 1914. Preis ge- heftet M 3.50. Dieses Buch bietet eine Ueberraschung seltener Art, denn wohl Eine billige Kriegskarte (G. Freytag, Die Grenzgebiete Handel und Jndustrie Kriegsbilanz. Wir leben in einer Zeit der Ausnahmsgesetzgebung. Inzwischen sollte aber nichts unterlassen werden, was wenig- Für die Friedenszeit kann einer solchen Vorschrift, ob- Jst also von dem Erlasse einer neuen Bilanzvorschrift im Die praktische Wirkung einer solchen Maßregel könnte sich für 29. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
Das iſt Tors letzte eiſerne Tat, Zu rächen der Midgardſchlange Derrat, Die Gier, darunter Europa verroht, Die unſers Jahrhunderts Kultur bedroht. Und drum noch einmal beim deutſchen Blut: Tod, Tod der politiſchen Gaunerbrut! Erſt mit dem Ende des Ungeheuers Erſtickt die Glut des hölliſchen Feuers, Der Krieg, der Europas Nationen verzehrt Und Aſiens Völker ſtärkt und bewehrt. — Dann ſoll ein Jahrhundert des Friedens ſich freuen Und die Welt ſich wieder im Geiſt erneuen. Bücheranzeigen. Ignaz Döllingers Briefe an eine junge Freundin. Heraus- gegeben von Dr. Heinrich Schrörs, Profeſſor der katholiſchen Theologie an der Univerſität Bonn. Mit zwei Bildniſſen. Joſef Köſel’ſche Buchhandlung, Kempten und München 1914. Preis ge- heftet M 3.50. Dieſes Buch bietet eine Ueberraſchung ſeltener Art, denn wohl Eine billige Kriegskarte (G. Freytag, Die Grenzgebiete Handel und Jnduſtrie Kriegsbilanz. Wir leben in einer Zeit der Ausnahmsgeſetzgebung. Inzwiſchen ſollte aber nichts unterlaſſen werden, was wenig- Für die Friedenszeit kann einer ſolchen Vorſchrift, ob- Jſt alſo von dem Erlaſſe einer neuen Bilanzvorſchrift im Die praktiſche Wirkung einer ſolchen Maßregel könnte ſich für <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0009" n="535"/> <fw place="top" type="header">29. 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Freytag<lb/> & Berndt, Wien, <hi rendition="#aq">VII.</hi> erſchienen und gegen Einſendung von 35 <hi rendition="#aq">h</hi><lb/> (30 Pfg.) in Briefmarken von jeder Buchhandlung, event. vom Ver-<lb/> lage zu beziehen. Auch die vorzügliche Freytagſche Karte der<lb/> Balkanhalbinſel 1:1,250,000 (Preis <hi rendition="#aq">K</hi> 1.20 = M 1.—) liegt in<lb/> neuer Auflage vor und ſei ebenſo, wie die erſterwähnte Karte<lb/> unſeren Leſern beſtens empfohlen.</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jFinancialNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Handel und Jnduſtrie</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Kriegsbilanz.</hi> </head><lb/> <byline>Von<lb/><hi rendition="#b">W. 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Die Hauptaktion be-<lb/> ſtand aber in einem völligen <hi rendition="#g">Schluſſe der Börſen</hi>, bezw.<lb/> einer weitgehenden Unterbindung jeden Verkaufes. Zurzeit läßt<lb/> ſich nicht abſehen, wann für den Effektenhandel wieder normale<lb/> Verhältniſſe eintreten.</p><lb/> <p>Inzwiſchen ſollte aber nichts unterlaſſen werden, was wenig-<lb/> ſtens einer <hi rendition="#g">beſtimmten</hi> Gattung von deutſchen Werten, den<lb/><hi rendition="#g">Staatspapieren</hi> von Vorteil ſein könnte. Wir meinen den<lb/> Erlaß einer Ausnahmsbeſtimmung für die Bilanzierung ſolcher<lb/> Papiere für das Jahr 1914/15 (Auguſt—Auguſt). Der § 261 des<lb/> HGB. beſtimmt, daß Wertpapiere und Waren, die einen Börſen-<lb/> oder Marktpreis haben, höchſtens zu dem Kurſe oder Marktpreis<lb/> des Zeitpunktes für welchen die Bilanz beſtellt wird, ſoferne dieſer<lb/> Preis jedoch den Anſchaffungs- oder Herſtellungspreis überſteigt,<lb/> höchſtens zu dem letzteren eingeſetzt werden. 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Der Sinn dieſer Beſtimmung iſt<lb/> klar; es ſoll einerſeits die Einſtellung fiktiver <hi rendition="#g">Gewinne</hi> bei den<lb/> am Bilanztage <hi rendition="#g">vorhandenen</hi> Effekten verhindert, andrerſeits<lb/> aber ein Verluſt, wenngleich ebenfalls nur <hi rendition="#g">fiktiver</hi> Natur,<lb/> berückſichtigt werden.</p><lb/> <p>Für die <hi rendition="#g">Friedenszeit</hi> kann einer ſolchen Vorſchrift, ob-<lb/> wohl ſie eigentlich <hi rendition="#g">unlogiſch</hi> iſt, zugeſtimmt werden, da ſie<lb/> weſentlich zur Solidität und Wahrhaftigkeit der Bilanz beiträgt.<lb/> Anders liegen aber die Dinge in <hi rendition="#g">Kriegszeiten;</hi> hier iſt eine<lb/> höhere Gewalt eingetreten, die auch <hi rendition="#g">Ausnahmen</hi> auf dem<lb/> Gebiete der <hi rendition="#g">Bilanzvorſchriften</hi> zur Folge haben ſollte.<lb/> Selbſtverſtändlich kann es indeſſen nicht angehen, für alle Arten<lb/> von Wertpapieren oder felbſt nur für größere Gruppen derſelben<lb/> Vorſchriften dafür zu erlaſſen, daß nicht der Kurs der Papiere am<lb/><hi rendition="#g">Bilanztage</hi> maßgebend wäre, ſondern der zu einer früheren<lb/> Zeit, vielleicht am Tage vor Ausbruch des Krieges in den Kurs-<lb/> blättern feſtgeſetzte Preis, als <hi rendition="#g">Bilanzpreis</hi> anzuſehen wäre.<lb/> Eine ſolche Verordnung würde durchwegs falſche Bilanzen ſchaffen,<lb/> wenn nicht gleichzeitig an Stelle des nicht abgeſchriebenen Verluſtes<lb/> ein entſprechender Gegenpoſten als Kursreſerve vorhanden iſt. Eine<lb/> ſolche Vorſchrift hätte zur Folge, daß Geſellſchaften <hi rendition="#g">Gewinne</hi><lb/> ausweiſen könnten, die tatſächlich durch rechneriſch vorhandene aber<lb/> nicht gebuchte Kursverluſte weſentlich übertroffen wurden.</p><lb/> <p>Jſt alſo von dem Erlaſſe einer neuen Bilanzvorſchrift im<lb/><hi rendition="#g">Allgemeinen</hi> abzuſehen, ſo könnte eine ſolche doch für eine<lb/> ganz genau beſtimmte Gattung, und zwar die vom <hi rendition="#g">Deutſchen<lb/> Reiche und den Einzelſtaaten</hi> ausgegebenen Obligationen<lb/> erlaſſen werden. Schuldtitel, die vom <hi rendition="#g">Staate</hi> ſelbſt ausgegeben,<lb/> für deren Verzinſung er ſelbſt die Verpflichtung übernommen hat,<lb/> können überhaupt, beſonders aber in Notfällen, von einem ganz<lb/> anderen Standpunkte in bezug auf ihren Wert und ihre Behandlung<lb/> beurteilt werden, als andere <hi rendition="#g">private</hi> Effekten. 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29. Auguſt 1914. Allgemeine Zeitung
Das iſt Tors letzte eiſerne Tat,
Zu rächen der Midgardſchlange Derrat,
Die Gier, darunter Europa verroht,
Die unſers Jahrhunderts Kultur bedroht.
Und drum noch einmal beim deutſchen Blut:
Tod, Tod der politiſchen Gaunerbrut!
Erſt mit dem Ende des Ungeheuers
Erſtickt die Glut des hölliſchen Feuers,
Der Krieg, der Europas Nationen verzehrt
Und Aſiens Völker ſtärkt und bewehrt. —
Dann ſoll ein Jahrhundert des Friedens ſich freuen
Und die Welt ſich wieder im Geiſt erneuen.
Bücheranzeigen.
Ignaz Döllingers Briefe an eine junge Freundin. Heraus-
gegeben von Dr. Heinrich Schrörs, Profeſſor der katholiſchen
Theologie an der Univerſität Bonn. Mit zwei Bildniſſen. Joſef
Köſel’ſche Buchhandlung, Kempten und München 1914. Preis ge-
heftet M 3.50.
Dieſes Buch bietet eine Ueberraſchung ſeltener Art, denn wohl
niemand war heute gewärtig, daß nach der großen Biographie Döl-
lingers von Profeſſor Friedrich neue und intime Privatbriefe
Döllingers an die Oberfläche gelangen würden. Wer weiß auch,
wie er ſelbſt darüber gedacht haben würde. Durch eine lange Reihe
von Jahren hatte Döllinger zarte, aber völlig reine Beziehungen
zu einem jungen hochbegabten Mädchen, das ſpäter die Mutter un-
ſeres Kammerſängers Alfred v. Bary geworden iſt. Aus ihrem
Nachlaß nun und offenbar mit Zuſtimmung der Verwandten hat
Profeſſor Schrörs dieſe Briefe mit einer biographiſchen Einleitung
und mit Anmerkungen und den Bildern der zwei Hauptbeteiligten
herausgegeben. Döllinger ſchreibt da in den 60er Jahren des
vorigen Jahrhunderts ſeinem „lieben Kinde“ über alles Mögliche.
Er leitet die Studien und die Lektüre Anna Gramichs, ſo heißt die
junge Freundin, läßt ſie an den eigenen Arbeiten und Sorgen teil-
nehmen und zeigt überall das freundlichſte Intereſſe an dem Schick-
ſal des jungen Mädchens. Es gibt faſt keine hervorragendere Per-
ſönlichkeit aus jener Zeit, die nicht durch dieſes Buch ginge: König
Ludwig II. und Richard Wagner, Hans von Bülow, Döllingers
Freund Lord Acton und zahlloſe Schriftſteller und Gelehrte, die
den weiten Intereſſenkreis Döllingers füllten, von dem man einſt
geſagt hat, daß er das univerſellſte Wiſſen ſeiner Zeit beſitze. Die
Anmerkungen tragen viel zum Verſtändnis der Briefe und ihrer
Andeutungen bei, ja ſie wiederholen ſogar oft ſchon Geſagtes, nur
einmal im 42. Briefe (im ganzen ſind es 100) laſſen ſie uns im Stich.
Aber es iſt wohl anzunehmen, daß dort Schakeſpeare gemeint iſt, den
Döllinger ſeiner Freundin geſchickt hat. Merkwürdigerweiſe fehlt
gerade dieſer Dichter, der ſpäter noch namentlich erwähnt wird, im
Perſonenregiſter. Druck und Ausſtattung dieſer prächtigen Brief-
ſammlung, in der man nur die Antworten Anna Gramichs an Döl-
linger entbehrt (es ſind nur die Bruchſtücke vorhanden) würden das
Buch von ſelbſt allein ſchon empfehlen, wenn nicht der wertvolle
Inhalt ſchon unſer lebhafteſtes Intereſſe zu erwecken imſtande wäre.
A. v. M.
Eine billige Kriegskarte (G. Freytag, Die Grenzgebiete
Oeſterreich-Ungarns und Serbiens, 1:1,250,000,
1914) in ſehr hübſcher farbiger Ausführung iſt eben bei G. Freytag
& Berndt, Wien, VII. erſchienen und gegen Einſendung von 35 h
(30 Pfg.) in Briefmarken von jeder Buchhandlung, event. vom Ver-
lage zu beziehen. Auch die vorzügliche Freytagſche Karte der
Balkanhalbinſel 1:1,250,000 (Preis K 1.20 = M 1.—) liegt in
neuer Auflage vor und ſei ebenſo, wie die erſterwähnte Karte
unſeren Leſern beſtens empfohlen.
Handel und Jnduſtrie
Kriegsbilanz.
Von
W. Prager.
Wir leben in einer Zeit der Ausnahmsgeſetzgebung.
Dies gilt beſonders auf dem Gebiete des Handels, auf dem der
Ausbruch eines Weltkrieges den Erlaß einer Anzahl von Verord-
nungen notwendig gemacht hat, um den erſchütterten geſchäftlichen
Verkehr wenigſtens einigermaßen in Gang zu erhalten. Sah man
auch in Deutſchland von einem allgemeinen Moratorium ab,
ſo traf man doch Erleichterungen für Wechſelverpflichtungen, Hypo-
thekzinszahlungen, man annullierte geſetzliche Vorſchriften, die den
Gläubigern Rechte gegen ihre Schuldner einräumten uſw. Nur
auf einem Gebiete, dem des Effektenhandels konnte nur
ſporadiſch durch die zwangsweiſe Feſtſtellung von Liquidations-
kurſen, Lieferungsterminen für bereits früher abgeſchloſſene Ge-
ſchäfte ein gewiſſer Modus feſtgeſetzt werden. Die Hauptaktion be-
ſtand aber in einem völligen Schluſſe der Börſen, bezw.
einer weitgehenden Unterbindung jeden Verkaufes. Zurzeit läßt
ſich nicht abſehen, wann für den Effektenhandel wieder normale
Verhältniſſe eintreten.
Inzwiſchen ſollte aber nichts unterlaſſen werden, was wenig-
ſtens einer beſtimmten Gattung von deutſchen Werten, den
Staatspapieren von Vorteil ſein könnte. Wir meinen den
Erlaß einer Ausnahmsbeſtimmung für die Bilanzierung ſolcher
Papiere für das Jahr 1914/15 (Auguſt—Auguſt). Der § 261 des
HGB. beſtimmt, daß Wertpapiere und Waren, die einen Börſen-
oder Marktpreis haben, höchſtens zu dem Kurſe oder Marktpreis
des Zeitpunktes für welchen die Bilanz beſtellt wird, ſoferne dieſer
Preis jedoch den Anſchaffungs- oder Herſtellungspreis überſteigt,
höchſtens zu dem letzteren eingeſetzt werden. D. h. alſo: iſt der
Ankaufspreis niedriger als der Preis am Bilanztage, darf man
ein Wertpapier nur zum Ankaufspreis einſetzen; iſt der Ankaufs-
preis aber höher, als der des Bilanztages, ſo muß der entſtandene
Verluſt abgeſchrieben werden. Der Sinn dieſer Beſtimmung iſt
klar; es ſoll einerſeits die Einſtellung fiktiver Gewinne bei den
am Bilanztage vorhandenen Effekten verhindert, andrerſeits
aber ein Verluſt, wenngleich ebenfalls nur fiktiver Natur,
berückſichtigt werden.
Für die Friedenszeit kann einer ſolchen Vorſchrift, ob-
wohl ſie eigentlich unlogiſch iſt, zugeſtimmt werden, da ſie
weſentlich zur Solidität und Wahrhaftigkeit der Bilanz beiträgt.
Anders liegen aber die Dinge in Kriegszeiten; hier iſt eine
höhere Gewalt eingetreten, die auch Ausnahmen auf dem
Gebiete der Bilanzvorſchriften zur Folge haben ſollte.
Selbſtverſtändlich kann es indeſſen nicht angehen, für alle Arten
von Wertpapieren oder felbſt nur für größere Gruppen derſelben
Vorſchriften dafür zu erlaſſen, daß nicht der Kurs der Papiere am
Bilanztage maßgebend wäre, ſondern der zu einer früheren
Zeit, vielleicht am Tage vor Ausbruch des Krieges in den Kurs-
blättern feſtgeſetzte Preis, als Bilanzpreis anzuſehen wäre.
Eine ſolche Verordnung würde durchwegs falſche Bilanzen ſchaffen,
wenn nicht gleichzeitig an Stelle des nicht abgeſchriebenen Verluſtes
ein entſprechender Gegenpoſten als Kursreſerve vorhanden iſt. Eine
ſolche Vorſchrift hätte zur Folge, daß Geſellſchaften Gewinne
ausweiſen könnten, die tatſächlich durch rechneriſch vorhandene aber
nicht gebuchte Kursverluſte weſentlich übertroffen wurden.
Jſt alſo von dem Erlaſſe einer neuen Bilanzvorſchrift im
Allgemeinen abzuſehen, ſo könnte eine ſolche doch für eine
ganz genau beſtimmte Gattung, und zwar die vom Deutſchen
Reiche und den Einzelſtaaten ausgegebenen Obligationen
erlaſſen werden. Schuldtitel, die vom Staate ſelbſt ausgegeben,
für deren Verzinſung er ſelbſt die Verpflichtung übernommen hat,
können überhaupt, beſonders aber in Notfällen, von einem ganz
anderen Standpunkte in bezug auf ihren Wert und ihre Behandlung
beurteilt werden, als andere private Effekten. Gewiſſermaßen
muß der Staat für ſeine Wertpapiere, bezw. für deren Coupons
ebenſo einſtehen, wie für ſeine Banknoten. Entſprechend
dieſer Anſchauung erſchiene ein Geſetz berechtigt, in dem beſtimmt
wird, daß, ſolange der Krieg dauert, derjenige Kurs beſtimmter
Wertpapiere als Bilanzkurs gelten dürfe, der am 25. Juli,
dem ſchon mehrfach zu Regulierungen beſtimmten Abrechnungstage,
feſtgeſtellt wurde. War der Ankaufs-, bezw. Bilanzierungskurs
höher als der am 25. Juli, ſo iſt der bis dahin entſtandene Verluſt
abzuſchreiben, war er niedriger, iſt der Ankaufs-, bezw. letzte
Bilanzierungskurs zu belaſſen. Vermieden ſoll alſo nur werden,
daß die durch den Krieg herbeigeführte Kursverſchlechterung
in der Wertberechnung der Staatspapiere zum Ausbruch kommen
muß.
Die praktiſche Wirkung einer ſolchen Maßregel könnte ſich für
die in ſie einbezogenen Werte ſehr günſtig geſtalten. Sie bewahrt
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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