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Allgemeine Zeitung, Nr. 35, 29. August 1914.

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Allgemeine Zeitung 29. August 1914.
[Spaltenumbruch] daß sie es mit der Eröffnung ihrer Bühnenhäuser so über-
aus eilig haben. Dieser Augustmonat sollte alle Theater ge-
schlossen sehen. Sind wir über den Berg, wissen wir be-
stimmt, daß es uns gelingen wird, die verschworenen Feinde
zu Boden zu werfen, dann sind wir eher geneigt, wieder der
Muse zu lauschen. Wohlgemerkt, der Muse. Nicht der
Kabarett-Dirne und ihren Verwandten. So lange es aber
um Sein oder Nichtsein geht, in diesen Tagen der Fieberglut,
der vulkanischen Erregung, der gewaltigsten Götzendämme-
rung aller Zeiten, möge man uns mit der Scheinwelt aus
Pappendeckel und Leinewand verschonen. Zwischen den
Waffen haben von jeher die Künste geruht, und sie wußten,
warum."



Das sind bittere aber wahre Worte, und wer könnte
heute aufstehen und dem Manne unrecht geben. Er hat nur
eines vergessen, die Helferin, die bei alldem mittat: die
Kritik, die Presse, die zu einem großen Teile beim klassischen
Drama wie beim ernsten Stück mit etwa ausgesprochener
religiös-sittlicher Tendenz vollkommen versagte, sich sichtlich
langweilte oder ganz ausblieb. Oft schon deshalb, weil eine
neue französische Frivolität einen dankbareren Stoff zu einem
Feuilleton bot, als die innerlich längst überwundenen, abge-
standenen Klassiker. Nun werden sie aber alle wieder auf-
leben, die vaterländischen Dramen Schillers, Kleists, Wilden-
bruchs usw. Werden sie nun bei unserem im Geschmack ver-
dorbenen Publikum plötzlich Echo und Anklang finden? Viel-
leicht, wenn der Krieg seine luftreinigende Wirkung ausge-
übt haben wird. Ob aber schon jetzt -- das steht dahin.

Bei uns in München sind die Hofbühnen wenigstens
vorläufig geschlossen. Die anderen Theater aber haben ihre
Pforten eines nach dem anderen wieder eröffnet, und zwar
wirklich unter Siegesfanfaren, wie ich mir in meinem letzten
Theaterbriefe vor drei Wochen die Wiedereröffnung einzig
als möglich gedacht hatte. Schauspielhaus, Gärtnerplatz-
Theater, Lustspielhaus und Volkstheater spielen nun wieder
täglich. Merkwürdigerweise rühren sich auch schon die Varie-
tes, aber selbst diese wagen es nicht mehr, ohne ihrem Spiel-
plan wenigstens eine schüchterne patriotische Note einzufügen.
Ja im Gärtnertheater hat man mit Hilfe der bekanntlich hier
lebenden großen Altistin, Madame Cahier, die nun Frau
Cahier heißt und andauernd versichern läßt, daß sie keine
Französin sei, es versucht, selbst dem leichtsinnigsten Kinde
der Theatermuse, der Operette, patriotische Seiten abzuge-
winnen. Ich habe diesem Versuch, den Straußschen Zigeu-
nerbaron patriotisch zu inokulieren, nicht beiwohnen können,
da mit einer selbst jetzt noch festgehaltenen Gleichzeitigkeit,
am selben Abend im Schauspielhause das gute alte historische
Lustspiel "Zopf und Schwert" des halbvergessenen
Gutzkow zum ersten Male aufgeführt wurde. Ehemals, in
den 80 er und 90 er Jahren, war es noch ein beliebtes Reper-
toirestück unseres Residenztheaters, wo es aber seit etwa
20 Jahren, glaube ich, nicht mehr gegeben wird. Um wie
viel besser es heute noch ist als Dutzende unserer letzten Novi-
täten, konnte man selbst in der Darstellung unseres Schau-
spielhauses sehen, die diesem Kostümstück nicht in allen Teilen
gerecht werden konnte, aber es doch mit seinen Kräften, die
für so ganz andere modernere Aufgaben herangebildet sind,
sehr achtungswert darstellte.

Interessanter war uns die vorhergegangene Wiederauf-
nahme von Max Halbes Schauspiel aus dem Jahre 1812
"Freiheit" zu der der Dichter eigens einen Prolog ver-
faßt hatte. Das Stück ist erst im September vorigen Jahres
an derselben Stelle uraufgeführt und von mir in diesen Blät-
tern damals ausführlicher besprochen worden. Die dies-
malige Aufführung fand in der Hauptsache mit denselben
Kräften statt, nur war Fräulein Rosar für das nach Wien
abgegangene Fräulein Woiwode eingetreten. Jnteressanter
als das Stück, das ja seine damals gewürdigten guten Quali-
täten hat, war uns der Prolog Halbes. Von dem, was wir
von ihm kennen, halten wir diese markige Dichtung für das
Beste, was er bis jetzt geschrieben. Wuchtig schildert er darin
die schönen Errungenschaften eines langen Friedens, aber
auch die üppigen und faulen Schößlinge desselben, die deut-
sche Gutmütigkeit, die überall Freunde sah, um zuletzt so bit-
[Spaltenumbruch] ter enttäuscht zu werden. Der Prolog, der sehr gut für sich
allein bestehen kann, leitet zuletzt über in die Zeit der Frei-
heitskriege, in der Halbes Stück spielt. Nicht immer sind
Dichter die besten Interpreten ihrer Werke, und Halbe ist an
sich kein guter Redner, aber diesmal sprach er, selbst sichtlich
ergriffen, mit so erschütterndem Ernst und heiliger Ueber-
zeugung, daß er einen großen und bleibenden Eindruck auf
die leider nur kleine Zuhörerschaft hinterließ.

Ja man merkt's an allen Dingen: das Jahr 1914 wird
eine große entscheidende Wetterscheide zwischen zwei Zeit-
altern werden, nicht nur in unserer deutschen und in der Ge-
schichte der Menschheit, sondern auch in der der Kunst: hohle
Zeitidole werden fallen, und neue oder vielmehr alte gute
Götter werden wieder auferstehen!



England, die Midgardschlange.
Germanischer Geist, zornglühender Tor,
Nun brich aus dem Mannheim, dem starken, hervor
Mit des deutschen Donners Riesenkraft,
In der Faust des hammers Eichenschaft!
Hoch, hoch die gepanzerte Eisenhand
Und zerschmettre die Schlange Jormungand!
Da liegt sie, des britischen Reiches Brut,
Im Rachen den Geifer verhaltener Wut,
Die Machtgier des staatlichen Ungeheuers
Mit den Augen des züngelnden Dipernfeuers:
Des Weltreichs giftige Diplomatie,
Englands politische Infamie.
Nun reckt sie, die Erdumspinnerin
Von glattem Leib und Tigersinn,
In Tücken ihr haupt aus dem Ozean
Mit züngelnder Zunge und giftigem Zahn,
Und treibt gegen Deutschland die Völkerflut
Aus dem Otterngeist und kaltem Blut.
Doch du, mein Deutschland, kampfglühender Tor,
Du stürm im germanischen Zorn hervor,
Schlag ihr den haken tief in den Schlund
Und laß die Schlange nicht wieder zum Grund:
Des Weltreichs giftige Diplomatie
Und Albions neue Perfidie!
Dein Hammer zerschmettre der Natter das haupt
Zur Sühne für alles, was sie geraubt,
Was sie verschlungen an Menschlichkeit,
Was sie der Welt gebracht an Leid!
Der Meerbedräu'rin den Stahl in den Rachen,
Und den Tod dem politischen Höhlendrachen!
Ihr Völker Europens, vergeßt das nie,
Der Briten Schande und Felonie,
Daß England im blinden, gemeinen hasse
Germanien bekämpft durch die gelbe Rasse!
Wir aber schwören beim deutschen Blut:
Tod, Tod der politischen Gaunerbrut!
Drum Auge um Auge und Zahn um Zahn!
Unser Wille nimmt's auf mit Englands Wahn.
Wir wollen das Blut unserer Brüder rächen
Und müssen Englands Weltmacht brechen,
Das System, das nur noch die Menschheit schändet,
In dem alle Ehre und Treue endet.
Allgemeine Zeitung 29. Auguſt 1914.
[Spaltenumbruch] daß ſie es mit der Eröffnung ihrer Bühnenhäuſer ſo über-
aus eilig haben. Dieſer Auguſtmonat ſollte alle Theater ge-
ſchloſſen ſehen. Sind wir über den Berg, wiſſen wir be-
ſtimmt, daß es uns gelingen wird, die verſchworenen Feinde
zu Boden zu werfen, dann ſind wir eher geneigt, wieder der
Muſe zu lauſchen. Wohlgemerkt, der Muſe. Nicht der
Kabarett-Dirne und ihren Verwandten. So lange es aber
um Sein oder Nichtſein geht, in dieſen Tagen der Fieberglut,
der vulkaniſchen Erregung, der gewaltigſten Götzendämme-
rung aller Zeiten, möge man uns mit der Scheinwelt aus
Pappendeckel und Leinewand verſchonen. Zwiſchen den
Waffen haben von jeher die Künſte geruht, und ſie wußten,
warum.“



Das ſind bittere aber wahre Worte, und wer könnte
heute aufſtehen und dem Manne unrecht geben. Er hat nur
eines vergeſſen, die Helferin, die bei alldem mittat: die
Kritik, die Preſſe, die zu einem großen Teile beim klaſſiſchen
Drama wie beim ernſten Stück mit etwa ausgeſprochener
religiös-ſittlicher Tendenz vollkommen verſagte, ſich ſichtlich
langweilte oder ganz ausblieb. Oft ſchon deshalb, weil eine
neue franzöſiſche Frivolität einen dankbareren Stoff zu einem
Feuilleton bot, als die innerlich längſt überwundenen, abge-
ſtandenen Klaſſiker. Nun werden ſie aber alle wieder auf-
leben, die vaterländiſchen Dramen Schillers, Kleiſts, Wilden-
bruchs uſw. Werden ſie nun bei unſerem im Geſchmack ver-
dorbenen Publikum plötzlich Echo und Anklang finden? Viel-
leicht, wenn der Krieg ſeine luftreinigende Wirkung ausge-
übt haben wird. Ob aber ſchon jetzt — das ſteht dahin.

Bei uns in München ſind die Hofbühnen wenigſtens
vorläufig geſchloſſen. Die anderen Theater aber haben ihre
Pforten eines nach dem anderen wieder eröffnet, und zwar
wirklich unter Siegesfanfaren, wie ich mir in meinem letzten
Theaterbriefe vor drei Wochen die Wiedereröffnung einzig
als möglich gedacht hatte. Schauſpielhaus, Gärtnerplatz-
Theater, Luſtſpielhaus und Volkstheater ſpielen nun wieder
täglich. Merkwürdigerweiſe rühren ſich auch ſchon die Varie-
tés, aber ſelbſt dieſe wagen es nicht mehr, ohne ihrem Spiel-
plan wenigſtens eine ſchüchterne patriotiſche Note einzufügen.
Ja im Gärtnertheater hat man mit Hilfe der bekanntlich hier
lebenden großen Altiſtin, Madame Cahier, die nun Frau
Cahier heißt und andauernd verſichern läßt, daß ſie keine
Franzöſin ſei, es verſucht, ſelbſt dem leichtſinnigſten Kinde
der Theatermuſe, der Operette, patriotiſche Seiten abzuge-
winnen. Ich habe dieſem Verſuch, den Straußſchen Zigeu-
nerbaron patriotiſch zu inokulieren, nicht beiwohnen können,
da mit einer ſelbſt jetzt noch feſtgehaltenen Gleichzeitigkeit,
am ſelben Abend im Schauſpielhauſe das gute alte hiſtoriſche
Luſtſpiel „Zopf und Schwert“ des halbvergeſſenen
Gutzkow zum erſten Male aufgeführt wurde. Ehemals, in
den 80 er und 90 er Jahren, war es noch ein beliebtes Reper-
toireſtück unſeres Reſidenztheaters, wo es aber ſeit etwa
20 Jahren, glaube ich, nicht mehr gegeben wird. Um wie
viel beſſer es heute noch iſt als Dutzende unſerer letzten Novi-
täten, konnte man ſelbſt in der Darſtellung unſeres Schau-
ſpielhauſes ſehen, die dieſem Koſtümſtück nicht in allen Teilen
gerecht werden konnte, aber es doch mit ſeinen Kräften, die
für ſo ganz andere modernere Aufgaben herangebildet ſind,
ſehr achtungswert darſtellte.

Intereſſanter war uns die vorhergegangene Wiederauf-
nahme von Max Halbes Schauſpiel aus dem Jahre 1812
Freiheit“ zu der der Dichter eigens einen Prolog ver-
faßt hatte. Das Stück iſt erſt im September vorigen Jahres
an derſelben Stelle uraufgeführt und von mir in dieſen Blät-
tern damals ausführlicher beſprochen worden. Die dies-
malige Aufführung fand in der Hauptſache mit denſelben
Kräften ſtatt, nur war Fräulein Roſar für das nach Wien
abgegangene Fräulein Woiwode eingetreten. Jntereſſanter
als das Stück, das ja ſeine damals gewürdigten guten Quali-
täten hat, war uns der Prolog Halbes. Von dem, was wir
von ihm kennen, halten wir dieſe markige Dichtung für das
Beſte, was er bis jetzt geſchrieben. Wuchtig ſchildert er darin
die ſchönen Errungenſchaften eines langen Friedens, aber
auch die üppigen und faulen Schößlinge desſelben, die deut-
ſche Gutmütigkeit, die überall Freunde ſah, um zuletzt ſo bit-
[Spaltenumbruch] ter enttäuſcht zu werden. Der Prolog, der ſehr gut für ſich
allein beſtehen kann, leitet zuletzt über in die Zeit der Frei-
heitskriege, in der Halbes Stück ſpielt. Nicht immer ſind
Dichter die beſten Interpreten ihrer Werke, und Halbe iſt an
ſich kein guter Redner, aber diesmal ſprach er, ſelbſt ſichtlich
ergriffen, mit ſo erſchütterndem Ernſt und heiliger Ueber-
zeugung, daß er einen großen und bleibenden Eindruck auf
die leider nur kleine Zuhörerſchaft hinterließ.

Ja man merkt’s an allen Dingen: das Jahr 1914 wird
eine große entſcheidende Wetterſcheide zwiſchen zwei Zeit-
altern werden, nicht nur in unſerer deutſchen und in der Ge-
ſchichte der Menſchheit, ſondern auch in der der Kunſt: hohle
Zeitidole werden fallen, und neue oder vielmehr alte gute
Götter werden wieder auferſtehen!



England, die Midgardſchlange.
Germaniſcher Geiſt, zornglühender Tor,
Nun brich aus dem Mannheim, dem ſtarken, hervor
Mit des deutſchen Donners Rieſenkraft,
In der Fauſt des hammers Eichenſchaft!
Hoch, hoch die gepanzerte Eiſenhand
Und zerſchmettre die Schlange Jormungand!
Da liegt ſie, des britiſchen Reiches Brut,
Im Rachen den Geifer verhaltener Wut,
Die Machtgier des ſtaatlichen Ungeheuers
Mit den Augen des züngelnden Dipernfeuers:
Des Weltreichs giftige Diplomatie,
Englands politiſche Infamie.
Nun reckt ſie, die Erdumſpinnerin
Von glattem Leib und Tigerſinn,
In Tücken ihr haupt aus dem Ozean
Mit züngelnder Zunge und giftigem Zahn,
Und treibt gegen Deutſchland die Völkerflut
Aus dem Otterngeiſt und kaltem Blut.
Doch du, mein Deutſchland, kampfglühender Tor,
Du ſtürm im germaniſchen Zorn hervor,
Schlag ihr den haken tief in den Schlund
Und laß die Schlange nicht wieder zum Grund:
Des Weltreichs giftige Diplomatie
Und Albions neue Perfidie!
Dein Hammer zerſchmettre der Natter das haupt
Zur Sühne für alles, was ſie geraubt,
Was ſie verſchlungen an Menſchlichkeit,
Was ſie der Welt gebracht an Leid!
Der Meerbedräu’rin den Stahl in den Rachen,
Und den Tod dem politiſchen Höhlendrachen!
Ihr Völker Europens, vergeßt das nie,
Der Briten Schande und Felonie,
Daß England im blinden, gemeinen haſſe
Germanien bekämpft durch die gelbe Raſſe!
Wir aber ſchwören beim deutſchen Blut:
Tod, Tod der politiſchen Gaunerbrut!
Drum Auge um Auge und Zahn um Zahn!
Unſer Wille nimmt’s auf mit Englands Wahn.
Wir wollen das Blut unſerer Brüder rächen
Und müſſen Englands Weltmacht brechen,
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In dem alle Ehre und Treue endet.
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[534/0008] Allgemeine Zeitung 29. Auguſt 1914. daß ſie es mit der Eröffnung ihrer Bühnenhäuſer ſo über- aus eilig haben. Dieſer Auguſtmonat ſollte alle Theater ge- ſchloſſen ſehen. Sind wir über den Berg, wiſſen wir be- ſtimmt, daß es uns gelingen wird, die verſchworenen Feinde zu Boden zu werfen, dann ſind wir eher geneigt, wieder der Muſe zu lauſchen. Wohlgemerkt, der Muſe. Nicht der Kabarett-Dirne und ihren Verwandten. So lange es aber um Sein oder Nichtſein geht, in dieſen Tagen der Fieberglut, der vulkaniſchen Erregung, der gewaltigſten Götzendämme- rung aller Zeiten, möge man uns mit der Scheinwelt aus Pappendeckel und Leinewand verſchonen. Zwiſchen den Waffen haben von jeher die Künſte geruht, und ſie wußten, warum.“ Das ſind bittere aber wahre Worte, und wer könnte heute aufſtehen und dem Manne unrecht geben. Er hat nur eines vergeſſen, die Helferin, die bei alldem mittat: die Kritik, die Preſſe, die zu einem großen Teile beim klaſſiſchen Drama wie beim ernſten Stück mit etwa ausgeſprochener religiös-ſittlicher Tendenz vollkommen verſagte, ſich ſichtlich langweilte oder ganz ausblieb. Oft ſchon deshalb, weil eine neue franzöſiſche Frivolität einen dankbareren Stoff zu einem Feuilleton bot, als die innerlich längſt überwundenen, abge- ſtandenen Klaſſiker. Nun werden ſie aber alle wieder auf- leben, die vaterländiſchen Dramen Schillers, Kleiſts, Wilden- bruchs uſw. Werden ſie nun bei unſerem im Geſchmack ver- dorbenen Publikum plötzlich Echo und Anklang finden? Viel- leicht, wenn der Krieg ſeine luftreinigende Wirkung ausge- übt haben wird. Ob aber ſchon jetzt — das ſteht dahin. Bei uns in München ſind die Hofbühnen wenigſtens vorläufig geſchloſſen. Die anderen Theater aber haben ihre Pforten eines nach dem anderen wieder eröffnet, und zwar wirklich unter Siegesfanfaren, wie ich mir in meinem letzten Theaterbriefe vor drei Wochen die Wiedereröffnung einzig als möglich gedacht hatte. Schauſpielhaus, Gärtnerplatz- Theater, Luſtſpielhaus und Volkstheater ſpielen nun wieder täglich. Merkwürdigerweiſe rühren ſich auch ſchon die Varie- tés, aber ſelbſt dieſe wagen es nicht mehr, ohne ihrem Spiel- plan wenigſtens eine ſchüchterne patriotiſche Note einzufügen. Ja im Gärtnertheater hat man mit Hilfe der bekanntlich hier lebenden großen Altiſtin, Madame Cahier, die nun Frau Cahier heißt und andauernd verſichern läßt, daß ſie keine Franzöſin ſei, es verſucht, ſelbſt dem leichtſinnigſten Kinde der Theatermuſe, der Operette, patriotiſche Seiten abzuge- winnen. Ich habe dieſem Verſuch, den Straußſchen Zigeu- nerbaron patriotiſch zu inokulieren, nicht beiwohnen können, da mit einer ſelbſt jetzt noch feſtgehaltenen Gleichzeitigkeit, am ſelben Abend im Schauſpielhauſe das gute alte hiſtoriſche Luſtſpiel „Zopf und Schwert“ des halbvergeſſenen Gutzkow zum erſten Male aufgeführt wurde. Ehemals, in den 80 er und 90 er Jahren, war es noch ein beliebtes Reper- toireſtück unſeres Reſidenztheaters, wo es aber ſeit etwa 20 Jahren, glaube ich, nicht mehr gegeben wird. Um wie viel beſſer es heute noch iſt als Dutzende unſerer letzten Novi- täten, konnte man ſelbſt in der Darſtellung unſeres Schau- ſpielhauſes ſehen, die dieſem Koſtümſtück nicht in allen Teilen gerecht werden konnte, aber es doch mit ſeinen Kräften, die für ſo ganz andere modernere Aufgaben herangebildet ſind, ſehr achtungswert darſtellte. Intereſſanter war uns die vorhergegangene Wiederauf- nahme von Max Halbes Schauſpiel aus dem Jahre 1812 „Freiheit“ zu der der Dichter eigens einen Prolog ver- faßt hatte. Das Stück iſt erſt im September vorigen Jahres an derſelben Stelle uraufgeführt und von mir in dieſen Blät- tern damals ausführlicher beſprochen worden. Die dies- malige Aufführung fand in der Hauptſache mit denſelben Kräften ſtatt, nur war Fräulein Roſar für das nach Wien abgegangene Fräulein Woiwode eingetreten. Jntereſſanter als das Stück, das ja ſeine damals gewürdigten guten Quali- täten hat, war uns der Prolog Halbes. Von dem, was wir von ihm kennen, halten wir dieſe markige Dichtung für das Beſte, was er bis jetzt geſchrieben. Wuchtig ſchildert er darin die ſchönen Errungenſchaften eines langen Friedens, aber auch die üppigen und faulen Schößlinge desſelben, die deut- ſche Gutmütigkeit, die überall Freunde ſah, um zuletzt ſo bit- ter enttäuſcht zu werden. Der Prolog, der ſehr gut für ſich allein beſtehen kann, leitet zuletzt über in die Zeit der Frei- heitskriege, in der Halbes Stück ſpielt. Nicht immer ſind Dichter die beſten Interpreten ihrer Werke, und Halbe iſt an ſich kein guter Redner, aber diesmal ſprach er, ſelbſt ſichtlich ergriffen, mit ſo erſchütterndem Ernſt und heiliger Ueber- zeugung, daß er einen großen und bleibenden Eindruck auf die leider nur kleine Zuhörerſchaft hinterließ. Ja man merkt’s an allen Dingen: das Jahr 1914 wird eine große entſcheidende Wetterſcheide zwiſchen zwei Zeit- altern werden, nicht nur in unſerer deutſchen und in der Ge- ſchichte der Menſchheit, ſondern auch in der der Kunſt: hohle Zeitidole werden fallen, und neue oder vielmehr alte gute Götter werden wieder auferſtehen! Alfred Frhr. v. Menſi. England, die Midgardſchlange. Von Paul Schulze-Berghof. Germaniſcher Geiſt, zornglühender Tor, Nun brich aus dem Mannheim, dem ſtarken, hervor Mit des deutſchen Donners Rieſenkraft, In der Fauſt des hammers Eichenſchaft! Hoch, hoch die gepanzerte Eiſenhand Und zerſchmettre die Schlange Jormungand! Da liegt ſie, des britiſchen Reiches Brut, Im Rachen den Geifer verhaltener Wut, Die Machtgier des ſtaatlichen Ungeheuers Mit den Augen des züngelnden Dipernfeuers: Des Weltreichs giftige Diplomatie, Englands politiſche Infamie. Nun reckt ſie, die Erdumſpinnerin Von glattem Leib und Tigerſinn, In Tücken ihr haupt aus dem Ozean Mit züngelnder Zunge und giftigem Zahn, Und treibt gegen Deutſchland die Völkerflut Aus dem Otterngeiſt und kaltem Blut. Doch du, mein Deutſchland, kampfglühender Tor, Du ſtürm im germaniſchen Zorn hervor, Schlag ihr den haken tief in den Schlund Und laß die Schlange nicht wieder zum Grund: Des Weltreichs giftige Diplomatie Und Albions neue Perfidie! Dein Hammer zerſchmettre der Natter das haupt Zur Sühne für alles, was ſie geraubt, Was ſie verſchlungen an Menſchlichkeit, Was ſie der Welt gebracht an Leid! Der Meerbedräu’rin den Stahl in den Rachen, Und den Tod dem politiſchen Höhlendrachen! Ihr Völker Europens, vergeßt das nie, Der Briten Schande und Felonie, Daß England im blinden, gemeinen haſſe Germanien bekämpft durch die gelbe Raſſe! Wir aber ſchwören beim deutſchen Blut: Tod, Tod der politiſchen Gaunerbrut! Drum Auge um Auge und Zahn um Zahn! Unſer Wille nimmt’s auf mit Englands Wahn. Wir wollen das Blut unſerer Brüder rächen Und müſſen Englands Weltmacht brechen, Das Syſtem, das nur noch die Menſchheit ſchändet, In dem alle Ehre und Treue endet.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Susanne Haaf, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 35, 29. August 1914, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine35_1914/8>, abgerufen am 21.11.2024.