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Allgemeine Zeitung, Nr. 36, 5. September 1914.

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Allgemeine Zeitung 5. September 1914.
[Spaltenumbruch]

Der bekannte Publizist Frank Buffington Brooman schrieb un-
längst warnend in der Britanic New Review: "Der allgemeine Krieg
der Völker Europas würde Japan den besten Vorwand geben, mit
einer halben Million Mann in Jndien einzurücken. Sind aber die
Japaner einmal in dem Kaiserreich, so werden die gesamten Streit-
kräfte Englands späterhin nicht ausreichen, sie wieder hinauszutrei-
ben. Dann ist der Augenblick gekommen, wo die Japaner den Ruf
Asien die Asiaten! erheben werden." Daß solche Prophezeiungen
keine leeren Phantasien sind, geht deutlich aus dem Kommentar eines
japanischen Staatsmanns zum Abschluß des Bündnisses zwischen
London und Tokio hervor: der Vertrag, meinte er, gäbe dank der
Bestimmung, daß Japan verpflichtet sein solle, England in der Er-
haltung seines indischen Besitzes zu unterstützen, das denkbar beste
Mittel an die Hand, gegebenenfalls mit einer halben Million Sol-
daten des Mikado in den britischen Besitz einzurücken und das Wort
von der asiatischen Monroedoktrin an der entscheidenden Stelle zur
Geltung zu bringen. Jmmerhin sind das einstweilen noch in der
Ferne liegende Gefahren für das va banque-spielende England,
denen andere näher liegende und nicht minder bedrohlich zur Seite
stehen. Das japanische Volk ist seiner Abstammung, seinen Lebens-
wurzeln, Gesittungsformen und Entwicklungsstrebigkeiten nach ein
Südsee volk; sein Ausdehnungsdrang ist daher von Natur nicht
nach dem rauhen asiatischen Norden gerichtet, wo seine Pioniere tat-
sächlich nur als Händler und industrielle Unternehmer, nicht aber als
bäuerliche Siedler Erfolge davontragen, sondern nach dem Süden,
nach den Philippinen, Australien und Neuseeland, dem hinterindischen
Archipel und schließlich über den pazifischen Ozean hinüber nach
Mittel- und Südamerika. Einfachste physische Gesetze bestimmen un-
weigerlich diese Wanderrichtung; auf die Geviertmeile berechnet, be-
trägt die Bevölkerung in Japan 335.8, in China (ohne Tributstaaten)
266.0 Köpfe, in den Vereinigten Staaten mit Kolonien dagegen nur
13.7, in Neufeeland 2.5, in Australien 0.6, in Niederländisch-Jndien
0.19. So kann es kein Wunder nehmen, wenn nach der Sidney-Sun
ein japanischer Generalstabsoffizier, der den Ausbruch des europä-
ischen Weltkriegs nach der Mordtat von Serajewo vorausahnte, sich
geäußert hat: Japan wird, abgesehen von kleinen Nebenoperationen,
ruhig abwarten, bis im großen Entscheidungskampf zwischen Drei-
bund und Dreiverband die Würfel gefallen sind. Am Ende dieses
Krieges werden voraussichtlich fast alle Flotten der europäischen
Großmächte zerstört sein, und viele Jahre werden vergehen, um sie
auf den früheren Stand zu bringen. Dann wird der Zeitpunkt ge-
kommen sein, wo wir Japaner unser Ultimatum an Australien und
Neuseeland richten, dann wird unser Heer und unsere Flotte den
britischen Dominien einen Besuch für ewiges Bleiben abstatten." --

Bismarck hat, gerade in bezug auf die asiatischen Machtfragen,
das kategorische politische Pflichtgesetz aufgestellt: "Jede Großmacht,
die außerhalb ihrer Interessensphäre auf die Politik der anderen
Länder zu drücken und einzuwirken sucht, die periklitiert außerhalb
des Gebiets, welches Gott ihr angewiesen hat, die treibt Machtpolitik
und nicht Interessenpolitik, die wirtschaftet auf Prestige hin. Wir
werden das nicht tun..." Niemals hat sich ein Volk schlimmer und
schmachvoller gegen dieses Gebot versündigt als das britische, indem
es die Triarier der gelben Rasse als Kampfgenossen gegen den deut-
schen Gegner sich bestellte. Mit welchen Gefühlen man in Washing-
ton diese Londoner Taktik aufnehmen wird, läßt sich denken. Wird
das ohne hochmütige imperialistische Japan auf solche Weise von
einer abendländischen Großmacht moralisch gestützt, dann besteht nicht
nur für die bis zur ostasiatischen Küste vorgeschobenen Posten des
nordamerikanischen Kolonialbesitzes die größte Gefahr, dann verliert
auch das Sternenbannerreich alle durchschlagkräftigen Waffen, um
sich der mongolischen Einwandererflut zu erwehren, um sich gegen
den Anspruch Japans auf Anerkennung völlig gleicher Rechte seiner
Volksgenossen im Verkehr mit der weißen Rasse zu verteidigen.
New-Yorker Zeitungen melden bereits aufgeregten Tons, England
habe als Kaufpreis der japanischen Waffenhilfe diese Forderung
unter seinen Schutz gestellt, was zweifellos der ohnehin in letzter
Zeit immer brüchiger gewordenen angloamerikanischen Freundschaft
den Rest geben würde.

Jählings, schneller als es irgendwie zu ahnen war, sind die
Schleier, welche den Hintergrund des europäischen Kriegstheaters
verhüllten, zerrissen worden, um fahlen Lichts die gewaltigen säku-
laren Rassenprobleme der pazifischen Machtsphäre erscheinen zu las-
sen. Eine neue Faust erhebt sich gegen Deutschland im fernen Osten!
Wir fürchten auch sie nicht. Im Gegenteil! Mindestens moralisch
muß das kulturverräterische England durch die Aufhetzung Japans
[Spaltenumbruch] unsere Sache am meisten stützen und fördern. Denn nun müssen
aller Welt die Augen darüber aufgehen, wie gerecht unser Kampf
ist, nicht nur als Ringen mit verbissenen und lügnerischen europä-
ischen Feinden, sondern auch als Schildhaltung über die ganze
menschliche Gesittung, welche das perfide, nur seine Geldsackinteressen
vertretende Albion mit Füßen tritt. Deutschland wird aus dieser
Weltkatastrophe als eine andere Nation hinausgehen, als es in den
Krieg eingetreten: nicht nur innerlich gereinigt und neuen zu Gott,
dem Lenker der Heerscharen gewandten Pfingstgeists, sondern auch
nach außen leuchtend in solcher gehobener adeliger Kraft, daß auf
der ganzen Erde der Wahrheits-Karatgehalt des prophetischen Wor-
tes von dem deutschen Wesen, an dem noch einmal die Welt genesen
solle, erkannt werden wird.



Deutschland und England.

Die Beziehungen Englands zu Deutschland waren bis-
her gerade nicht intim, aber auch nicht schlecht. Das unver-
schämte und beleidigende Lärmen der englischen Presse bei
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Deutschen Kaisers hat aber ohne Zweifel tatsächlich die
Situation verschoben. Jedes Land ist für die Tonart seiner
Presse verantwortlich. Die Bedeutung der englischen Presse
ist in dieser Richtung auf dem Kontinent vielleicht über-
schätzt, aber diese Ueberschätzung kommt gegenüber den
rohen und unmotivierten Beleidigungen, wie sie die Mehrheit
der angesehenen englischen Blätter eine Zeitlang gegen
Deutschland gebracht haben, erst recht zur Hebung. Wir
sind weit entfernt, ein Bedauern darüber auszusprechen,
denn wir glauben, daß die Stimmung, wie sie für England
lange Zeit bei uns bestanden hat, solcher Abkühlung be-
durfte. Sie war wohlwollender gegen England als durch
irgendwelche Gegenseitigkeit gerechtfertigt erschien. Sind
wir England nach irgend einer Richtung hin Dank schuldig
für eine freiwillige sympathische Unterstützung der deutschen
Politik? Wir wollen von den Kriegen zu Anfang des
vorigen Jahrhunderts und von dem Siebenjährigen Kriege
nicht sprechen, wo der französische Ausdruck perfides Albion
von seiten Deutschlands angezeigter gewesen wäre, als je
auf französischer Seite; aber von der Zeit des Wiener Kon-
gresses ab, in den deutschen nationalen Fragen, in den
schleswig-holsteinischen, in unseren polnischen Schwierig-
keiten, im französischen Kriege 1870/71, in unseren kolonialen
Verhältnissen -- haben wir da jemals einen Moment erlebt,
wo die deutsche Politik die Empfindung gehabt hätte, daß
England mit uns sympathisiere? Und haben wir jemals
von der englischen Diplomatie erlebt, daß sie ein deutsches
Interesse gefördert hätte? Nach den Freiheitskriegen hat
man dem alten Blücher in England die Hände zerdrückt in
Erinnerung an den Beistand, der zur Niederwerfung des
gefährlichsten Feindes der Engländer geführt hatte; aber
gleichzeitig auf dem Wiener Kongresse war England der
Hauptgegner der deutschen nationalen und der preußischen
dynastischen Interessen, und wenn 1815 Napoleon nicht von
Elba zurückgekommen wäre, so hätten wir es wahrscheinlich
erlebt, daß das Wiener Bündnis zwischen England und
den früheren gemeinsamen Gegnern Frankreich und Oester-
reich sich in blutige Kämpfe gegen die bisherigen Bundes-
genossen gegen Preußen und Rußland ausgesetzt hätte.

Der einzelne Engländer ist für uns sympathisch, die
englische Politik ist niemals wohlwollend für uns gewesen
und die englische Presse hat Deutschland früher ebenso mit
Geringschätzung behandelt, wie sie uns heute feindliche Eifer-
sucht zeigt; ersteres geschah aus Hochmut, letzteres aus Angst
vor dem made in Germany.

(Fürst Bismarck 1890--1898, nach persönlichen Mitteilungen von Her-
mann Hofmann. 1914. II. Band.)



Allgemeine Zeitung 5. September 1914.
[Spaltenumbruch]

Der bekannte Publiziſt Frank Buffington Brooman ſchrieb un-
längſt warnend in der Britanic New Review: „Der allgemeine Krieg
der Völker Europas würde Japan den beſten Vorwand geben, mit
einer halben Million Mann in Jndien einzurücken. Sind aber die
Japaner einmal in dem Kaiſerreich, ſo werden die geſamten Streit-
kräfte Englands ſpäterhin nicht ausreichen, ſie wieder hinauszutrei-
ben. Dann iſt der Augenblick gekommen, wo die Japaner den Ruf
Aſien die Aſiaten! erheben werden.“ Daß ſolche Prophezeiungen
keine leeren Phantaſien ſind, geht deutlich aus dem Kommentar eines
japaniſchen Staatsmanns zum Abſchluß des Bündniſſes zwiſchen
London und Tokio hervor: der Vertrag, meinte er, gäbe dank der
Beſtimmung, daß Japan verpflichtet ſein ſolle, England in der Er-
haltung ſeines indiſchen Beſitzes zu unterſtützen, das denkbar beſte
Mittel an die Hand, gegebenenfalls mit einer halben Million Sol-
daten des Mikado in den britiſchen Beſitz einzurücken und das Wort
von der aſiatiſchen Monroedoktrin an der entſcheidenden Stelle zur
Geltung zu bringen. Jmmerhin ſind das einſtweilen noch in der
Ferne liegende Gefahren für das va banque-ſpielende England,
denen andere näher liegende und nicht minder bedrohlich zur Seite
ſtehen. Das japaniſche Volk iſt ſeiner Abſtammung, ſeinen Lebens-
wurzeln, Geſittungsformen und Entwicklungsſtrebigkeiten nach ein
Südſee volk; ſein Ausdehnungsdrang iſt daher von Natur nicht
nach dem rauhen aſiatiſchen Norden gerichtet, wo ſeine Pioniere tat-
ſächlich nur als Händler und induſtrielle Unternehmer, nicht aber als
bäuerliche Siedler Erfolge davontragen, ſondern nach dem Süden,
nach den Philippinen, Auſtralien und Neuſeeland, dem hinterindiſchen
Archipel und ſchließlich über den pazifiſchen Ozean hinüber nach
Mittel- und Südamerika. Einfachſte phyſiſche Geſetze beſtimmen un-
weigerlich dieſe Wanderrichtung; auf die Geviertmeile berechnet, be-
trägt die Bevölkerung in Japan 335.8, in China (ohne Tributſtaaten)
266.0 Köpfe, in den Vereinigten Staaten mit Kolonien dagegen nur
13.7, in Neufeeland 2.5, in Auſtralien 0.6, in Niederländiſch-Jndien
0.19. So kann es kein Wunder nehmen, wenn nach der Sidney-Sun
ein japaniſcher Generalſtabsoffizier, der den Ausbruch des europä-
iſchen Weltkriegs nach der Mordtat von Serajewo vorausahnte, ſich
geäußert hat: Japan wird, abgeſehen von kleinen Nebenoperationen,
ruhig abwarten, bis im großen Entſcheidungskampf zwiſchen Drei-
bund und Dreiverband die Würfel gefallen ſind. Am Ende dieſes
Krieges werden vorausſichtlich faſt alle Flotten der europäiſchen
Großmächte zerſtört ſein, und viele Jahre werden vergehen, um ſie
auf den früheren Stand zu bringen. Dann wird der Zeitpunkt ge-
kommen ſein, wo wir Japaner unſer Ultimatum an Auſtralien und
Neuſeeland richten, dann wird unſer Heer und unſere Flotte den
britiſchen Dominien einen Beſuch für ewiges Bleiben abſtatten.“ —

Bismarck hat, gerade in bezug auf die aſiatiſchen Machtfragen,
das kategoriſche politiſche Pflichtgeſetz aufgeſtellt: „Jede Großmacht,
die außerhalb ihrer Intereſſenſphäre auf die Politik der anderen
Länder zu drücken und einzuwirken ſucht, die periklitiert außerhalb
des Gebiets, welches Gott ihr angewieſen hat, die treibt Machtpolitik
und nicht Intereſſenpolitik, die wirtſchaftet auf Preſtige hin. Wir
werden das nicht tun...“ Niemals hat ſich ein Volk ſchlimmer und
ſchmachvoller gegen dieſes Gebot verſündigt als das britiſche, indem
es die Triarier der gelben Raſſe als Kampfgenoſſen gegen den deut-
ſchen Gegner ſich beſtellte. Mit welchen Gefühlen man in Waſhing-
ton dieſe Londoner Taktik aufnehmen wird, läßt ſich denken. Wird
das ohne hochmütige imperialiſtiſche Japan auf ſolche Weiſe von
einer abendländiſchen Großmacht moraliſch geſtützt, dann beſteht nicht
nur für die bis zur oſtaſiatiſchen Küſte vorgeſchobenen Poſten des
nordamerikaniſchen Kolonialbeſitzes die größte Gefahr, dann verliert
auch das Sternenbannerreich alle durchſchlagkräftigen Waffen, um
ſich der mongoliſchen Einwandererflut zu erwehren, um ſich gegen
den Anſpruch Japans auf Anerkennung völlig gleicher Rechte ſeiner
Volksgenoſſen im Verkehr mit der weißen Raſſe zu verteidigen.
New-Yorker Zeitungen melden bereits aufgeregten Tons, England
habe als Kaufpreis der japaniſchen Waffenhilfe dieſe Forderung
unter ſeinen Schutz geſtellt, was zweifellos der ohnehin in letzter
Zeit immer brüchiger gewordenen angloamerikaniſchen Freundſchaft
den Reſt geben würde.

Jählings, ſchneller als es irgendwie zu ahnen war, ſind die
Schleier, welche den Hintergrund des europäiſchen Kriegstheaters
verhüllten, zerriſſen worden, um fahlen Lichts die gewaltigen ſäku-
laren Raſſenprobleme der pazifiſchen Machtſphäre erſcheinen zu laſ-
ſen. Eine neue Fauſt erhebt ſich gegen Deutſchland im fernen Oſten!
Wir fürchten auch ſie nicht. Im Gegenteil! Mindeſtens moraliſch
muß das kulturverräteriſche England durch die Aufhetzung Japans
[Spaltenumbruch] unſere Sache am meiſten ſtützen und fördern. Denn nun müſſen
aller Welt die Augen darüber aufgehen, wie gerecht unſer Kampf
iſt, nicht nur als Ringen mit verbiſſenen und lügneriſchen europä-
iſchen Feinden, ſondern auch als Schildhaltung über die ganze
menſchliche Geſittung, welche das perfide, nur ſeine Geldſackintereſſen
vertretende Albion mit Füßen tritt. Deutſchland wird aus dieſer
Weltkataſtrophe als eine andere Nation hinausgehen, als es in den
Krieg eingetreten: nicht nur innerlich gereinigt und neuen zu Gott,
dem Lenker der Heerſcharen gewandten Pfingſtgeiſts, ſondern auch
nach außen leuchtend in ſolcher gehobener adeliger Kraft, daß auf
der ganzen Erde der Wahrheits-Karatgehalt des prophetiſchen Wor-
tes von dem deutſchen Weſen, an dem noch einmal die Welt geneſen
ſolle, erkannt werden wird.



Deutſchland und England.

Die Beziehungen Englands zu Deutſchland waren bis-
her gerade nicht intim, aber auch nicht ſchlecht. Das unver-
ſchämte und beleidigende Lärmen der engliſchen Preſſe bei
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Deutſchen Kaiſers hat aber ohne Zweifel tatſächlich die
Situation verſchoben. Jedes Land iſt für die Tonart ſeiner
Preſſe verantwortlich. Die Bedeutung der engliſchen Preſſe
iſt in dieſer Richtung auf dem Kontinent vielleicht über-
ſchätzt, aber dieſe Ueberſchätzung kommt gegenüber den
rohen und unmotivierten Beleidigungen, wie ſie die Mehrheit
der angeſehenen engliſchen Blätter eine Zeitlang gegen
Deutſchland gebracht haben, erſt recht zur Hebung. Wir
ſind weit entfernt, ein Bedauern darüber auszuſprechen,
denn wir glauben, daß die Stimmung, wie ſie für England
lange Zeit bei uns beſtanden hat, ſolcher Abkühlung be-
durfte. Sie war wohlwollender gegen England als durch
irgendwelche Gegenſeitigkeit gerechtfertigt erſchien. Sind
wir England nach irgend einer Richtung hin Dank ſchuldig
für eine freiwillige ſympathiſche Unterſtützung der deutſchen
Politik? Wir wollen von den Kriegen zu Anfang des
vorigen Jahrhunderts und von dem Siebenjährigen Kriege
nicht ſprechen, wo der franzöſiſche Ausdruck perfides Albion
von ſeiten Deutſchlands angezeigter geweſen wäre, als je
auf franzöſiſcher Seite; aber von der Zeit des Wiener Kon-
greſſes ab, in den deutſchen nationalen Fragen, in den
ſchleswig-holſteiniſchen, in unſeren polniſchen Schwierig-
keiten, im franzöſiſchen Kriege 1870/71, in unſeren kolonialen
Verhältniſſen — haben wir da jemals einen Moment erlebt,
wo die deutſche Politik die Empfindung gehabt hätte, daß
England mit uns ſympathiſiere? Und haben wir jemals
von der engliſchen Diplomatie erlebt, daß ſie ein deutſches
Intereſſe gefördert hätte? Nach den Freiheitskriegen hat
man dem alten Blücher in England die Hände zerdrückt in
Erinnerung an den Beiſtand, der zur Niederwerfung des
gefährlichſten Feindes der Engländer geführt hatte; aber
gleichzeitig auf dem Wiener Kongreſſe war England der
Hauptgegner der deutſchen nationalen und der preußiſchen
dynaſtiſchen Intereſſen, und wenn 1815 Napoleon nicht von
Elba zurückgekommen wäre, ſo hätten wir es wahrſcheinlich
erlebt, daß das Wiener Bündnis zwiſchen England und
den früheren gemeinſamen Gegnern Frankreich und Oeſter-
reich ſich in blutige Kämpfe gegen die bisherigen Bundes-
genoſſen gegen Preußen und Rußland ausgeſetzt hätte.

Der einzelne Engländer iſt für uns ſympathiſch, die
engliſche Politik iſt niemals wohlwollend für uns geweſen
und die engliſche Preſſe hat Deutſchland früher ebenſo mit
Geringſchätzung behandelt, wie ſie uns heute feindliche Eifer-
ſucht zeigt; erſteres geſchah aus Hochmut, letzteres aus Angſt
vor dem made in Germany.

(Fürſt Bismarck 1890—1898, nach perſönlichen Mitteilungen von Her-
mann Hofmann. 1914. II. Band.)



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[544/0006] Allgemeine Zeitung 5. September 1914. Der bekannte Publiziſt Frank Buffington Brooman ſchrieb un- längſt warnend in der Britanic New Review: „Der allgemeine Krieg der Völker Europas würde Japan den beſten Vorwand geben, mit einer halben Million Mann in Jndien einzurücken. Sind aber die Japaner einmal in dem Kaiſerreich, ſo werden die geſamten Streit- kräfte Englands ſpäterhin nicht ausreichen, ſie wieder hinauszutrei- ben. Dann iſt der Augenblick gekommen, wo die Japaner den Ruf Aſien die Aſiaten! erheben werden.“ Daß ſolche Prophezeiungen keine leeren Phantaſien ſind, geht deutlich aus dem Kommentar eines japaniſchen Staatsmanns zum Abſchluß des Bündniſſes zwiſchen London und Tokio hervor: der Vertrag, meinte er, gäbe dank der Beſtimmung, daß Japan verpflichtet ſein ſolle, England in der Er- haltung ſeines indiſchen Beſitzes zu unterſtützen, das denkbar beſte Mittel an die Hand, gegebenenfalls mit einer halben Million Sol- daten des Mikado in den britiſchen Beſitz einzurücken und das Wort von der aſiatiſchen Monroedoktrin an der entſcheidenden Stelle zur Geltung zu bringen. Jmmerhin ſind das einſtweilen noch in der Ferne liegende Gefahren für das va banque-ſpielende England, denen andere näher liegende und nicht minder bedrohlich zur Seite ſtehen. Das japaniſche Volk iſt ſeiner Abſtammung, ſeinen Lebens- wurzeln, Geſittungsformen und Entwicklungsſtrebigkeiten nach ein Südſee volk; ſein Ausdehnungsdrang iſt daher von Natur nicht nach dem rauhen aſiatiſchen Norden gerichtet, wo ſeine Pioniere tat- ſächlich nur als Händler und induſtrielle Unternehmer, nicht aber als bäuerliche Siedler Erfolge davontragen, ſondern nach dem Süden, nach den Philippinen, Auſtralien und Neuſeeland, dem hinterindiſchen Archipel und ſchließlich über den pazifiſchen Ozean hinüber nach Mittel- und Südamerika. Einfachſte phyſiſche Geſetze beſtimmen un- weigerlich dieſe Wanderrichtung; auf die Geviertmeile berechnet, be- trägt die Bevölkerung in Japan 335.8, in China (ohne Tributſtaaten) 266.0 Köpfe, in den Vereinigten Staaten mit Kolonien dagegen nur 13.7, in Neufeeland 2.5, in Auſtralien 0.6, in Niederländiſch-Jndien 0.19. So kann es kein Wunder nehmen, wenn nach der Sidney-Sun ein japaniſcher Generalſtabsoffizier, der den Ausbruch des europä- iſchen Weltkriegs nach der Mordtat von Serajewo vorausahnte, ſich geäußert hat: Japan wird, abgeſehen von kleinen Nebenoperationen, ruhig abwarten, bis im großen Entſcheidungskampf zwiſchen Drei- bund und Dreiverband die Würfel gefallen ſind. Am Ende dieſes Krieges werden vorausſichtlich faſt alle Flotten der europäiſchen Großmächte zerſtört ſein, und viele Jahre werden vergehen, um ſie auf den früheren Stand zu bringen. Dann wird der Zeitpunkt ge- kommen ſein, wo wir Japaner unſer Ultimatum an Auſtralien und Neuſeeland richten, dann wird unſer Heer und unſere Flotte den britiſchen Dominien einen Beſuch für ewiges Bleiben abſtatten.“ — Bismarck hat, gerade in bezug auf die aſiatiſchen Machtfragen, das kategoriſche politiſche Pflichtgeſetz aufgeſtellt: „Jede Großmacht, die außerhalb ihrer Intereſſenſphäre auf die Politik der anderen Länder zu drücken und einzuwirken ſucht, die periklitiert außerhalb des Gebiets, welches Gott ihr angewieſen hat, die treibt Machtpolitik und nicht Intereſſenpolitik, die wirtſchaftet auf Preſtige hin. Wir werden das nicht tun...“ Niemals hat ſich ein Volk ſchlimmer und ſchmachvoller gegen dieſes Gebot verſündigt als das britiſche, indem es die Triarier der gelben Raſſe als Kampfgenoſſen gegen den deut- ſchen Gegner ſich beſtellte. Mit welchen Gefühlen man in Waſhing- ton dieſe Londoner Taktik aufnehmen wird, läßt ſich denken. Wird das ohne hochmütige imperialiſtiſche Japan auf ſolche Weiſe von einer abendländiſchen Großmacht moraliſch geſtützt, dann beſteht nicht nur für die bis zur oſtaſiatiſchen Küſte vorgeſchobenen Poſten des nordamerikaniſchen Kolonialbeſitzes die größte Gefahr, dann verliert auch das Sternenbannerreich alle durchſchlagkräftigen Waffen, um ſich der mongoliſchen Einwandererflut zu erwehren, um ſich gegen den Anſpruch Japans auf Anerkennung völlig gleicher Rechte ſeiner Volksgenoſſen im Verkehr mit der weißen Raſſe zu verteidigen. New-Yorker Zeitungen melden bereits aufgeregten Tons, England habe als Kaufpreis der japaniſchen Waffenhilfe dieſe Forderung unter ſeinen Schutz geſtellt, was zweifellos der ohnehin in letzter Zeit immer brüchiger gewordenen angloamerikaniſchen Freundſchaft den Reſt geben würde. Jählings, ſchneller als es irgendwie zu ahnen war, ſind die Schleier, welche den Hintergrund des europäiſchen Kriegstheaters verhüllten, zerriſſen worden, um fahlen Lichts die gewaltigen ſäku- laren Raſſenprobleme der pazifiſchen Machtſphäre erſcheinen zu laſ- ſen. Eine neue Fauſt erhebt ſich gegen Deutſchland im fernen Oſten! Wir fürchten auch ſie nicht. Im Gegenteil! Mindeſtens moraliſch muß das kulturverräteriſche England durch die Aufhetzung Japans unſere Sache am meiſten ſtützen und fördern. Denn nun müſſen aller Welt die Augen darüber aufgehen, wie gerecht unſer Kampf iſt, nicht nur als Ringen mit verbiſſenen und lügneriſchen europä- iſchen Feinden, ſondern auch als Schildhaltung über die ganze menſchliche Geſittung, welche das perfide, nur ſeine Geldſackintereſſen vertretende Albion mit Füßen tritt. Deutſchland wird aus dieſer Weltkataſtrophe als eine andere Nation hinausgehen, als es in den Krieg eingetreten: nicht nur innerlich gereinigt und neuen zu Gott, dem Lenker der Heerſcharen gewandten Pfingſtgeiſts, ſondern auch nach außen leuchtend in ſolcher gehobener adeliger Kraft, daß auf der ganzen Erde der Wahrheits-Karatgehalt des prophetiſchen Wor- tes von dem deutſchen Weſen, an dem noch einmal die Welt geneſen ſolle, erkannt werden wird. Dr. Frhr. v. Mackay. Deutſchland und England. Von Fürſt Bismarck. (28. Januar 1896.) Die Beziehungen Englands zu Deutſchland waren bis- her gerade nicht intim, aber auch nicht ſchlecht. Das unver- ſchämte und beleidigende Lärmen der engliſchen Preſſe bei Gelegenheit einer perſönlichen Meinungsäußerung des Deutſchen Kaiſers hat aber ohne Zweifel tatſächlich die Situation verſchoben. Jedes Land iſt für die Tonart ſeiner Preſſe verantwortlich. Die Bedeutung der engliſchen Preſſe iſt in dieſer Richtung auf dem Kontinent vielleicht über- ſchätzt, aber dieſe Ueberſchätzung kommt gegenüber den rohen und unmotivierten Beleidigungen, wie ſie die Mehrheit der angeſehenen engliſchen Blätter eine Zeitlang gegen Deutſchland gebracht haben, erſt recht zur Hebung. Wir ſind weit entfernt, ein Bedauern darüber auszuſprechen, denn wir glauben, daß die Stimmung, wie ſie für England lange Zeit bei uns beſtanden hat, ſolcher Abkühlung be- durfte. Sie war wohlwollender gegen England als durch irgendwelche Gegenſeitigkeit gerechtfertigt erſchien. Sind wir England nach irgend einer Richtung hin Dank ſchuldig für eine freiwillige ſympathiſche Unterſtützung der deutſchen Politik? Wir wollen von den Kriegen zu Anfang des vorigen Jahrhunderts und von dem Siebenjährigen Kriege nicht ſprechen, wo der franzöſiſche Ausdruck perfides Albion von ſeiten Deutſchlands angezeigter geweſen wäre, als je auf franzöſiſcher Seite; aber von der Zeit des Wiener Kon- greſſes ab, in den deutſchen nationalen Fragen, in den ſchleswig-holſteiniſchen, in unſeren polniſchen Schwierig- keiten, im franzöſiſchen Kriege 1870/71, in unſeren kolonialen Verhältniſſen — haben wir da jemals einen Moment erlebt, wo die deutſche Politik die Empfindung gehabt hätte, daß England mit uns ſympathiſiere? Und haben wir jemals von der engliſchen Diplomatie erlebt, daß ſie ein deutſches Intereſſe gefördert hätte? Nach den Freiheitskriegen hat man dem alten Blücher in England die Hände zerdrückt in Erinnerung an den Beiſtand, der zur Niederwerfung des gefährlichſten Feindes der Engländer geführt hatte; aber gleichzeitig auf dem Wiener Kongreſſe war England der Hauptgegner der deutſchen nationalen und der preußiſchen dynaſtiſchen Intereſſen, und wenn 1815 Napoleon nicht von Elba zurückgekommen wäre, ſo hätten wir es wahrſcheinlich erlebt, daß das Wiener Bündnis zwiſchen England und den früheren gemeinſamen Gegnern Frankreich und Oeſter- reich ſich in blutige Kämpfe gegen die bisherigen Bundes- genoſſen gegen Preußen und Rußland ausgeſetzt hätte. Der einzelne Engländer iſt für uns ſympathiſch, die engliſche Politik iſt niemals wohlwollend für uns geweſen und die engliſche Preſſe hat Deutſchland früher ebenſo mit Geringſchätzung behandelt, wie ſie uns heute feindliche Eifer- ſucht zeigt; erſteres geſchah aus Hochmut, letzteres aus Angſt vor dem made in Germany. (Fürſt Bismarck 1890—1898, nach perſönlichen Mitteilungen von Her- mann Hofmann. 1914. II. Band.)

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 36, 5. September 1914, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine36_1914/6>, abgerufen am 21.11.2024.