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Allgemeine Zeitung, Nr. 36, 5. September 1914.

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5. September 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch]
Der neue Papst.

Der Krieg nimmt so sehr das ganze öffentliche Interesse in An-
spruch, daß sowohl der Tod des Papstes Pius X. sowie die Papst-
wahl nicht entfernt jenes Aufsehen erregt, wie es sonst wohl der Fall
wäre. Verhältnismäßig rasch und still hat sich die Papstwahl in
einem kurzen Konklave vollzogen. Nach mehreren Wahlgängen
wurde der Kardinal Della Chiesa zum Papst gewählt. Er ist
zu Pegli bei Genua am 21. November 1854 als Marquis Della Chiesa
geboren und erst am 25. Mai dieses Jahres vom verstorbenen Papst
zum Kardinal ernannt worden. Er war die rechte Hand des ver-
storbenen Rampolla, der ihn in die diplomatische Laufbahn zog.
Der neue Papst hat den Namen Benedikt XV. angenommen,
und man erwartet sich in eingeweihten Kreisen von ihm ein zwar
temperamentvolles und energisches, aber doch kluges und versöhn-
liches Kirchenregiment.

Wissenschaft und Technik
Der Rassenwert der Russen.

Graf Gobineau, der berühmte Rassenforscher, hat in seinem
großen grundlegenden Werke "Versuch über die Ungleichheit der
Menschenrassen", im vierten Bande desselben, auch seine Ansicht
über den Rassenwert der Slawen und insbesondere der Russen
niedergelegt. Wenn auch dieses sein Werk in der wissenschaftlichen
Welt vielumstritten dasteht, ist es doch so bedeutend, das die Mei-
nung des Verfassers gerade in diesen ernsten Tagen gehört zu
werden verdient und mindestens Interesse erregen wird. Graf
Gobineau sagt darin:

"Man wäge diesen Satz wohl und prüse seine Grundlagen; es
gibt in der Welt ein großes slawisches Reich, das erste und einzige,
das der Prüfung der Zeiten standgehalten hat, und dieses erste und
einzige Denkmal staatsmännischen Geistes verdankt unbestreitbar
seinen Ursprung den Dynastien der Waräger, oder mit anderen
Worten der Normannen. Indessen hat an dieser staatlichen Grün-
dung nur die Tatsache ihres Daseins etwas Germanisches. Nichts
ist leichter zu begreifen. Die Normannen haben den Charakter
ihrer Untertanen nicht umgewandelt; sie waren zu wenig zahlreich,
um ein derartiges Ergebnis zu erreichen. Sie haben sich in den
volkreichen Massen verloren, die um sie her nur immer noch zu-
nahmen, und über die der entkräftende Einfluß des finnischen
Blutes in Folge der tatarischen Einfälle des Mittelalters ohne
Unterlaß und ohne Maßen immer noch mehr hereinbrach.

Alles wäre zu Ende gewesen, selbst der Instinkt des Zusam-
menhaltes, wenn nicht beizeiten ein Eingreifen der Vorsehung
dieses Reich unter den Einfluß zurückgeführt hätte, der ihm das
Dasein verliehen hatte; und dieser hat bis heute hingereicht, um
die schlimmsten Wirkungen des slawischen Geistes wieder auszu-
gleichen. Das Hinzukommen der deutschen Provinzen, die Thron-
besteigung seitens der deutschen Fürsten, eine Menge deutscher, eng-
lischer, französischer, italienischer Verwalter, Feldherren, Gelehrten,
Künstler und Handwerker, die langsam, aber ununterbrochen einge-
wandert sind, haben die nationalen Instinkte fort und fort unter-
jocht gehalten und sie wider Willen zu der Ehre gezwungen, eine
große Rolle in Europa zu spielen. Alles, was in Rußland einige
politische Lebenskraft zeigt in dem Sinne, wie das Abendland dieses
Wort versteht, Alles, was dieses Land wenigstens in den Formen
der germanischen Zivilisation annähert, ist ihm von außen ge-
kommen.

Es ist möglich, daß dieser Zustand sich während einer mehr oder
minder langen Zeit erhält, aber im Grunde hat er nichts an der
organischen Trägheit der einheimischen Rasse geändert, und ohne
Grund stellt man sich die wendische Rasse als gefährlich für die Frei-
heit des Abendlandes vor. Man hat sie sich sehr mit Unrecht
erobernd gedacht. Einige in Täuschung befangene Geister haben
es sich beikommen lassen, sie darum, weil sie sie wenig befähigt
sahen, sich zu selbständigen Begriffen von sozialer Vervollkommnung
zu erheben, für jung, jungfräulich und voller Saft und Kraft, die
nur noch nicht in Fluß geraten, zu erklären. Das sind lauter schöne
Träume. Die Slawen sind eine der ältesten, verbrauchtesten, meist-
gemischten, entartetsten Familien, die es gibt. Sie waren noch vor
[Spaltenumbruch] den Kelten erschöpft. Die Normannen haben ihnen die Kohäsion
gegeben, die sich in sich selbst nicht besaßen. Diese Kohäsion ver-
lor sich, als das eingedrungene skandinavische Blut aufgesaugt war.
Einslüsse Auswärtiger haben sie wiederhergestellt und erhalten sie;
aber diese Fremden selbst haben im Grunde nur mäßigen Wert;
es steht ihnen eine reiche Erfahrung, sowie Uebung und Fertig-
keit in allem, was die Zivilisation Herkömmliches mit sich bringt,
zur Verfügung; aber es fehlt ihnen an Ideen wie an Initiative,
und so können sie auch ihren Zöglingen nicht geben, was sie selbst
nicht besitzen.

Dem Abendlande gegenüber können die Slawen nur eine ganz
untergeordnete soziale Stellung einnehmen, und da sie insofern zu
der Rolle von Nachtretern und Schülern der modernen Zivilisation
verurteilt sind, so würden sie in der zukünftigen wie in der vergan-
genen Geschichte eine fast nichtssagende Rolle spielen, wenn die
geographische Lage ihrer Gebiete ihnen nicht eine Aufgabe sicherte,
die in der Tat zu den allerbedeutendsten gehört. An die Grenzen
Europas und Asiens versetzt, bilden sie einen natürlichen Ueber-
gang zwischen ihren Verwandten im Westen und ihren östlichen
Verwandten mongolischer Rasse. Sie verknüpfen diese beiden
Massen, die einander nicht zu kennen wähnen. Sie bilden unzäh-
lige Völkermengen, von Böhmen und der Umgegend von St. Peters-
burg bis an die Grenzen Chinas. Sie erhalten so unter den gelben
Mischlingen der verschiedenen Grade jene ununterbrochene Kette
von Rassenverbindungen, welche heute die nördliche Halbkugel um-
zieht und in welcher eine Stömung verwandter Anlagen und Be-
griffe sich fortbewegt.

Das wäre denn die geschichtliche Rolle, die den Slawen zu-
gefallen ist, zu der sie es nie gebracht haben würden, wenn die Nor-
mannen ihnen nicht die Kraft verliehen hätten, sie zu übernehmen,
und deren Hauptbrennpunkt in Rußland liegt, weil dort die be-
deutendste Menge von Tatkraft von diesen selben Normannen ein-
gepflanzt worden ist. ...

Dem russischen Reiche, einem Uebergangslande zwischen den
gelben Rassen, den semitisierten und romanisierten Völkern des
Südens und Deutschland, fehlt es in der Hauptsache an Gleichartig-
keit; es hat immer nur eine zu schwache Zufuhr von der edlen Art
empfangen und kann sich nur zur unvollkommenen Aneignung von
Entlehnungen aufschwingen, die es auf allen Seiten, bei der helle-
nistischen, wie bei der italischen, wie bei der französischen Schattie-
rung, wie endlich bei dem deutschen Geiste, vorgenommen hat. Und
selbst diese Aneignung ist bei den Massen des Volkes nicht über die
Oberfläche hinausgedrungen."

Feuilleton
Französische Geschütze vor der Feldherrnhalle.
Da steht sie nun, die erste Kriegstrophäe!
Im Schmuck des Eichenlaubs, im Festzugschore
Geleitet ward sie vor des Königs Tore;
Das Volk sich jubelnd drängt in ihre Nähe.
Als ob den Feind es selbst gefangen sähe,
Bestaunt, befühlt es der Geschütze Rohre;
hinein die Jugend horcht mit gier'gem Ohre,
Dran faßt wie zielend, lehnt sie streitbar zähe.
Ein Greis nur abseits steht, in ernstem Ahnen;
Des Schlachtfelds Not erfaßt, die schauerschwere,
Des Sieges Todesnot den Veteranen.
Der Tapfern denkt er, die für Beut und Ehre
hinblutend sanken auf des Ruhmes Bahnen;
Den Helden still geweiht, fließt seine Zähre.


5. September 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch]
Der neue Papſt.

Der Krieg nimmt ſo ſehr das ganze öffentliche Intereſſe in An-
ſpruch, daß ſowohl der Tod des Papſtes Pius X. ſowie die Papſt-
wahl nicht entfernt jenes Aufſehen erregt, wie es ſonſt wohl der Fall
wäre. Verhältnismäßig raſch und ſtill hat ſich die Papſtwahl in
einem kurzen Konklave vollzogen. Nach mehreren Wahlgängen
wurde der Kardinal Della Chieſa zum Papſt gewählt. Er iſt
zu Pegli bei Genua am 21. November 1854 als Marquis Della Chieſa
geboren und erſt am 25. Mai dieſes Jahres vom verſtorbenen Papſt
zum Kardinal ernannt worden. Er war die rechte Hand des ver-
ſtorbenen Rampolla, der ihn in die diplomatiſche Laufbahn zog.
Der neue Papſt hat den Namen Benedikt XV. angenommen,
und man erwartet ſich in eingeweihten Kreiſen von ihm ein zwar
temperamentvolles und energiſches, aber doch kluges und verſöhn-
liches Kirchenregiment.

Wiſſenſchaft und Technik
Der Raſſenwert der Ruſſen.

Graf Gobineau, der berühmte Raſſenforſcher, hat in ſeinem
großen grundlegenden Werke „Verſuch über die Ungleichheit der
Menſchenraſſen“, im vierten Bande desſelben, auch ſeine Anſicht
über den Raſſenwert der Slawen und insbeſondere der Ruſſen
niedergelegt. Wenn auch dieſes ſein Werk in der wiſſenſchaftlichen
Welt vielumſtritten daſteht, iſt es doch ſo bedeutend, das die Mei-
nung des Verfaſſers gerade in dieſen ernſten Tagen gehört zu
werden verdient und mindeſtens Intereſſe erregen wird. Graf
Gobineau ſagt darin:

„Man wäge dieſen Satz wohl und prüſe ſeine Grundlagen; es
gibt in der Welt ein großes ſlawiſches Reich, das erſte und einzige,
das der Prüfung der Zeiten ſtandgehalten hat, und dieſes erſte und
einzige Denkmal ſtaatsmänniſchen Geiſtes verdankt unbeſtreitbar
ſeinen Urſprung den Dynaſtien der Waräger, oder mit anderen
Worten der Normannen. Indeſſen hat an dieſer ſtaatlichen Grün-
dung nur die Tatſache ihres Daſeins etwas Germaniſches. Nichts
iſt leichter zu begreifen. Die Normannen haben den Charakter
ihrer Untertanen nicht umgewandelt; ſie waren zu wenig zahlreich,
um ein derartiges Ergebnis zu erreichen. Sie haben ſich in den
volkreichen Maſſen verloren, die um ſie her nur immer noch zu-
nahmen, und über die der entkräftende Einfluß des finniſchen
Blutes in Folge der tatariſchen Einfälle des Mittelalters ohne
Unterlaß und ohne Maßen immer noch mehr hereinbrach.

Alles wäre zu Ende geweſen, ſelbſt der Inſtinkt des Zuſam-
menhaltes, wenn nicht beizeiten ein Eingreifen der Vorſehung
dieſes Reich unter den Einfluß zurückgeführt hätte, der ihm das
Daſein verliehen hatte; und dieſer hat bis heute hingereicht, um
die ſchlimmſten Wirkungen des ſlawiſchen Geiſtes wieder auszu-
gleichen. Das Hinzukommen der deutſchen Provinzen, die Thron-
beſteigung ſeitens der deutſchen Fürſten, eine Menge deutſcher, eng-
liſcher, franzöſiſcher, italieniſcher Verwalter, Feldherren, Gelehrten,
Künſtler und Handwerker, die langſam, aber ununterbrochen einge-
wandert ſind, haben die nationalen Inſtinkte fort und fort unter-
jocht gehalten und ſie wider Willen zu der Ehre gezwungen, eine
große Rolle in Europa zu ſpielen. Alles, was in Rußland einige
politiſche Lebenskraft zeigt in dem Sinne, wie das Abendland dieſes
Wort verſteht, Alles, was dieſes Land wenigſtens in den Formen
der germaniſchen Ziviliſation annähert, iſt ihm von außen ge-
kommen.

Es iſt möglich, daß dieſer Zuſtand ſich während einer mehr oder
minder langen Zeit erhält, aber im Grunde hat er nichts an der
organiſchen Trägheit der einheimiſchen Raſſe geändert, und ohne
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heit des Abendlandes vor. Man hat ſie ſich ſehr mit Unrecht
erobernd gedacht. Einige in Täuſchung befangene Geiſter haben
es ſich beikommen laſſen, ſie darum, weil ſie ſie wenig befähigt
ſahen, ſich zu ſelbſtändigen Begriffen von ſozialer Vervollkommnung
zu erheben, für jung, jungfräulich und voller Saft und Kraft, die
nur noch nicht in Fluß geraten, zu erklären. Das ſind lauter ſchöne
Träume. Die Slawen ſind eine der älteſten, verbrauchteſten, meiſt-
gemiſchten, entartetſten Familien, die es gibt. Sie waren noch vor
[Spaltenumbruch] den Kelten erſchöpft. Die Normannen haben ihnen die Kohäſion
gegeben, die ſich in ſich ſelbſt nicht beſaßen. Dieſe Kohäſion ver-
lor ſich, als das eingedrungene ſkandinaviſche Blut aufgeſaugt war.
Einſlüſſe Auswärtiger haben ſie wiederhergeſtellt und erhalten ſie;
aber dieſe Fremden ſelbſt haben im Grunde nur mäßigen Wert;
es ſteht ihnen eine reiche Erfahrung, ſowie Uebung und Fertig-
keit in allem, was die Ziviliſation Herkömmliches mit ſich bringt,
zur Verfügung; aber es fehlt ihnen an Ideen wie an Initiative,
und ſo können ſie auch ihren Zöglingen nicht geben, was ſie ſelbſt
nicht beſitzen.

Dem Abendlande gegenüber können die Slawen nur eine ganz
untergeordnete ſoziale Stellung einnehmen, und da ſie inſofern zu
der Rolle von Nachtretern und Schülern der modernen Ziviliſation
verurteilt ſind, ſo würden ſie in der zukünftigen wie in der vergan-
genen Geſchichte eine faſt nichtsſagende Rolle ſpielen, wenn die
geographiſche Lage ihrer Gebiete ihnen nicht eine Aufgabe ſicherte,
die in der Tat zu den allerbedeutendſten gehört. An die Grenzen
Europas und Aſiens verſetzt, bilden ſie einen natürlichen Ueber-
gang zwiſchen ihren Verwandten im Weſten und ihren öſtlichen
Verwandten mongoliſcher Raſſe. Sie verknüpfen dieſe beiden
Maſſen, die einander nicht zu kennen wähnen. Sie bilden unzäh-
lige Völkermengen, von Böhmen und der Umgegend von St. Peters-
burg bis an die Grenzen Chinas. Sie erhalten ſo unter den gelben
Miſchlingen der verſchiedenen Grade jene ununterbrochene Kette
von Raſſenverbindungen, welche heute die nördliche Halbkugel um-
zieht und in welcher eine Stömung verwandter Anlagen und Be-
griffe ſich fortbewegt.

Das wäre denn die geſchichtliche Rolle, die den Slawen zu-
gefallen iſt, zu der ſie es nie gebracht haben würden, wenn die Nor-
mannen ihnen nicht die Kraft verliehen hätten, ſie zu übernehmen,
und deren Hauptbrennpunkt in Rußland liegt, weil dort die be-
deutendſte Menge von Tatkraft von dieſen ſelben Normannen ein-
gepflanzt worden iſt. ...

Dem ruſſiſchen Reiche, einem Uebergangslande zwiſchen den
gelben Raſſen, den ſemitiſierten und romaniſierten Völkern des
Südens und Deutſchland, fehlt es in der Hauptſache an Gleichartig-
keit; es hat immer nur eine zu ſchwache Zufuhr von der edlen Art
empfangen und kann ſich nur zur unvollkommenen Aneignung von
Entlehnungen aufſchwingen, die es auf allen Seiten, bei der helle-
niſtiſchen, wie bei der italiſchen, wie bei der franzöſiſchen Schattie-
rung, wie endlich bei dem deutſchen Geiſte, vorgenommen hat. Und
ſelbſt dieſe Aneignung iſt bei den Maſſen des Volkes nicht über die
Oberfläche hinausgedrungen.“

Feuilleton
Franzöſiſche Geſchütze vor der Feldherrnhalle.
Da ſteht ſie nun, die erſte Kriegstrophäe!
Im Schmuck des Eichenlaubs, im Feſtzugschore
Geleitet ward ſie vor des Königs Tore;
Das Volk ſich jubelnd drängt in ihre Nähe.
Als ob den Feind es ſelbſt gefangen ſähe,
Beſtaunt, befühlt es der Geſchütze Rohre;
hinein die Jugend horcht mit gier’gem Ohre,
Dran faßt wie zielend, lehnt ſie ſtreitbar zähe.
Ein Greis nur abſeits ſteht, in ernſtem Ahnen;
Des Schlachtfelds Not erfaßt, die ſchauerſchwere,
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Der Tapfern denkt er, die für Beut und Ehre
hinblutend ſanken auf des Ruhmes Bahnen;
Den Helden ſtill geweiht, fließt ſeine Zähre.


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[545/0007] 5. September 1914. Allgemeine Zeitung Der neue Papſt. Der Krieg nimmt ſo ſehr das ganze öffentliche Intereſſe in An- ſpruch, daß ſowohl der Tod des Papſtes Pius X. ſowie die Papſt- wahl nicht entfernt jenes Aufſehen erregt, wie es ſonſt wohl der Fall wäre. Verhältnismäßig raſch und ſtill hat ſich die Papſtwahl in einem kurzen Konklave vollzogen. Nach mehreren Wahlgängen wurde der Kardinal Della Chieſa zum Papſt gewählt. Er iſt zu Pegli bei Genua am 21. November 1854 als Marquis Della Chieſa geboren und erſt am 25. Mai dieſes Jahres vom verſtorbenen Papſt zum Kardinal ernannt worden. Er war die rechte Hand des ver- ſtorbenen Rampolla, der ihn in die diplomatiſche Laufbahn zog. Der neue Papſt hat den Namen Benedikt XV. angenommen, und man erwartet ſich in eingeweihten Kreiſen von ihm ein zwar temperamentvolles und energiſches, aber doch kluges und verſöhn- liches Kirchenregiment. Wiſſenſchaft und Technik Der Raſſenwert der Ruſſen. Graf Gobineau, der berühmte Raſſenforſcher, hat in ſeinem großen grundlegenden Werke „Verſuch über die Ungleichheit der Menſchenraſſen“, im vierten Bande desſelben, auch ſeine Anſicht über den Raſſenwert der Slawen und insbeſondere der Ruſſen niedergelegt. Wenn auch dieſes ſein Werk in der wiſſenſchaftlichen Welt vielumſtritten daſteht, iſt es doch ſo bedeutend, das die Mei- nung des Verfaſſers gerade in dieſen ernſten Tagen gehört zu werden verdient und mindeſtens Intereſſe erregen wird. Graf Gobineau ſagt darin: „Man wäge dieſen Satz wohl und prüſe ſeine Grundlagen; es gibt in der Welt ein großes ſlawiſches Reich, das erſte und einzige, das der Prüfung der Zeiten ſtandgehalten hat, und dieſes erſte und einzige Denkmal ſtaatsmänniſchen Geiſtes verdankt unbeſtreitbar ſeinen Urſprung den Dynaſtien der Waräger, oder mit anderen Worten der Normannen. Indeſſen hat an dieſer ſtaatlichen Grün- dung nur die Tatſache ihres Daſeins etwas Germaniſches. Nichts iſt leichter zu begreifen. Die Normannen haben den Charakter ihrer Untertanen nicht umgewandelt; ſie waren zu wenig zahlreich, um ein derartiges Ergebnis zu erreichen. Sie haben ſich in den volkreichen Maſſen verloren, die um ſie her nur immer noch zu- nahmen, und über die der entkräftende Einfluß des finniſchen Blutes in Folge der tatariſchen Einfälle des Mittelalters ohne Unterlaß und ohne Maßen immer noch mehr hereinbrach. Alles wäre zu Ende geweſen, ſelbſt der Inſtinkt des Zuſam- menhaltes, wenn nicht beizeiten ein Eingreifen der Vorſehung dieſes Reich unter den Einfluß zurückgeführt hätte, der ihm das Daſein verliehen hatte; und dieſer hat bis heute hingereicht, um die ſchlimmſten Wirkungen des ſlawiſchen Geiſtes wieder auszu- gleichen. Das Hinzukommen der deutſchen Provinzen, die Thron- beſteigung ſeitens der deutſchen Fürſten, eine Menge deutſcher, eng- liſcher, franzöſiſcher, italieniſcher Verwalter, Feldherren, Gelehrten, Künſtler und Handwerker, die langſam, aber ununterbrochen einge- wandert ſind, haben die nationalen Inſtinkte fort und fort unter- jocht gehalten und ſie wider Willen zu der Ehre gezwungen, eine große Rolle in Europa zu ſpielen. Alles, was in Rußland einige politiſche Lebenskraft zeigt in dem Sinne, wie das Abendland dieſes Wort verſteht, Alles, was dieſes Land wenigſtens in den Formen der germaniſchen Ziviliſation annähert, iſt ihm von außen ge- kommen. Es iſt möglich, daß dieſer Zuſtand ſich während einer mehr oder minder langen Zeit erhält, aber im Grunde hat er nichts an der organiſchen Trägheit der einheimiſchen Raſſe geändert, und ohne Grund ſtellt man ſich die wendiſche Raſſe als gefährlich für die Frei- heit des Abendlandes vor. Man hat ſie ſich ſehr mit Unrecht erobernd gedacht. Einige in Täuſchung befangene Geiſter haben es ſich beikommen laſſen, ſie darum, weil ſie ſie wenig befähigt ſahen, ſich zu ſelbſtändigen Begriffen von ſozialer Vervollkommnung zu erheben, für jung, jungfräulich und voller Saft und Kraft, die nur noch nicht in Fluß geraten, zu erklären. Das ſind lauter ſchöne Träume. Die Slawen ſind eine der älteſten, verbrauchteſten, meiſt- gemiſchten, entartetſten Familien, die es gibt. Sie waren noch vor den Kelten erſchöpft. Die Normannen haben ihnen die Kohäſion gegeben, die ſich in ſich ſelbſt nicht beſaßen. Dieſe Kohäſion ver- lor ſich, als das eingedrungene ſkandinaviſche Blut aufgeſaugt war. Einſlüſſe Auswärtiger haben ſie wiederhergeſtellt und erhalten ſie; aber dieſe Fremden ſelbſt haben im Grunde nur mäßigen Wert; es ſteht ihnen eine reiche Erfahrung, ſowie Uebung und Fertig- keit in allem, was die Ziviliſation Herkömmliches mit ſich bringt, zur Verfügung; aber es fehlt ihnen an Ideen wie an Initiative, und ſo können ſie auch ihren Zöglingen nicht geben, was ſie ſelbſt nicht beſitzen. Dem Abendlande gegenüber können die Slawen nur eine ganz untergeordnete ſoziale Stellung einnehmen, und da ſie inſofern zu der Rolle von Nachtretern und Schülern der modernen Ziviliſation verurteilt ſind, ſo würden ſie in der zukünftigen wie in der vergan- genen Geſchichte eine faſt nichtsſagende Rolle ſpielen, wenn die geographiſche Lage ihrer Gebiete ihnen nicht eine Aufgabe ſicherte, die in der Tat zu den allerbedeutendſten gehört. An die Grenzen Europas und Aſiens verſetzt, bilden ſie einen natürlichen Ueber- gang zwiſchen ihren Verwandten im Weſten und ihren öſtlichen Verwandten mongoliſcher Raſſe. Sie verknüpfen dieſe beiden Maſſen, die einander nicht zu kennen wähnen. Sie bilden unzäh- lige Völkermengen, von Böhmen und der Umgegend von St. Peters- burg bis an die Grenzen Chinas. Sie erhalten ſo unter den gelben Miſchlingen der verſchiedenen Grade jene ununterbrochene Kette von Raſſenverbindungen, welche heute die nördliche Halbkugel um- zieht und in welcher eine Stömung verwandter Anlagen und Be- griffe ſich fortbewegt. Das wäre denn die geſchichtliche Rolle, die den Slawen zu- gefallen iſt, zu der ſie es nie gebracht haben würden, wenn die Nor- mannen ihnen nicht die Kraft verliehen hätten, ſie zu übernehmen, und deren Hauptbrennpunkt in Rußland liegt, weil dort die be- deutendſte Menge von Tatkraft von dieſen ſelben Normannen ein- gepflanzt worden iſt. ... Dem ruſſiſchen Reiche, einem Uebergangslande zwiſchen den gelben Raſſen, den ſemitiſierten und romaniſierten Völkern des Südens und Deutſchland, fehlt es in der Hauptſache an Gleichartig- keit; es hat immer nur eine zu ſchwache Zufuhr von der edlen Art empfangen und kann ſich nur zur unvollkommenen Aneignung von Entlehnungen aufſchwingen, die es auf allen Seiten, bei der helle- niſtiſchen, wie bei der italiſchen, wie bei der franzöſiſchen Schattie- rung, wie endlich bei dem deutſchen Geiſte, vorgenommen hat. Und ſelbſt dieſe Aneignung iſt bei den Maſſen des Volkes nicht über die Oberfläche hinausgedrungen.“ Feuilleton Franzöſiſche Geſchütze vor der Feldherrnhalle. Von J. Georg Obeltshauſer, Irſchenhauſen. Da ſteht ſie nun, die erſte Kriegstrophäe! Im Schmuck des Eichenlaubs, im Feſtzugschore Geleitet ward ſie vor des Königs Tore; Das Volk ſich jubelnd drängt in ihre Nähe. Als ob den Feind es ſelbſt gefangen ſähe, Beſtaunt, befühlt es der Geſchütze Rohre; hinein die Jugend horcht mit gier’gem Ohre, Dran faßt wie zielend, lehnt ſie ſtreitbar zähe. Ein Greis nur abſeits ſteht, in ernſtem Ahnen; Des Schlachtfelds Not erfaßt, die ſchauerſchwere, Des Sieges Todesnot den Veteranen. Der Tapfern denkt er, die für Beut und Ehre hinblutend ſanken auf des Ruhmes Bahnen; Den Helden ſtill geweiht, fließt ſeine Zähre.

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 36, 5. September 1914, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine36_1914/7>, abgerufen am 01.06.2024.