Allgemeine Zeitung, Nr. 37, 12. September 1914.12. September 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
lösen sich vom deutschen Reiche los, das völlig außer Stand ist, siegegen ihren spanischen Todfeind zu schützen. Die alte Seemacht der deutschen Hansa ist längst verschwunden und von glücklicheren Riva- len auf den Meeren verdrängt. Holland aber, das, vom Deutschen Reiche losgelöst, sich zu einem selbständigen Staate entwickelt, ver- mag ohne den Rückhalt an einem mächtigen deutschen Hinterlande sich der portugiesischen, französischen und zuletzt englischen Rivalen nicht mehr zu erwehren und scheidet zuletzt, nach Anfang so glor- reichen Kämpfen, aus der Reihe der großen Mächte aus. Auf den Trümmern aber der zerstörten spanischen, portugiesischen, franzö- sischen und holländischen Seeherrschaft erhebt sich, alle übertreffend, die englische Weltmacht, welche die Kriege und Händel des Fest- landes geschickt benutzt, um die Herrschaft auf allen Meeren zu er- ringen. Im Osten endlich, am baltischen Strande, gingen die küh- nen kolonisatorischen Gründungen Deutschlands, das Werk seiner Kaufleute und seiner geistlichen Ritterorden nicht minder dem Vaterlande verloren oder kamen unter polnische oder schwedische Oberhoheit. Das russische Volk, das bis Ende des siebzehnten Jahr- hunderts so gut wie ohne allen Einfluß auf die Geschicke Mittel- europas ist, dringt seit Peters des Großen genialem Regimente gegen Westen vor. Estland und Livland, einst der Besitz des deutschen Ritterordens, werden Bestandteile des ungeheuren russischen Reiches, dem sich bei der zweiten Teilung Polens auch endlich Kurland unterwirft. Katharina's II. intrigante Politik macht dem trennenden polnischen Zwischenreiche ein Ende. Rußland wird un- mittelbarer Nachbar Preußens und Oesterreichs, die beide nur, jenes Posen und Westpreußen, dieses Galizien aus der großen polnischen Beute erwerben, während der ganze übrige ungeheure polnische Besitz an Rußland kommt. Zu dem französischen Dränger im Westen erhält unser Vater- Betrachtet man diesen für Deutschland so ungünstigen Entwick- Aber diese ungeschichtliche und ungebührliche Machtentwicklung Früher als wir selber, hat das Ausland geahnt, was das Wie Englands, Rußlands und Frankreichs gefährliches Empor- Wenn man also heute oft die Meinung hört, ein Bündnis des So verrucht die Art ist, mit der dieser Krieg entzündet ist, seine Man sehe sich die Landkarte Deutschlands zu Beginn des fünf- Wenn so die Feindschaft Englands, Frankreichs und Rußlands Brief aus Oesterreich. Th. Wien, 21. August.Wenn diese Zeilen in München eintreffen werden, weiß der [irrelevantes Material] 12. September 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
löſen ſich vom deutſchen Reiche los, das völlig außer Stand iſt, ſiegegen ihren ſpaniſchen Todfeind zu ſchützen. Die alte Seemacht der deutſchen Hanſa iſt längſt verſchwunden und von glücklicheren Riva- len auf den Meeren verdrängt. Holland aber, das, vom Deutſchen Reiche losgelöſt, ſich zu einem ſelbſtändigen Staate entwickelt, ver- mag ohne den Rückhalt an einem mächtigen deutſchen Hinterlande ſich der portugieſiſchen, franzöſiſchen und zuletzt engliſchen Rivalen nicht mehr zu erwehren und ſcheidet zuletzt, nach Anfang ſo glor- reichen Kämpfen, aus der Reihe der großen Mächte aus. Auf den Trümmern aber der zerſtörten ſpaniſchen, portugieſiſchen, franzö- ſiſchen und holländiſchen Seeherrſchaft erhebt ſich, alle übertreffend, die engliſche Weltmacht, welche die Kriege und Händel des Feſt- landes geſchickt benutzt, um die Herrſchaft auf allen Meeren zu er- ringen. Im Oſten endlich, am baltiſchen Strande, gingen die küh- nen koloniſatoriſchen Gründungen Deutſchlands, das Werk ſeiner Kaufleute und ſeiner geiſtlichen Ritterorden nicht minder dem Vaterlande verloren oder kamen unter polniſche oder ſchwediſche Oberhoheit. Das ruſſiſche Volk, das bis Ende des ſiebzehnten Jahr- hunderts ſo gut wie ohne allen Einfluß auf die Geſchicke Mittel- europas iſt, dringt ſeit Peters des Großen genialem Regimente gegen Weſten vor. Eſtland und Livland, einſt der Beſitz des deutſchen Ritterordens, werden Beſtandteile des ungeheuren ruſſiſchen Reiches, dem ſich bei der zweiten Teilung Polens auch endlich Kurland unterwirft. Katharina’s II. intrigante Politik macht dem trennenden polniſchen Zwiſchenreiche ein Ende. Rußland wird un- mittelbarer Nachbar Preußens und Oeſterreichs, die beide nur, jenes Poſen und Weſtpreußen, dieſes Galizien aus der großen polniſchen Beute erwerben, während der ganze übrige ungeheure polniſche Beſitz an Rußland kommt. Zu dem franzöſiſchen Dränger im Weſten erhält unſer Vater- Betrachtet man dieſen für Deutſchland ſo ungünſtigen Entwick- Aber dieſe ungeſchichtliche und ungebührliche Machtentwicklung Früher als wir ſelber, hat das Ausland geahnt, was das Wie Englands, Rußlands und Frankreichs gefährliches Empor- Wenn man alſo heute oft die Meinung hört, ein Bündnis des So verrucht die Art iſt, mit der dieſer Krieg entzündet iſt, ſeine Man ſehe ſich die Landkarte Deutſchlands zu Beginn des fünf- Wenn ſo die Feindſchaft Englands, Frankreichs und Rußlands Brief aus Oeſterreich. Th. Wien, 21. Auguſt.Wenn dieſe Zeilen in München eintreffen werden, weiß der [irrelevantes Material] <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <p><pb facs="#f0009" n="559"/><fw place="top" type="header">12. 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Auf den<lb/> Trümmern aber der zerſtörten ſpaniſchen, portugieſiſchen, franzö-<lb/> ſiſchen und holländiſchen Seeherrſchaft erhebt ſich, alle übertreffend,<lb/> die engliſche Weltmacht, welche die Kriege und Händel des Feſt-<lb/> landes geſchickt benutzt, um die Herrſchaft auf allen Meeren zu er-<lb/> ringen. Im Oſten endlich, am baltiſchen Strande, gingen die küh-<lb/> nen koloniſatoriſchen Gründungen Deutſchlands, das Werk ſeiner<lb/> Kaufleute und ſeiner geiſtlichen Ritterorden nicht minder dem<lb/> Vaterlande verloren oder kamen unter polniſche oder ſchwediſche<lb/> Oberhoheit. Das ruſſiſche Volk, das bis Ende des ſiebzehnten Jahr-<lb/> hunderts ſo gut wie ohne allen Einfluß auf die Geſchicke Mittel-<lb/> europas iſt, dringt ſeit Peters des Großen genialem Regimente<lb/> gegen Weſten vor. 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England hat damals ſchon, vor hundert Jahren, viel<lb/> früher als wir erkannt, was die Einigung Deutſchlands und deſſen<lb/> langgeſtreckte Nord- und Oſtſeeküſte, mit dem Ausblicke auf eine<lb/> ſich entwickelnde deutſche Seemacht, für Englands Handel und Welt-<lb/> ſtellung bedeute.</p><lb/> <cb/> <p>Wie Englands, Rußlands und Frankreichs gefährliches Empor-<lb/> kommen geſchichtlich beruhte auf einem geſchwächten Mitteleuropa,<lb/> und vor allem einem ſchwachen Deutſchland, ſo bedeutet Deutſch-<lb/> lands und Mitteleuropas Erſtarken auch zugleich für ſie eine Er-<lb/> ſchütterung, eine Bedrohung ihrer zur Zeit der deutſchen Schwäche<lb/> gewonnenen unnatürlichen Machtſtellung.</p><lb/> <p>Wenn man alſo heute oft die Meinung hört, ein Bündnis des<lb/> liberalen Englands mit dem autokratiſchen Rußland und des demo-<lb/> kratiſch-radikalen Frankreichs mit dem reaktionären Zarentum ſei<lb/> der Gipfel politiſcher Unvernunft, ſo muß man dagegen ſagen: Das<lb/> gleichmäßige Intereſſe an einem nicht allzu mächtigen Deutſchland,<lb/> an einem ſchwachen Mitteleuropa, führt heute drei Mächte zuſam-<lb/> men, welche ihre Machtentwicklung einſt der Schwäche Deutſchlands<lb/> und Mitteleuropas zu verdanken hatten. 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Wäre das Emporkommen Frankreichs, Englands und<lb/> Rußlands, auch nur denkbar geweſen, wenn das alte Deutſche Reich<lb/> ſich die Machtfülle erhalten hätte, die ihm unter den drei Kaiſer-<lb/> geſchlechtern der Sachſen, Salier und Hohenſtaufen zu eigen war?</p><lb/> <p>Wenn ſo die Feindſchaft Englands, Frankreichs und Rußlands<lb/> gegen uns ihre geſchichtliche Wurzel hat, ſo iſt damit aber auch auf<lb/> der anderen Seite das Ziel gegeben, um das Deutſchland in dieſem<lb/> furchtbaren Kriege kämpfen muß. Unſer Vaterland kämpft um die<lb/> ihm nach ſeiner Geſchichte, ſeiner hervorragenden Kultur, ſeinem<lb/> Geiſtesleben und ſeinem inneren Werte gebührende Machtentwick-<lb/> lung. 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12. September 1914. Allgemeine Zeitung
löſen ſich vom deutſchen Reiche los, das völlig außer Stand iſt, ſie
gegen ihren ſpaniſchen Todfeind zu ſchützen. Die alte Seemacht der
deutſchen Hanſa iſt längſt verſchwunden und von glücklicheren Riva-
len auf den Meeren verdrängt. Holland aber, das, vom Deutſchen
Reiche losgelöſt, ſich zu einem ſelbſtändigen Staate entwickelt, ver-
mag ohne den Rückhalt an einem mächtigen deutſchen Hinterlande
ſich der portugieſiſchen, franzöſiſchen und zuletzt engliſchen Rivalen
nicht mehr zu erwehren und ſcheidet zuletzt, nach Anfang ſo glor-
reichen Kämpfen, aus der Reihe der großen Mächte aus. Auf den
Trümmern aber der zerſtörten ſpaniſchen, portugieſiſchen, franzö-
ſiſchen und holländiſchen Seeherrſchaft erhebt ſich, alle übertreffend,
die engliſche Weltmacht, welche die Kriege und Händel des Feſt-
landes geſchickt benutzt, um die Herrſchaft auf allen Meeren zu er-
ringen. Im Oſten endlich, am baltiſchen Strande, gingen die küh-
nen koloniſatoriſchen Gründungen Deutſchlands, das Werk ſeiner
Kaufleute und ſeiner geiſtlichen Ritterorden nicht minder dem
Vaterlande verloren oder kamen unter polniſche oder ſchwediſche
Oberhoheit. Das ruſſiſche Volk, das bis Ende des ſiebzehnten Jahr-
hunderts ſo gut wie ohne allen Einfluß auf die Geſchicke Mittel-
europas iſt, dringt ſeit Peters des Großen genialem Regimente
gegen Weſten vor. Eſtland und Livland, einſt der Beſitz des deutſchen
Ritterordens, werden Beſtandteile des ungeheuren ruſſiſchen
Reiches, dem ſich bei der zweiten Teilung Polens auch endlich
Kurland unterwirft. Katharina’s II. intrigante Politik macht dem
trennenden polniſchen Zwiſchenreiche ein Ende. Rußland wird un-
mittelbarer Nachbar Preußens und Oeſterreichs, die beide nur, jenes
Poſen und Weſtpreußen, dieſes Galizien aus der großen polniſchen
Beute erwerben, während der ganze übrige ungeheure polniſche
Beſitz an Rußland kommt.
Zu dem franzöſiſchen Dränger im Weſten erhält unſer Vater-
land nun einen ebenſo gefährlichen Nachbarn im Oſten, der bei den
unaufhörlichen Kämpfen, für die nun einmal Deutſchland ſeit dem
dreißigjährigen Kriege das Schlachtfeld geworden iſt, immer mehr
Einfluß auf die Geſchicke unſeres Vaterlandes erhält, ein Einfluß,
der ſich ſeit den napoleoniſchen Kriegen geradezu eine Zeitlang zur
ruſſiſchen Hegemonie in Europa ſteigert.
Betrachtet man dieſen für Deutſchland ſo ungünſtigen Entwick-
lungsgang, ſo ſieht man unſchwer, daß faſt alle neueren europä-
iſchen Kriege ihren tieferen Grund in der Schwächung Mittel-
europas und beſonders Deutſchlands ſeit dem Ausgange des Mittel-
alters, und vor allem ſeit dem dreißigjährigen Kriege, haben. An
die Stelle des machtvollen, nach allen Seiten hin Achtung und
Furcht erweckenden deutſchen Kaiſertums der großen ſächſiſchen,
ſaliſchen und hohenſtaufiſchen Herrſcher iſt allmählich ein innerlich
zerrüttetes, nach außen ohnmächtiges Deutſches Reich getreten, das
ſeine Grenzlande nicht mehr verteidigen konnte. Die Folge iſt eine
völlige Verſchiebung der Machtverhältniſſe in Europa geweſen,
welche Frankreich, Rußland und England auf Deutſchlands Koſten
zu einer Machtentwicklung gebracht hat, welche innerlich durchaus
ungeſchichtlich iſt, und weniger auf der eigenen Kraft jener Staaten,
als vielmehr auf der politiſchen Schwäche Mitteleuropas beruht hat.
Aber dieſe ungeſchichtliche und ungebührliche Machtentwicklung
Englands, Rußlands und Frankreichs auf unſere Koſten mußte ins
Wanken kommen, ſobald Deutſchland dank der hohenzollerſchen
Staatskunſt und dem mit dem Beginne des vorigen Jahrhunderts
erwachſenden deutſchen Nationalgefühl wieder innerlich zu erſtarken
begann. Die Staatskunſt der Hohenzollern und die ſiegreichen
Kriege, die Preußen ſeit dem Ausgange des dreißigjährigen Krieges
führte, ſie bedeuteten für unſere Nachbarn in Europa den Beginn
eines rückläufigen Prozeſſes, durch welche der Machtverſtärkung
unſerer Nachbarn auf Koſten Deutſchlands Halt geboten und wich-
tige Grenzländer wieder dem deutſchen Vaterlande zurückgewonnen
wurden.
Früher als wir ſelber, hat das Ausland geahnt, was das
Emporkommen Preußens und die von dem Hohenzollernſtaate zu
befürchtende Einigung Deutſchlands für ſie bedeute. Darum haben
ſchon auf dem Wiener Kongreſſe nach Beendigung der napoleoni-
ſchen Kriege England, Frankreich und Rußland die Einigung
Deutſchlands mit leider nur allzu großem Erfolge zu verhindern
gewußt. England hat damals ſchon, vor hundert Jahren, viel
früher als wir erkannt, was die Einigung Deutſchlands und deſſen
langgeſtreckte Nord- und Oſtſeeküſte, mit dem Ausblicke auf eine
ſich entwickelnde deutſche Seemacht, für Englands Handel und Welt-
ſtellung bedeute.
Wie Englands, Rußlands und Frankreichs gefährliches Empor-
kommen geſchichtlich beruhte auf einem geſchwächten Mitteleuropa,
und vor allem einem ſchwachen Deutſchland, ſo bedeutet Deutſch-
lands und Mitteleuropas Erſtarken auch zugleich für ſie eine Er-
ſchütterung, eine Bedrohung ihrer zur Zeit der deutſchen Schwäche
gewonnenen unnatürlichen Machtſtellung.
Wenn man alſo heute oft die Meinung hört, ein Bündnis des
liberalen Englands mit dem autokratiſchen Rußland und des demo-
kratiſch-radikalen Frankreichs mit dem reaktionären Zarentum ſei
der Gipfel politiſcher Unvernunft, ſo muß man dagegen ſagen: Das
gleichmäßige Intereſſe an einem nicht allzu mächtigen Deutſchland,
an einem ſchwachen Mitteleuropa, führt heute drei Mächte zuſam-
men, welche ihre Machtentwicklung einſt der Schwäche Deutſchlands
und Mitteleuropas zu verdanken hatten. Alle drei Gegner ſehen
in einer weiteren Erſtarkung Deutſchlands eine Bedrohung ihrer
zurzeit unſerer Ohnmacht erſchlichenen Macht. Das führt ſie zu-
ſammen.
So verrucht die Art iſt, mit der dieſer Krieg entzündet iſt, ſeine
tieferen Urſachen, die Wurzeln des Deutſchenhaſſes bei unſeren
Rivalen liegen Jahrhunderte zurück und offenbaren ſich heute
ebenſo, nur noch in einem weit größeren Umfange, wie bei und
nach dem Kriege des Jahres 1870.
Man ſehe ſich die Landkarte Deutſchlands zu Beginn des fünf-
zehnten Jahrhunderts an! Um das Jahr 1400 ſind Burgund, Ober-
und Niederlothringen, Luxemburg, Hennegau und Brabant Teile
des Deutſchen Reiches; Beſancon, Verdun, Gent, Brüſſel, Antwerpen
waren damals deutſche Städte. Im Oſten aber gingen die Beſitzun-
gen des deutſchen Ordens bis Reval und Narva am finniſchen
Meerbuſen. Wäre das Emporkommen Frankreichs, Englands und
Rußlands, auch nur denkbar geweſen, wenn das alte Deutſche Reich
ſich die Machtfülle erhalten hätte, die ihm unter den drei Kaiſer-
geſchlechtern der Sachſen, Salier und Hohenſtaufen zu eigen war?
Wenn ſo die Feindſchaft Englands, Frankreichs und Rußlands
gegen uns ihre geſchichtliche Wurzel hat, ſo iſt damit aber auch auf
der anderen Seite das Ziel gegeben, um das Deutſchland in dieſem
furchtbaren Kriege kämpfen muß. Unſer Vaterland kämpft um die
ihm nach ſeiner Geſchichte, ſeiner hervorragenden Kultur, ſeinem
Geiſtesleben und ſeinem inneren Werte gebührende Machtentwick-
lung. Ohne behaupten zu wollen, daß Deutſchland nach der Wieder-
gewinnung aller ihm einſt gehörenden Länder ſtreben ſoll, möchte
ich doch ſagen, daß die deutſche Geſchichte die Richtung andeutet,
nach der die Machtentfaltung hinſtreben ſoll, die wir uns bei einem,
wie wir hoffen, ſiegreichen Ausgange des Kampfes zum Ziele ſetzen
müſſen. Im weſentlichen weiſt dieſe Richtung nach Weſten, und
ſchon werden Stimmen laut, welche als Siegespreis Belgien für
Deutſchland fordern. Das in die Nord- und Oſtſee faſt eingeſchloſ-
ſene deutſche Seeweſen drängt zum Weltmeer, zum atlantiſchen
Ozean, den England uns verſchließen möchte. Wird man von Eng-
land einmal ſagen können, daß es uns gegenüber die Rolle des
Böſen in dieſer Welt heute geſpielt habe, das ſtets das Gegenteil
erreicht von dem, was es verruchterweiſe erſtrebt? Iſt heute Eng-
land und Frankreich für uns auch nur „Ein Teil von jener Kraft,
die ſtets das Böſe will, und ſtets das Gute ſchafft?“
Brief aus Oeſterreich.
Th. Wien, 21. Auguſt.
Wenn dieſe Zeilen in München eintreffen werden, weiß der
liebe Himmel. Der letzte von dort an mich gerichtete Brief hat glück-
lich 16 Tage gebraucht. In unſerer, durch ſeine glänzenden Poſt-
verbindungen verwöhnten Zeit empfindet man dieſe unerwartete
Rückverſetzung in die behaglich langſamen Tage, da „Großvater die
Großmutter nahm“ und die „Eilpoſt“ mit Hüh und Hott auf den
noch nicht von Telegraphenſtangen begleiteten Heerſtraßen hinrum-
pelte, beſonders unangenehm, zumal dann, wenn man Berichte ſen-
den ſoll. Allein es iſt dafür geſorgt, daß dieſe Berichte, die bei ſol-
cher Wegdauer ſonſt geſchriebene Anachronismen wären, trotzdem
nicht veralten können: einfach deshalb nicht, weil es über die mili-
täriſchen Weltereigniſſe nichts zu berichten gibt. Die Zenſur waltet
argusäugig ihres Amtes und niemand erfährt anderes als offizielle
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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