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Allgemeine Zeitung, Nr. 37, 12. September 1914.

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Allgemeine Zeitung 12. September 1914.
[Spaltenumbruch] Mitteilungen. Daß dies in unserer indiskreten, von tausenden neu-
gierigen Augen und Ohren belauschten und mit ebensoviel sensations-
gierigen Blätterzungen behafteten Zeit möglich ist, das ist eine Ueber-
raschung, auf die wohl niemand gefaßt war und die einen Respekt
vor der Macht der Staatsgewalt einflößt, die imstande ist, das ge-
samte Nachrichtenwesen, soweit es nicht in ihrem Dienste steht, völlig
zu unterbinden. Daß diese absolute Geheimhaltung der militärischen
Vorgänge in militärischer Hinsicht sehr angebracht und vorteilhaft ist,
liegt auf der Hand, und darauf kommt es ja eben an; demgegenüber
treten die Nachteile dieses Systems zurück. Sie sind mancherlei Art.
Daß die Wiener Zeitungen ihre Leser nicht mit spaltenlangen Sen-
sationsartikeln regalieren können, wie sie dies sonst bei jedem Quark
tun, den sie für "aktuell" halten -- mag es sich nun um die Privat-
skandale irgend einer Schauspielerin oder die Defraudation eines
europamüden Bankdirektors handeln -- das wäre leicht zu ver-
schmerzen; unangenehm empfindet man jedoch das völlige Desorien-
tiertsein, dies um so stärker, je lebhafter man an dem Schicksale des
Vaterlandes Anteil nimmt. Eine andere nachteilige Folge der Ge-
heimhaltung ist die, daß hierdurch ein Nährboden für die abenteuer-
lichsten und unsinnigsten Gerüchte geschaffen wird. Solche schossen
namentlich hinsichtlich Serbiens ins Kraut. So faselte man schon
in den ersten Tagen nach der Kriegserklärung von schweren, nach
Tausenden zählenden Verlusten, untergegangenen Schiffen und der-
gleichen Schaudergeschichten mehr. Besonders charakteristisch für die
absolute Willkür, mit der die Fama die öffentliche Ruhe zu stören
sucht, war das Gerücht, ein österreichisches Regiment -- es war so-
gar dessen Nummer genannt -- habe den Lovcen bei Cattaro ge-
stürmt und sei dabei aufgerieben worden. Und diese falsche Hiobs-
post entstand, wohlgemerkt, zu einer Zeit, da zwischen Montenegro
und der Monarchie noch gar kein Kriegszustand herrschte! Die
Fama hatte sich dieses schlimme Gerücht also sozusagen aus den
Fingern gesogen und dadurch zweifellos alle Familien, die ein Mit-
glied bei dem namhaftgemachten Regimente auf das furchtbarste er-
schreckt. Außer mit derartigen blinden Alarmschüssen wurde die
Oeffentlichkeit übrigens auch mit imaginären Siegesnachrichten zum
besten gehalten: So behauptete man mit wichtigtuender Besserwisser-
Miene, die k. u. k. Armee stünde schon wenige Kilometer von Nisch,
um dort das ganze serbische Heer zu fangen. Für die, die das glaub-
ten, muß es dann eine bittere Enttäuschung gewesen sein, als Mitte
August aus den offiziellen Nachrichten hervorging, daß die k. u. k.
Truppen erst an der Drina und Save kämpften. Die rasche Ein-
nahme von Lüttich durch die Deutschen hatte in Oesterreich eben
eine gewisse Ungeduld erweckt, wobei man auf die vom belgischen
Gelände wesentlich verschiedenen örtlichen und kulturellen Verhält-
nisse auf dem serbischen Kriegsschauplatze zu wenig Bedacht nahm.
Auch verboten die schwachen Friedensstände der k. u. k. Armee
größere Operationen, bevor sie durch die Einreihung der Reservisten
entsprechend ergänzt worden waren. Man wird sich eben daran ge-
wöhnen müssen, etwas geduldiger zu werden, so schwer das auch
fallen wird. Namentlich auf dem nordöstlichen Kriegsschauplatze
dürften die großen Ereignisse noch geraume Weile auf sich warten
lassen, da sich die Russen augenscheinlich immer tiefer in ihr Land
zurückziehen.

Dieser Rückzug darf übrigens, wofern nicht alle Zeichen trügen,
als ein günstiges Symptom für unsere Sache gedeutet werden, denn
es muß mit den inneren Verhältnissen des Riesenreichs doch nicht
aufs beste bestellt sein, wenn es sich dazu entschließen konnte, Polen
kampflos bis über Warschau hinaus zu räumen, nachdem es doch
Jahrzehnte hindurch an der Ausgestaltung dieser Stadt zu einer
Lagerfestung größten Stils gearbeitet hatte.

Auch im Staate Frankreich scheint so manches faul zu sein, und
man möchte fast hoffen: noch ein paar Niederlagen der französischen
Truppen, und der Zusammenbruch des Landes wird seinen Anfang
nehmen.

Die überraschende Geschwindigkeit, mit der die deutschen Heere
sich Lüttichs und Brüssels bemächtigten, haben hier allgemein Be-
wunderung hervorgerufen und die hohe Meinung, die man von der
deutschen Armee hatte, noch bestärkt.

Auf das peinlichste überrascht hat hier dagegen das ganz uner-
wartete Vorgehen Englands, das man einer solchen Handlungsweise
nicht für fähig gehalten hatte. Auf der "Elektrischen" hörte ich
einen, zweifellos den gebildeten Ständen angehörenden Herrn --
noch vor der Kriegserklärung an Deutschland -- mit selbstbewußter
Sicherheit die naive aber bezeichnende Ansicht aussprechen, England
sei "zu vornehm", sich gegen Deutschland zu wenden! ...

[Spaltenumbruch]

Noch mehr aber hat das Ultimatum Japans an Deutschland
verblüfft, da man mit Bestimmtheit auf dessen Hilfe gegen Rußland
gerechnet hat. Es ließe sich über das Kapitel Japan übrigens man-
ches sagen; allein wir haben Respekt vor dem Zensurstift, der darin
einen Anlaß finden könnte, seines Amtes zu walten...

Das Erfreulichste für die Monarchie ist bisher jedenfalls die
Einigkeit, mit der alle Völker des weiten Reichs ihre Kriegsbeile
vergraben und sich zur gemeinsamen Abwehr der Gefahr gefunden
haben. Wer hätte noch acht Tage vorher es für möglich gehalten,
daß in den Straßen Prags abwechselnd "Kde domov muj" und
"Heil Dir im Siegeskranz" gesungen werden könne und daß in
Ungarn das verpönte Gotterhalte angestimmt werden könnel!? Wie
wenig haben die landesüblichen Pessimisten doch die Seele des
Habsburgerreichs gekannt, als sie dessen Untergang für nahe bevor-
stehend prophezeiten! Wie gründlich haben sich seine hierauf lauern-
den Feinde geirrt, die in ungeduldiger Habgier schon die Messer
wetzten, um sich aus dem Leibe der niedergestreckten Austria die
saftigsten Stücke herauszuschneiden!

Diese für alle fernstehenden so überraschende Einigkeit der Völker
Habsburgs wäre aber vielleicht nicht zustandegekommen, wenn das
Parlament noch offen wäre. Hätte man es nicht geschlossen, so wür-
den sich die Herrschaften sicherlich noch heute herumzanken und ihre
schmutzige Privatwäsche vor aller Welt ausbreiten.

Mögen die unvermeidlichen Bitternisse, die das Schicksal uns
noch bescheren wird, die Zuversicht nicht wankend machen. Dies gilt
namentlich im Hinblick auf unsere kleine Flotte, die sich -- wider
alles Erwarten -- vor die Riesenaufgabe gestellt sieht, den Kampf
mit der an Zahl der Schiffe wohl doppelt so starken englisch-franzö-
sischen Mittelmeerflotte aufzunehmen...

Bis diese Zeilen den Lesern vor Augen kommen, werden sich
möglicherweise schon gewaltige Dinge ereignet haben. Mögen es
Siege werden, für Deutschland und für uns!

Feuilleton
All-Deutschlands Sieg.
(Weise: Prinz Eugen, der edle Ritter.)
Zwischen Metz und den Dogesen
Kronzprinz Rupprecht ist's gewesen,
Der hier die Franzosen schlug.
Er, des Bayernlandes Erbe,
Rötete die grüne Erde
Mit dem Blut der Lügenbrut.
Diese kam in großen Haufen,
Doch Prinz Rupprecht lehrt sie laufen
Wie die Hasen in dem Feld.
Und die wack'ren deutschen Reiter
Trieben die Franzosen weiter,
Immer weiter in die Welt.
Diese Tausend rote Hosen,
Acht Armeekorps der Franzosen
Fühlten hier das deutsche Schwert.
Bayern, Schwaben, Baden, Hessen,
Preußen ja nicht zu vergessen,
Zeigten sich der Däter wert.
Kaiser Wilhelm der soll leben,
Bayerns Kronprinz auch daneben,
Der sich hier den Lorbeer wand.
Und nun geht die Hetzjagd weiter,
Immer vorwärts, deutsche Streiter,
Bis an Frankreichs Meeresstrand!

Allgemeine Zeitung 12. September 1914.
[Spaltenumbruch] Mitteilungen. Daß dies in unſerer indiskreten, von tauſenden neu-
gierigen Augen und Ohren belauſchten und mit ebenſoviel ſenſations-
gierigen Blätterzungen behafteten Zeit möglich iſt, das iſt eine Ueber-
raſchung, auf die wohl niemand gefaßt war und die einen Reſpekt
vor der Macht der Staatsgewalt einflößt, die imſtande iſt, das ge-
ſamte Nachrichtenweſen, ſoweit es nicht in ihrem Dienſte ſteht, völlig
zu unterbinden. Daß dieſe abſolute Geheimhaltung der militäriſchen
Vorgänge in militäriſcher Hinſicht ſehr angebracht und vorteilhaft iſt,
liegt auf der Hand, und darauf kommt es ja eben an; demgegenüber
treten die Nachteile dieſes Syſtems zurück. Sie ſind mancherlei Art.
Daß die Wiener Zeitungen ihre Leſer nicht mit ſpaltenlangen Sen-
ſationsartikeln regalieren können, wie ſie dies ſonſt bei jedem Quark
tun, den ſie für „aktuell“ halten — mag es ſich nun um die Privat-
ſkandale irgend einer Schauſpielerin oder die Defraudation eines
europamüden Bankdirektors handeln — das wäre leicht zu ver-
ſchmerzen; unangenehm empfindet man jedoch das völlige Desorien-
tiertſein, dies um ſo ſtärker, je lebhafter man an dem Schickſale des
Vaterlandes Anteil nimmt. Eine andere nachteilige Folge der Ge-
heimhaltung iſt die, daß hierdurch ein Nährboden für die abenteuer-
lichſten und unſinnigſten Gerüchte geſchaffen wird. Solche ſchoſſen
namentlich hinſichtlich Serbiens ins Kraut. So faſelte man ſchon
in den erſten Tagen nach der Kriegserklärung von ſchweren, nach
Tauſenden zählenden Verluſten, untergegangenen Schiffen und der-
gleichen Schaudergeſchichten mehr. Beſonders charakteriſtiſch für die
abſolute Willkür, mit der die Fama die öffentliche Ruhe zu ſtören
ſucht, war das Gerücht, ein öſterreichiſches Regiment — es war ſo-
gar deſſen Nummer genannt — habe den Lovčen bei Cattaro ge-
ſtürmt und ſei dabei aufgerieben worden. Und dieſe falſche Hiobs-
poſt entſtand, wohlgemerkt, zu einer Zeit, da zwiſchen Montenegro
und der Monarchie noch gar kein Kriegszuſtand herrſchte! Die
Fama hatte ſich dieſes ſchlimme Gerücht alſo ſozuſagen aus den
Fingern geſogen und dadurch zweifellos alle Familien, die ein Mit-
glied bei dem namhaftgemachten Regimente auf das furchtbarſte er-
ſchreckt. Außer mit derartigen blinden Alarmſchüſſen wurde die
Oeffentlichkeit übrigens auch mit imaginären Siegesnachrichten zum
beſten gehalten: So behauptete man mit wichtigtuender Beſſerwiſſer-
Miene, die k. u. k. Armee ſtünde ſchon wenige Kilometer von Niſch,
um dort das ganze ſerbiſche Heer zu fangen. Für die, die das glaub-
ten, muß es dann eine bittere Enttäuſchung geweſen ſein, als Mitte
Auguſt aus den offiziellen Nachrichten hervorging, daß die k. u. k.
Truppen erſt an der Drina und Save kämpften. Die raſche Ein-
nahme von Lüttich durch die Deutſchen hatte in Oeſterreich eben
eine gewiſſe Ungeduld erweckt, wobei man auf die vom belgiſchen
Gelände weſentlich verſchiedenen örtlichen und kulturellen Verhält-
niſſe auf dem ſerbiſchen Kriegsſchauplatze zu wenig Bedacht nahm.
Auch verboten die ſchwachen Friedensſtände der k. u. k. Armee
größere Operationen, bevor ſie durch die Einreihung der Reſerviſten
entſprechend ergänzt worden waren. Man wird ſich eben daran ge-
wöhnen müſſen, etwas geduldiger zu werden, ſo ſchwer das auch
fallen wird. Namentlich auf dem nordöſtlichen Kriegsſchauplatze
dürften die großen Ereigniſſe noch geraume Weile auf ſich warten
laſſen, da ſich die Ruſſen augenſcheinlich immer tiefer in ihr Land
zurückziehen.

Dieſer Rückzug darf übrigens, wofern nicht alle Zeichen trügen,
als ein günſtiges Symptom für unſere Sache gedeutet werden, denn
es muß mit den inneren Verhältniſſen des Rieſenreichs doch nicht
aufs beſte beſtellt ſein, wenn es ſich dazu entſchließen konnte, Polen
kampflos bis über Warſchau hinaus zu räumen, nachdem es doch
Jahrzehnte hindurch an der Ausgeſtaltung dieſer Stadt zu einer
Lagerfeſtung größten Stils gearbeitet hatte.

Auch im Staate Frankreich ſcheint ſo manches faul zu ſein, und
man möchte faſt hoffen: noch ein paar Niederlagen der franzöſiſchen
Truppen, und der Zuſammenbruch des Landes wird ſeinen Anfang
nehmen.

Die überraſchende Geſchwindigkeit, mit der die deutſchen Heere
ſich Lüttichs und Brüſſels bemächtigten, haben hier allgemein Be-
wunderung hervorgerufen und die hohe Meinung, die man von der
deutſchen Armee hatte, noch beſtärkt.

Auf das peinlichſte überraſcht hat hier dagegen das ganz uner-
wartete Vorgehen Englands, das man einer ſolchen Handlungsweiſe
nicht für fähig gehalten hatte. Auf der „Elektriſchen“ hörte ich
einen, zweifellos den gebildeten Ständen angehörenden Herrn —
noch vor der Kriegserklärung an Deutſchland — mit ſelbſtbewußter
Sicherheit die naive aber bezeichnende Anſicht ausſprechen, England
ſei „zu vornehm“, ſich gegen Deutſchland zu wenden! ...

[Spaltenumbruch]

Noch mehr aber hat das Ultimatum Japans an Deutſchland
verblüfft, da man mit Beſtimmtheit auf deſſen Hilfe gegen Rußland
gerechnet hat. Es ließe ſich über das Kapitel Japan übrigens man-
ches ſagen; allein wir haben Reſpekt vor dem Zenſurſtift, der darin
einen Anlaß finden könnte, ſeines Amtes zu walten...

Das Erfreulichſte für die Monarchie iſt bisher jedenfalls die
Einigkeit, mit der alle Völker des weiten Reichs ihre Kriegsbeile
vergraben und ſich zur gemeinſamen Abwehr der Gefahr gefunden
haben. Wer hätte noch acht Tage vorher es für möglich gehalten,
daß in den Straßen Prags abwechſelnd „Kde domov muj“ und
„Heil Dir im Siegeskranz“ geſungen werden könne und daß in
Ungarn das verpönte Gotterhalte angeſtimmt werden könnel!? Wie
wenig haben die landesüblichen Peſſimiſten doch die Seele des
Habsburgerreichs gekannt, als ſie deſſen Untergang für nahe bevor-
ſtehend prophezeiten! Wie gründlich haben ſich ſeine hierauf lauern-
den Feinde geirrt, die in ungeduldiger Habgier ſchon die Meſſer
wetzten, um ſich aus dem Leibe der niedergeſtreckten Auſtria die
ſaftigſten Stücke herauszuſchneiden!

Dieſe für alle fernſtehenden ſo überraſchende Einigkeit der Völker
Habsburgs wäre aber vielleicht nicht zuſtandegekommen, wenn das
Parlament noch offen wäre. Hätte man es nicht geſchloſſen, ſo wür-
den ſich die Herrſchaften ſicherlich noch heute herumzanken und ihre
ſchmutzige Privatwäſche vor aller Welt ausbreiten.

Mögen die unvermeidlichen Bitterniſſe, die das Schickſal uns
noch beſcheren wird, die Zuverſicht nicht wankend machen. Dies gilt
namentlich im Hinblick auf unſere kleine Flotte, die ſich — wider
alles Erwarten — vor die Rieſenaufgabe geſtellt ſieht, den Kampf
mit der an Zahl der Schiffe wohl doppelt ſo ſtarken engliſch-franzö-
ſiſchen Mittelmeerflotte aufzunehmen...

Bis dieſe Zeilen den Leſern vor Augen kommen, werden ſich
möglicherweiſe ſchon gewaltige Dinge ereignet haben. Mögen es
Siege werden, für Deutſchland und für uns!

Feuilleton
All-Deutſchlands Sieg.
(Weiſe: Prinz Eugen, der edle Ritter.)
Zwiſchen Metz und den Dogeſen
Kronzprinz Rupprecht iſt’s geweſen,
Der hier die Franzoſen ſchlug.
Er, des Bayernlandes Erbe,
Rötete die grüne Erde
Mit dem Blut der Lügenbrut.
Dieſe kam in großen Haufen,
Doch Prinz Rupprecht lehrt ſie laufen
Wie die Haſen in dem Feld.
Und die wack’ren deutſchen Reiter
Trieben die Franzoſen weiter,
Immer weiter in die Welt.
Dieſe Tauſend rote Hoſen,
Acht Armeekorps der Franzoſen
Fühlten hier das deutſche Schwert.
Bayern, Schwaben, Baden, Heſſen,
Preußen ja nicht zu vergeſſen,
Zeigten ſich der Däter wert.
Kaiſer Wilhelm der ſoll leben,
Bayerns Kronprinz auch daneben,
Der ſich hier den Lorbeer wand.
Und nun geht die Hetzjagd weiter,
Immer vorwärts, deutſche Streiter,
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[560/0010] Allgemeine Zeitung 12. September 1914. Mitteilungen. Daß dies in unſerer indiskreten, von tauſenden neu- gierigen Augen und Ohren belauſchten und mit ebenſoviel ſenſations- gierigen Blätterzungen behafteten Zeit möglich iſt, das iſt eine Ueber- raſchung, auf die wohl niemand gefaßt war und die einen Reſpekt vor der Macht der Staatsgewalt einflößt, die imſtande iſt, das ge- ſamte Nachrichtenweſen, ſoweit es nicht in ihrem Dienſte ſteht, völlig zu unterbinden. Daß dieſe abſolute Geheimhaltung der militäriſchen Vorgänge in militäriſcher Hinſicht ſehr angebracht und vorteilhaft iſt, liegt auf der Hand, und darauf kommt es ja eben an; demgegenüber treten die Nachteile dieſes Syſtems zurück. Sie ſind mancherlei Art. Daß die Wiener Zeitungen ihre Leſer nicht mit ſpaltenlangen Sen- ſationsartikeln regalieren können, wie ſie dies ſonſt bei jedem Quark tun, den ſie für „aktuell“ halten — mag es ſich nun um die Privat- ſkandale irgend einer Schauſpielerin oder die Defraudation eines europamüden Bankdirektors handeln — das wäre leicht zu ver- ſchmerzen; unangenehm empfindet man jedoch das völlige Desorien- tiertſein, dies um ſo ſtärker, je lebhafter man an dem Schickſale des Vaterlandes Anteil nimmt. Eine andere nachteilige Folge der Ge- heimhaltung iſt die, daß hierdurch ein Nährboden für die abenteuer- lichſten und unſinnigſten Gerüchte geſchaffen wird. Solche ſchoſſen namentlich hinſichtlich Serbiens ins Kraut. So faſelte man ſchon in den erſten Tagen nach der Kriegserklärung von ſchweren, nach Tauſenden zählenden Verluſten, untergegangenen Schiffen und der- gleichen Schaudergeſchichten mehr. Beſonders charakteriſtiſch für die abſolute Willkür, mit der die Fama die öffentliche Ruhe zu ſtören ſucht, war das Gerücht, ein öſterreichiſches Regiment — es war ſo- gar deſſen Nummer genannt — habe den Lovčen bei Cattaro ge- ſtürmt und ſei dabei aufgerieben worden. Und dieſe falſche Hiobs- poſt entſtand, wohlgemerkt, zu einer Zeit, da zwiſchen Montenegro und der Monarchie noch gar kein Kriegszuſtand herrſchte! Die Fama hatte ſich dieſes ſchlimme Gerücht alſo ſozuſagen aus den Fingern geſogen und dadurch zweifellos alle Familien, die ein Mit- glied bei dem namhaftgemachten Regimente auf das furchtbarſte er- ſchreckt. Außer mit derartigen blinden Alarmſchüſſen wurde die Oeffentlichkeit übrigens auch mit imaginären Siegesnachrichten zum beſten gehalten: So behauptete man mit wichtigtuender Beſſerwiſſer- Miene, die k. u. k. Armee ſtünde ſchon wenige Kilometer von Niſch, um dort das ganze ſerbiſche Heer zu fangen. Für die, die das glaub- ten, muß es dann eine bittere Enttäuſchung geweſen ſein, als Mitte Auguſt aus den offiziellen Nachrichten hervorging, daß die k. u. k. Truppen erſt an der Drina und Save kämpften. Die raſche Ein- nahme von Lüttich durch die Deutſchen hatte in Oeſterreich eben eine gewiſſe Ungeduld erweckt, wobei man auf die vom belgiſchen Gelände weſentlich verſchiedenen örtlichen und kulturellen Verhält- niſſe auf dem ſerbiſchen Kriegsſchauplatze zu wenig Bedacht nahm. Auch verboten die ſchwachen Friedensſtände der k. u. k. Armee größere Operationen, bevor ſie durch die Einreihung der Reſerviſten entſprechend ergänzt worden waren. Man wird ſich eben daran ge- wöhnen müſſen, etwas geduldiger zu werden, ſo ſchwer das auch fallen wird. Namentlich auf dem nordöſtlichen Kriegsſchauplatze dürften die großen Ereigniſſe noch geraume Weile auf ſich warten laſſen, da ſich die Ruſſen augenſcheinlich immer tiefer in ihr Land zurückziehen. Dieſer Rückzug darf übrigens, wofern nicht alle Zeichen trügen, als ein günſtiges Symptom für unſere Sache gedeutet werden, denn es muß mit den inneren Verhältniſſen des Rieſenreichs doch nicht aufs beſte beſtellt ſein, wenn es ſich dazu entſchließen konnte, Polen kampflos bis über Warſchau hinaus zu räumen, nachdem es doch Jahrzehnte hindurch an der Ausgeſtaltung dieſer Stadt zu einer Lagerfeſtung größten Stils gearbeitet hatte. Auch im Staate Frankreich ſcheint ſo manches faul zu ſein, und man möchte faſt hoffen: noch ein paar Niederlagen der franzöſiſchen Truppen, und der Zuſammenbruch des Landes wird ſeinen Anfang nehmen. Die überraſchende Geſchwindigkeit, mit der die deutſchen Heere ſich Lüttichs und Brüſſels bemächtigten, haben hier allgemein Be- wunderung hervorgerufen und die hohe Meinung, die man von der deutſchen Armee hatte, noch beſtärkt. Auf das peinlichſte überraſcht hat hier dagegen das ganz uner- wartete Vorgehen Englands, das man einer ſolchen Handlungsweiſe nicht für fähig gehalten hatte. Auf der „Elektriſchen“ hörte ich einen, zweifellos den gebildeten Ständen angehörenden Herrn — noch vor der Kriegserklärung an Deutſchland — mit ſelbſtbewußter Sicherheit die naive aber bezeichnende Anſicht ausſprechen, England ſei „zu vornehm“, ſich gegen Deutſchland zu wenden! ... Noch mehr aber hat das Ultimatum Japans an Deutſchland verblüfft, da man mit Beſtimmtheit auf deſſen Hilfe gegen Rußland gerechnet hat. Es ließe ſich über das Kapitel Japan übrigens man- ches ſagen; allein wir haben Reſpekt vor dem Zenſurſtift, der darin einen Anlaß finden könnte, ſeines Amtes zu walten... Das Erfreulichſte für die Monarchie iſt bisher jedenfalls die Einigkeit, mit der alle Völker des weiten Reichs ihre Kriegsbeile vergraben und ſich zur gemeinſamen Abwehr der Gefahr gefunden haben. Wer hätte noch acht Tage vorher es für möglich gehalten, daß in den Straßen Prags abwechſelnd „Kde domov muj“ und „Heil Dir im Siegeskranz“ geſungen werden könne und daß in Ungarn das verpönte Gotterhalte angeſtimmt werden könnel!? Wie wenig haben die landesüblichen Peſſimiſten doch die Seele des Habsburgerreichs gekannt, als ſie deſſen Untergang für nahe bevor- ſtehend prophezeiten! Wie gründlich haben ſich ſeine hierauf lauern- den Feinde geirrt, die in ungeduldiger Habgier ſchon die Meſſer wetzten, um ſich aus dem Leibe der niedergeſtreckten Auſtria die ſaftigſten Stücke herauszuſchneiden! Dieſe für alle fernſtehenden ſo überraſchende Einigkeit der Völker Habsburgs wäre aber vielleicht nicht zuſtandegekommen, wenn das Parlament noch offen wäre. Hätte man es nicht geſchloſſen, ſo wür- den ſich die Herrſchaften ſicherlich noch heute herumzanken und ihre ſchmutzige Privatwäſche vor aller Welt ausbreiten. Mögen die unvermeidlichen Bitterniſſe, die das Schickſal uns noch beſcheren wird, die Zuverſicht nicht wankend machen. Dies gilt namentlich im Hinblick auf unſere kleine Flotte, die ſich — wider alles Erwarten — vor die Rieſenaufgabe geſtellt ſieht, den Kampf mit der an Zahl der Schiffe wohl doppelt ſo ſtarken engliſch-franzö- ſiſchen Mittelmeerflotte aufzunehmen... Bis dieſe Zeilen den Leſern vor Augen kommen, werden ſich möglicherweiſe ſchon gewaltige Dinge ereignet haben. Mögen es Siege werden, für Deutſchland und für uns! Feuilleton All-Deutſchlands Sieg. (Weiſe: Prinz Eugen, der edle Ritter.) Zwiſchen Metz und den Dogeſen Kronzprinz Rupprecht iſt’s geweſen, Der hier die Franzoſen ſchlug. Er, des Bayernlandes Erbe, Rötete die grüne Erde Mit dem Blut der Lügenbrut. Dieſe kam in großen Haufen, Doch Prinz Rupprecht lehrt ſie laufen Wie die Haſen in dem Feld. Und die wack’ren deutſchen Reiter Trieben die Franzoſen weiter, Immer weiter in die Welt. Dieſe Tauſend rote Hoſen, Acht Armeekorps der Franzoſen Fühlten hier das deutſche Schwert. Bayern, Schwaben, Baden, Heſſen, Preußen ja nicht zu vergeſſen, Zeigten ſich der Däter wert. Kaiſer Wilhelm der ſoll leben, Bayerns Kronprinz auch daneben, Der ſich hier den Lorbeer wand. Und nun geht die Hetzjagd weiter, Immer vorwärts, deutſche Streiter, Bis an Frankreichs Meeresſtrand! Hannover. Ernſt Schreck.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 37, 12. September 1914, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine37_1914/10>, abgerufen am 21.11.2024.