Allgemeine Zeitung, Nr. 38, 7. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
berechtigt zu seyn daß nun auch die übrigen deutschen Staaten im gleichen Ohne den Bedürfnissen der andern deutschen Gebiete irgend vorgrei- Was die niederdeutsche Handelsgruppe an der Nord- und Osee be- Manches wird noch in der Folge bei den periodischen Revisionen des Aber so gern den Handelsinteressen jener niederdeutschen Handels- Wenn übrigens die norddeutschen Küstenstaaten Bedenken trugen Außerdem werden diese Staaten die Vorzüge einer achtungsvollen Es ist nicht ungeeignet an dieser Stelle auch auf die Vortheile hin- Die Zolleinigung verheißt bei bedeutend erhöhtem, rohem Zoller- Dieß dürften wohl die Hauptgesichtspunkte seyn welche bei der ganzen Geschieht, wie in Oesterreich, das gleiche auf jeder Seite, kommt Allein der Uebergang in das neue Verhältniß sollte durch einen Erscheint die entgegenkommende Reform in den übrigen Zollgebieten Viel wäre schon gewonnen wenn überall in Deutschland das gleiche [Spaltenumbruch]
berechtigt zu ſeyn daß nun auch die übrigen deutſchen Staaten im gleichen Ohne den Bedürfniſſen der andern deutſchen Gebiete irgend vorgrei- Was die niederdeutſche Handelsgruppe an der Nord- und Oſee be- Manches wird noch in der Folge bei den periodiſchen Reviſionen des Aber ſo gern den Handelsintereſſen jener niederdeutſchen Handels- Wenn übrigens die norddeutſchen Küſtenſtaaten Bedenken trugen Außerdem werden dieſe Staaten die Vorzüge einer achtungsvollen Es iſt nicht ungeeignet an dieſer Stelle auch auf die Vortheile hin- Die Zolleinigung verheißt bei bedeutend erhöhtem, rohem Zoller- Dieß dürften wohl die Hauptgeſichtspunkte ſeyn welche bei der ganzen Geſchieht, wie in Oeſterreich, das gleiche auf jeder Seite, kommt Allein der Uebergang in das neue Verhältniß ſollte durch einen Erſcheint die entgegenkommende Reform in den übrigen Zollgebieten Viel wäre ſchon gewonnen wenn überall in Deutſchland das gleiche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <p><pb facs="#f0010" n="602"/><cb/> berechtigt zu ſeyn daß nun auch die übrigen deutſchen Staaten im gleichen<lb/> Geiſte vorwärts gehen, und nicht bloß bei ſich alle Vorbereitungen treffen<lb/> werden welche nöthig ſcheinen dem Ziel der Zolleinigung näher zu rücken,<lb/> ſondern auch zu den Schritten welche nöthig find um das Ziel ſelbſt zu<lb/> erreichen.</p><lb/> <p>Ohne den Bedürfniſſen der andern deutſchen Gebiete irgend vorgrei-<lb/> fen zu wollen, iſt es doch eine bekannte Thatſache daß die Induſtriellen des<lb/> Zollvereins eine Reform ihres Zolltarifs weſentlich nach den Grundſätzen<lb/> und in dem Sinn wünſchen wie Oeſterreich den ſeinigen jetzt umgeſtaltet.<lb/> In der That, der Tarif des Zollvereins, lediglich aus dem Jahr 1818 her-<lb/> ſtammend und für das erſte Decennium ſeines Beſtehens bei den damaligen<lb/> unentwickelten Gewerbsverhältniſſen noch ausreichend, genügt in ſeiner<lb/> Allgemeinheit nicht mehr den heutigen Bedürfniſſen der in ſich reicher<lb/> entfalteten deutſchen Induſtrie. Hierüber kann der genaue Beobachter<lb/> aller Vorgänge, aller Bewegungen im Zollverein ſeit den letzten ſechs<lb/> Jahren ſich unmöglich täuſchen, wenn auch nicht die vielfachen, wohl-mo-<lb/> tivirten Beſchwerden der Vereins-Induſtriellen vorlägen. Der von dem<lb/> allgemeinen deutſchen Verein zum Schutz vaterländiſcher Arbeit auf Grund<lb/> vielſeitiger Erhebungen ausgearbeitete Entwurf eines deutſchen Zolltarifs<lb/> beruht faſt durchgehends auf den nämlichen Principien und derſelben ra-<lb/> tionellen Untertheilung wie der neue öſterreichiſche Tarifentwurf. Die<lb/> Bedürfniſſe find fich hier eben ſchon begegnet, und haben, wie von ſelbſt,<lb/> zu einer bedeutſamen Uebereinſtimmung geführt. In dem Vereinstarife<lb/> find Waaren allzu verſchiedenen Werthes, z. B. 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Minde-<lb/> ſtens für den jetzigen Standpunkt der Entfaltung der deutſchen Induſtrie<lb/> erſcheinen die Tarifſätze des Zollvereins zu wenig mit Rückſicht auf den<lb/> Arbeitswerth der Waaren abgeſtuft, und von den verſchiedenſten Seiten<lb/> haben ſich Stimmen dafür erhoben daß auch im Zollverein den neuen Be-<lb/> dürfniſſen der Induſtrie und des Handels mehr als bisher Rechnung ge-<lb/> tragen werden möge.</p><lb/> <p>Was die niederdeutſche Handelsgruppe an der Nord- und Oſee be-<lb/> trifft, ſo hat ſie allerdings ihre eigenthümlichen Wünſche, doch ſind ſie<lb/> mehr negativer als poſitiver Art; ſie gehen weſentlich auf Milderung<lb/> der bloßen Finanzzölle, zumal von Colonialwaaren, Vereinfachung der<lb/> Zollverwaltung, der Controle, Aufhebung der Durchfuhr- und Fluß-<lb/> ſchifffahrtszölle, ein liberales ausgedehntes Freilagerſyſtem, theilweiſe<lb/> auf Schutz der Schifffahrt und des directen Handels. 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Da dieſe Gebühren in Frankreich und Bel-<lb/> gien faſt ganz beſeitigt ſind, und Holland im Begriffe ſteht auf die<lb/> Rheinzölle zu verzichten, ſo ſind zur Wahrung der deutſchen Handels-<lb/> intereſſen Verfügungen ſolcher Art zum dringendſten Bedürfniſſe ge-<lb/> worden.</p><lb/> <p>Aber ſo gern den Handelsintereſſen jener niederdeutſchen Handels-<lb/> gruppe dieſe Zugeſtändniſſe gemacht werden, ſo darf ſie ihrerſeits, wenn<lb/> überhaupt die öſterreichiſch – deutſche Zolleinigung jemals verwirklicht<lb/> werden ſoll, des noch beſtehenden Schutzzollbedürfniſſes der deutſchen und<lb/> öſterreichiſchen Induſtrie nie vergeſſen. Wenn daher Stimmen aus jenen<lb/> Küſtenſtaaten es zur Bedingung des großen Zollverbandes machen wollen<lb/> daß an Stelle der Schutzzölle durchgängig bloße Finanzzölle eingeführt<lb/> werden, ſo ſpricht ſich darin vielleicht zu ſehr der Particularismus aus,<lb/> da der Ausgangspunkt einer allgemeinen deutſchen Zolleinigung doch wohl<lb/> kein freihändleriſcher ſeyn kann.</p><lb/> <p>Wenn übrigens die norddeutſchen Küſtenſtaaten Bedenken trugen<lb/> die eigenthümlichen Vortheile ihrer bisherigen Lage wenigſtens theil-<lb/> weiſe gegen die Vortheile aufzugeben welche der Anſchluß an den Zoll-<lb/> verein, alſo an ein Gebiet von 29 Millionen Einwohnern, ihnen ohne<lb/> Zweifel zum Entgelt gebracht haben würde, ſo ändert ſich dieſes Ver-<lb/> hältniß bedeutend wenn der Anſchluß an ein Gebiet von 70 Millionen<lb/> Bewohnern zum freien innern Verkehr in Frage ſteht. Ihre günſtigen<lb/> Handelsbeziehungen zum Norden und Weſten, namentlich zu England<lb/> und Amerika, bleiben dabei völlig ungeſchmälert, ja durch das Gewicht<lb/> und die Anziehungskraft des ungeheueren Marktes den ſie hinter ſich<lb/> haben, würden ſie ſich noch beträchtlich erhöhen, und ihrem Verkehr im<lb/><cb/> Süden und Oſten der weiteſte freieſte Spielraum eröffnet, ein frucht-<lb/> bares, reiches, verbrauchsfähiges Gebiet, das vom Niemen bis an den<lb/> Bodenſee, und vom Niederrhein bis an die Adria und die untere Donau<lb/> reicht, und das die ganze Mitte und den Haupttheil Europa’s umfaßt.<lb/> Kein Zweifel wohl daß neben Trieſt und den Hauptplätzen an der<lb/> Donau kein Gebiet durch die deutſche Zolleinigung ſoviel gewinnen<lb/> werde als gerade der norddeutſche Küſtenſaum, insbeſondere die gro-<lb/> ßen Emporien an demſelben, und ſie werden gewinnen nicht bloß in<lb/> Handel und Schifffahrt, ſondern auch in der Induſtrie, zumal in den<lb/> maritimen und jenen wichtigen Zweigen welche mit den Vortheilen der<lb/> Seelage in nächſter Verbindung ſtehen.</p><lb/> <p>Außerdem werden dieſe Staaten die Vorzüge einer achtungsvollen<lb/> Behandlung ihrer Flagge auf allen Meeren, der erleichterten Abſchlie-<lb/> ßung günſtiger Handels- und Schifffahrtsverträge, der Sicherheit ihres<lb/> Handels, deren volles Gewicht ſich ihnen noch in der letzten Zeit ſo bitter<lb/> fühlbar gemacht hat, durch ihren Anſchluß an den öſterreichiſch – deut-<lb/> ſchen Handelsſtaat und gewiß <hi rendition="#g">bloß durch</hi> denſelben erlangen.</p><lb/> <p>Es iſt nicht ungeeignet an dieſer Stelle auch auf die Vortheile hin-<lb/> zuweiſen welche für Oeſterreich aus der Zolleinigung in politiſcher, na-<lb/> tional – ökonomiſcher, commercieller und finanzieller Beziehung entſprin-<lb/> gen werden.</p><lb/> <p>Die Zolleinigung verheißt bei bedeutend erhöhtem, rohem Zoller-<lb/> trage umfaſſende Erſparniſſe in der Verwaltung, ſie wird die wirth-<lb/> ſchaftlichen Kräfte der ſich zuſammenſchließenden Körper in hohem Grade<lb/> ſteigern. Sie wird bewirken daß die öſterreichiſche Induſtrie, geſtützt<lb/> auf glückliche Vorbedingungen, durch die günſtige Lage und durch den<lb/> noch ermeßlich zu entwickelnden Naturreichthum des Kaiſerſtaates mit<lb/> der deutſchen Induſtrie gegenſeitig ſich ſpornend und ergänzend, in den<lb/> erweiterten Raumverhältniſſen bei einem kräftigen Zoll- und Handels-<lb/> ſyſteme jedem fremden Nebenbuhler gegenüber bald auch für die Welt-<lb/> concurrenz befähigt ſeyn wird. Ueberhaupt erſcheint die volkswirth-<lb/> ſchaftliche Vereinigung Deutſchlands und Oeſterreichs der öſterreichiſchen<lb/> Regierung als ein Ziel, das, ungeachtet der entgegenſtehenden Hinder-<lb/> niſſe und Vorurtheile, deren Größe ſie ſich nicht verhehlt, erreicht wer-<lb/> den muß um alle Bedürfniſſe der beiderſeitigen Völker zu befriedigen,<lb/> und eine wahrhaft fruchtbare, feſte Ordnung der Dinge zu begründen.</p><lb/> <p>Dieß dürften wohl die Hauptgeſichtspunkte ſeyn welche bei der ganzen<lb/> deutſchen Zollfrage für die verſchiedenen Handelsgebiete in Betracht kom-<lb/> men. 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Deßhalb legt Oeſterreich auch den<lb/> allerſtärkſten Nachdruck auf die erſte Periode ſeiner Vorſchläge, die der<lb/> eigenen Reform; deßhalb hat es auch nicht gezögert dieſen Weg allen voran<lb/> unter den ſchwierigſten Umſtänden ſelbſtthätig zu betreten.</p><lb/> <p>Allein der Uebergang in das neue Verhältniß ſollte durch einen<lb/><hi rendition="#g">Vertrag</hi> erleichtert und beſchleunigt werden. Ohne Erſchütterungen im<lb/> Volks- und Staatshaushalte hervorzurufen, ſcheint die Zolleinigung nur<lb/> allmählich mit der nöthigen ökonomiſchen Vorbereitung und von Stufe<lb/> zu Stufe fortſchreitend, nach <hi rendition="#g">feſtem Plane</hi> durchgeführt werden zu kön-<lb/> nen. 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berechtigt zu ſeyn daß nun auch die übrigen deutſchen Staaten im gleichen
Geiſte vorwärts gehen, und nicht bloß bei ſich alle Vorbereitungen treffen
werden welche nöthig ſcheinen dem Ziel der Zolleinigung näher zu rücken,
ſondern auch zu den Schritten welche nöthig find um das Ziel ſelbſt zu
erreichen.
Ohne den Bedürfniſſen der andern deutſchen Gebiete irgend vorgrei-
fen zu wollen, iſt es doch eine bekannte Thatſache daß die Induſtriellen des
Zollvereins eine Reform ihres Zolltarifs weſentlich nach den Grundſätzen
und in dem Sinn wünſchen wie Oeſterreich den ſeinigen jetzt umgeſtaltet.
In der That, der Tarif des Zollvereins, lediglich aus dem Jahr 1818 her-
ſtammend und für das erſte Decennium ſeines Beſtehens bei den damaligen
unentwickelten Gewerbsverhältniſſen noch ausreichend, genügt in ſeiner
Allgemeinheit nicht mehr den heutigen Bedürfniſſen der in ſich reicher
entfalteten deutſchen Induſtrie. Hierüber kann der genaue Beobachter
aller Vorgänge, aller Bewegungen im Zollverein ſeit den letzten ſechs
Jahren ſich unmöglich täuſchen, wenn auch nicht die vielfachen, wohl-mo-
tivirten Beſchwerden der Vereins-Induſtriellen vorlägen. Der von dem
allgemeinen deutſchen Verein zum Schutz vaterländiſcher Arbeit auf Grund
vielſeitiger Erhebungen ausgearbeitete Entwurf eines deutſchen Zolltarifs
beruht faſt durchgehends auf den nämlichen Principien und derſelben ra-
tionellen Untertheilung wie der neue öſterreichiſche Tarifentwurf. Die
Bedürfniſſe find fich hier eben ſchon begegnet, und haben, wie von ſelbſt,
zu einer bedeutſamen Uebereinſtimmung geführt. In dem Vereinstarife
find Waaren allzu verſchiedenen Werthes, z. B. Baumwollfabricate, in
einen Zollſatz zuſammengeworfen; dem Intereſſe der Einfachheit iſt oft
das des Zollſchutzes ganz geopfert worden, und wie der neue öſterreichiſche,
ſo wird auch der Zollvereinstarif ſich einer größern, doch immerhin mög-
lichſt runden und einfachen Specialiſirung zu befleißigen haben. Minde-
ſtens für den jetzigen Standpunkt der Entfaltung der deutſchen Induſtrie
erſcheinen die Tarifſätze des Zollvereins zu wenig mit Rückſicht auf den
Arbeitswerth der Waaren abgeſtuft, und von den verſchiedenſten Seiten
haben ſich Stimmen dafür erhoben daß auch im Zollverein den neuen Be-
dürfniſſen der Induſtrie und des Handels mehr als bisher Rechnung ge-
tragen werden möge.
Was die niederdeutſche Handelsgruppe an der Nord- und Oſee be-
trifft, ſo hat ſie allerdings ihre eigenthümlichen Wünſche, doch ſind ſie
mehr negativer als poſitiver Art; ſie gehen weſentlich auf Milderung
der bloßen Finanzzölle, zumal von Colonialwaaren, Vereinfachung der
Zollverwaltung, der Controle, Aufhebung der Durchfuhr- und Fluß-
ſchifffahrtszölle, ein liberales ausgedehntes Freilagerſyſtem, theilweiſe
auf Schutz der Schifffahrt und des directen Handels. Auch dieſen Ver-
hältniſſen iſt nach Thunlichkeit entgegenzukommen, und die öſterreichiſche
Regierung hat ihre Abſicht dazu bereits in einzelnen neueren Milderun-
gen des Tarifs, ſowie in der ganzen Leitung ihrer Zollreform kund-
gethan.
Manches wird noch in der Folge bei den periodiſchen Reviſionen des
Tarifs geſchehen müſſen, und — in dem Maße als die Finanzen erſtarken,
alſo leichter Opfer ertragen — auch geſchehen können. Schon gegenwärtig
dürften die Durchfuhrzölle aufgehoben, und die Flußzölle auf ein Mini-
mum zurückgeführt werden. Da dieſe Gebühren in Frankreich und Bel-
gien faſt ganz beſeitigt ſind, und Holland im Begriffe ſteht auf die
Rheinzölle zu verzichten, ſo ſind zur Wahrung der deutſchen Handels-
intereſſen Verfügungen ſolcher Art zum dringendſten Bedürfniſſe ge-
worden.
Aber ſo gern den Handelsintereſſen jener niederdeutſchen Handels-
gruppe dieſe Zugeſtändniſſe gemacht werden, ſo darf ſie ihrerſeits, wenn
überhaupt die öſterreichiſch – deutſche Zolleinigung jemals verwirklicht
werden ſoll, des noch beſtehenden Schutzzollbedürfniſſes der deutſchen und
öſterreichiſchen Induſtrie nie vergeſſen. Wenn daher Stimmen aus jenen
Küſtenſtaaten es zur Bedingung des großen Zollverbandes machen wollen
daß an Stelle der Schutzzölle durchgängig bloße Finanzzölle eingeführt
werden, ſo ſpricht ſich darin vielleicht zu ſehr der Particularismus aus,
da der Ausgangspunkt einer allgemeinen deutſchen Zolleinigung doch wohl
kein freihändleriſcher ſeyn kann.
Wenn übrigens die norddeutſchen Küſtenſtaaten Bedenken trugen
die eigenthümlichen Vortheile ihrer bisherigen Lage wenigſtens theil-
weiſe gegen die Vortheile aufzugeben welche der Anſchluß an den Zoll-
verein, alſo an ein Gebiet von 29 Millionen Einwohnern, ihnen ohne
Zweifel zum Entgelt gebracht haben würde, ſo ändert ſich dieſes Ver-
hältniß bedeutend wenn der Anſchluß an ein Gebiet von 70 Millionen
Bewohnern zum freien innern Verkehr in Frage ſteht. Ihre günſtigen
Handelsbeziehungen zum Norden und Weſten, namentlich zu England
und Amerika, bleiben dabei völlig ungeſchmälert, ja durch das Gewicht
und die Anziehungskraft des ungeheueren Marktes den ſie hinter ſich
haben, würden ſie ſich noch beträchtlich erhöhen, und ihrem Verkehr im
Süden und Oſten der weiteſte freieſte Spielraum eröffnet, ein frucht-
bares, reiches, verbrauchsfähiges Gebiet, das vom Niemen bis an den
Bodenſee, und vom Niederrhein bis an die Adria und die untere Donau
reicht, und das die ganze Mitte und den Haupttheil Europa’s umfaßt.
Kein Zweifel wohl daß neben Trieſt und den Hauptplätzen an der
Donau kein Gebiet durch die deutſche Zolleinigung ſoviel gewinnen
werde als gerade der norddeutſche Küſtenſaum, insbeſondere die gro-
ßen Emporien an demſelben, und ſie werden gewinnen nicht bloß in
Handel und Schifffahrt, ſondern auch in der Induſtrie, zumal in den
maritimen und jenen wichtigen Zweigen welche mit den Vortheilen der
Seelage in nächſter Verbindung ſtehen.
Außerdem werden dieſe Staaten die Vorzüge einer achtungsvollen
Behandlung ihrer Flagge auf allen Meeren, der erleichterten Abſchlie-
ßung günſtiger Handels- und Schifffahrtsverträge, der Sicherheit ihres
Handels, deren volles Gewicht ſich ihnen noch in der letzten Zeit ſo bitter
fühlbar gemacht hat, durch ihren Anſchluß an den öſterreichiſch – deut-
ſchen Handelsſtaat und gewiß bloß durch denſelben erlangen.
Es iſt nicht ungeeignet an dieſer Stelle auch auf die Vortheile hin-
zuweiſen welche für Oeſterreich aus der Zolleinigung in politiſcher, na-
tional – ökonomiſcher, commercieller und finanzieller Beziehung entſprin-
gen werden.
Die Zolleinigung verheißt bei bedeutend erhöhtem, rohem Zoller-
trage umfaſſende Erſparniſſe in der Verwaltung, ſie wird die wirth-
ſchaftlichen Kräfte der ſich zuſammenſchließenden Körper in hohem Grade
ſteigern. Sie wird bewirken daß die öſterreichiſche Induſtrie, geſtützt
auf glückliche Vorbedingungen, durch die günſtige Lage und durch den
noch ermeßlich zu entwickelnden Naturreichthum des Kaiſerſtaates mit
der deutſchen Induſtrie gegenſeitig ſich ſpornend und ergänzend, in den
erweiterten Raumverhältniſſen bei einem kräftigen Zoll- und Handels-
ſyſteme jedem fremden Nebenbuhler gegenüber bald auch für die Welt-
concurrenz befähigt ſeyn wird. Ueberhaupt erſcheint die volkswirth-
ſchaftliche Vereinigung Deutſchlands und Oeſterreichs der öſterreichiſchen
Regierung als ein Ziel, das, ungeachtet der entgegenſtehenden Hinder-
niſſe und Vorurtheile, deren Größe ſie ſich nicht verhehlt, erreicht wer-
den muß um alle Bedürfniſſe der beiderſeitigen Völker zu befriedigen,
und eine wahrhaft fruchtbare, feſte Ordnung der Dinge zu begründen.
Dieß dürften wohl die Hauptgeſichtspunkte ſeyn welche bei der ganzen
deutſchen Zollfrage für die verſchiedenen Handelsgebiete in Betracht kom-
men. Auf dieſen Grundlinien kann ſich das Werk einer allgemeinen Ver-
ſtändigung erheben, einer Verſtändigung die gewiß nicht unmöglich iſt
wenn man ſie nur allerſeits mit Aufrichtigkeit ſucht.
Geſchieht, wie in Oeſterreich, das gleiche auf jeder Seite, kommt
man ſich bereitwillig entgegen, ſo wird ein großer weſentlicher Schritt
zum Ziele bald durch die eigene Handelsreform in jedem Gebiete vollbracht
ſeyn. In dem Verhältniſſe als ſich nicht bloß Wünſche und Intereſſen,
ſondern in das Leben gerufene Reformen begegnen, wird das Einigungs-
werk ſelbſt vorbereitet und erleichtert. Die Richtung dahin iſt einmal
unabweisbar gegeben, der Weg dadurch allein ſchon halb zurückgelegt,
und die Entwickelung des Verkehrs ſelbſt wird mit Naturnothwendigkeit
früher oder ſpäter dem Ziele zuführen. Deßhalb legt Oeſterreich auch den
allerſtärkſten Nachdruck auf die erſte Periode ſeiner Vorſchläge, die der
eigenen Reform; deßhalb hat es auch nicht gezögert dieſen Weg allen voran
unter den ſchwierigſten Umſtänden ſelbſtthätig zu betreten.
Allein der Uebergang in das neue Verhältniß ſollte durch einen
Vertrag erleichtert und beſchleunigt werden. Ohne Erſchütterungen im
Volks- und Staatshaushalte hervorzurufen, ſcheint die Zolleinigung nur
allmählich mit der nöthigen ökonomiſchen Vorbereitung und von Stufe
zu Stufe fortſchreitend, nach feſtem Plane durchgeführt werden zu kön-
nen. Da dieſer Plan auf allen Seiten gleichmäßig befolgt werden
muß, ſo iſt er vertragsmäßig feſtzuſtellen.
Erſcheint die entgegenkommende Reform in den übrigen Zollgebieten
als wünſchenswerth, ja nothwendig, ſo kann ſie von den verſchiedenen
Seiten nur dann zu einem Ziel hingeleitet werden wenn dieſes beſtimmt
erörtert und durch ein Uebereinkommen aller pactirenden Theile vorläufig
feſtgeſtellt worden iſt. Es wäre daher wünſchenswerth daß bald Zoll-
commiſſarien der verſchiedenen deutſchen Handels- und Zollgebiete ernannt
würden, die auf Grund ihrer beſondern Erhebungen und der bisher ent-
wickelten, bei Löſung der deutſchen Zollfrage leitenden, allgemeinen Grund-
ſätze den Plan und Gang zur Herbeiführung der öſterreichiſch-
deutſchen Zolleinigung vertragsweiſe feſtzuſtellen hätten.
Viel wäre ſchon gewonnen wenn überall in Deutſchland das gleiche
handelspolitiſche Princip herrſchen und dieſelbe klar erkannte ökonomiſche
Richtung eingeſchlagen würde, wenn auch vorläufig die Zwiſchenzoll-
ſchranken noch fortbeſtünden. Wie im Weſen gleichartig conſtituirte
Staaten ſich leichter zu einem feſten Bunde conföderiren werden als ſolche
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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