Allgemeine Zeitung, Nr. 38, 7. Februar 1850.Donnerstag. Beilage zu Nr. 38 der Allg. Zeitung. 7 Februar 1856.[Spaltenumbruch] Uebersicht. Denkschrift des kaiserlich- österreichischen Handelsministers über die Denkschrift des kaiserlich österreichischen Handelsministers über die Anbahnung der österreichisch-deutschen Zoll- und Handelseinigung. Die kaiserlich österreichische Regierung, durchdrungen von der Ueber- Es ist die Frage aufgeworfen worden weßhalb die in der Wiener a) vor Einleitung einer fruchtbaren diplomatischen Verhandlung ein Zollsystem hingestellt werden muß, das zwar selbständig ausgearbeitet und zunächst für die österreichischen Bedürfnisse berechnet, doch nach sei- nen leitenden Principien verwandt und gleichartig mit den im größten Theile Deutschlands bestehenden sey. b) Weil es damals noch an einem allgemein anerkannten deutschen Organ fehlte, von welchem die Verhandlung, in dem Geist den Oester- reich allein für ersprießlich halten kann, frei von allen particularen In- teressen, ausgerüstet mit geeigneter, die untergeordneten Schwierigkeiten bewältigender Machtvollkommenheit, und im Namen und mit Vollmacht des gesammten Deutschlands handelnd, geleitet werden konnte. c) Weil in keiner Richtung von den deutschen Regierungen die ge- rechten Wünsche der deutschen Industrie, welche auch jene Oesterreichs waren, befriedigt wurden. Der Zollverein vertagt die periodische Tarif- revision; die Forderungen nach größerer Untertheilung und beziehungs- weise Erhöhung der Zollsätze bleiben ungehört; die deutschen Flüsse in alter Höhe belastet; der Steuerverein, Hamburg, Mecklenburg, alle Nord- seestaaten verharren in ihrer Trennung. Wenngleich diese letzteren Uebelslände zur Zeit noch nicht gehoben Unter diesen Umständen hält die österreichische Regierung es daber Was nun zuvörderst ihre eigenen Vorschläge betrifft, so wird im vor- Es kann nicht geläugnet werden daß jede der drei deutschen handels- Der entschiedene Wille für die große Handelseinigung kann sich ohne Die Tarifarbeiten der österreichischen Zoll-Revisions-Commission Deßhalb wird Oesterreich, bis die Hauptfragen zur Entscheidung rei- Die Thatsache der Tarifrevision schlägt jeden Zweifel an der be- Indem Oesterreich so die Initiative in Aufräumung der Hindernisse Donnerſtag. Beilage zu Nr. 38 der Allg. Zeitung. 7 Februar 1856.[Spaltenumbruch] Ueberſicht. Denkſchrift des kaiſerlich- öſterreichiſchen Handelsminiſters über die Denkſchrift des kaiſerlich öſterreichiſchen Handelsminiſters über die Anbahnung der öſterreichiſch-deutſchen Zoll- und Handelseinigung. Die kaiſerlich öſterreichiſche Regierung, durchdrungen von der Ueber- Es iſt die Frage aufgeworfen worden weßhalb die in der Wiener a) vor Einleitung einer fruchtbaren diplomatiſchen Verhandlung ein Zollſyſtem hingeſtellt werden muß, das zwar ſelbſtändig ausgearbeitet und zunächſt für die öſterreichiſchen Bedürfniſſe berechnet, doch nach ſei- nen leitenden Principien verwandt und gleichartig mit den im größten Theile Deutſchlands beſtehenden ſey. b) Weil es damals noch an einem allgemein anerkannten deutſchen Organ fehlte, von welchem die Verhandlung, in dem Geiſt den Oeſter- reich allein für erſprießlich halten kann, frei von allen particularen In- tereſſen, ausgerüſtet mit geeigneter, die untergeordneten Schwierigkeiten bewältigender Machtvollkommenheit, und im Namen und mit Vollmacht des geſammten Deutſchlands handelnd, geleitet werden konnte. c) Weil in keiner Richtung von den deutſchen Regierungen die ge- rechten Wünſche der deutſchen Induſtrie, welche auch jene Oeſterreichs waren, befriedigt wurden. Der Zollverein vertagt die periodiſche Tarif- reviſion; die Forderungen nach größerer Untertheilung und beziehungs- weiſe Erhöhung der Zollſätze bleiben ungehört; die deutſchen Flüſſe in alter Höhe belaſtet; der Steuerverein, Hamburg, Mecklenburg, alle Nord- ſeeſtaaten verharren in ihrer Trennung. Wenngleich dieſe letzteren Uebelſlände zur Zeit noch nicht gehoben Unter dieſen Umſtänden hält die öſterreichiſche Regierung es daber Was nun zuvörderſt ihre eigenen Vorſchläge betrifft, ſo wird im vor- Es kann nicht geläugnet werden daß jede der drei deutſchen handels- Der entſchiedene Wille für die große Handelseinigung kann ſich ohne Die Tarifarbeiten der öſterreichiſchen Zoll-Reviſions-Commiſſion Deßhalb wird Oeſterreich, bis die Hauptfragen zur Entſcheidung rei- Die Thatſache der Tarifreviſion ſchlägt jeden Zweifel an der be- Indem Oeſterreich ſo die Initiative in Aufräumung der Hinderniſſe <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009"/> <div n="1"> <p> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docDate>Donnerſtag.</docDate> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Beilage zu Nr. 38 der Allg. Zeitung.</hi> </titlePart> </docTitle> <docDate>7 Februar 1856.</docDate> </titlePage> </front><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <body> <div type="contents" n="1"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Ueberſicht.</hi> </hi> </hi> </head><lb/> <p>Denkſchrift des kaiſerlich- öſterreichiſchen Handelsminiſters über die<lb/> Anbahnung der öſterreichiſch-deutſchen Zoll- und Handelseinigung. —<lb/> Aus Anlaß der Erfurter Wahlen. — Die Dinge in Berlin. — Thiers<lb/> über öffentliche Unterſtützung. — Der große See in Südafrika. —<lb/> Perſonalnachrichten. — Neueſtes. Griechenland: Telegraphiſche De-<lb/> peſche. Athen, 29 Jan. Verſchärfung der Zwangsmaßregeln.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Denkſchrift des kaiſerlich öſterreichiſchen Handelsminiſters<lb/> über die Anbahnung der öſterreichiſch-deutſchen Zoll- und<lb/> Handelseinigung.</hi> </hi> </head><lb/> <p>Die kaiſerlich öſterreichiſche Regierung, durchdrungen von der Ueber-<lb/> zeugung daß die Frage der Zolleinigung zwiſchen Deutſchland und Oeſter-<lb/> reich zur dauernden Wohlfahrt der Staaten wie der Völker einer befrie-<lb/> digenden Löſung entgegengeführt werden müſſe, hat dieſem wichtigen<lb/> Gegenſtande ihre ernſteſte reifliche Erwägung zugewendet, und ſie hat zur<lb/> Anbahnung derſelben in dem Regierungsblatt (Wiener Zeitung vom 26 Oct.<lb/> 1849) einige Grundſätze aufgeſtellt (Beilage <hi rendition="#aq">A.</hi>). Wie aus denſelben zu<lb/> erſehen, iſt es ihr keineswegs bloß um eine „commercielle Annäherung“<lb/> Oeſterreichs an den deutſchen Zollverein, ſondern darum zu thun eine<lb/> neue, gemeinſame Grundlage der ökonomiſchen Verhältniſſe und der<lb/> Volkswirthſchaft für Deutſchland und Oeſterreich zweckmäßig zu begrün-<lb/> den und die Verſchmelzung der beiderſeitigen Intereſſen herbeizuführen.<lb/> Eine bloße Annäherung im Zollweſen, wie wünſchenswerth ſie bisher<lb/> erſchienen ſeyn mag, oder ein Vertrag zur Erleichterung und beſſern<lb/> Ueberwachung des Gränzverkehrs, worauf alle frühern, die Zollfrage be-<lb/> treffenden Unterhandlungen zwiſchen Preußen und Oeſterreich ſich be-<lb/> ſchränkten, kann heute dem mächtigen Bedürfniß der Völker, dem drän-<lb/> genden Anliegen der Induſtrie und des Handels nicht mehr genügen.<lb/> Die engen Linien zu Verkehrserleichterungen, wie ſie vordem wohl ge-<lb/> zogen worden, vermögen jetzt nicht den weiten Kreis zu umſchreiben in-<lb/> nerhalb deſſen allen Bedürfniſſen Rechnung getragen, und allen Bedin-<lb/> gungen zur nachhaltigen Entfaltung der Erzeugung und des Verkehrs<lb/> Raum gegeben werden ſoll. Nicht um jene beſcheidenen Plane wieder<lb/> aufzunehmen, hat Oeſterreich unter ſchwierigen Verhältniſſen, in einem<lb/> Augenblick in welchem die heftigſten politiſchen Erſchütterungen noch<lb/> nachſchwingen, <hi rendition="#g">die gründliche Reform ſeines ganzen Zollwe-<lb/> ſens</hi> nachdrücklich in Angriff genommen. Das klarbewußte, entſchieden<lb/> angeſtrebte Endziel iſt, außer und neben der Wohlfahrt des eigenen Lan-<lb/> des, der vollſtändige Anſchluß Oeſterreichs in Zoll und Handel an ganz<lb/> Deutſchland.</p><lb/> <p>Es iſt die Frage aufgeworfen worden weßhalb die in der Wiener<lb/> Zeitung veröffentlichten Vorſchläge zur Anbahnung einer öſterreichiſch-<lb/> deutſchen Zolleinigung nicht gleich in diplomatiſchem Wege mitgetheilt<lb/> worden ſeyen? Es iſt darum geſchehen, weil<lb/><list><item><hi rendition="#aq">a</hi>) vor Einleitung einer fruchtbaren diplomatiſchen Verhandlung ein<lb/> Zollſyſtem hingeſtellt werden muß, das zwar ſelbſtändig ausgearbeitet<lb/> und zunächſt für die öſterreichiſchen Bedürfniſſe berechnet, doch nach ſei-<lb/> nen leitenden Principien verwandt und gleichartig mit den im größten<lb/> Theile Deutſchlands beſtehenden ſey.</item><lb/><item><hi rendition="#aq">b</hi>) Weil es damals noch an einem allgemein anerkannten deutſchen<lb/> Organ fehlte, von welchem die Verhandlung, in dem Geiſt den Oeſter-<lb/> reich allein für erſprießlich halten kann, frei von allen particularen In-<lb/> tereſſen, ausgerüſtet mit geeigneter, die untergeordneten Schwierigkeiten<lb/> bewältigender Machtvollkommenheit, und im Namen und mit Vollmacht<lb/> des geſammten Deutſchlands handelnd, geleitet werden konnte.</item><lb/><item><hi rendition="#aq">c</hi>) Weil in keiner Richtung von den deutſchen Regierungen die ge-<lb/> rechten Wünſche der deutſchen Induſtrie, welche auch jene Oeſterreichs<lb/> waren, befriedigt wurden. Der Zollverein vertagt die periodiſche Tarif-<lb/> reviſion; die Forderungen nach größerer Untertheilung und beziehungs-<lb/> weiſe Erhöhung der Zollſätze bleiben ungehört; die deutſchen Flüſſe in<lb/> alter Höhe belaſtet; der Steuerverein, Hamburg, Mecklenburg, alle Nord-<lb/> ſeeſtaaten verharren in ihrer Trennung.</item></list></p><lb/> <p>Wenngleich dieſe letzteren Uebelſlände zur Zeit noch nicht gehoben<lb/> find, ſo haben ſich jetzt die beiden erſten Punkte weſentlich geändert.<lb/> Denn was die Annäherung der Zollſyſteme betrifft, ſo iſt die ſeit faſt<lb/> einem Jahr aufgeſtellte Commiſſion zur Regelung des öſterreichiſchen<lb/> Zolltarifs in ihren Arbeiten ſo weit vorgerückt daß bis Ende Mai’s ein<lb/> vollſtändig ausgearbeiteter Entwurf vorgelegt ſeyn wird, die von ihr auf-<lb/> geſtellten dabei leitenden Grundſätze (Beilage <hi rendition="#aq">B.</hi>) ſind vom Miniſterium ge-<lb/><cb/> nehmigt, auch liegen demſelben die von ihr entworfenen Tarifpoſitionen auf<lb/> alle Metalle und Mineralien, Material- und Specereiwaaren, Parfümerie-,<lb/> Farb-, Arznei- und chemiſche Stoffe, ſowie auf die Erzeugniſſe daraus<lb/> zur Einſicht bereit. Was die Autorität betrifft von welcher die Verhand-<lb/> lung geleitet werden ſoll, finden wir eine ſolche nunmehr in der Bundes-<lb/> Centralcommiſſion, die, von ſämmtlichen deutſchen Regierungen aner-<lb/> kannt, und von Rechtswegen zu der hohen Aufgabe berufen gemeinſame<lb/> deutſche Intereſſen zu regeln, bereits ihre Wirkſamkeit begonnen hat.</p><lb/> <p>Unter dieſen Umſtänden hält die öſterreichiſche Regierung es daber<lb/> an der Zeit gegenwärtig die das gemeinſame Ziel anbahnenden Schritte<lb/> einzuleiten, und erlaubt ſich ſowohl zur nähern Begründung und zum<lb/> allſeitigen Verſtändniß ihrer Vorſchläge, als auch um ihre Anſichten über<lb/> den erſprießlichſten Gang der Verhandlungen mitzutheilen, dem deutſchen<lb/> Centralorgan und den deutſchen Regierungen dieſe erläuternde Denk-<lb/> ſchrift zu unterbreiten.</p><lb/> <p>Was nun zuvörderſt ihre eigenen Vorſchläge betrifft, ſo wird im vor-<lb/> aus erklärt daß dieſelben ſich jeder Aenderung, jedem Gegenantrage bereit-<lb/> willig fügen werden, ſoweit dieſe mit der nöthigen Schonung beſtehender<lb/> Intereſſen vereinbar und ſonſt geeignet ſind die Sache ſelbſt zu fördern,<lb/> und das große Ziel der Zolleinigung gewiſſer, raſcher, leichter als auf<lb/> dem beantragten Wege erreichen zu machen. Sonſt ſtellt ſie den Grund-<lb/> ſatz als praktiſch leitend voran: die Zolleinigung ſey thunlichſt ſo durch-<lb/> zuführen daß darunter kein weſentliches Intereſſe des einen oder andern<lb/> Handelsgebietes verletzt werde, daß vielmehr die verſchiedenen Bedürſniſſe<lb/> und Wünſche möglichſt ihre Befriedigung erhalten.</p><lb/> <p>Es kann nicht geläugnet werden daß jede der drei deutſchen handels-<lb/> politiſchen Gruppen, die öſterreichiſche, vereinsländiſche und norddeutſche,<lb/> der Reform ihrer Zoll- und Handelsgeſetzgebung bedürftig iſt; und über<lb/> das was ihnen mangelt oder was ſie begehren, liegen umfaſſende For-<lb/> ſchungen und ſprechende Thatſachen vor. Oeſterreich erkennt es offen als<lb/> Bedürfniß ſeiner Staats- und Volkswirthſchaft: aus dem Verbot- in das<lb/> Schutzſyſtem überzugehen. Allein für ebenſo nothwendig hält es die eigene<lb/> Zollreform, zu dem Zweck dadurch den Anſchluß an Deutſchland vorzube-<lb/> reiten, und das öſterreichiſche Zollſyſtem zu befähigen den Bedürfniſſen<lb/> der deutſchen Induſtrie und des deutſchen Handels zu entſprechen.</p><lb/> <p>Der entſchiedene Wille für die große Handelseinigung kann ſich ohne<lb/> Zweifel zur Zeit in den einzelnen deutſchen Zollgebieten nicht thatkräftiger<lb/> kundgeben, als dadurch daß die eigene Zollreform ſo angegriffen werde daß<lb/> ſie möglichſt das Bedürfniß des Einzelnen mit jenem des Ganzen vereint<lb/> befriedige. Daß die öſterreichiſche Tarifregelung in dieſem Sinn betrieben<lb/> werde, beweiſen eben die in der Beilage <hi rendition="#aq">B</hi> enthaltenen und in deren An-<lb/> hange näher beſprochenen Grundſätze.</p><lb/> <p>Die Tarifarbeiten der öſterreichiſchen Zoll-Reviſions-Commiſſion<lb/> ſind faſt durchaus dem Syſtem des Zollvereins homogen, und vollkommen<lb/> zur Grundlage einer weitern Verhandlung mit demſelben geeignet. Es<lb/> wäre nur zu wünſchen daß auf ähnliche Weiſe die Reviſion auch der übri-<lb/> gen deutſchen Zolltarife entgegenkommend vor ſich ginge, denn würde jede<lb/> vorläufige weitausſehende Berathung über die gemeinſam zu befolgenden<lb/> Grundſätze überflüſſig werden, und man hätte den weſentlichen Vortheil<lb/> erzielt, gleich zur Sache ſelbſt ſchreiten zu können.</p><lb/> <p>Deßhalb wird Oeſterreich, bis die Hauptfragen zur Entſcheidung rei-<lb/> fen, mittlerweile ſeine Tarifreviſion ohne Zögerung unbeirrt fortſetzen,<lb/> mit beſtändiger Rückſicht auf den gemeinſamen Zweck, eine möglich große,<lb/> innere und äußere Uebereinſtimmung in dem Tarif und dem ganzen Zoll-<lb/> weſen auf Grund gleichartiger Principien mit dem Zollverein zu erzielen.<lb/> Ohne Beſorgniß dieſen Zweck zu verfehlen kann Oeſterreich ſeine eigene<lb/> Reform durchführen, die Zölle auf Roh- und Farbſtoffe für die Induſtrie<lb/> ermäßigen, die innern Zollſchranken aufheben, und die Verbote und Ver-<lb/> botzölle in wirkſame Schutzzölle umwandeln.</p><lb/> <p>Die Thatſache der Tarifreviſion ſchlägt jeden Zweifel an der be-<lb/> ſtimmten Abſicht Oeſterreichs auf Herbeiführung der handelspolitiſchen<lb/> Einigung nieder; denn jeder Einſichtsvolle begrüßt in der Art wie jene<lb/> durchgeführt wird zugleich den gewichtigſten Schritt zu der Anbahnung<lb/> der letzteren. Alle bisherigen Unterhandlungen zwiſchen dem Zollverein<lb/> und Oeſterreich, von welcher Seite auch ausgegangen, ſcheiterten an dem<lb/> Bedenken Preußens daß die Verhältniſſe auf beiden Seiten nicht gleich<lb/> ſeyen, und daß Oeſterreich vorher ſein Prohibitivſyſtem beſeitigen und un-<lb/> ter ähnlichen Bedingungen wie der Zollverein die fremde Concurrenz zu-<lb/> laſſen müſſe, ehe dieſer die Hand zur Annäherung bieten könne. Dieß<lb/> Hinderniß fallt nun gänzlich weg.</p><lb/> <p>Indem Oeſterreich ſo die Initiative in Aufräumung der Hinderniſſe<lb/> vor ſeiner eigenen Thür ergriffen hat, glaubt es zu der vollen Hoffnung<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </p> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
Donnerſtag. Beilage zu Nr. 38 der Allg. Zeitung. 7 Februar 1856.
Ueberſicht.
Denkſchrift des kaiſerlich- öſterreichiſchen Handelsminiſters über die
Anbahnung der öſterreichiſch-deutſchen Zoll- und Handelseinigung. —
Aus Anlaß der Erfurter Wahlen. — Die Dinge in Berlin. — Thiers
über öffentliche Unterſtützung. — Der große See in Südafrika. —
Perſonalnachrichten. — Neueſtes. Griechenland: Telegraphiſche De-
peſche. Athen, 29 Jan. Verſchärfung der Zwangsmaßregeln.
Denkſchrift des kaiſerlich öſterreichiſchen Handelsminiſters
über die Anbahnung der öſterreichiſch-deutſchen Zoll- und
Handelseinigung.
Die kaiſerlich öſterreichiſche Regierung, durchdrungen von der Ueber-
zeugung daß die Frage der Zolleinigung zwiſchen Deutſchland und Oeſter-
reich zur dauernden Wohlfahrt der Staaten wie der Völker einer befrie-
digenden Löſung entgegengeführt werden müſſe, hat dieſem wichtigen
Gegenſtande ihre ernſteſte reifliche Erwägung zugewendet, und ſie hat zur
Anbahnung derſelben in dem Regierungsblatt (Wiener Zeitung vom 26 Oct.
1849) einige Grundſätze aufgeſtellt (Beilage A.). Wie aus denſelben zu
erſehen, iſt es ihr keineswegs bloß um eine „commercielle Annäherung“
Oeſterreichs an den deutſchen Zollverein, ſondern darum zu thun eine
neue, gemeinſame Grundlage der ökonomiſchen Verhältniſſe und der
Volkswirthſchaft für Deutſchland und Oeſterreich zweckmäßig zu begrün-
den und die Verſchmelzung der beiderſeitigen Intereſſen herbeizuführen.
Eine bloße Annäherung im Zollweſen, wie wünſchenswerth ſie bisher
erſchienen ſeyn mag, oder ein Vertrag zur Erleichterung und beſſern
Ueberwachung des Gränzverkehrs, worauf alle frühern, die Zollfrage be-
treffenden Unterhandlungen zwiſchen Preußen und Oeſterreich ſich be-
ſchränkten, kann heute dem mächtigen Bedürfniß der Völker, dem drän-
genden Anliegen der Induſtrie und des Handels nicht mehr genügen.
Die engen Linien zu Verkehrserleichterungen, wie ſie vordem wohl ge-
zogen worden, vermögen jetzt nicht den weiten Kreis zu umſchreiben in-
nerhalb deſſen allen Bedürfniſſen Rechnung getragen, und allen Bedin-
gungen zur nachhaltigen Entfaltung der Erzeugung und des Verkehrs
Raum gegeben werden ſoll. Nicht um jene beſcheidenen Plane wieder
aufzunehmen, hat Oeſterreich unter ſchwierigen Verhältniſſen, in einem
Augenblick in welchem die heftigſten politiſchen Erſchütterungen noch
nachſchwingen, die gründliche Reform ſeines ganzen Zollwe-
ſens nachdrücklich in Angriff genommen. Das klarbewußte, entſchieden
angeſtrebte Endziel iſt, außer und neben der Wohlfahrt des eigenen Lan-
des, der vollſtändige Anſchluß Oeſterreichs in Zoll und Handel an ganz
Deutſchland.
Es iſt die Frage aufgeworfen worden weßhalb die in der Wiener
Zeitung veröffentlichten Vorſchläge zur Anbahnung einer öſterreichiſch-
deutſchen Zolleinigung nicht gleich in diplomatiſchem Wege mitgetheilt
worden ſeyen? Es iſt darum geſchehen, weil
a) vor Einleitung einer fruchtbaren diplomatiſchen Verhandlung ein
Zollſyſtem hingeſtellt werden muß, das zwar ſelbſtändig ausgearbeitet
und zunächſt für die öſterreichiſchen Bedürfniſſe berechnet, doch nach ſei-
nen leitenden Principien verwandt und gleichartig mit den im größten
Theile Deutſchlands beſtehenden ſey.
b) Weil es damals noch an einem allgemein anerkannten deutſchen
Organ fehlte, von welchem die Verhandlung, in dem Geiſt den Oeſter-
reich allein für erſprießlich halten kann, frei von allen particularen In-
tereſſen, ausgerüſtet mit geeigneter, die untergeordneten Schwierigkeiten
bewältigender Machtvollkommenheit, und im Namen und mit Vollmacht
des geſammten Deutſchlands handelnd, geleitet werden konnte.
c) Weil in keiner Richtung von den deutſchen Regierungen die ge-
rechten Wünſche der deutſchen Induſtrie, welche auch jene Oeſterreichs
waren, befriedigt wurden. Der Zollverein vertagt die periodiſche Tarif-
reviſion; die Forderungen nach größerer Untertheilung und beziehungs-
weiſe Erhöhung der Zollſätze bleiben ungehört; die deutſchen Flüſſe in
alter Höhe belaſtet; der Steuerverein, Hamburg, Mecklenburg, alle Nord-
ſeeſtaaten verharren in ihrer Trennung.
Wenngleich dieſe letzteren Uebelſlände zur Zeit noch nicht gehoben
find, ſo haben ſich jetzt die beiden erſten Punkte weſentlich geändert.
Denn was die Annäherung der Zollſyſteme betrifft, ſo iſt die ſeit faſt
einem Jahr aufgeſtellte Commiſſion zur Regelung des öſterreichiſchen
Zolltarifs in ihren Arbeiten ſo weit vorgerückt daß bis Ende Mai’s ein
vollſtändig ausgearbeiteter Entwurf vorgelegt ſeyn wird, die von ihr auf-
geſtellten dabei leitenden Grundſätze (Beilage B.) ſind vom Miniſterium ge-
nehmigt, auch liegen demſelben die von ihr entworfenen Tarifpoſitionen auf
alle Metalle und Mineralien, Material- und Specereiwaaren, Parfümerie-,
Farb-, Arznei- und chemiſche Stoffe, ſowie auf die Erzeugniſſe daraus
zur Einſicht bereit. Was die Autorität betrifft von welcher die Verhand-
lung geleitet werden ſoll, finden wir eine ſolche nunmehr in der Bundes-
Centralcommiſſion, die, von ſämmtlichen deutſchen Regierungen aner-
kannt, und von Rechtswegen zu der hohen Aufgabe berufen gemeinſame
deutſche Intereſſen zu regeln, bereits ihre Wirkſamkeit begonnen hat.
Unter dieſen Umſtänden hält die öſterreichiſche Regierung es daber
an der Zeit gegenwärtig die das gemeinſame Ziel anbahnenden Schritte
einzuleiten, und erlaubt ſich ſowohl zur nähern Begründung und zum
allſeitigen Verſtändniß ihrer Vorſchläge, als auch um ihre Anſichten über
den erſprießlichſten Gang der Verhandlungen mitzutheilen, dem deutſchen
Centralorgan und den deutſchen Regierungen dieſe erläuternde Denk-
ſchrift zu unterbreiten.
Was nun zuvörderſt ihre eigenen Vorſchläge betrifft, ſo wird im vor-
aus erklärt daß dieſelben ſich jeder Aenderung, jedem Gegenantrage bereit-
willig fügen werden, ſoweit dieſe mit der nöthigen Schonung beſtehender
Intereſſen vereinbar und ſonſt geeignet ſind die Sache ſelbſt zu fördern,
und das große Ziel der Zolleinigung gewiſſer, raſcher, leichter als auf
dem beantragten Wege erreichen zu machen. Sonſt ſtellt ſie den Grund-
ſatz als praktiſch leitend voran: die Zolleinigung ſey thunlichſt ſo durch-
zuführen daß darunter kein weſentliches Intereſſe des einen oder andern
Handelsgebietes verletzt werde, daß vielmehr die verſchiedenen Bedürſniſſe
und Wünſche möglichſt ihre Befriedigung erhalten.
Es kann nicht geläugnet werden daß jede der drei deutſchen handels-
politiſchen Gruppen, die öſterreichiſche, vereinsländiſche und norddeutſche,
der Reform ihrer Zoll- und Handelsgeſetzgebung bedürftig iſt; und über
das was ihnen mangelt oder was ſie begehren, liegen umfaſſende For-
ſchungen und ſprechende Thatſachen vor. Oeſterreich erkennt es offen als
Bedürfniß ſeiner Staats- und Volkswirthſchaft: aus dem Verbot- in das
Schutzſyſtem überzugehen. Allein für ebenſo nothwendig hält es die eigene
Zollreform, zu dem Zweck dadurch den Anſchluß an Deutſchland vorzube-
reiten, und das öſterreichiſche Zollſyſtem zu befähigen den Bedürfniſſen
der deutſchen Induſtrie und des deutſchen Handels zu entſprechen.
Der entſchiedene Wille für die große Handelseinigung kann ſich ohne
Zweifel zur Zeit in den einzelnen deutſchen Zollgebieten nicht thatkräftiger
kundgeben, als dadurch daß die eigene Zollreform ſo angegriffen werde daß
ſie möglichſt das Bedürfniß des Einzelnen mit jenem des Ganzen vereint
befriedige. Daß die öſterreichiſche Tarifregelung in dieſem Sinn betrieben
werde, beweiſen eben die in der Beilage B enthaltenen und in deren An-
hange näher beſprochenen Grundſätze.
Die Tarifarbeiten der öſterreichiſchen Zoll-Reviſions-Commiſſion
ſind faſt durchaus dem Syſtem des Zollvereins homogen, und vollkommen
zur Grundlage einer weitern Verhandlung mit demſelben geeignet. Es
wäre nur zu wünſchen daß auf ähnliche Weiſe die Reviſion auch der übri-
gen deutſchen Zolltarife entgegenkommend vor ſich ginge, denn würde jede
vorläufige weitausſehende Berathung über die gemeinſam zu befolgenden
Grundſätze überflüſſig werden, und man hätte den weſentlichen Vortheil
erzielt, gleich zur Sache ſelbſt ſchreiten zu können.
Deßhalb wird Oeſterreich, bis die Hauptfragen zur Entſcheidung rei-
fen, mittlerweile ſeine Tarifreviſion ohne Zögerung unbeirrt fortſetzen,
mit beſtändiger Rückſicht auf den gemeinſamen Zweck, eine möglich große,
innere und äußere Uebereinſtimmung in dem Tarif und dem ganzen Zoll-
weſen auf Grund gleichartiger Principien mit dem Zollverein zu erzielen.
Ohne Beſorgniß dieſen Zweck zu verfehlen kann Oeſterreich ſeine eigene
Reform durchführen, die Zölle auf Roh- und Farbſtoffe für die Induſtrie
ermäßigen, die innern Zollſchranken aufheben, und die Verbote und Ver-
botzölle in wirkſame Schutzzölle umwandeln.
Die Thatſache der Tarifreviſion ſchlägt jeden Zweifel an der be-
ſtimmten Abſicht Oeſterreichs auf Herbeiführung der handelspolitiſchen
Einigung nieder; denn jeder Einſichtsvolle begrüßt in der Art wie jene
durchgeführt wird zugleich den gewichtigſten Schritt zu der Anbahnung
der letzteren. Alle bisherigen Unterhandlungen zwiſchen dem Zollverein
und Oeſterreich, von welcher Seite auch ausgegangen, ſcheiterten an dem
Bedenken Preußens daß die Verhältniſſe auf beiden Seiten nicht gleich
ſeyen, und daß Oeſterreich vorher ſein Prohibitivſyſtem beſeitigen und un-
ter ähnlichen Bedingungen wie der Zollverein die fremde Concurrenz zu-
laſſen müſſe, ehe dieſer die Hand zur Annäherung bieten könne. Dieß
Hinderniß fallt nun gänzlich weg.
Indem Oeſterreich ſo die Initiative in Aufräumung der Hinderniſſe
vor ſeiner eigenen Thür ergriffen hat, glaubt es zu der vollen Hoffnung
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |