Allgemeine Zeitung, Nr. 39, 8. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
doch unverhältnißmäßig geringe Ahndungen zur Folge haben; zudem Wir haben uns deßhalb aufrichtig gesreut zu hören daß der Abg. Durch die wirkliche Einführung eines solchen neuen Strafverfah- Wien.ss Wien, 3 Febr. Das Neuigkeitsbureau will wissen daß an den * Wien, 4 Febr. Se. Majestät muß seit drei Tagen in Folge einer [irrelevantes Material]
*) Bei dieser Gelegenheit mag jedoch nicht unerwähnt bleiben daß die baye- rische Armee in ihren Dienstesvorschriften ein im Ganzen wirklich ausge- zeichnetes Werk besitzt. Wenn auch manche Theile derselben nach den An- forderungen der Gegenwart einer Umarbeitung bedürfen, so ist doch der Geist der das Ganze durchweht, ein so durchweg humaner und so darauf berechnet einen ächt männlichen Sinn und den Geist wahrer Soldatenehre und unverbrüchlicher Eidestreue in der Armee zu nähren, daß man nur wünschen kann daß dieselben bei einer Umarbeitung hauptsächlich zu Grunde gelegt, ja vielleicht ein bedeutender Theil derselben unverändert beibehalten werden möchte. D. Eins. *) Nach andern Briefen befindet sich Se. Majestät schon wieder in der Bes-
serung. [Spaltenumbruch]
doch unverhältnißmäßig geringe Ahndungen zur Folge haben; zudem Wir haben uns deßhalb aufrichtig geſreut zu hören daß der Abg. Durch die wirkliche Einführung eines ſolchen neuen Strafverfah- Wien.ss Wien, 3 Febr. Das Neuigkeitsbureau will wiſſen daß an den * Wien, 4 Febr. Se. Majeſtät muß ſeit drei Tagen in Folge einer [irrelevantes Material]
*) Bei dieſer Gelegenheit mag jedoch nicht unerwähnt bleiben daß die baye- riſche Armee in ihren Dienſtesvorſchriften ein im Ganzen wirklich ausge- zeichnetes Werk beſitzt. Wenn auch manche Theile derſelben nach den An- forderungen der Gegenwart einer Umarbeitung bedürfen, ſo iſt doch der Geiſt der das Ganze durchweht, ein ſo durchweg humaner und ſo darauf berechnet einen ächt männlichen Sinn und den Geiſt wahrer Soldatenehre und unverbrüchlicher Eidestreue in der Armee zu nähren, daß man nur wünſchen kann daß dieſelben bei einer Umarbeitung hauptſächlich zu Grunde gelegt, ja vielleicht ein bedeutender Theil derſelben unverändert beibehalten werden möchte. D. Einſ. *) Nach andern Briefen befindet ſich Se. Majeſtät ſchon wieder in der Beſ-
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Ueberdieß iſt aus der bera-<lb/> thenden Stimme welche dem Auditor geſetzlich zukommt, in den meiſten<lb/> Fällen die faſt allein entſcheidende geworden, indem der Auditor, auf<lb/> ſeine Kenntniß des Rechts und auf juridiſche Lehrſätze und Beweistheo-<lb/> rien ſich ſtützend, in derlei Commiſſionen gewöhnlich ſeiner Anſicht die<lb/> Mehrheit der Stimmen zu verſchaffen weiß. So iſt es denn gekommen<lb/> daß das jetzige Militärſtrafverfahren um einen großen Theil des nöthi-<lb/> gen Vertrauens und Anſehens gekommen iſt, ja daß in der Armee nicht<lb/> ſelten eine Art von Vorurtheil gegen die Perſonen der Auditore ſich ge-<lb/> bildet hat, das als ſolches gewiß unverdient iſt. 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Einſ.</note> Es wäre ferner zu überlegen ob nicht auch bei den ſogenannten<lb/> Kriegscommiſſionen Beiſitzer aus den unteren Chargen zuzulaſſen wären,<lb/> was natürlich nur Leuten von ausgezeichnetem Leumund als beſonderes<lb/> Vorrecht zuerkannt werden dürfte, und was ſicher einen gewiſſen Ehrgeiz<lb/> hervorrufen würde; endlich ob nicht das Schlußverfahren einer jeden<lb/> ſolchen Unterſuchung öffentlich ſtattfinden, d. h. jedem Militär der Zu-<lb/> tritt erlaubt ſeyn ſollte. 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Der „vollkommne Einklang“ wird allem Ver-<lb/> muthen nach in der diplomatiſchen Inſtruction nur als „möglicher Ein-<lb/> klang“ aufgeführt ſeyn. Endlich iſt auch heute die Verfaſſung für Böhmen<lb/> publicirt worden. Prag iſt die Hauptſtadt. Der Landtag wird aus 220<lb/> Deputirten, nämlich 70 der Höchſtbeſteuerten, 71 der „Städte und In-<lb/> duſtrialorte“ und 79 der übrigen Gemeinden beſtehen. Die ſtädtiſchen<lb/> Abgeordneten vertheilen ſich ſo daß Prag in fünf Wahlbezirken zehn<lb/> nach einem Steuercenſus von 15 fl., die Städte Pilſen, Budweis, Eger,<lb/> Reichenberg und Kuttenberg je zwei nach einem Cenſus von 10 fl., die<lb/> übrigen Städte, von denen höchſtens nur zwei einen Wahlbezirk bilden,<lb/> nach einem Cenſus von 5 fl. wählen. Der Nationalitätsparagraph fehlt<lb/> auch in dieſer Verfaſſung nicht, ſonſt iſt ſie in den Grundzügen ganz die-<lb/> ſelbe wie die der andern Kronländer. Ueber die Sprache welche auf dem<lb/> Landtage geſprochen werden ſoll, beſtimmt die Landesverfaſſung nichts,<lb/> alſo wird nach der Gleichberechtigung böhmiſch und deutſch geſprochen<lb/> werden können. Anfangs wird die böhmiſche Sprache von den Tſchechen<lb/> gewiſſenhaft gebraucht werden, ſpäter aber wo ihr grammatiſcher Eifer<lb/> nach und nach verkühlen wird, ſtehen ähnliche Dinge zu erwarten wie<lb/> in den Turiner Kammern, wo auch nur höchſt ſelten die Savoyarden<lb/> ſich der franzöſiſchen Sprache bedienten. Wir haben heute wahre<lb/> Frühlingsluft und wohlthuenden Sonnenſchein, am Morgen war das<lb/> Waſſer bedeutend gefallen, gegen 11 Uhr ſtieg es aber wieder und macht<lb/> alle dem Waſſer nahe gelegenen Straßen in der innern und der Leopold-<lb/> ſtadt zu Canälen. Auch Ihr Correſpondent muß ſich entſchließen über<lb/> Holzbrücken aus dem Hauſe zu gehen. Dieſe Brücken ſind natürlich bei<lb/> unſerm vollen Verkehr mit Menſchen überdeckt, und dabei ſo ſchmal daß<lb/> man ſie nur mit Bereſina-Gefahr betritt. An ergötzlichen Scenen fehlt<lb/> es dabei nicht, wie Sie ſich leicht denken können. Bis jetzt hört man<lb/> noch nichts von größeren Verheerungen welche die Thaufluth ange-<lb/> richtet.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <dateline>* <hi rendition="#b">Wien,</hi> 4 Febr.</dateline> <p>Se. Majeſtät muß ſeit drei Tagen in Folge einer<lb/> Erkältung das Bett hüten, doch iſt kein Grund zu ernſter Beſorgniß vor-<lb/> handen.<note place="foot" n="*)">Nach andern Briefen befindet ſich Se. Majeſtät ſchon wieder in der Beſ-<lb/> ſerung.</note> Wie Ihr Blatt ſchon gemeldet, wird die deutſche Wechſelordnung<lb/> nächſtens publicirt werden und am 1 Mai l. 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doch unverhältnißmäßig geringe Ahndungen zur Folge haben; zudem
wird der Auditor, der nicht mit und unter den Soldaten lebt, nicht
leicht jene Perſonalkenntniß und, wenn wir ſo ſagen dürfen, jene Fertig-
keit in der Beurtheilung derartiger Charaktere erwerben welche ein Of-
ficier, der ſich viel mit ſeiner Mannſchaft zu beſchäftigen pflegt, gewöhn-
lich ſich aneignet. Endlich wird kaum in Abrede geſtellt werden können
daß es einzelne Fälle gibt welche von entſcheidendem Einfluß auf die
Disciplin und den Geiſt einer Truppe ſind, und die nur derjenige welcher
den Dienſt und deſſen Verhältniſſe von allen Seiten kennt, vollkommen
richtig zu würdigen weiß, während ein anderer ihnen häufig nur eine
untergeordnete Bedeutung zuerkennen wird. Ueberdieß iſt aus der bera-
thenden Stimme welche dem Auditor geſetzlich zukommt, in den meiſten
Fällen die faſt allein entſcheidende geworden, indem der Auditor, auf
ſeine Kenntniß des Rechts und auf juridiſche Lehrſätze und Beweistheo-
rien ſich ſtützend, in derlei Commiſſionen gewöhnlich ſeiner Anſicht die
Mehrheit der Stimmen zu verſchaffen weiß. So iſt es denn gekommen
daß das jetzige Militärſtrafverfahren um einen großen Theil des nöthi-
gen Vertrauens und Anſehens gekommen iſt, ja daß in der Armee nicht
ſelten eine Art von Vorurtheil gegen die Perſonen der Auditore ſich ge-
bildet hat, das als ſolches gewiß unverdient iſt. Hieraus iſt auch zu er-
klären daß viele Commandanten, in Fällen wo die gerichtliche Unter-
ſuchung zu umgehen iſt, vermöge ihrer disciplinären Strafgewalt per-
ſönlich einſchreiten, um ſo eine raſche Erledigung herbeizuführen, und
nicht Gefahr zu laufen daß ein Proceß nur ſpät oder vielleicht gar nicht
zu einem Ergebniß führt. Faßt man das Geſagte mit dem Umſtand zu-
ſammen daß bisher die Aufſtellung von rechtsgelehrten Militärbeamten
hauptſächlich durch den geſonderten Gerichtsſtand erforderlich war, ſo
möchte daraus hervorgehen daß nach Abſchaffung desſelben die Beibehal-
tung der Auditore für die Unterſuchung derjenigen Vergehen welche dann
noch der Militärjurisdiction verbleiben würden, kaum mehr nothwendig
ſeyn möchte. Es wäre ſodann Gelegenheit geboten das Geſchäft der Vor-
unterſuchung und gleichſam des öffentlichen Anklägers einem Officier zu
übertragen, wie dieſe Einrichtung unter dem Titel der Capitaines rap-
porteurs ſeit langer Zeit in der franzöſiſchen Armee, und wenigſtens
theilweiſe auch in Preußen bereits ſeit dem 21 Januar 1812 beſteht.
Zur Competenz dieſes Militärgerichts würden ſomit alle im Dienſt be-
gangenen Vergehen gehören, und wären als ſolcht nicht bloß die welche
im unmittelbaren Dienſt verübt wurden, ſondern auch alle jene zu be-
trachten welche in der Caſerne, wie Diebſtahl am ärarialiſchen oder am
Eigenthume eines Cameraden, Raufhändel u. ſ. w., oder auf dem Mar-
ſche, im Lager, oder in Cantonnirungen begangen wurden. Zu dieſem
Zweck wäre freilich eine weſentliche Erweiterung und Abänderung der
bayeriſchen ſogenannten Kriegsartikel, ſowie deren Abfaſſung in einer
Sprache nothwendig welche auch dem Ungebildeten vollkommen faßlich
wäre. *) Es wäre ferner zu überlegen ob nicht auch bei den ſogenannten
Kriegscommiſſionen Beiſitzer aus den unteren Chargen zuzulaſſen wären,
was natürlich nur Leuten von ausgezeichnetem Leumund als beſonderes
Vorrecht zuerkannt werden dürfte, und was ſicher einen gewiſſen Ehrgeiz
hervorrufen würde; endlich ob nicht das Schlußverfahren einer jeden
ſolchen Unterſuchung öffentlich ſtattfinden, d. h. jedem Militär der Zu-
tritt erlaubt ſeyn ſollte. Eine derartige Zuſammenſetzung des Gerichtes
wäre unter allen Verhältniſſen, auch bei kleineren detachirten Abtheilun-
gen möglich, und ſomit eine raſche Erledigung jedes einzelnen Falles und
geeignete, rechtzeitige Beſtrafung des Fehlenden zu erwarten, und es
würde durch ein ſolches Verfahren ſicher der Gerechtigkeit und Wahrheit
am beſten genügt, der Sinn für Recht und die Achtung vor dem Geſetz
erhöht, cameradſchaftliche Geſinnungen geweckt und der Geiſt der Ehre
befördert werden.
Wir haben uns deßhalb aufrichtig geſreut zu hören daß der Abg.
Freiherr v. Lerchenfeld an die Kammer einen Antrag gebracht hat der,
dem Vernehmen nach, eine Reform der Militärjuſtiz nach obigen Grund-
ſätzen beabſichtigt, und wir glauben nicht zu irren, wenn wir behaupten
daß derſelbe bei einem großen Theil des Heeres den freudigſten Anklang
finden wird.
Durch die wirkliche Einführung eines ſolchen neuen Strafverfah-
rens würde, wir ſind davon aufs innigſte überzeugt, die Disciplin im
Heere weſentlich gefördert und in demſelben jene Achtung vor dem Geſetz
und jene ächte Kriegerehre Wurzel faſſen welche geeignet ſind dasſelbe
ſowohl gegen äußere als innere Feinde zur feſten Schutzwehr des Staates
zu machen.
Wien.ss Wien, 3 Febr. Das Neuigkeitsbureau will wiſſen daß an den
kaiſerlichen Geſandten in Athen die Weiſung ergangen ſey ſich in den
brittiſch-griechiſchen Händeln in vollkommnem Einklang mit dem ruſſiſchen
Geſandten zu verhalten. Der „vollkommne Einklang“ wird allem Ver-
muthen nach in der diplomatiſchen Inſtruction nur als „möglicher Ein-
klang“ aufgeführt ſeyn. Endlich iſt auch heute die Verfaſſung für Böhmen
publicirt worden. Prag iſt die Hauptſtadt. Der Landtag wird aus 220
Deputirten, nämlich 70 der Höchſtbeſteuerten, 71 der „Städte und In-
duſtrialorte“ und 79 der übrigen Gemeinden beſtehen. Die ſtädtiſchen
Abgeordneten vertheilen ſich ſo daß Prag in fünf Wahlbezirken zehn
nach einem Steuercenſus von 15 fl., die Städte Pilſen, Budweis, Eger,
Reichenberg und Kuttenberg je zwei nach einem Cenſus von 10 fl., die
übrigen Städte, von denen höchſtens nur zwei einen Wahlbezirk bilden,
nach einem Cenſus von 5 fl. wählen. Der Nationalitätsparagraph fehlt
auch in dieſer Verfaſſung nicht, ſonſt iſt ſie in den Grundzügen ganz die-
ſelbe wie die der andern Kronländer. Ueber die Sprache welche auf dem
Landtage geſprochen werden ſoll, beſtimmt die Landesverfaſſung nichts,
alſo wird nach der Gleichberechtigung böhmiſch und deutſch geſprochen
werden können. Anfangs wird die böhmiſche Sprache von den Tſchechen
gewiſſenhaft gebraucht werden, ſpäter aber wo ihr grammatiſcher Eifer
nach und nach verkühlen wird, ſtehen ähnliche Dinge zu erwarten wie
in den Turiner Kammern, wo auch nur höchſt ſelten die Savoyarden
ſich der franzöſiſchen Sprache bedienten. Wir haben heute wahre
Frühlingsluft und wohlthuenden Sonnenſchein, am Morgen war das
Waſſer bedeutend gefallen, gegen 11 Uhr ſtieg es aber wieder und macht
alle dem Waſſer nahe gelegenen Straßen in der innern und der Leopold-
ſtadt zu Canälen. Auch Ihr Correſpondent muß ſich entſchließen über
Holzbrücken aus dem Hauſe zu gehen. Dieſe Brücken ſind natürlich bei
unſerm vollen Verkehr mit Menſchen überdeckt, und dabei ſo ſchmal daß
man ſie nur mit Bereſina-Gefahr betritt. An ergötzlichen Scenen fehlt
es dabei nicht, wie Sie ſich leicht denken können. Bis jetzt hört man
noch nichts von größeren Verheerungen welche die Thaufluth ange-
richtet.
* Wien, 4 Febr. Se. Majeſtät muß ſeit drei Tagen in Folge einer
Erkältung das Bett hüten, doch iſt kein Grund zu ernſter Beſorgniß vor-
handen. *) Wie Ihr Blatt ſchon gemeldet, wird die deutſche Wechſelordnung
nächſtens publicirt werden und am 1 Mai l. J. in Kraft treten. Auf
Ungarn, Croatien und Slavonien wird dieſes Geſetz nicht aus-
gedehnt werden, vielmehr bleibt es daſelbſt bei dem beſtehenden Rechte
mit einigen Abänderungen. Man ſieht daraus wie ſorgfältig man in unſerm
Cabinet die eigenthümlichen Verhältniſſe der einzelnen Gebietstheile zu
würdigen weiß, und daß man von einer blinden Centraliſation, worüber
die ultranationalen Vlätter ſchreien, weit entfernt iſt. Das Waſſer iſt
bedeutend gefallen, und wir können wieder im Trockenen verkehren; der
eine Pfeiler der Eiſenbahnbrücke iſt indeſſen der Art beſchädigt daß man
den Wagenzug nicht mehr paſſiren läßt, ſondern die Paſſagiere zu Fuß
gehen müſſen. Dagegen haben die kleinen Gebirgsſtröme ſo ungebärdig
gewirthſchaftet daß viele Straßen unfahrbar geworden ſind.
_
*) Bei dieſer Gelegenheit mag jedoch nicht unerwähnt bleiben daß die baye-
riſche Armee in ihren Dienſtesvorſchriften ein im Ganzen wirklich ausge-
zeichnetes Werk beſitzt. Wenn auch manche Theile derſelben nach den An-
forderungen der Gegenwart einer Umarbeitung bedürfen, ſo iſt doch der
Geiſt der das Ganze durchweht, ein ſo durchweg humaner und ſo darauf
berechnet einen ächt männlichen Sinn und den Geiſt wahrer Soldatenehre
und unverbrüchlicher Eidestreue in der Armee zu nähren, daß man nur
wünſchen kann daß dieſelben bei einer Umarbeitung hauptſächlich zu Grunde
gelegt, ja vielleicht ein bedeutender Theil derſelben unverändert beibehalten
werden möchte. D. Einſ.
*) Nach andern Briefen befindet ſich Se. Majeſtät ſchon wieder in der Beſ-
ſerung.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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