Allgemeine Zeitung, Nr. 39, 8. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
und Preußen mit einer Virilstimme sich nicht begnügen wollten, die Preußen. Koblenz, 4 Febr. Abends 8 Uhr. Heute fehlen noch Berlin, 4 Febr. Die zweite Kammer begann heute die Bera- Berlin, 4 Febr. Die conservative Partei bietet alles auf den g Berlin, 4 Febr. Ihre Berichte aus Wien und München, und Berlin, 4 Febr. Unter den schwarzen Raben die nach Erfurt *) So wohlunterrichtet in der Regel die Quelle ist aus welcher dieser Be- richt kommt, so müssen wir doch bezweifeln daß man in Berlin am 4 Febr. noch nicht gekannt haben soll was am 1 Febr. in Frankfurt schon in viel- leicht zehn oder zwanzig Händen gewesen, und wovon die Allg. Ztg schon am 30 und 31 Jan. die Umrisse geltefert hatte. **) Mar v. Gagern ist bier vergessen. Heinrich v. Gagern scheint bis jetzt
nirgends gewählt. [Spaltenumbruch]
und Preußen mit einer Virilſtimme ſich nicht begnügen wollten, die Preußen. Koblenz, 4 Febr. Abends 8 Uhr. Heute fehlen noch ☿ Berlin, 4 Febr. Die zweite Kammer begann heute die Bera- ☿ Berlin, 4 Febr. Die conſervative Partei bietet alles auf den γ Berlin, 4 Febr. Ihre Berichte aus Wien und München, und ∸ Berlin, 4 Febr. Unter den ſchwarzen Raben die nach Erfurt *) So wohlunterrichtet in der Regel die Quelle iſt aus welcher dieſer Be- richt kommt, ſo müſſen wir doch bezweifeln daß man in Berlin am 4 Febr. noch nicht gekannt haben ſoll was am 1 Febr. in Frankfurt ſchon in viel- leicht zehn oder zwanzig Händen geweſen, und wovon die Allg. Ztg ſchon am 30 und 31 Jan. die Umriſſe geltefert hatte. **) Mar v. Gagern iſt bier vergeſſen. Heinrich v. Gagern ſcheint bis jetzt
nirgends gewählt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0002" n="610"/><cb/> und Preußen mit einer Virilſtimme ſich nicht begnügen wollten, die<lb/> ſiebente Stimme würden Heſſen-Kaſſel und Heſſen-Darmſtadt in Gemein-<lb/> ſchaft erhalten, ein Staatenhaus aus Abgeordneten der Regierungen,<lb/> ein Volkshaus aus Kammerausſchüſſen gebildet. Das wäre denn das<lb/> Blitterdorff’ſche Geſpenſt halbwegs in Fleiſch und Blut. Den Ausfall<lb/> der Erfurter Minoritätswahlen beuten bei uns Miniſterielle und Demo-<lb/> kraten mit gleichem Vergnügen aus, und beiderſeits vindicirt man mit<lb/> Eifer ſich das Recht recht gehabt zu haben mit der preußiſchen Abneigung.<lb/> So ſtehen wir!</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Preußen</hi>.</head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">Koblenz,</hi> 4 Febr.</dateline> <p>Abends 8 Uhr. Heute fehlen noch<lb/> faſt alle Poſten; ringsum ſind die Landſtraßen durchs Waſſer geſperrt;<lb/> ſeit geſtern Mittag iſt das Waſſer in mehrere unſerer Stadtſtraßen ein-<lb/> gedrungen, und ſteht heute Abend wo es immer, wenn auch nicht raſch,<lb/> noch im Wachſen begriffen iſt, kaum um einen Fuß niederer als im<lb/> Frühjahr 1845, ſo daß die Höhe des Waſſers faſt der am Rhein herfüh-<lb/> renden Fortificationsmauer gleichſteht. Nach Oberweſel u. ſ. w. hat die<lb/> Regierung große Fuhren von Commißbroden von hier aus abgehen laſ-<lb/> ſſen. Geſtern Mittag traf Bericht von Oberweſel ein daß vom Lur-<lb/> ley aufwärts bis dahin das Eis ſich in der Frühe abermals feſtgeſetzt<lb/> habe, und eine Waſſermaſſe von 33 Fuß Höhe dahinter lagere. Die<lb/> Moſel hat heute Morgen das Expeditionslocal der Moſeldampfboote mit<lb/> allem Mobiliar mit ſich fortgeriſſen. — So die Frankf. O.-P.-A.-Ztg.<lb/> Die Kölniſche Zeitung iſt ausgeblieben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>☿ <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 4 Febr.</dateline> <p>Die zweite Kammer begann heute die Bera-<lb/> thung des Geſetzentwurfs über die Einkommenſteuer. Der Finanzmini-<lb/> ſter bemerkte zu Anfang: die Regierung habe es ſeit Jahren für nöthig<lb/> erachtet ſtatt der Mahl- und Schlachtſteuer eine allgemeine Einkommen-<lb/> ſteuer einzuführen, und ſie fühle ſich durch die Zuſtimmung von Seite<lb/> der Commiſſion ſehr befriedigt. Das Pochhammerſche Amendement (ein<lb/> zweiter Entwurf, welcher eine neue Claſſenſteuer und einige Modificatio-<lb/> nen der Mahl- und Schlachtfteuer zum Zwecke hat!) weiche dagegen ſo<lb/> ſehr von ihren Grundſätzen ab daß ſie die Annahme desſelben als eine<lb/> Verwerfung ihrer Vorlage betrachten müßte. Von den Rednern, die<lb/> hierauf in der allgemeinen Discuſſion das Wort ergreifen, ſprechen die<lb/> Abgeordneten Heſſe (Brilon), Riedel und Beckerath für die Regierungs-<lb/> vorlage; Ulfert, Groddeck, Ohm und Pochhammer dagegen, und für das<lb/> Amendement. Die Gegner des Regierungsentwurfs behaupten daß aus<lb/> der Aufhebung der Mahl- und Schlachtſteuer den Unbemittelten wenig<lb/> Vortheil erwachſen würde, der Beurtheilung des Einkommens dagegen<lb/> unbeſiegliche Schwierigkeiten entgegenſtänden. Nach Aufhebung der<lb/> Schlachtſteuer in Paris habe dieſelbe doch bald wieder eingeführt werden<lb/> müſſen, weil namentlich die Schwierigkeit ſich herausgeſtellt habe den<lb/> Ausfall in der Einnahme durch eine andere Steuer zu erſetzen. Die<lb/> Städte würden Schulden machen müſſen und in ihren Vermögensverhält-<lb/> uiſſen zurückkommen. Wie ungerecht die Einkommenſteuer ſey, gehe aus<lb/> der Thatſache hervor daß in England die großen Erwerbszweige der Na-<lb/> tion, Schifffahrt, Handel und Fabrication, nur ein Drittel der dort einge-<lb/> führten Einkommenſteuer aufbrächten. Eine ſolche Steuer würde auch<lb/> die Capitalien aus dem Lande jagen; und wenn die Claſſenſteuer, die<lb/> Mahl- und Schlachtſteuer ebenfalls ihre Nachtheile hätten, ſo wären ſie<lb/> doch lange nicht ſo groß wie die der Einkommenſteuer. Dagegen bemer-<lb/> ken die Vertheidiger der Vorlage: die Einwendungen gegen die Einkom-<lb/> menſteuer gingen hauptſächlich von den großen Grundbeſitzern und den<lb/> Beamten aus die in großen Städten lebten. Die angeſtellten Rechnun-<lb/> gen bewieſen daß die unterſte Volksclaſſe bei der Einkommenſteuer bedeu-<lb/> tend weniger zahle. Durch die Mahl- und Schlachtſteuer werde das<lb/> platte Land zu ſehr von den Städten getrennt, und die Aermeren würden<lb/> offenbar ſtärker in Anſpruch genommen als die Wohlhabenden. Das In-<lb/> quiſitoriſche der Einkommenſteuer ſey durch die Commiſſion außerordent-<lb/> lich gemildert, und dieſe mildere Form von dem Finanzminiſter angenom-<lb/> men worden. Bei der Einkommenſteuer würden Geſetzumgehungen, De-<lb/> fraudationen lange nicht in dem Maße hervortreten wie bei der Mahl- und<lb/> Schlachtſteuer. Der Regierungscommiſſär Bitter führt an daß ſeit 1822<lb/> 52 Städte von der Mahl- und Schlachtſteuer zurückgetreten ſeyen und in<lb/> ganz Weſtfalen keine mahl- und ſchlachtſteuerpflichtige Stadt exiſtire. Die<lb/> Zahl der Städte welche der indirecten Steuern noch bedürften, beliefe<lb/> ſich nach genauen Ermittelungen nur auf 20. Die Regierung habe den<lb/> Muth das angenommene Princip durchzuführen und die Schwierigkeiten<lb/> ſeiner Ausführung zu überwinden. (Beifall.) Die allgemeine Discuſſion<lb/> iſt damit geſchloſſen. Die erſte Kammer begann heute die Berathung des<lb/> Ablöſungsgeſetzes und wird heute Abend Sitzung haben.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>☿ <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 4 Febr.</dateline> <p>Die conſervative Partei bietet alles auf den<lb/> 6 Febr. glänzend zu feiern. Die Führer haben dafür geſorgt daß Abends<lb/> in der ganzen Stadt illuminirt wird. Die ganze Woche hindurch ſollen<lb/> Conſtitutionsfeſte ſtattfinden: jeder Bezirksverein, deren es gegen 100<lb/><cb/> gibt, wird eines abhalten. Heute hat der eilfte größere Verein Concert,<lb/> Feſteſſen und Ball. Auch die Wahlkreiſe für Erfurt werden den Tag der<lb/> Beſchwörung feiern und dazu die gewählten Abgeordneten einladen.<lb/> Deßgleichen die vaterländiſche Geſellſchaft. Unter den conſtitutionell-<lb/> conſervativen Fractionen herrſcht jetzt in der That eine frohe Stimmung;<lb/> wogegen die Kreuzzeitungspartei etwas kleinlaut geworden iſt. Von die-<lb/> ſer Seite war ſtark auf den Rücktritt des Miniſteriums und die Nichtbe-<lb/> ſchwörung der Verfaſſung gerechnet. Einzelne verkündigten laut: dieſes<lb/> Miniſterium werde und müſſe fallen! Und jetzt, wo es feſter ſteht als je,<lb/> ſchämt man ſich entweder oder man macht ſeinem Verdruß in zornigen<lb/> Reden Luft. Die Conſtitutionellen <hi rendition="#aq">par excellence</hi> haben ſich mit der<lb/> ſchließlich feſtgeſtellten Verfaſſung verſöhnt; man liest dieß nicht nur in<lb/> der Conſtitutionellen Zeitung, ſondern auch auf den Geſichtern der Führer<lb/> dieſer Fraction. Sie tröſtet ſich nach ihrer Niederlage namentlich mit<lb/> dem dritten Satz des Art. 62, der jetzt (nach der Annahme des Viebahn-<lb/> ſchen Amendements in beiden Kammern) lautet: „Finanzgeſetzentwürfe<lb/> und Staatshaushaltetats werden zuerſt der zweiten Kammer vorgelegt;<lb/> letztere werden von der erſten Kammer im ganzen angenommen oder abge-<lb/> lehnt.“ Die demokratiſche Partei fährt fort ſich in der Ruhe der Gleich-<lb/> gültigkeit zu gefallen und in ſatiriſchen Bemerkungen über den jetzigen<lb/> Stand der Dinge. Man erzählte ſich dieſer Tage ſie wolle gegen die<lb/> Verfaſſung, die ohne ihre Vertreter revidirt worden ſey, eine Verwahrung<lb/> veröffentlichen; doch ſcheint ſich dieß nicht beſtätigen zu wollen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>γ <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 4 Febr.</dateline> <p>Ihre Berichte aus Wien und München, und<lb/> die Poſaunenſtöße der öſterreichiſchen Blätter die nicht müde werden den<lb/> entſcheidenden Schritt anzukündigen welcher von der öſterreichiſchen Re-<lb/> gierung in der deutſchen Zoll- und Handelseinigung vorwärts gethan<lb/> worden, erregen hier Neugierde und Verwunderung. Wir werden förm-<lb/> lich auf die Folter geſpannt! wir ſollen die Hand aufs Herz legen, ſollen<lb/> eingeſtehen daß wir uns das vor einem halben Jahr nicht hätten träumen<lb/> laſſen; ſollen die Rieſenſchritte der öſterreichiſchen Miniſter — das Werk<lb/> von unberechenbarer Tragweite anſtaunen! Aber was in aller Welt iſt<lb/> denn paſſirt? fragen wir uns und ſehen uns verwundert an, denn hier<lb/> weiß kein Menſch auch nur ein Sterbenswörtchen von dem Rieſenplane.<lb/> Die Denkſchrift des Hrn. v. Bruck, welche bereits am 26 Jan. von Wien<lb/> an alle deutſchen Höfe abgegangen ſeyn ſoll, iſt hier in Berlin am 4 Febr.,<lb/> alſo nach neun Tagen noch nicht angelangt.<note place="foot" n="*)">So wohlunterrichtet in der Regel die Quelle iſt aus welcher dieſer Be-<lb/> richt kommt, ſo müſſen wir doch bezweifeln daß man in Berlin am 4 Febr.<lb/> noch nicht gekannt haben ſoll was am 1 Febr. in Frankfurt ſchon in viel-<lb/> leicht zehn oder zwanzig Händen geweſen, und wovon die Allg. Ztg ſchon<lb/> am 30 und 31 Jan. die Umriſſe geltefert hatte.</note> Wenn ſie nur nicht ſo<lb/> zuſammenſchrumpft wie die unter Oeſterreichs Aegide mit den Königrei-<lb/> chen „vereinbarte“ neue deutſche Verfaſſung, welche ebenfalls vom Wiener<lb/> Cabinet noch dazu mit einer eindringlichen Einladung an das hieſige ge-<lb/> langt ſeyn ſoll, woran trotz der poſitivſten Verſicherungen der großdeut-<lb/> ſchen Organe kein wahres Wort iſt. Was man von Wien aus hierüber<lb/> mitgetheilt erhalten, beſchränkt ſich auf ein paar allgemeine Principien.<lb/> Oeſterreich will allerdings zur Begründung „eines neuen deutſchen Staa-<lb/> tenbundes concurriren, aber nur unter zwei Bedingungen: daß die Bun-<lb/> desregierung in collegialiſcher Form und durch Delegirung geübt werde,<lb/> und daß auch die Volksvertretung am Bunde nur in einer Delegation der<lb/> Particularvertretungen beſtehe.“ Es verlangt überdieß eine Ausglei-<lb/> chung des Uebergewichts welches Preußen in dieſer Repräſentation haben<lb/> müßte, und fordert „eine exceptionelle Stellung darin“, dadurch daß ſeine<lb/> Repräſentanten (in dieſer ſogenannten Volksvertretung, wir würden es<lb/> Staatenhaus nennen) „nur ein auf gewiſſe Intereſſen beſchränktes Man-<lb/> dat haben ſollten, und die Beſchlüſſe auch nur für dieſe Angelegenheiten in<lb/> Oeſterreich Berückſichtigung zu finden hätten.“ Alſo unverblümt, es<lb/> verlangt unbeſchränkte Theilnahme an der Bundesregierung, concedirt<lb/> aber nur eine ſehr beſchränkte Unterordnung ſeiner ſelbſt unter die Bun-<lb/> desgeſetzgebung. Dieſe Mittheilungen ſind aber, wie geſagt, nur in ſehr<lb/> vager Weiſe gemacht.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline>∸ <hi rendition="#b">Berlin,</hi> 4 Febr.</dateline> <p>Unter den ſchwarzen Raben die nach Erfurt<lb/> ziehen, ſieht man endlich auch einige weiße. Das Gleichniß mag nicht<lb/> ganz paſſend ſeyn; aber vaterländiſche Reminiscenzen brachten mich<lb/> darauf. Kurfürſt Joachim <hi rendition="#aq">I</hi> ſagte von der Mark Brandenburg ſeiner Zeit<lb/> daß ein intelligenter Mann dort ſeltener ſey als ein weißer Rabe. In der<lb/> Mark Brandenburg ward es ſeitdem anders; möchte es in Erfurt auch<lb/> anders werden, als wir fürchteten. Von den geächteten Frankfurtern<lb/> zählen wir wenigſtens bereits: Graf Schwerin, Beckerath, Duncker,<lb/> v. Radowitz, Graf Keller, Fuchs (aus Breslau), Beſeler (Greifswalde),<lb/> Hergenhahn, Böcking, Baſſermann, Meviſſen, Stenzel, Simſon,<note place="foot" n="**)">Mar v. Gagern iſt bier vergeſſen. Heinrich v. Gagern ſcheint bis jetzt<lb/> nirgends gewählt.</note> und von<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [610/0002]
und Preußen mit einer Virilſtimme ſich nicht begnügen wollten, die
ſiebente Stimme würden Heſſen-Kaſſel und Heſſen-Darmſtadt in Gemein-
ſchaft erhalten, ein Staatenhaus aus Abgeordneten der Regierungen,
ein Volkshaus aus Kammerausſchüſſen gebildet. Das wäre denn das
Blitterdorff’ſche Geſpenſt halbwegs in Fleiſch und Blut. Den Ausfall
der Erfurter Minoritätswahlen beuten bei uns Miniſterielle und Demo-
kraten mit gleichem Vergnügen aus, und beiderſeits vindicirt man mit
Eifer ſich das Recht recht gehabt zu haben mit der preußiſchen Abneigung.
So ſtehen wir!
Preußen.
Koblenz, 4 Febr. Abends 8 Uhr. Heute fehlen noch
faſt alle Poſten; ringsum ſind die Landſtraßen durchs Waſſer geſperrt;
ſeit geſtern Mittag iſt das Waſſer in mehrere unſerer Stadtſtraßen ein-
gedrungen, und ſteht heute Abend wo es immer, wenn auch nicht raſch,
noch im Wachſen begriffen iſt, kaum um einen Fuß niederer als im
Frühjahr 1845, ſo daß die Höhe des Waſſers faſt der am Rhein herfüh-
renden Fortificationsmauer gleichſteht. Nach Oberweſel u. ſ. w. hat die
Regierung große Fuhren von Commißbroden von hier aus abgehen laſ-
ſſen. Geſtern Mittag traf Bericht von Oberweſel ein daß vom Lur-
ley aufwärts bis dahin das Eis ſich in der Frühe abermals feſtgeſetzt
habe, und eine Waſſermaſſe von 33 Fuß Höhe dahinter lagere. Die
Moſel hat heute Morgen das Expeditionslocal der Moſeldampfboote mit
allem Mobiliar mit ſich fortgeriſſen. — So die Frankf. O.-P.-A.-Ztg.
Die Kölniſche Zeitung iſt ausgeblieben.
☿ Berlin, 4 Febr. Die zweite Kammer begann heute die Bera-
thung des Geſetzentwurfs über die Einkommenſteuer. Der Finanzmini-
ſter bemerkte zu Anfang: die Regierung habe es ſeit Jahren für nöthig
erachtet ſtatt der Mahl- und Schlachtſteuer eine allgemeine Einkommen-
ſteuer einzuführen, und ſie fühle ſich durch die Zuſtimmung von Seite
der Commiſſion ſehr befriedigt. Das Pochhammerſche Amendement (ein
zweiter Entwurf, welcher eine neue Claſſenſteuer und einige Modificatio-
nen der Mahl- und Schlachtfteuer zum Zwecke hat!) weiche dagegen ſo
ſehr von ihren Grundſätzen ab daß ſie die Annahme desſelben als eine
Verwerfung ihrer Vorlage betrachten müßte. Von den Rednern, die
hierauf in der allgemeinen Discuſſion das Wort ergreifen, ſprechen die
Abgeordneten Heſſe (Brilon), Riedel und Beckerath für die Regierungs-
vorlage; Ulfert, Groddeck, Ohm und Pochhammer dagegen, und für das
Amendement. Die Gegner des Regierungsentwurfs behaupten daß aus
der Aufhebung der Mahl- und Schlachtſteuer den Unbemittelten wenig
Vortheil erwachſen würde, der Beurtheilung des Einkommens dagegen
unbeſiegliche Schwierigkeiten entgegenſtänden. Nach Aufhebung der
Schlachtſteuer in Paris habe dieſelbe doch bald wieder eingeführt werden
müſſen, weil namentlich die Schwierigkeit ſich herausgeſtellt habe den
Ausfall in der Einnahme durch eine andere Steuer zu erſetzen. Die
Städte würden Schulden machen müſſen und in ihren Vermögensverhält-
uiſſen zurückkommen. Wie ungerecht die Einkommenſteuer ſey, gehe aus
der Thatſache hervor daß in England die großen Erwerbszweige der Na-
tion, Schifffahrt, Handel und Fabrication, nur ein Drittel der dort einge-
führten Einkommenſteuer aufbrächten. Eine ſolche Steuer würde auch
die Capitalien aus dem Lande jagen; und wenn die Claſſenſteuer, die
Mahl- und Schlachtſteuer ebenfalls ihre Nachtheile hätten, ſo wären ſie
doch lange nicht ſo groß wie die der Einkommenſteuer. Dagegen bemer-
ken die Vertheidiger der Vorlage: die Einwendungen gegen die Einkom-
menſteuer gingen hauptſächlich von den großen Grundbeſitzern und den
Beamten aus die in großen Städten lebten. Die angeſtellten Rechnun-
gen bewieſen daß die unterſte Volksclaſſe bei der Einkommenſteuer bedeu-
tend weniger zahle. Durch die Mahl- und Schlachtſteuer werde das
platte Land zu ſehr von den Städten getrennt, und die Aermeren würden
offenbar ſtärker in Anſpruch genommen als die Wohlhabenden. Das In-
quiſitoriſche der Einkommenſteuer ſey durch die Commiſſion außerordent-
lich gemildert, und dieſe mildere Form von dem Finanzminiſter angenom-
men worden. Bei der Einkommenſteuer würden Geſetzumgehungen, De-
fraudationen lange nicht in dem Maße hervortreten wie bei der Mahl- und
Schlachtſteuer. Der Regierungscommiſſär Bitter führt an daß ſeit 1822
52 Städte von der Mahl- und Schlachtſteuer zurückgetreten ſeyen und in
ganz Weſtfalen keine mahl- und ſchlachtſteuerpflichtige Stadt exiſtire. Die
Zahl der Städte welche der indirecten Steuern noch bedürften, beliefe
ſich nach genauen Ermittelungen nur auf 20. Die Regierung habe den
Muth das angenommene Princip durchzuführen und die Schwierigkeiten
ſeiner Ausführung zu überwinden. (Beifall.) Die allgemeine Discuſſion
iſt damit geſchloſſen. Die erſte Kammer begann heute die Berathung des
Ablöſungsgeſetzes und wird heute Abend Sitzung haben.
☿ Berlin, 4 Febr. Die conſervative Partei bietet alles auf den
6 Febr. glänzend zu feiern. Die Führer haben dafür geſorgt daß Abends
in der ganzen Stadt illuminirt wird. Die ganze Woche hindurch ſollen
Conſtitutionsfeſte ſtattfinden: jeder Bezirksverein, deren es gegen 100
gibt, wird eines abhalten. Heute hat der eilfte größere Verein Concert,
Feſteſſen und Ball. Auch die Wahlkreiſe für Erfurt werden den Tag der
Beſchwörung feiern und dazu die gewählten Abgeordneten einladen.
Deßgleichen die vaterländiſche Geſellſchaft. Unter den conſtitutionell-
conſervativen Fractionen herrſcht jetzt in der That eine frohe Stimmung;
wogegen die Kreuzzeitungspartei etwas kleinlaut geworden iſt. Von die-
ſer Seite war ſtark auf den Rücktritt des Miniſteriums und die Nichtbe-
ſchwörung der Verfaſſung gerechnet. Einzelne verkündigten laut: dieſes
Miniſterium werde und müſſe fallen! Und jetzt, wo es feſter ſteht als je,
ſchämt man ſich entweder oder man macht ſeinem Verdruß in zornigen
Reden Luft. Die Conſtitutionellen par excellence haben ſich mit der
ſchließlich feſtgeſtellten Verfaſſung verſöhnt; man liest dieß nicht nur in
der Conſtitutionellen Zeitung, ſondern auch auf den Geſichtern der Führer
dieſer Fraction. Sie tröſtet ſich nach ihrer Niederlage namentlich mit
dem dritten Satz des Art. 62, der jetzt (nach der Annahme des Viebahn-
ſchen Amendements in beiden Kammern) lautet: „Finanzgeſetzentwürfe
und Staatshaushaltetats werden zuerſt der zweiten Kammer vorgelegt;
letztere werden von der erſten Kammer im ganzen angenommen oder abge-
lehnt.“ Die demokratiſche Partei fährt fort ſich in der Ruhe der Gleich-
gültigkeit zu gefallen und in ſatiriſchen Bemerkungen über den jetzigen
Stand der Dinge. Man erzählte ſich dieſer Tage ſie wolle gegen die
Verfaſſung, die ohne ihre Vertreter revidirt worden ſey, eine Verwahrung
veröffentlichen; doch ſcheint ſich dieß nicht beſtätigen zu wollen.
γ Berlin, 4 Febr. Ihre Berichte aus Wien und München, und
die Poſaunenſtöße der öſterreichiſchen Blätter die nicht müde werden den
entſcheidenden Schritt anzukündigen welcher von der öſterreichiſchen Re-
gierung in der deutſchen Zoll- und Handelseinigung vorwärts gethan
worden, erregen hier Neugierde und Verwunderung. Wir werden förm-
lich auf die Folter geſpannt! wir ſollen die Hand aufs Herz legen, ſollen
eingeſtehen daß wir uns das vor einem halben Jahr nicht hätten träumen
laſſen; ſollen die Rieſenſchritte der öſterreichiſchen Miniſter — das Werk
von unberechenbarer Tragweite anſtaunen! Aber was in aller Welt iſt
denn paſſirt? fragen wir uns und ſehen uns verwundert an, denn hier
weiß kein Menſch auch nur ein Sterbenswörtchen von dem Rieſenplane.
Die Denkſchrift des Hrn. v. Bruck, welche bereits am 26 Jan. von Wien
an alle deutſchen Höfe abgegangen ſeyn ſoll, iſt hier in Berlin am 4 Febr.,
alſo nach neun Tagen noch nicht angelangt. *) Wenn ſie nur nicht ſo
zuſammenſchrumpft wie die unter Oeſterreichs Aegide mit den Königrei-
chen „vereinbarte“ neue deutſche Verfaſſung, welche ebenfalls vom Wiener
Cabinet noch dazu mit einer eindringlichen Einladung an das hieſige ge-
langt ſeyn ſoll, woran trotz der poſitivſten Verſicherungen der großdeut-
ſchen Organe kein wahres Wort iſt. Was man von Wien aus hierüber
mitgetheilt erhalten, beſchränkt ſich auf ein paar allgemeine Principien.
Oeſterreich will allerdings zur Begründung „eines neuen deutſchen Staa-
tenbundes concurriren, aber nur unter zwei Bedingungen: daß die Bun-
desregierung in collegialiſcher Form und durch Delegirung geübt werde,
und daß auch die Volksvertretung am Bunde nur in einer Delegation der
Particularvertretungen beſtehe.“ Es verlangt überdieß eine Ausglei-
chung des Uebergewichts welches Preußen in dieſer Repräſentation haben
müßte, und fordert „eine exceptionelle Stellung darin“, dadurch daß ſeine
Repräſentanten (in dieſer ſogenannten Volksvertretung, wir würden es
Staatenhaus nennen) „nur ein auf gewiſſe Intereſſen beſchränktes Man-
dat haben ſollten, und die Beſchlüſſe auch nur für dieſe Angelegenheiten in
Oeſterreich Berückſichtigung zu finden hätten.“ Alſo unverblümt, es
verlangt unbeſchränkte Theilnahme an der Bundesregierung, concedirt
aber nur eine ſehr beſchränkte Unterordnung ſeiner ſelbſt unter die Bun-
desgeſetzgebung. Dieſe Mittheilungen ſind aber, wie geſagt, nur in ſehr
vager Weiſe gemacht.
∸ Berlin, 4 Febr. Unter den ſchwarzen Raben die nach Erfurt
ziehen, ſieht man endlich auch einige weiße. Das Gleichniß mag nicht
ganz paſſend ſeyn; aber vaterländiſche Reminiscenzen brachten mich
darauf. Kurfürſt Joachim I ſagte von der Mark Brandenburg ſeiner Zeit
daß ein intelligenter Mann dort ſeltener ſey als ein weißer Rabe. In der
Mark Brandenburg ward es ſeitdem anders; möchte es in Erfurt auch
anders werden, als wir fürchteten. Von den geächteten Frankfurtern
zählen wir wenigſtens bereits: Graf Schwerin, Beckerath, Duncker,
v. Radowitz, Graf Keller, Fuchs (aus Breslau), Beſeler (Greifswalde),
Hergenhahn, Böcking, Baſſermann, Meviſſen, Stenzel, Simſon, **) und von
*) So wohlunterrichtet in der Regel die Quelle iſt aus welcher dieſer Be-
richt kommt, ſo müſſen wir doch bezweifeln daß man in Berlin am 4 Febr.
noch nicht gekannt haben ſoll was am 1 Febr. in Frankfurt ſchon in viel-
leicht zehn oder zwanzig Händen geweſen, und wovon die Allg. Ztg ſchon
am 30 und 31 Jan. die Umriſſe geltefert hatte.
**) Mar v. Gagern iſt bier vergeſſen. Heinrich v. Gagern ſcheint bis jetzt
nirgends gewählt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |