Allgemeine Zeitung, Nr. 39, 8. Februar 1850.[Spaltenumbruch]
archie geschaffen werden soll. Sowohl der bisher in Verona residirende # Wien, 2 Febr. Die durch die Wiener Zeitung vom 31 Jan. # Wien, 3 Febr. Fast hätte ich besorgt Ihnen heute über die # Wien, 3 Febr. Die Andeutungen die uns bisher nur durch [Spaltenumbruch]
archie geſchaffen werden ſoll. Sowohl der bisher in Verona reſidirende # Wien, 2 Febr. Die durch die Wiener Zeitung vom 31 Jan. # Wien, 3 Febr. Faſt hätte ich beſorgt Ihnen heute über die # Wien, 3 Febr. Die Andeutungen die uns bisher nur durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jComment" n="4"> <p><pb facs="#f0004" n="612"/><cb/> archie geſchaffen werden ſoll. Sowohl der bisher in Verona reſidirende<lb/> Senat wie auch der gegenwärtig in dem Septemvirat und rückſichtlich in<lb/> dem Gubernium vereinigte oberſte Gerichtshof für Ungarn, Croatien und<lb/> Siebenbürgen würden dann mit dem oberſten Gerichtshofe ſich zu einem<lb/> Körper vereinigen. Vorderhand erzeugt begreiflicherweiſe dieſes Project<lb/> in den dabei betroffenen Ländern viel ſchwermüthige Geſichter. (Aber<lb/> ſollte, um dieß zu vermeiden, die Monarchie auf Einen oberſten Gerichts-<lb/> hof verzichten?)</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline># <hi rendition="#b">Wien,</hi> 2 Febr.</dateline> <p>Die durch die Wiener Zeitung vom 31 Jan.<lb/> veröffentlichte Verfügung wegen Verbeſſerung der Lage der Directoren<lb/> und Lehrer an den vom Staat dotirten Gymnaſien mag als eine gute Vor-<lb/> bedeutung gelten daß man endlich im Miniſterium der Ueberzeugung Raum<lb/> gibt daß ohne weſentliche Verbeſſerung der materiellen Lage der im<lb/> öffentlichen Unterricht angeſtellten Lehrer alle ſchönen Hoffnungen ganz<lb/> illuſoriſch bleiben würden, die man an den von <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Bonitz vorlängſt aus-<lb/> gearbeiteten und im In- und Auslande ungemein günſtig aufgenommenen<lb/> Plan zur Reform unſerer Gymnaſien geknüpft hat. Für etwas mehr als<lb/> für den Beweis guten Willens im Unterrichtsminiſterium kann aber wohl<lb/> dieſer vereinzelte Act nicht gelten. Vergleicht man ſeine rieſigen Geld-<lb/> opfer die der Staat für das Heeresweſen, für die neue Rechtspflege und<lb/> Adminiſtration, für öffentliche Bau-Unternehmungen aller Art fort-<lb/> während bringt, ſo iſt wohl die Summe von 30,700 fl., zur Unterſtützung<lb/> der Gymnaſiallehrer für ein Ländergebiet von 18 Millionen gewidmet,<lb/> für nicht viel mehr als ein Almoſen anzuſchlagen. Und doch gibt es ge-<lb/> wiß keinen Gegenſtand der einer unausgeſetzten und ſorgfältigen Pflege ſo<lb/> ſehr bedarf wie gerade der Unterricht in den mittlern und in den Primär-<lb/> Schulen. Für letztere iſt insbeſondere bisher noch beinahe gar nichts ge-<lb/> ſchehen. Das Beiſpiel der Hauptſtadt kann in dieſer Beziehung leider für<lb/> den größten Theil aller Kronländer gelten. Alle die Klagen und Dar-<lb/> ſtellungen der wirklich mitunter erbarmungswürdigen Lage der hieſigen<lb/> Schullehrer und Lehrergehülfen haben bisher nur zu einigen milden<lb/> Sammlungen und zu ihren Gunſten veranſtalteten Theatervorſtellungen<lb/> Veranlaſſung gegeben. Erſt in letzterer Zeit hat die Statthalterei an<lb/> den Gemeinderath einen Auftrag erlaſſen, der die Regelung der ökono-<lb/> miſchen und Unterrichtsverhältniſſe der Pfarrſchulen Wiens bezweckt.<lb/> Der Gemeinderath ſelbſt befindet ſich in dieſer Angelegenheit in einer ſehr<lb/> ſchwierigen Lage. Nach der Reichsverfaſſung gehört die Regelung des<lb/> Volksſchulweſens in den Bereich der Landtage. Der Gemeinde iſt jeder<lb/> unmittelbare Einfluß darauf durch die Gemeinde-Ordnung vom 17 März<lb/> 1849 entzogen. Auf dieſe Weiſe der Gemeinde-Autonomie entrückt und<lb/> anderſeits auch jeder Regelung durch die competente Landesgeſetzgebung<lb/> entbehrend, ſchwebt daher die Frage des Volksunterrichts in verhängniß-<lb/> voller Weiſe in der Luft. Vorderhand hat ſich dieß Miniſterium noch<lb/> nicht dazu verſtehen wollen auch dieſen Gegenſtand mit Umgehung des<lb/> Landtages im Verordnungswege zu normiren, ſondern beſchränkt ſich ein-<lb/> fach darauf die Aufbringung der Koſten des geſammten Volksſchulweſens<lb/> innerhalb der Mauern der Stadt der Gemeinde aufzulegen. Der Ge-<lb/> meinderath hat nun, in Erwägung dieſes proviſoriſchen Zuſtandes der Ge-<lb/> ſetzgebung und mit Rückſicht auf die bevorſtehende gänzliche Reorganiſi-<lb/> rung |des Volksſchulweſens von Seite des Unterrichtsminiſteriums, die<lb/> Anerkennung dieſer angemutheten Verpflichtung der Gemeinde im Prin-<lb/> cip verweigert und ſich einzig nur bis auf weitere Beſtimmung des Land-<lb/> tages zu einem Beitrag von 32,000 fl. bereit erklärt. Den weſentlichſten<lb/> Antheil an dieſem Beſchluß hat wohl der Umſtand daß das Miniſterium,<lb/> während es der Gemeinde die Tragung ſämmtlicher Koſten anmuthet, ihr<lb/> nicht einmal das beſcheidene Recht zugeſtehen will die Schullehrer aus den<lb/> von der Schulbebörde vorzuſchlagenden drei Candidaten ſelbſt zu ernen-<lb/> nen. Erfahrungen dieſer Art drängen aber leider die Ueberzeugung auf<lb/> daß das Miniſterium von dem Geiſte des von ihm octroyirten Gemeinde-<lb/> geſetzes, nach welchem ja „die freie Gemeinde die Grundlage des freien<lb/> Staates“ ſeyn ſoll, noch wenig durchdrungen iſt.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline># <hi rendition="#b">Wien,</hi> 3 Febr.</dateline> <p>Faſt hätte ich beſorgt Ihnen heute über die<lb/> unſerer Stadt drohende Gefahr einer allgemeinen Ueberſchwemmung<lb/> berichten zu müſſen. Bis geſtern Abend war wenigſtens ſchon die große<lb/> Donau ſowohl wie auch der Wiener Donaucanal in Folge der durch den<lb/> weiter unten feſtſitzenden Eisgang herbeigeführten Stauung aus den Ufern<lb/> getreten und hatte den größten Theil der nieder gelegenen Vorſtädte<lb/> Roſſau, Leopoldſtadt, Jägerzeile, Erdberg unter Waſſer geſetzt. Heute<lb/> jedoch iſt das Waſſer bereits um 3 Fuß gefallen und beinahe allenthalben<lb/> in das Flußbett zurückgetreten. Der Eisgang bekam Luft und die Gefahr<lb/> iſt wohl für dieſes Jahr vorüber. Anerkennen muß man die zweckmäßi-<lb/> gen und umfaſſenden Vorkehrungen, welche dießmal von der Stadtbehörde<lb/> getroffen wurden. Leider hat daran der ſtädtiſche Gemeinderath, der in<lb/> ſolchen Fällen wohl vor allem thätig zu wirken berufen wäre, minderen<lb/><cb/> Antheil. Die unmittelbare Ausführung erfolgte auch bei dieſer Gelegen-<lb/> heit, wie in alter Zeit, beinahe ausſchließend durch die Mitglieder des<lb/> Magiſtrats. Ueberhaupt ſcheint ſich für jetzt und wohl noch für eine lange<lb/> Zeit die eigentliche Thätigkeit des Gemeinderaths auf Anhören der von<lb/> der väterlich ſorgenden Stadtbehörde getroffenen Verfügungen und eine<lb/> Scheincontrolle, die in Wirklichkeit mehr auf Demonſtrationen hinaus-<lb/> läuft, beſchränken zu wollen. Der Vorwurf kann jedoch in dieſer Be-<lb/> ziehung höchſtens den Gemeinderath ſelbſt treffen, deſſen Mitglieder vor-<lb/> derhand noch wenig Sinn dafür zu haben ſcheinen daß der größte Theil<lb/> jener Geſchäfte, wofür zufolge des alten Syſtems noch gegenwärtig Hun-<lb/> derte von rechtsgelehrten Magiſtratsräthen und Magiſtratsbeamten ge-<lb/> zahlt werden müſſen, eigentlich den Mitgliedern der Stadtgemeinde zu-<lb/> käme. Allerdings hängt dieß auch mit der älteren Geſetzgebung zuſam-<lb/> men, für deren zeitgemäße Abänderung, ungeachtet aller ſchönen Phraſen,<lb/> noch blutwenig geſchehen iſt. An der Gemeinde aber und ihren Reprä-<lb/> ſentanten, dem Gemeinderath wäre es nach dieſem Ziele kräftig und un-<lb/> abhängig hinzuwirken, wenn nicht die Gemeinderäthe der Neuzeit gar<lb/> bald in die Kategorie der vormaligen „eiſernen Räthe“ zurückfallen ſollen.<lb/> Es läßt ſich nicht läugnen daß gar manches geſchieht was dieſe Ahnung<lb/> zu begründen geeignet wäre. Immermehr gewinnt die Anſicht in unſern<lb/> regierenden Kreiſen Raum daß man den Gemeinden und ſo auch der<lb/> Stadtgemeinde Wien jenen Einfluß auf öffentliche Verwaltungsgeſchäfte,<lb/> den das Gemeindegeſetz vom 17 März 1849 als den „übertragenen Wir-<lb/> kungskrcis“ bezeichnet, nicht einräumen könne. Dahin gehört unter an-<lb/> derm auch die Steuereinhebung, welche derzeit ſchon vom Stadtmagiſtrat<lb/> verſehen worden war. In neuerer Zeit geht jedoch der Hr. Finanzmini-<lb/> ſter mit dem Plane um der Commune auch dieſes Geſchäft abzunehmen,<lb/> und es an eine neu zu creirende Staatsſteuerbehörde zu übertragen. Da eine<lb/> doppelte Steuereinhebung wohl nicht möglich iſt, ſo dürfte es leicht dahin<lb/> kommen daß ſelbſt die ſtädtiſchen Gemeindeſteuern, ſowie bisher ſchon der<lb/> ſtädtiſche Zuſchlag zur Verzehrungsſteuer, nicht mehr durch ſtädtiſche, ſon-<lb/> dern durch Staatsbehörden eingehoben werden. Dabei verſteht es ſich<lb/> von ſelbſt daß eine ſolche Maßregel wegen des unmittelbaren Zuſammen-<lb/> hanges des Steuerweſens mit der Gewerbepolizei wohl noch weiter aus-<lb/> gedehnt werden, und ſomit zu einer ziemlichen Unſchädlichmachung der<lb/> „freien“ Gemeinde führen müßte. — <hi rendition="#g">Nachſchrift kurz vor Abgang<lb/> der Poſt</hi>. Die Erwartung daß die Gefahr einer Ueberſchwemmung für<lb/> unſere Stadt vorüber ſey, hat ſich nicht bewährt. Seit Mittag ſteigt<lb/> abermals das Waſſer fortwährend. Es hat längſt wieder die Ufer über-<lb/> ſchritten und ſämmtliche nieder gelegene Stadttheile überſchwemmt.<lb/> Das Waſſer hat ſchon beinahe die Höhe des Bogens der Ferdinandsbrücke<lb/> erreicht. Glücklicherweiſe jedoch treibt das Waſſer nur ſehr wenig Eis.<lb/> Größere Verheerungen dürften daher, wenigſtens in den vom Donau-<lb/> canal beſpülten Theilen, nicht zu beſorgen ſeyn.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline># <hi rendition="#b">Wien,</hi> 3 Febr.</dateline> <p>Die Andeutungen die uns bisher nur durch<lb/> die ſüddeutſchen Blätter in Betreff der diplomatiſchen Verhandlungen<lb/> zwiſchen den deutſchen königlichen Regierungen wegen der unter ihnen<lb/> zu vereinbarenden neuen Bundesverfaſſung zukamen, finden nun auch eine<lb/> ziemlich beſtimmte Beſtätigung in einem Frankfurter Correſpondenzarti-<lb/> kel des heutigen „Lloyd.“ Dieſem zufolge, und ich habe Grund die Quelle<lb/> für eine wohlunterrichtete zu halten, wäre die Verſtändigung zwiſchen den<lb/> vier königlichen Höſen und Oeſterreich ſchon ziemlich weit vorgeſchritten.<lb/> Namentlich wäre man darüber einig daß der Volksvertretung die legisla-<lb/> tive Befugniß und die Prüſung des Voranſchlages der Bundesausgaben<lb/> zuſtehe. „Conſtitutive Befugniß hätten ſie nicht“, heißt es dort weiter,<lb/> jedenfalls ein ſehr myſteriöſer Ausdruck, den ich in unſer ehrliches Deutſch<lb/> nicht zu übertragen vermag, wenn es anders nicht ſoviel bedeuten ſoll als<lb/> daß die Volksvertretung einſeitig das neue Grundgeſetz nicht abändern<lb/> kann, was ſich aber bei dem der collectiven Regierungsgewalt vorbehalte-<lb/> nen abſoluten Veto von ſelbſt verſteht. Bei der heutigen Lage der Dinge<lb/> müßte jeder der es wirklich mit Deutſchland wohl meint, froh ſeyn zu<lb/><hi rendition="#g">dieſem</hi> Endreſultate der großen Bewegung des Jahrs 1848 zu gelangen.<lb/> Bei uns exiſtirt zwar nicht das entfernteſte Verſtändniß deutſcher Zuſtände;<lb/> aber es mehrt ſich doch jetzt ſchon die Zahl derjenigen die nicht mehr mit<lb/> öſterreichiſch patriotiſchem Ingrimm auf Deutſchland hinblicken, beſonders<lb/> da ſich immer mehr und mehr die Gewißheit herausſtellt daß wir für eine<lb/> nicht zu berechnende Zukunft hinaus an das Zuſammentreten eines allge-<lb/> meinen öſterreichiſchen Reichstages, wie ihn die Reichsoerfaſſung in Ab-<lb/> ſicht hat, nicht denken können. Dem Miniſterium andrerſeits ſcheinen<lb/> auch die Angelegenheiten im Oſten Europa’s, wo England und Rußland<lb/> um die Stellung ringen die dem vereinten Oeſterreich und Deutſchland<lb/> gebührte, und die damit zuſammenfallenden unheimlichen Bewegungen<lb/> unter den Slavenvölkern wenig zu gefallen, und der Tag iſt nicht fern wo<lb/> das Wort des Fürſten Schwarzenberg „Oeſterreich aus Deutſchland hin-<lb/> ausdrängen hieße ihm ans Herz greifen“ zu großer Bedeutung kommen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [612/0004]
archie geſchaffen werden ſoll. Sowohl der bisher in Verona reſidirende
Senat wie auch der gegenwärtig in dem Septemvirat und rückſichtlich in
dem Gubernium vereinigte oberſte Gerichtshof für Ungarn, Croatien und
Siebenbürgen würden dann mit dem oberſten Gerichtshofe ſich zu einem
Körper vereinigen. Vorderhand erzeugt begreiflicherweiſe dieſes Project
in den dabei betroffenen Ländern viel ſchwermüthige Geſichter. (Aber
ſollte, um dieß zu vermeiden, die Monarchie auf Einen oberſten Gerichts-
hof verzichten?)
# Wien, 2 Febr. Die durch die Wiener Zeitung vom 31 Jan.
veröffentlichte Verfügung wegen Verbeſſerung der Lage der Directoren
und Lehrer an den vom Staat dotirten Gymnaſien mag als eine gute Vor-
bedeutung gelten daß man endlich im Miniſterium der Ueberzeugung Raum
gibt daß ohne weſentliche Verbeſſerung der materiellen Lage der im
öffentlichen Unterricht angeſtellten Lehrer alle ſchönen Hoffnungen ganz
illuſoriſch bleiben würden, die man an den von Dr. Bonitz vorlängſt aus-
gearbeiteten und im In- und Auslande ungemein günſtig aufgenommenen
Plan zur Reform unſerer Gymnaſien geknüpft hat. Für etwas mehr als
für den Beweis guten Willens im Unterrichtsminiſterium kann aber wohl
dieſer vereinzelte Act nicht gelten. Vergleicht man ſeine rieſigen Geld-
opfer die der Staat für das Heeresweſen, für die neue Rechtspflege und
Adminiſtration, für öffentliche Bau-Unternehmungen aller Art fort-
während bringt, ſo iſt wohl die Summe von 30,700 fl., zur Unterſtützung
der Gymnaſiallehrer für ein Ländergebiet von 18 Millionen gewidmet,
für nicht viel mehr als ein Almoſen anzuſchlagen. Und doch gibt es ge-
wiß keinen Gegenſtand der einer unausgeſetzten und ſorgfältigen Pflege ſo
ſehr bedarf wie gerade der Unterricht in den mittlern und in den Primär-
Schulen. Für letztere iſt insbeſondere bisher noch beinahe gar nichts ge-
ſchehen. Das Beiſpiel der Hauptſtadt kann in dieſer Beziehung leider für
den größten Theil aller Kronländer gelten. Alle die Klagen und Dar-
ſtellungen der wirklich mitunter erbarmungswürdigen Lage der hieſigen
Schullehrer und Lehrergehülfen haben bisher nur zu einigen milden
Sammlungen und zu ihren Gunſten veranſtalteten Theatervorſtellungen
Veranlaſſung gegeben. Erſt in letzterer Zeit hat die Statthalterei an
den Gemeinderath einen Auftrag erlaſſen, der die Regelung der ökono-
miſchen und Unterrichtsverhältniſſe der Pfarrſchulen Wiens bezweckt.
Der Gemeinderath ſelbſt befindet ſich in dieſer Angelegenheit in einer ſehr
ſchwierigen Lage. Nach der Reichsverfaſſung gehört die Regelung des
Volksſchulweſens in den Bereich der Landtage. Der Gemeinde iſt jeder
unmittelbare Einfluß darauf durch die Gemeinde-Ordnung vom 17 März
1849 entzogen. Auf dieſe Weiſe der Gemeinde-Autonomie entrückt und
anderſeits auch jeder Regelung durch die competente Landesgeſetzgebung
entbehrend, ſchwebt daher die Frage des Volksunterrichts in verhängniß-
voller Weiſe in der Luft. Vorderhand hat ſich dieß Miniſterium noch
nicht dazu verſtehen wollen auch dieſen Gegenſtand mit Umgehung des
Landtages im Verordnungswege zu normiren, ſondern beſchränkt ſich ein-
fach darauf die Aufbringung der Koſten des geſammten Volksſchulweſens
innerhalb der Mauern der Stadt der Gemeinde aufzulegen. Der Ge-
meinderath hat nun, in Erwägung dieſes proviſoriſchen Zuſtandes der Ge-
ſetzgebung und mit Rückſicht auf die bevorſtehende gänzliche Reorganiſi-
rung |des Volksſchulweſens von Seite des Unterrichtsminiſteriums, die
Anerkennung dieſer angemutheten Verpflichtung der Gemeinde im Prin-
cip verweigert und ſich einzig nur bis auf weitere Beſtimmung des Land-
tages zu einem Beitrag von 32,000 fl. bereit erklärt. Den weſentlichſten
Antheil an dieſem Beſchluß hat wohl der Umſtand daß das Miniſterium,
während es der Gemeinde die Tragung ſämmtlicher Koſten anmuthet, ihr
nicht einmal das beſcheidene Recht zugeſtehen will die Schullehrer aus den
von der Schulbebörde vorzuſchlagenden drei Candidaten ſelbſt zu ernen-
nen. Erfahrungen dieſer Art drängen aber leider die Ueberzeugung auf
daß das Miniſterium von dem Geiſte des von ihm octroyirten Gemeinde-
geſetzes, nach welchem ja „die freie Gemeinde die Grundlage des freien
Staates“ ſeyn ſoll, noch wenig durchdrungen iſt.
# Wien, 3 Febr. Faſt hätte ich beſorgt Ihnen heute über die
unſerer Stadt drohende Gefahr einer allgemeinen Ueberſchwemmung
berichten zu müſſen. Bis geſtern Abend war wenigſtens ſchon die große
Donau ſowohl wie auch der Wiener Donaucanal in Folge der durch den
weiter unten feſtſitzenden Eisgang herbeigeführten Stauung aus den Ufern
getreten und hatte den größten Theil der nieder gelegenen Vorſtädte
Roſſau, Leopoldſtadt, Jägerzeile, Erdberg unter Waſſer geſetzt. Heute
jedoch iſt das Waſſer bereits um 3 Fuß gefallen und beinahe allenthalben
in das Flußbett zurückgetreten. Der Eisgang bekam Luft und die Gefahr
iſt wohl für dieſes Jahr vorüber. Anerkennen muß man die zweckmäßi-
gen und umfaſſenden Vorkehrungen, welche dießmal von der Stadtbehörde
getroffen wurden. Leider hat daran der ſtädtiſche Gemeinderath, der in
ſolchen Fällen wohl vor allem thätig zu wirken berufen wäre, minderen
Antheil. Die unmittelbare Ausführung erfolgte auch bei dieſer Gelegen-
heit, wie in alter Zeit, beinahe ausſchließend durch die Mitglieder des
Magiſtrats. Ueberhaupt ſcheint ſich für jetzt und wohl noch für eine lange
Zeit die eigentliche Thätigkeit des Gemeinderaths auf Anhören der von
der väterlich ſorgenden Stadtbehörde getroffenen Verfügungen und eine
Scheincontrolle, die in Wirklichkeit mehr auf Demonſtrationen hinaus-
läuft, beſchränken zu wollen. Der Vorwurf kann jedoch in dieſer Be-
ziehung höchſtens den Gemeinderath ſelbſt treffen, deſſen Mitglieder vor-
derhand noch wenig Sinn dafür zu haben ſcheinen daß der größte Theil
jener Geſchäfte, wofür zufolge des alten Syſtems noch gegenwärtig Hun-
derte von rechtsgelehrten Magiſtratsräthen und Magiſtratsbeamten ge-
zahlt werden müſſen, eigentlich den Mitgliedern der Stadtgemeinde zu-
käme. Allerdings hängt dieß auch mit der älteren Geſetzgebung zuſam-
men, für deren zeitgemäße Abänderung, ungeachtet aller ſchönen Phraſen,
noch blutwenig geſchehen iſt. An der Gemeinde aber und ihren Reprä-
ſentanten, dem Gemeinderath wäre es nach dieſem Ziele kräftig und un-
abhängig hinzuwirken, wenn nicht die Gemeinderäthe der Neuzeit gar
bald in die Kategorie der vormaligen „eiſernen Räthe“ zurückfallen ſollen.
Es läßt ſich nicht läugnen daß gar manches geſchieht was dieſe Ahnung
zu begründen geeignet wäre. Immermehr gewinnt die Anſicht in unſern
regierenden Kreiſen Raum daß man den Gemeinden und ſo auch der
Stadtgemeinde Wien jenen Einfluß auf öffentliche Verwaltungsgeſchäfte,
den das Gemeindegeſetz vom 17 März 1849 als den „übertragenen Wir-
kungskrcis“ bezeichnet, nicht einräumen könne. Dahin gehört unter an-
derm auch die Steuereinhebung, welche derzeit ſchon vom Stadtmagiſtrat
verſehen worden war. In neuerer Zeit geht jedoch der Hr. Finanzmini-
ſter mit dem Plane um der Commune auch dieſes Geſchäft abzunehmen,
und es an eine neu zu creirende Staatsſteuerbehörde zu übertragen. Da eine
doppelte Steuereinhebung wohl nicht möglich iſt, ſo dürfte es leicht dahin
kommen daß ſelbſt die ſtädtiſchen Gemeindeſteuern, ſowie bisher ſchon der
ſtädtiſche Zuſchlag zur Verzehrungsſteuer, nicht mehr durch ſtädtiſche, ſon-
dern durch Staatsbehörden eingehoben werden. Dabei verſteht es ſich
von ſelbſt daß eine ſolche Maßregel wegen des unmittelbaren Zuſammen-
hanges des Steuerweſens mit der Gewerbepolizei wohl noch weiter aus-
gedehnt werden, und ſomit zu einer ziemlichen Unſchädlichmachung der
„freien“ Gemeinde führen müßte. — Nachſchrift kurz vor Abgang
der Poſt. Die Erwartung daß die Gefahr einer Ueberſchwemmung für
unſere Stadt vorüber ſey, hat ſich nicht bewährt. Seit Mittag ſteigt
abermals das Waſſer fortwährend. Es hat längſt wieder die Ufer über-
ſchritten und ſämmtliche nieder gelegene Stadttheile überſchwemmt.
Das Waſſer hat ſchon beinahe die Höhe des Bogens der Ferdinandsbrücke
erreicht. Glücklicherweiſe jedoch treibt das Waſſer nur ſehr wenig Eis.
Größere Verheerungen dürften daher, wenigſtens in den vom Donau-
canal beſpülten Theilen, nicht zu beſorgen ſeyn.
# Wien, 3 Febr. Die Andeutungen die uns bisher nur durch
die ſüddeutſchen Blätter in Betreff der diplomatiſchen Verhandlungen
zwiſchen den deutſchen königlichen Regierungen wegen der unter ihnen
zu vereinbarenden neuen Bundesverfaſſung zukamen, finden nun auch eine
ziemlich beſtimmte Beſtätigung in einem Frankfurter Correſpondenzarti-
kel des heutigen „Lloyd.“ Dieſem zufolge, und ich habe Grund die Quelle
für eine wohlunterrichtete zu halten, wäre die Verſtändigung zwiſchen den
vier königlichen Höſen und Oeſterreich ſchon ziemlich weit vorgeſchritten.
Namentlich wäre man darüber einig daß der Volksvertretung die legisla-
tive Befugniß und die Prüſung des Voranſchlages der Bundesausgaben
zuſtehe. „Conſtitutive Befugniß hätten ſie nicht“, heißt es dort weiter,
jedenfalls ein ſehr myſteriöſer Ausdruck, den ich in unſer ehrliches Deutſch
nicht zu übertragen vermag, wenn es anders nicht ſoviel bedeuten ſoll als
daß die Volksvertretung einſeitig das neue Grundgeſetz nicht abändern
kann, was ſich aber bei dem der collectiven Regierungsgewalt vorbehalte-
nen abſoluten Veto von ſelbſt verſteht. Bei der heutigen Lage der Dinge
müßte jeder der es wirklich mit Deutſchland wohl meint, froh ſeyn zu
dieſem Endreſultate der großen Bewegung des Jahrs 1848 zu gelangen.
Bei uns exiſtirt zwar nicht das entfernteſte Verſtändniß deutſcher Zuſtände;
aber es mehrt ſich doch jetzt ſchon die Zahl derjenigen die nicht mehr mit
öſterreichiſch patriotiſchem Ingrimm auf Deutſchland hinblicken, beſonders
da ſich immer mehr und mehr die Gewißheit herausſtellt daß wir für eine
nicht zu berechnende Zukunft hinaus an das Zuſammentreten eines allge-
meinen öſterreichiſchen Reichstages, wie ihn die Reichsoerfaſſung in Ab-
ſicht hat, nicht denken können. Dem Miniſterium andrerſeits ſcheinen
auch die Angelegenheiten im Oſten Europa’s, wo England und Rußland
um die Stellung ringen die dem vereinten Oeſterreich und Deutſchland
gebührte, und die damit zuſammenfallenden unheimlichen Bewegungen
unter den Slavenvölkern wenig zu gefallen, und der Tag iſt nicht fern wo
das Wort des Fürſten Schwarzenberg „Oeſterreich aus Deutſchland hin-
ausdrängen hieße ihm ans Herz greifen“ zu großer Bedeutung kommen
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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