Allgemeine Zeitung, Nr. 39, 26. September 1914.26. September 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
Stücken aus Wagners Werken eingeräumt, die aber ebensowie die vorigen Abende eine große Zuhörerschaft anlockten, war ja auch der Solist kein geringerer als Heinrich Knote. Nichts weniger als vaterländischen Charakter hatte die Nun, nachdem man jahrzehntelang allem welchen Tand Wenn die Leser des Figaro oder der Times gegen- Feuilleton Vor der Entscheidung. Nah den katalaun'schen Feldern, wo sich brach der Hunnen Macht, Wogt nun schon seit einer Woche hin und her die Völkerschlacht. Darf uns Deutschen, die auf Kunde fern wir harren Tag für Tag, Darf uns um den Ausgang bangen, vor dem letzten Wetterschlag? Ungewißheit auf der Seele lastet wie ein Alpdruck schwer, Schleudert unsrer Hoffnung Schifflein wie ein Sturm- wind hin und her. Werden wir den Sieg erfechten? Geht es mit uns zu Gericht? Wird ein jäher Umschlag täuschen unsre frohe Zu- versicht? Wir vertrau'n auf unsern Kaiser, der sich, da die Zeit erfüllt, Viel verkannt bisher, in seiner hehren Mannheit uns enthüllt. Wir vertrauen unserm tapfern, unserm todesmut'gen Heer, Ihm, des Vaterlandes Hüter, deutscher Grenzen Wacht und Wehr. Höher noch, gen Himmel schwingt sich unser kindliches Vertrau'n Zu dem alten Gott der Väter, der sie einst ließ Wunder schau'n. Mit dem Kaiser auf die Knie! Alle rufen wir ihn an: Sei, o Gott, mit unsern Fahnen! Siegen wir, hast Du's getan. 26. September 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
Stücken aus Wagners Werken eingeräumt, die aber ebenſowie die vorigen Abende eine große Zuhörerſchaft anlockten, war ja auch der Soliſt kein geringerer als Heinrich Knote. Nichts weniger als vaterländiſchen Charakter hatte die Nun, nachdem man jahrzehntelang allem welchen Tand Wenn die Leſer des Figaro oder der Times gegen- Feuilleton Vor der Entſcheidung. Nah den katalaun’ſchen Feldern, wo ſich brach der Hunnen Macht, Wogt nun ſchon ſeit einer Woche hin und her die Völkerſchlacht. Darf uns Deutſchen, die auf Kunde fern wir harren Tag für Tag, Darf uns um den Ausgang bangen, vor dem letzten Wetterſchlag? Ungewißheit auf der Seele laſtet wie ein Alpdruck ſchwer, Schleudert unſrer Hoffnung Schifflein wie ein Sturm- wind hin und her. Werden wir den Sieg erfechten? Geht es mit uns zu Gericht? Wird ein jäher Umſchlag täuſchen unſre frohe Zu- verſicht? Wir vertrau’n auf unſern Kaiſer, der ſich, da die Zeit erfüllt, Viel verkannt bisher, in ſeiner hehren Mannheit uns enthüllt. Wir vertrauen unſerm tapfern, unſerm todesmut’gen Heer, Ihm, des Vaterlandes Hüter, deutſcher Grenzen Wacht und Wehr. Höher noch, gen Himmel ſchwingt ſich unſer kindliches Vertrau’n Zu dem alten Gott der Väter, der ſie einſt ließ Wunder ſchau’n. Mit dem Kaiſer auf die Knie! Alle rufen wir ihn an: Sei, o Gott, mit unſern Fahnen! Siegen wir, haſt Du’s getan. <TEI> <text> <body> <div type="jCulturalNews" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0009" n="583"/><fw place="top" type="header">26. September 1914. <hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi></fw><lb/><cb/> Stücken aus Wagners Werken eingeräumt, die aber ebenſo<lb/> wie die vorigen Abende eine große Zuhörerſchaft anlockten,<lb/> war ja auch der Soliſt kein geringerer als Heinrich Knote.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Nichts weniger als vaterländiſchen Charakter hatte die<lb/> letzte Operettennovität unſeres Theaters am Gärtnerplatz.<lb/> Ja, ſtreng genommen handelt es ſich gar nicht um eine<lb/> Novität, denn „Die ſchöne Galathea“ von Franz von Supp<hi rendition="#aq">é</hi><lb/> die aus dem Jahre 1865 ſtammt, iſt vor Jahrzehnten auf<lb/> denſelben Brettern unzähligemal aufgeführt worden, ja auch<lb/> auf unſere Hofbühne iſt ſie eines Faſchings einmal gelangt<lb/> und mit Hoftheaterkräften im vorigen Winter erſt im<lb/> Gärtnertheater zugunſten der Speiſung armer Schulkinder<lb/> aufgeführt worden. Seit Jahren habe ich an dieſer Stelle<lb/> wiederholt die Direktion darauf hingewieſen, daß man durch<lb/> Wiedereinſtudierung guter, alter und dabei anſtändiger<lb/> Operetten heute vielleicht mehr erreichen könnte, als wenn<lb/> man glaubt, jeden Operettenſchund nur deshalb aufführen<lb/> zu müſſen, weil er neu iſt. Es ſcheint, daß es des Krieges<lb/> bedurft hat, um dieſe am Tage liegende Wahrſcheinlichkeit<lb/> zu beherzigen. Jetzt greift man nach und nach auf dieſe<lb/> älteren Werke zurück, macht aber dabei den nicht genug<lb/> zu rügenden Fehler, dieſe Operetten mit der modernen Tanz-<lb/> manie zu verquicken. Nein, man gebe dieſe Operetten wie<lb/> ſie gedacht ſind und wie ſie ſeinerzeit aufgeführt wurden,<lb/> und man wird dadurch nur zur Verbeſſerung des Ge-<lb/> ſchmackes und auch des Geſanges beitragen, denn jene<lb/> Operetten wollen wirklich geſungen und nicht bloß geſchrien<lb/> und getanzt ſein. Supp<hi rendition="#aq">é</hi> hat eine Reihe muſikaliſch wert-<lb/> voller Operetten geſchrieben. Die ſchöne Galathea iſt eine<lb/> ſeiner beſſeren, aber wir erinnern namentlich an ſeinen<lb/> Boccaccio, an ſeine Fatinitza, an die mit Unrecht ganz ver-<lb/> geſſene „Frau Meiſterin“. Die an demſelben Abend mit<lb/> der „ſchönen Galathea“ zuſammengegebene „Leichte Kaval-<lb/> lerie“ iſt minder wertvoll. Die erſtere Operette wurde unge-<lb/> wöhnlich gut gegeben, ja ſchwungvoller und temperament-<lb/> voller als bei der Wohltätigkeitsvorſtellung dieſes Winters,<lb/> nur laßt um Gotteswillen das blöde Tanzen ſein, wo es nicht<lb/> hingehört! Fräulein v. Moosburg (Galathea) ſang ſo<lb/> hübſch wie ſelten vorher, Fräulein Feiner war ein prächtiger<lb/> Ganymed und unſer Seibold ein ebenſolcher Mydas; den<lb/> Pygmalion ſang Herr Gruber ganz hübſch. Aber die<lb/> jugendfriſche, ſo ganz unverbildete Tenorſtimme Herrn<lb/> Mayerhofers, der uns in der „Leichten Kavallerie“ durch<lb/> ein prächtiges ſchmelzendes Arioſo entzückte, iſt uns lieber.<lb/> Dieſer Abend war etwas beſſer beſucht, auch von unſeren<lb/> Kriegern, die vermutlich hinter dem Titel „Leichte<lb/> Kavallerie“ etwas für ſie paſſendes vermutet haben. Hoffent-<lb/> lich waren ſie nicht zu ſehr enttäuſcht.</p><lb/> <p>Nun, nachdem man jahrzehntelang allem welchen Tand<lb/> gehuldigt, werden ſelbſt die Theaterdirektoren Puriſten, die<lb/> den Deutſchen Sprachverein noch überbieten. Seit kurzem<lb/> ſieht man auf dem Zettel des Theaters am Gärtnerplatz bei<lb/> den Preisangaben, daß es keine Logen mehr gibt, ſondern<lb/> „Lauben“. Es gibt alſo nur eine erſte, zweite, dritte Rang-<lb/> laube. Wenn dies das Reſultat eines Preisausſchreibens<lb/> iſt, von dem man gehört, ſo iſt es ſehr unglücklich aus-<lb/> gefallen, denn Laube bedeutet uns Deutſchen ganz etwas<lb/> anderes, und in der Zuſammenſetzung mit „Rang“ nimmt<lb/> ſie ſich doch gar zu poſſierlich aus. Gewiſſe Fremdworte<lb/> laſſen ſich eben nicht ganz vermeiden, und ſie ſind in unſeren<lb/> Beſitz übergegangen wie dies auch umgekehrt bei den frem-<lb/> den Sprachen der Fall iſt. Wo man ſie nicht durch ein gutes<lb/> deutſches Wort erſetzen kann, ſoll man ſie lieber behalten.<lb/> Unſer Theater (und dies gilt im allgemeinen) kann ſein<lb/> Deutſchtum viel beſſer dadurch beweiſen, daß es deutſche<lb/> Autoren, vor allem unſere Klaſſiker mehr aufführt und die<lb/> Ueberſchwemmung mit fremden, noch dazu minderwertigem<lb/> Schrifttum nicht wieder über uns hereinbrechen läßt.</p><lb/> <byline> <hi rendition="#g">Alfred Frhr. v. Menſi.</hi> </byline> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jComment" n="2"> <p>Wenn die Leſer des Figaro oder der Times gegen-<lb/> wärtig an einem Sonntag Abend ins Hoftheater oder an<lb/> einem Mittwoch in die Tonhalle blicken könnten, nichts<lb/> wäre geeigneter, ihnen Stimmung, Haltung und Ruhe der<lb/><cb/> Deutſchen zu Gemüt zu führen: Die großen Räume bis<lb/> zum letzten Platz gefüllt von einem Publikum, ſo andächtig<lb/> wie in einer Kirche, Programme von klaſſiſchem Stil und<lb/> Ernſt wie kaum je vorher, Preiſe von einer Billigkeit, die<lb/> jedermann den Zutritt emöglicht. Da und dort eine feld-<lb/> graue Uniform oder Exerziergarnitur, ein Soldat, der den<lb/> Arm in der Binde trägt, eine Schweſter vom Roten Kreuz<lb/> erinnern einzig an den Krieg. Dieſe Konzertabende, zurück-<lb/> zuführen auf eine Anregung des K. Generalmuſikdirektors<lb/> Bruno Walter, verdanken wohl ihr Entſtehen dem Wunſche<lb/> die Muſiker zu beſchäftigen, ihre Möglichkeit und ihren Er-<lb/> folg aber der deutſchen Seele, deren Verhältnis zur Muſik<lb/> von religiöſer Tiefe und Kraft iſt. Derſelbe deutſche Geiſt,<lb/> der tapfer, begeiſtert und unerſchütterlich geduldig im Felde<lb/> draußen ringt, ſpricht aus der deutſchen Muſik; ein zugleich<lb/> männlicher und frommer Geiſt, der Geiſt Beethovens. Und<lb/> wenn Richard Strauß ſich an die Spitze des Konzertvereins-<lb/> orcheſters ſtellt und Beethovens Ouvertüren und Sym-<lb/> phonien mit dieſem Tonkörper aufführt, deſſen Kommando<lb/> er erſt ein paar Tage vor der Aufführung übernahm, ſo iſt<lb/> es hier, wie im Felde, eine überraſchend energiſche Organi-<lb/> ſation, die triumphiert. Nicht nur die Daheimgebliebenen,<lb/> auch die zurückgekehrten Verwundeten werden der Seelen-<lb/> ſtärkung der Kunſt teilhaftig: Bruno Walter zieht mit den<lb/> erſten Vokal- und Orcheſtralſoliſten der Hofbühne von<lb/> einem Münchener Krankenhaus zum andern, um den ge-<lb/> neſenden Kriegern eine Freude zu machen. Der Krieg hat<lb/> die früheren hohen Eintrittspreiſe ſo reduziert, daß man<lb/> nur wünſchen kann, ſie möchten auch im Frieden ähnlich<lb/> bleiben. Volle Konzertſäle, ergriffene Hörer — das iſt das<lb/> München, in dem nach franzöſiſchen und engliſchen Blättern<lb/> die Revolution herrſcht!</p><lb/> <byline> <hi rendition="#aq">H.</hi> </byline> </div> </div><lb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Feuilleton</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Vor der Entſcheidung.</hi> </hi> </l><lb/> <lg n="1"> <l>Nah den katalaun’ſchen Feldern, wo ſich brach der</l><lb/> <l>Hunnen Macht,</l><lb/> <l>Wogt nun ſchon ſeit einer Woche hin und her die</l><lb/> <l>Völkerſchlacht.</l><lb/> <l>Darf uns Deutſchen, die auf Kunde fern wir harren</l><lb/> <l>Tag für Tag,</l><lb/> <l>Darf uns um den Ausgang bangen, vor dem letzten</l><lb/> <l>Wetterſchlag?</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ungewißheit auf der Seele laſtet wie ein Alpdruck</l><lb/> <l>ſchwer,</l><lb/> <l>Schleudert unſrer Hoffnung Schifflein wie ein Sturm-</l><lb/> <l>wind hin und her.</l><lb/> <l>Werden wir den Sieg erfechten? Geht es mit uns zu</l><lb/> <l>Gericht?</l><lb/> <l>Wird ein jäher Umſchlag täuſchen unſre frohe Zu-</l><lb/> <l>verſicht?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Wir vertrau’n auf unſern Kaiſer, der ſich, da die Zeit</l><lb/> <l>erfüllt,</l><lb/> <l>Viel verkannt bisher, in ſeiner hehren Mannheit uns</l><lb/> <l>enthüllt.</l><lb/> <l>Wir vertrauen unſerm tapfern, unſerm todesmut’gen</l><lb/> <l>Heer,</l><lb/> <l>Ihm, des Vaterlandes Hüter, deutſcher Grenzen Wacht</l><lb/> <l>und Wehr.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Höher noch, gen Himmel ſchwingt ſich unſer kindliches</l><lb/> <l>Vertrau’n</l><lb/> <l>Zu dem alten Gott der Väter, der ſie einſt ließ Wunder</l><lb/> <l>ſchau’n.</l><lb/> <l>Mit dem Kaiſer auf die Knie! Alle rufen wir ihn an:</l><lb/> <l>Sei, o Gott, mit unſern Fahnen! Siegen wir, haſt Du’s</l><lb/> <l>getan.</l> </lg><lb/> <byline> <hi rendition="#g">Bernhard Hofmann.</hi> </byline> </lg><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [583/0009]
26. September 1914. Allgemeine Zeitung
Stücken aus Wagners Werken eingeräumt, die aber ebenſo
wie die vorigen Abende eine große Zuhörerſchaft anlockten,
war ja auch der Soliſt kein geringerer als Heinrich Knote.
Nichts weniger als vaterländiſchen Charakter hatte die
letzte Operettennovität unſeres Theaters am Gärtnerplatz.
Ja, ſtreng genommen handelt es ſich gar nicht um eine
Novität, denn „Die ſchöne Galathea“ von Franz von Suppé
die aus dem Jahre 1865 ſtammt, iſt vor Jahrzehnten auf
denſelben Brettern unzähligemal aufgeführt worden, ja auch
auf unſere Hofbühne iſt ſie eines Faſchings einmal gelangt
und mit Hoftheaterkräften im vorigen Winter erſt im
Gärtnertheater zugunſten der Speiſung armer Schulkinder
aufgeführt worden. Seit Jahren habe ich an dieſer Stelle
wiederholt die Direktion darauf hingewieſen, daß man durch
Wiedereinſtudierung guter, alter und dabei anſtändiger
Operetten heute vielleicht mehr erreichen könnte, als wenn
man glaubt, jeden Operettenſchund nur deshalb aufführen
zu müſſen, weil er neu iſt. Es ſcheint, daß es des Krieges
bedurft hat, um dieſe am Tage liegende Wahrſcheinlichkeit
zu beherzigen. Jetzt greift man nach und nach auf dieſe
älteren Werke zurück, macht aber dabei den nicht genug
zu rügenden Fehler, dieſe Operetten mit der modernen Tanz-
manie zu verquicken. Nein, man gebe dieſe Operetten wie
ſie gedacht ſind und wie ſie ſeinerzeit aufgeführt wurden,
und man wird dadurch nur zur Verbeſſerung des Ge-
ſchmackes und auch des Geſanges beitragen, denn jene
Operetten wollen wirklich geſungen und nicht bloß geſchrien
und getanzt ſein. Suppé hat eine Reihe muſikaliſch wert-
voller Operetten geſchrieben. Die ſchöne Galathea iſt eine
ſeiner beſſeren, aber wir erinnern namentlich an ſeinen
Boccaccio, an ſeine Fatinitza, an die mit Unrecht ganz ver-
geſſene „Frau Meiſterin“. Die an demſelben Abend mit
der „ſchönen Galathea“ zuſammengegebene „Leichte Kaval-
lerie“ iſt minder wertvoll. Die erſtere Operette wurde unge-
wöhnlich gut gegeben, ja ſchwungvoller und temperament-
voller als bei der Wohltätigkeitsvorſtellung dieſes Winters,
nur laßt um Gotteswillen das blöde Tanzen ſein, wo es nicht
hingehört! Fräulein v. Moosburg (Galathea) ſang ſo
hübſch wie ſelten vorher, Fräulein Feiner war ein prächtiger
Ganymed und unſer Seibold ein ebenſolcher Mydas; den
Pygmalion ſang Herr Gruber ganz hübſch. Aber die
jugendfriſche, ſo ganz unverbildete Tenorſtimme Herrn
Mayerhofers, der uns in der „Leichten Kavallerie“ durch
ein prächtiges ſchmelzendes Arioſo entzückte, iſt uns lieber.
Dieſer Abend war etwas beſſer beſucht, auch von unſeren
Kriegern, die vermutlich hinter dem Titel „Leichte
Kavallerie“ etwas für ſie paſſendes vermutet haben. Hoffent-
lich waren ſie nicht zu ſehr enttäuſcht.
Nun, nachdem man jahrzehntelang allem welchen Tand
gehuldigt, werden ſelbſt die Theaterdirektoren Puriſten, die
den Deutſchen Sprachverein noch überbieten. Seit kurzem
ſieht man auf dem Zettel des Theaters am Gärtnerplatz bei
den Preisangaben, daß es keine Logen mehr gibt, ſondern
„Lauben“. Es gibt alſo nur eine erſte, zweite, dritte Rang-
laube. Wenn dies das Reſultat eines Preisausſchreibens
iſt, von dem man gehört, ſo iſt es ſehr unglücklich aus-
gefallen, denn Laube bedeutet uns Deutſchen ganz etwas
anderes, und in der Zuſammenſetzung mit „Rang“ nimmt
ſie ſich doch gar zu poſſierlich aus. Gewiſſe Fremdworte
laſſen ſich eben nicht ganz vermeiden, und ſie ſind in unſeren
Beſitz übergegangen wie dies auch umgekehrt bei den frem-
den Sprachen der Fall iſt. Wo man ſie nicht durch ein gutes
deutſches Wort erſetzen kann, ſoll man ſie lieber behalten.
Unſer Theater (und dies gilt im allgemeinen) kann ſein
Deutſchtum viel beſſer dadurch beweiſen, daß es deutſche
Autoren, vor allem unſere Klaſſiker mehr aufführt und die
Ueberſchwemmung mit fremden, noch dazu minderwertigem
Schrifttum nicht wieder über uns hereinbrechen läßt.
Alfred Frhr. v. Menſi.
Wenn die Leſer des Figaro oder der Times gegen-
wärtig an einem Sonntag Abend ins Hoftheater oder an
einem Mittwoch in die Tonhalle blicken könnten, nichts
wäre geeigneter, ihnen Stimmung, Haltung und Ruhe der
Deutſchen zu Gemüt zu führen: Die großen Räume bis
zum letzten Platz gefüllt von einem Publikum, ſo andächtig
wie in einer Kirche, Programme von klaſſiſchem Stil und
Ernſt wie kaum je vorher, Preiſe von einer Billigkeit, die
jedermann den Zutritt emöglicht. Da und dort eine feld-
graue Uniform oder Exerziergarnitur, ein Soldat, der den
Arm in der Binde trägt, eine Schweſter vom Roten Kreuz
erinnern einzig an den Krieg. Dieſe Konzertabende, zurück-
zuführen auf eine Anregung des K. Generalmuſikdirektors
Bruno Walter, verdanken wohl ihr Entſtehen dem Wunſche
die Muſiker zu beſchäftigen, ihre Möglichkeit und ihren Er-
folg aber der deutſchen Seele, deren Verhältnis zur Muſik
von religiöſer Tiefe und Kraft iſt. Derſelbe deutſche Geiſt,
der tapfer, begeiſtert und unerſchütterlich geduldig im Felde
draußen ringt, ſpricht aus der deutſchen Muſik; ein zugleich
männlicher und frommer Geiſt, der Geiſt Beethovens. Und
wenn Richard Strauß ſich an die Spitze des Konzertvereins-
orcheſters ſtellt und Beethovens Ouvertüren und Sym-
phonien mit dieſem Tonkörper aufführt, deſſen Kommando
er erſt ein paar Tage vor der Aufführung übernahm, ſo iſt
es hier, wie im Felde, eine überraſchend energiſche Organi-
ſation, die triumphiert. Nicht nur die Daheimgebliebenen,
auch die zurückgekehrten Verwundeten werden der Seelen-
ſtärkung der Kunſt teilhaftig: Bruno Walter zieht mit den
erſten Vokal- und Orcheſtralſoliſten der Hofbühne von
einem Münchener Krankenhaus zum andern, um den ge-
neſenden Kriegern eine Freude zu machen. Der Krieg hat
die früheren hohen Eintrittspreiſe ſo reduziert, daß man
nur wünſchen kann, ſie möchten auch im Frieden ähnlich
bleiben. Volle Konzertſäle, ergriffene Hörer — das iſt das
München, in dem nach franzöſiſchen und engliſchen Blättern
die Revolution herrſcht!
H.
Feuilleton
Vor der Entſcheidung.
Nah den katalaun’ſchen Feldern, wo ſich brach der
Hunnen Macht,
Wogt nun ſchon ſeit einer Woche hin und her die
Völkerſchlacht.
Darf uns Deutſchen, die auf Kunde fern wir harren
Tag für Tag,
Darf uns um den Ausgang bangen, vor dem letzten
Wetterſchlag?
Ungewißheit auf der Seele laſtet wie ein Alpdruck
ſchwer,
Schleudert unſrer Hoffnung Schifflein wie ein Sturm-
wind hin und her.
Werden wir den Sieg erfechten? Geht es mit uns zu
Gericht?
Wird ein jäher Umſchlag täuſchen unſre frohe Zu-
verſicht?
Wir vertrau’n auf unſern Kaiſer, der ſich, da die Zeit
erfüllt,
Viel verkannt bisher, in ſeiner hehren Mannheit uns
enthüllt.
Wir vertrauen unſerm tapfern, unſerm todesmut’gen
Heer,
Ihm, des Vaterlandes Hüter, deutſcher Grenzen Wacht
und Wehr.
Höher noch, gen Himmel ſchwingt ſich unſer kindliches
Vertrau’n
Zu dem alten Gott der Väter, der ſie einſt ließ Wunder
ſchau’n.
Mit dem Kaiſer auf die Knie! Alle rufen wir ihn an:
Sei, o Gott, mit unſern Fahnen! Siegen wir, haſt Du’s
getan.
Bernhard Hofmann.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |