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Allgemeine Zeitung, Nr. 40, 9. Februar 1850.

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Sonnabend.
Beilage zu Nr. 40 der Allg. Zeitung.
9 Februar 1850.


[Spaltenumbruch]
Uebersicht.

Die bei der Revision des österreichischen Zolltarifs leitenden Grund-
sätze. -- Prag. (Die tschechischen und deutschen Gymnasien. Professor
Girgl verhaftet. Hahns Vorlesungen. Die Industriellen.) -- Florenz.
(Gemeindewahlen.) -- Genua. (Der Winter und seine Folgen. Ver-
haftungen.) -- Schweiz. (Aus der Westschweiz: Die Vertreibung der
barmherzigen Schwestern von Pruntrut.) -- Denkschrift der griechischen
Regierung über die Forderungen Englands. -- Neuestes. Griechenland.
(Athen, 27 Jan.: Die geschärften Gewaltmaßregeln.)



Die bei der Revision des österreichischen Zolltarifs
leitenden Grundsätze.

Beilage B. der österreichischen Denkschrift.*)

Wenn ein mangelhaftes Zollsystem gründlich verbessert, oder wenn
ein neues Zollgesetz für neue Verhältnisse aufgestellt werden soll, so sind
dabei zwei wesentliche Momente zu trennen. Einmal kommt es auf die
leitenden Gedanken an welche zu bestimmen nur einer Commission anver-
traut werden kann, aus Männern zusammengesetzt die befähigt sind den
ganzen Volks- und Staatshaushalt zu überschauen und die Verschieden-
heit der Interessen zu erfassen. Mit dem zweiten Moment der genauen Fest-
stellung der einzelnen Tarifpositionen verhält es sich anders. Hier müssen
die Einzel-Interessen die sorgsamste Beachtung finden, wozu der speciell
sachver ständige Beirath unerläßlich ist, damit jeder Zollsatz im allgemeinen
System sich durch das wirkliche Interesse der Erzeugung und des Verkehrs
rechtfertige. Auf diese Weise geht die Revision des österreichischen Zoll-
tarifs vor sich. Die betreffende Revisionscommission hat auf Grund um-
fassender Vorarbeiten zuerst den Plan festgestellt nach welchem sie den
Zolltarif und die Vorschriften im Zollwesen entwirft, um ihre Arbeiten
auf eine feste Grundlage zu stützen und den einheitlichen Gesichtspunkt im
ganzen Umfange derselben festzuhalten. Bei der Gliederung des Tarifs
faßte sie die verschiedenen Gegenstände in einzelne Gruppen so zusammen
daß jede ein in sich abgeschlossenes Gebiet industrieller und commercieller
Thätigkeit umfängt.

Sie theilt die Gegenstände einer Gruppe in einzelne zuvörderst dem
praktischen Bedürfniß entsprechende Kategorien mit möglichster Beachtung
der wissenschaftlichen Unterscheidungsgründe, wobei sie ebenso sehr die
Zersplitterung in allzuviele Tarifsätze als das Zusammenwerfen vieler nach
ihrem Werth und der darin enthaltenen Arbeit nicht zu vereinender weit
abstehender Gegenstände in einen Tarifsatz zu vermeiden trachtet. Hierauf
werden auf Grund der seit Jahren angesammelten Vorarbeiten die durch-
schnittlichen Preise der in einem Tarifsatz vereinten Objccte festgestellt,
und mit Erwägung der in den vorzüglichsten Handelsstaaten bestehenden
und neuerlich in Deutschland vorgeschlagenen Tarifbestimmungen sowie
der Waarenpreise im Auslande die den ausgiebigen Schutz der inländi-
schen Arbeit bezweckenden Tarifsätze berathen. Nachdem so für den ein-
zelnen Fall ein bestimmtes vorläufiges Ergebniß erzielt worden, beginnt
die Enquete, nach deren Ergebniß dann schließlich der Zollsatz festge-
stellt wird.

Jene Grundsätze über welche die Commission sich fast durchaus mit
Einstimmigkeit geeinigt hat, sind:

1. Ihre Aufgabe umfaßt die Regelung a) des Ein-, Aus- und Durch-
fuhrtarifs im Verkehr mit dem Auslande; b) der Nebengebühren, nament-
lich des Zettelgeldes; c) die Frage: ob und welche Gebietstheile aus dem
allgemeinen Zollgebiet auszuscheiden wären, und bejahenden Falls die
Regelung ihrer Zollverhältnisse; d) falls bei Vollendung des Tarifs die
Zwischenzolllinie gegen Ungarn noch fortbestehen sollte (was übrigens
kaum zu besorgen steht), die temporäre Regelung der Zwischenzölle.

2. Als leitender Gedanke hat der Commission die Festhaltung eines
hinreichenden Schutzzollsystems zu dienen. Ein- und Ausfuhrverbote sind
aufzuheben.

3. Die Höhe des Zollsatzes ist von Fall zu Fall nach dem Princip
des ausreichenden Schutzes der inländischen Arbeit zu bemessen; in die
sonst gebräuchliche Festsetzung einer durchschnittlichen, nach Procenten des
Werthes sich richtenden Höhe desselben ist nicht einzugehen.

4. Der Ausfuhrzoll auf Fabricate soll eine bloße Controlabgabe seyn,
und auch sonst die Ausfuhr in der Zeit und Art des Uebertritts über die
Zolllinie erleichtert werden. Die bestehenden Ausfuhrverbote auf gewisse
[Spaltenumbruch] Rohstoffe zum Gebrauche der Industrie sind durch entsprechende Ausfuhr-
zölle gegen das nicht vereinte Zollgebiet zu ersetzen.

5. Das System der Differentialzölle nach Verschiedenheit des Ur-
sprungs der Waaren oder der Schiffe auf denen sie transportirt werden,
und der Ausfuhrprämien ist nicht anzunehmen. Rückzölle sind nur im
äußersten Fall vorzuschlagen, wohl aber sind Zollabstufungen nach dem
verschiedenen Werth einer und derselben Waare oder nach der ihre Con-
currenz erleichternden Art des Transports räthlich.

6. In der Regel ist das Gewicht, und zwar in der Ein- und Durch-
fuhr das Netto-, in der Ausfuhr das Sporcogewicht als Maßstab der
Zollbemessung anzunehmen; die rechnungsmäßige Reduction des Netto-
gewichts aus dem Sporcogewicht durch Festsetzung gesetzlicher Taren ist zu
gestatten.

7. Als Gewichtseinheit ist der Zollvereinscentner (unter dem Namen
Zollcentner) anzunehmen, jedoch vorläufig der Zoll auch nach dem nieder-
österreichischen Centner anzugeben.

8. Waaren dürfen ohne Angabe ihrer Benennung und ihres Netto-
gewichts gegen Berichtigung des höchsten Gewichtszolles nach dem Sporco-
gewicht ein- und aus- und bedingnißweise auch durchgesührt werden.

9. Die Zahl der Zollbefreiungen ist zu erweitern:
a) durch Nichteinhebung aller Zölle bis zu einem Kreuzer;
b) durch Befreiung einiger Gegenstände des ländlichen Verkehrs und
täglichen Bedürfnisses, die nicht geeignet sind den Gegenstand eines
größeren Handelsverkehrs zu bilden;

c) durch Befreiung der Ausfuhr aller Colonialwaaren und aller andern
Gegenstände unzweifelhaften ausländischen Ursprungs vom Aus-
fuhrzoll.

10. Die Verzollungsbefugnisse der Aemter sind zu erweitern,
und zwar:

a) hat der Unterschied zwischen Hauptzollämtern und Legstätten ganz
aufzuhören;

b) sollen die Commercialzollämter selbst die in den Legstätten vorbehal-
tenen Waaren (deren Zahl möglichst zu verringern ist) bis zur
Zollein heit in Verzollung nehmen dürfen;

c) dieselbe Besugniß soll den Hülfszollämtern in Ansehung der den
Commercialzollämtern vorbehaltenen Waaren eingeräumt werden,
und überdieß sollen sie ermächtigt seyn selbst von den den Legstätten
vorbehaltenen Gegenständen kleinere, eine bestimmte Quote des
Zolls oder des Gewichts nicht überschreitende Mengen, welche mit
der Post anlangen, oder welche Reisende zum eigenen Gebrauche
mit sich führen, in Verzollung zu nehmen.


11. Die allzu zahlreichen und kleinlichen Unterschiede in den Zoll-
sätzen sind zu entfernen, und wenige wohl abgerundete Zollclassen einzu-
führen.

12. Da wo es die vor allem zu berücksichtigenden speciellen öster-
reichischen Verhältnisse erlauben, ist sich die thunlichste Annäherung an
den Tarif des deutschen Zollvereins zur Pflicht zu machen.

13. Die Revision des zu verfassenden Tariss soll stets gleichzeitig mit
jener des Zollvereinstarifs erfolgen.

14. Was den Gang der Berathungen betrifft, so ist in der Regel bei
jedem Artikel eine Enquete durch Einvernehmung von Sachverständigen,
da wo es thunlich ist, im Schooße der Commission selbst zu veranstalten.
Es sind die Handelskammern, Gewerbs- und landwirthschaftlichen Ver-
eine anzugehen daß sie Sachverständige zu diesen Einvernehmungen aus-
wählen; doch bleibt es der Commission unbenommen außer den letztern
auch andere beizuziehen.

15. Das Ergebniß der Berathungen ist in einem alphabetischen Tarif
zusammenzustellen; doch sind die Thatsachen und Gründe welche zu jedem
einzelnen Tarissatz veranlaßten, dergestalt zusammenzufassen daß deren
Veröffentlichung gleichzeitig mit dem Tarif erfolgen kann.

Zum besseren Verständniß jener Grundsätze werden noch einige Er-
läuterungen am Orte seyn. Im gegenwärtigen österreichischen Zollsystem
wird der Schutz der Industrie theils durch Einfuhrverbote und prohibitive
Einfuhrzölle, theils durch hohe Ausfuhrzölle und Ausfuhrverbote auf ver-
schiedene Rohstoffe zu erreichen gesucht. Diese Ein- und Ausfuhrverbote
erfüllen aber bei mancherlei Nachtheilen auch nicht den beabsichtigten
Zweck eines wirksamen Schutzes, und sollen daher, insofern sie auf die
vermeintlichen Interessen der Industrie gegründet sind, gänzlich aufge-
hoben werden. An ihre Stelle sollen Zollsätze treten welche dem inlän-
dischen Gewerbfleiß einen ausgiebigen ermunternden Schutz gewähren.

Das Industrie-Uebergewicht Englands und in manchen Artikeln
selbst Frankreichs ist zu groß als daß ihm gegenüber die österreichischen

*) Die Beilage A. enthält den Artikel der Wiener Zeitung, den wir seiner
Zeit gegeben.

Sonnabend.
Beilage zu Nr. 40 der Allg. Zeitung.
9 Februar 1850.


[Spaltenumbruch]
Ueberſicht.

Die bei der Reviſion des öſterreichiſchen Zolltarifs leitenden Grund-
ſätze. — Prag. (Die tſchechiſchen und deutſchen Gymnaſien. Profeſſor
Girgl verhaftet. Hahns Vorleſungen. Die Induſtriellen.) — Florenz.
(Gemeindewahlen.) — Genua. (Der Winter und ſeine Folgen. Ver-
haftungen.) — Schweiz. (Aus der Weſtſchweiz: Die Vertreibung der
barmherzigen Schweſtern von Pruntrut.) — Denkſchrift der griechiſchen
Regierung über die Forderungen Englands. — Neueſtes. Griechenland.
(Athen, 27 Jan.: Die geſchärften Gewaltmaßregeln.)



Die bei der Reviſion des öſterreichiſchen Zolltarifs
leitenden Grundſätze.

Beilage B. der öſterreichiſchen Denkſchrift.*)

Wenn ein mangelhaftes Zollſyſtem gründlich verbeſſert, oder wenn
ein neues Zollgeſetz für neue Verhältniſſe aufgeſtellt werden ſoll, ſo ſind
dabei zwei weſentliche Momente zu trennen. Einmal kommt es auf die
leitenden Gedanken an welche zu beſtimmen nur einer Commiſſion anver-
traut werden kann, aus Männern zuſammengeſetzt die befähigt ſind den
ganzen Volks- und Staatshaushalt zu überſchauen und die Verſchieden-
heit der Intereſſen zu erfaſſen. Mit dem zweiten Moment der genauen Feſt-
ſtellung der einzelnen Tarifpoſitionen verhält es ſich anders. Hier müſſen
die Einzel-Intereſſen die ſorgſamſte Beachtung finden, wozu der ſpeciell
ſachver ſtändige Beirath unerläßlich iſt, damit jeder Zollſatz im allgemeinen
Syſtem ſich durch das wirkliche Intereſſe der Erzeugung und des Verkehrs
rechtfertige. Auf dieſe Weiſe geht die Reviſion des öſterreichiſchen Zoll-
tarifs vor ſich. Die betreffende Reviſionscommiſſion hat auf Grund um-
faſſender Vorarbeiten zuerſt den Plan feſtgeſtellt nach welchem ſie den
Zolltarif und die Vorſchriften im Zollweſen entwirft, um ihre Arbeiten
auf eine feſte Grundlage zu ſtützen und den einheitlichen Geſichtspunkt im
ganzen Umfange derſelben feſtzuhalten. Bei der Gliederung des Tarifs
faßte ſie die verſchiedenen Gegenſtände in einzelne Gruppen ſo zuſammen
daß jede ein in ſich abgeſchloſſenes Gebiet induſtrieller und commercieller
Thätigkeit umfängt.

Sie theilt die Gegenſtände einer Gruppe in einzelne zuvörderſt dem
praktiſchen Bedürfniß entſprechende Kategorien mit möglichſter Beachtung
der wiſſenſchaftlichen Unterſcheidungsgründe, wobei ſie ebenſo ſehr die
Zerſplitterung in allzuviele Tarifſätze als das Zuſammenwerfen vieler nach
ihrem Werth und der darin enthaltenen Arbeit nicht zu vereinender weit
abſtehender Gegenſtände in einen Tarifſatz zu vermeiden trachtet. Hierauf
werden auf Grund der ſeit Jahren angeſammelten Vorarbeiten die durch-
ſchnittlichen Preiſe der in einem Tarifſatz vereinten Objccte feſtgeſtellt,
und mit Erwägung der in den vorzüglichſten Handelsſtaaten beſtehenden
und neuerlich in Deutſchland vorgeſchlagenen Tarifbeſtimmungen ſowie
der Waarenpreiſe im Auslande die den ausgiebigen Schutz der inländi-
ſchen Arbeit bezweckenden Tarifſätze berathen. Nachdem ſo für den ein-
zelnen Fall ein beſtimmtes vorläufiges Ergebniß erzielt worden, beginnt
die Enquete, nach deren Ergebniß dann ſchließlich der Zollſatz feſtge-
ſtellt wird.

Jene Grundſätze über welche die Commiſſion ſich faſt durchaus mit
Einſtimmigkeit geeinigt hat, ſind:

1. Ihre Aufgabe umfaßt die Regelung a) des Ein-, Aus- und Durch-
fuhrtarifs im Verkehr mit dem Auslande; b) der Nebengebühren, nament-
lich des Zettelgeldes; c) die Frage: ob und welche Gebietstheile aus dem
allgemeinen Zollgebiet auszuſcheiden wären, und bejahenden Falls die
Regelung ihrer Zollverhältniſſe; d) falls bei Vollendung des Tarifs die
Zwiſchenzolllinie gegen Ungarn noch fortbeſtehen ſollte (was übrigens
kaum zu beſorgen ſteht), die temporäre Regelung der Zwiſchenzölle.

2. Als leitender Gedanke hat der Commiſſion die Feſthaltung eines
hinreichenden Schutzzollſyſtems zu dienen. Ein- und Ausfuhrverbote ſind
aufzuheben.

3. Die Höhe des Zollſatzes iſt von Fall zu Fall nach dem Princip
des ausreichenden Schutzes der inländiſchen Arbeit zu bemeſſen; in die
ſonſt gebräuchliche Feſtſetzung einer durchſchnittlichen, nach Procenten des
Werthes ſich richtenden Höhe desſelben iſt nicht einzugehen.

4. Der Ausfuhrzoll auf Fabricate ſoll eine bloße Controlabgabe ſeyn,
und auch ſonſt die Ausfuhr in der Zeit und Art des Uebertritts über die
Zolllinie erleichtert werden. Die beſtehenden Ausfuhrverbote auf gewiſſe
[Spaltenumbruch] Rohſtoffe zum Gebrauche der Induſtrie ſind durch entſprechende Ausfuhr-
zölle gegen das nicht vereinte Zollgebiet zu erſetzen.

5. Das Syſtem der Differentialzölle nach Verſchiedenheit des Ur-
ſprungs der Waaren oder der Schiffe auf denen ſie transportirt werden,
und der Ausfuhrprämien iſt nicht anzunehmen. Rückzölle ſind nur im
äußerſten Fall vorzuſchlagen, wohl aber ſind Zollabſtufungen nach dem
verſchiedenen Werth einer und derſelben Waare oder nach der ihre Con-
currenz erleichternden Art des Transports räthlich.

6. In der Regel iſt das Gewicht, und zwar in der Ein- und Durch-
fuhr das Netto-, in der Ausfuhr das Sporcogewicht als Maßſtab der
Zollbemeſſung anzunehmen; die rechnungsmäßige Reduction des Netto-
gewichts aus dem Sporcogewicht durch Feſtſetzung geſetzlicher Taren iſt zu
geſtatten.

7. Als Gewichtseinheit iſt der Zollvereinscentner (unter dem Namen
Zollcentner) anzunehmen, jedoch vorläufig der Zoll auch nach dem nieder-
öſterreichiſchen Centner anzugeben.

8. Waaren dürfen ohne Angabe ihrer Benennung und ihres Netto-
gewichts gegen Berichtigung des höchſten Gewichtszolles nach dem Sporco-
gewicht ein- und aus- und bedingnißweiſe auch durchgeſührt werden.

9. Die Zahl der Zollbefreiungen iſt zu erweitern:
a) durch Nichteinhebung aller Zölle bis zu einem Kreuzer;
b) durch Befreiung einiger Gegenſtände des ländlichen Verkehrs und
täglichen Bedürfniſſes, die nicht geeignet ſind den Gegenſtand eines
größeren Handelsverkehrs zu bilden;

c) durch Befreiung der Ausfuhr aller Colonialwaaren und aller andern
Gegenſtände unzweifelhaften ausländiſchen Urſprungs vom Aus-
fuhrzoll.

10. Die Verzollungsbefugniſſe der Aemter ſind zu erweitern,
und zwar:

a) hat der Unterſchied zwiſchen Hauptzollämtern und Legſtätten ganz
aufzuhören;

b) ſollen die Commercialzollämter ſelbſt die in den Legſtätten vorbehal-
tenen Waaren (deren Zahl möglichſt zu verringern iſt) bis zur
Zollein heit in Verzollung nehmen dürfen;

c) dieſelbe Beſugniß ſoll den Hülfszollämtern in Anſehung der den
Commercialzollämtern vorbehaltenen Waaren eingeräumt werden,
und überdieß ſollen ſie ermächtigt ſeyn ſelbſt von den den Legſtätten
vorbehaltenen Gegenſtänden kleinere, eine beſtimmte Quote des
Zolls oder des Gewichts nicht überſchreitende Mengen, welche mit
der Poſt anlangen, oder welche Reiſende zum eigenen Gebrauche
mit ſich führen, in Verzollung zu nehmen.


11. Die allzu zahlreichen und kleinlichen Unterſchiede in den Zoll-
ſätzen ſind zu entfernen, und wenige wohl abgerundete Zollclaſſen einzu-
führen.

12. Da wo es die vor allem zu berückſichtigenden ſpeciellen öſter-
reichiſchen Verhältniſſe erlauben, iſt ſich die thunlichſte Annäherung an
den Tarif des deutſchen Zollvereins zur Pflicht zu machen.

13. Die Reviſion des zu verfaſſenden Tariſs ſoll ſtets gleichzeitig mit
jener des Zollvereinstarifs erfolgen.

14. Was den Gang der Berathungen betrifft, ſo iſt in der Regel bei
jedem Artikel eine Enquete durch Einvernehmung von Sachverſtändigen,
da wo es thunlich iſt, im Schooße der Commiſſion ſelbſt zu veranſtalten.
Es ſind die Handelskammern, Gewerbs- und landwirthſchaftlichen Ver-
eine anzugehen daß ſie Sachverſtändige zu dieſen Einvernehmungen aus-
wählen; doch bleibt es der Commiſſion unbenommen außer den letztern
auch andere beizuziehen.

15. Das Ergebniß der Berathungen iſt in einem alphabetiſchen Tarif
zuſammenzuſtellen; doch ſind die Thatſachen und Gründe welche zu jedem
einzelnen Tariſſatz veranlaßten, dergeſtalt zuſammenzufaſſen daß deren
Veröffentlichung gleichzeitig mit dem Tarif erfolgen kann.

Zum beſſeren Verſtändniß jener Grundſätze werden noch einige Er-
läuterungen am Orte ſeyn. Im gegenwärtigen öſterreichiſchen Zollſyſtem
wird der Schutz der Induſtrie theils durch Einfuhrverbote und prohibitive
Einfuhrzölle, theils durch hohe Ausfuhrzölle und Ausfuhrverbote auf ver-
ſchiedene Rohſtoffe zu erreichen geſucht. Dieſe Ein- und Ausfuhrverbote
erfüllen aber bei mancherlei Nachtheilen auch nicht den beabſichtigten
Zweck eines wirkſamen Schutzes, und ſollen daher, inſofern ſie auf die
vermeintlichen Intereſſen der Induſtrie gegründet ſind, gänzlich aufge-
hoben werden. An ihre Stelle ſollen Zollſätze treten welche dem inlän-
diſchen Gewerbfleiß einen ausgiebigen ermunternden Schutz gewähren.

Das Induſtrie-Uebergewicht Englands und in manchen Artikeln
ſelbſt Frankreichs iſt zu groß als daß ihm gegenüber die öſterreichiſchen

*) Die Beilage A. enthält den Artikel der Wiener Zeitung, den wir ſeiner
Zeit gegeben.
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[0009] Sonnabend. Beilage zu Nr. 40 der Allg. Zeitung. 9 Februar 1850. Ueberſicht. Die bei der Reviſion des öſterreichiſchen Zolltarifs leitenden Grund- ſätze. — Prag. (Die tſchechiſchen und deutſchen Gymnaſien. Profeſſor Girgl verhaftet. Hahns Vorleſungen. Die Induſtriellen.) — Florenz. (Gemeindewahlen.) — Genua. (Der Winter und ſeine Folgen. Ver- haftungen.) — Schweiz. (Aus der Weſtſchweiz: Die Vertreibung der barmherzigen Schweſtern von Pruntrut.) — Denkſchrift der griechiſchen Regierung über die Forderungen Englands. — Neueſtes. Griechenland. (Athen, 27 Jan.: Die geſchärften Gewaltmaßregeln.) Die bei der Reviſion des öſterreichiſchen Zolltarifs leitenden Grundſätze. Beilage B. der öſterreichiſchen Denkſchrift. *) Wenn ein mangelhaftes Zollſyſtem gründlich verbeſſert, oder wenn ein neues Zollgeſetz für neue Verhältniſſe aufgeſtellt werden ſoll, ſo ſind dabei zwei weſentliche Momente zu trennen. Einmal kommt es auf die leitenden Gedanken an welche zu beſtimmen nur einer Commiſſion anver- traut werden kann, aus Männern zuſammengeſetzt die befähigt ſind den ganzen Volks- und Staatshaushalt zu überſchauen und die Verſchieden- heit der Intereſſen zu erfaſſen. Mit dem zweiten Moment der genauen Feſt- ſtellung der einzelnen Tarifpoſitionen verhält es ſich anders. Hier müſſen die Einzel-Intereſſen die ſorgſamſte Beachtung finden, wozu der ſpeciell ſachver ſtändige Beirath unerläßlich iſt, damit jeder Zollſatz im allgemeinen Syſtem ſich durch das wirkliche Intereſſe der Erzeugung und des Verkehrs rechtfertige. Auf dieſe Weiſe geht die Reviſion des öſterreichiſchen Zoll- tarifs vor ſich. Die betreffende Reviſionscommiſſion hat auf Grund um- faſſender Vorarbeiten zuerſt den Plan feſtgeſtellt nach welchem ſie den Zolltarif und die Vorſchriften im Zollweſen entwirft, um ihre Arbeiten auf eine feſte Grundlage zu ſtützen und den einheitlichen Geſichtspunkt im ganzen Umfange derſelben feſtzuhalten. Bei der Gliederung des Tarifs faßte ſie die verſchiedenen Gegenſtände in einzelne Gruppen ſo zuſammen daß jede ein in ſich abgeſchloſſenes Gebiet induſtrieller und commercieller Thätigkeit umfängt. Sie theilt die Gegenſtände einer Gruppe in einzelne zuvörderſt dem praktiſchen Bedürfniß entſprechende Kategorien mit möglichſter Beachtung der wiſſenſchaftlichen Unterſcheidungsgründe, wobei ſie ebenſo ſehr die Zerſplitterung in allzuviele Tarifſätze als das Zuſammenwerfen vieler nach ihrem Werth und der darin enthaltenen Arbeit nicht zu vereinender weit abſtehender Gegenſtände in einen Tarifſatz zu vermeiden trachtet. Hierauf werden auf Grund der ſeit Jahren angeſammelten Vorarbeiten die durch- ſchnittlichen Preiſe der in einem Tarifſatz vereinten Objccte feſtgeſtellt, und mit Erwägung der in den vorzüglichſten Handelsſtaaten beſtehenden und neuerlich in Deutſchland vorgeſchlagenen Tarifbeſtimmungen ſowie der Waarenpreiſe im Auslande die den ausgiebigen Schutz der inländi- ſchen Arbeit bezweckenden Tarifſätze berathen. Nachdem ſo für den ein- zelnen Fall ein beſtimmtes vorläufiges Ergebniß erzielt worden, beginnt die Enquete, nach deren Ergebniß dann ſchließlich der Zollſatz feſtge- ſtellt wird. Jene Grundſätze über welche die Commiſſion ſich faſt durchaus mit Einſtimmigkeit geeinigt hat, ſind: 1. Ihre Aufgabe umfaßt die Regelung a) des Ein-, Aus- und Durch- fuhrtarifs im Verkehr mit dem Auslande; b) der Nebengebühren, nament- lich des Zettelgeldes; c) die Frage: ob und welche Gebietstheile aus dem allgemeinen Zollgebiet auszuſcheiden wären, und bejahenden Falls die Regelung ihrer Zollverhältniſſe; d) falls bei Vollendung des Tarifs die Zwiſchenzolllinie gegen Ungarn noch fortbeſtehen ſollte (was übrigens kaum zu beſorgen ſteht), die temporäre Regelung der Zwiſchenzölle. 2. Als leitender Gedanke hat der Commiſſion die Feſthaltung eines hinreichenden Schutzzollſyſtems zu dienen. Ein- und Ausfuhrverbote ſind aufzuheben. 3. Die Höhe des Zollſatzes iſt von Fall zu Fall nach dem Princip des ausreichenden Schutzes der inländiſchen Arbeit zu bemeſſen; in die ſonſt gebräuchliche Feſtſetzung einer durchſchnittlichen, nach Procenten des Werthes ſich richtenden Höhe desſelben iſt nicht einzugehen. 4. Der Ausfuhrzoll auf Fabricate ſoll eine bloße Controlabgabe ſeyn, und auch ſonſt die Ausfuhr in der Zeit und Art des Uebertritts über die Zolllinie erleichtert werden. Die beſtehenden Ausfuhrverbote auf gewiſſe Rohſtoffe zum Gebrauche der Induſtrie ſind durch entſprechende Ausfuhr- zölle gegen das nicht vereinte Zollgebiet zu erſetzen. 5. Das Syſtem der Differentialzölle nach Verſchiedenheit des Ur- ſprungs der Waaren oder der Schiffe auf denen ſie transportirt werden, und der Ausfuhrprämien iſt nicht anzunehmen. Rückzölle ſind nur im äußerſten Fall vorzuſchlagen, wohl aber ſind Zollabſtufungen nach dem verſchiedenen Werth einer und derſelben Waare oder nach der ihre Con- currenz erleichternden Art des Transports räthlich. 6. In der Regel iſt das Gewicht, und zwar in der Ein- und Durch- fuhr das Netto-, in der Ausfuhr das Sporcogewicht als Maßſtab der Zollbemeſſung anzunehmen; die rechnungsmäßige Reduction des Netto- gewichts aus dem Sporcogewicht durch Feſtſetzung geſetzlicher Taren iſt zu geſtatten. 7. Als Gewichtseinheit iſt der Zollvereinscentner (unter dem Namen Zollcentner) anzunehmen, jedoch vorläufig der Zoll auch nach dem nieder- öſterreichiſchen Centner anzugeben. 8. Waaren dürfen ohne Angabe ihrer Benennung und ihres Netto- gewichts gegen Berichtigung des höchſten Gewichtszolles nach dem Sporco- gewicht ein- und aus- und bedingnißweiſe auch durchgeſührt werden. 9. Die Zahl der Zollbefreiungen iſt zu erweitern: a) durch Nichteinhebung aller Zölle bis zu einem Kreuzer; b) durch Befreiung einiger Gegenſtände des ländlichen Verkehrs und täglichen Bedürfniſſes, die nicht geeignet ſind den Gegenſtand eines größeren Handelsverkehrs zu bilden; c) durch Befreiung der Ausfuhr aller Colonialwaaren und aller andern Gegenſtände unzweifelhaften ausländiſchen Urſprungs vom Aus- fuhrzoll. 10. Die Verzollungsbefugniſſe der Aemter ſind zu erweitern, und zwar: a) hat der Unterſchied zwiſchen Hauptzollämtern und Legſtätten ganz aufzuhören; b) ſollen die Commercialzollämter ſelbſt die in den Legſtätten vorbehal- tenen Waaren (deren Zahl möglichſt zu verringern iſt) bis zur Zollein heit in Verzollung nehmen dürfen; c) dieſelbe Beſugniß ſoll den Hülfszollämtern in Anſehung der den Commercialzollämtern vorbehaltenen Waaren eingeräumt werden, und überdieß ſollen ſie ermächtigt ſeyn ſelbſt von den den Legſtätten vorbehaltenen Gegenſtänden kleinere, eine beſtimmte Quote des Zolls oder des Gewichts nicht überſchreitende Mengen, welche mit der Poſt anlangen, oder welche Reiſende zum eigenen Gebrauche mit ſich führen, in Verzollung zu nehmen. 11. Die allzu zahlreichen und kleinlichen Unterſchiede in den Zoll- ſätzen ſind zu entfernen, und wenige wohl abgerundete Zollclaſſen einzu- führen. 12. Da wo es die vor allem zu berückſichtigenden ſpeciellen öſter- reichiſchen Verhältniſſe erlauben, iſt ſich die thunlichſte Annäherung an den Tarif des deutſchen Zollvereins zur Pflicht zu machen. 13. Die Reviſion des zu verfaſſenden Tariſs ſoll ſtets gleichzeitig mit jener des Zollvereinstarifs erfolgen. 14. Was den Gang der Berathungen betrifft, ſo iſt in der Regel bei jedem Artikel eine Enquete durch Einvernehmung von Sachverſtändigen, da wo es thunlich iſt, im Schooße der Commiſſion ſelbſt zu veranſtalten. Es ſind die Handelskammern, Gewerbs- und landwirthſchaftlichen Ver- eine anzugehen daß ſie Sachverſtändige zu dieſen Einvernehmungen aus- wählen; doch bleibt es der Commiſſion unbenommen außer den letztern auch andere beizuziehen. 15. Das Ergebniß der Berathungen iſt in einem alphabetiſchen Tarif zuſammenzuſtellen; doch ſind die Thatſachen und Gründe welche zu jedem einzelnen Tariſſatz veranlaßten, dergeſtalt zuſammenzufaſſen daß deren Veröffentlichung gleichzeitig mit dem Tarif erfolgen kann. Zum beſſeren Verſtändniß jener Grundſätze werden noch einige Er- läuterungen am Orte ſeyn. Im gegenwärtigen öſterreichiſchen Zollſyſtem wird der Schutz der Induſtrie theils durch Einfuhrverbote und prohibitive Einfuhrzölle, theils durch hohe Ausfuhrzölle und Ausfuhrverbote auf ver- ſchiedene Rohſtoffe zu erreichen geſucht. Dieſe Ein- und Ausfuhrverbote erfüllen aber bei mancherlei Nachtheilen auch nicht den beabſichtigten Zweck eines wirkſamen Schutzes, und ſollen daher, inſofern ſie auf die vermeintlichen Intereſſen der Induſtrie gegründet ſind, gänzlich aufge- hoben werden. An ihre Stelle ſollen Zollſätze treten welche dem inlän- diſchen Gewerbfleiß einen ausgiebigen ermunternden Schutz gewähren. Das Induſtrie-Uebergewicht Englands und in manchen Artikeln ſelbſt Frankreichs iſt zu groß als daß ihm gegenüber die öſterreichiſchen *) Die Beilage A. enthält den Artikel der Wiener Zeitung, den wir ſeiner Zeit gegeben.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 40, 9. Februar 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine40_1850/9>, abgerufen am 21.11.2024.