Allgemeine Zeitung, Nr. 40, 3. Oktober 1914.
Von großem Interesse ist, was Staatssekretär Dr. Solf über Der Hamburger Korrespondent bringt einen Brief, den der
[Spaltenumbruch] Ueber die Stimmung in Amerika werden wir durch ein New-Yorker Zeitungen berichten über die Ankunft der Ameri- Vor ihrer Abreise von München verpflichteten sich die scheiden- Unter den Passagieren des Dampfers "Rotterdam", der am
Der Bericht ist von mehreren hundert Namen sehr einflußreicher 4.46 Milliarden Kriegsanleihe. Durch nachträgliche Eingänge von Zeichnungen, deren postalische
Von großem Intereſſe iſt, was Staatsſekretär Dr. Solf über Der Hamburger Korreſpondent bringt einen Brief, den der
[Spaltenumbruch] Ueber die Stimmung in Amerika werden wir durch ein New-Yorker Zeitungen berichten über die Ankunft der Ameri- Vor ihrer Abreiſe von München verpflichteten ſich die ſcheiden- Unter den Paſſagieren des Dampfers „Rotterdam“, der am
Der Bericht iſt von mehreren hundert Namen ſehr einflußreicher 4.46 Milliarden Kriegsanleihe. Durch nachträgliche Eingänge von Zeichnungen, deren poſtaliſche <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <cit> <quote> <pb facs="#f0006" n="590"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi> 3. Oktober 1914.</fw><lb/> <cb/> <p>Gebe Gott, daß die Wahrheit über die europäiſche Sachlage trotz<lb/> engliſcher Zenſur bald bis zum Oranjefluß durchdringt. Mögen Hoch-<lb/> und Niederdeutſche ſich noch einmal die Hand reichen zu gemeinſamer<lb/> chriſtlicher Kulturarbeit und zur Ehre des geſamten Germanentums.</p> </quote> </cit><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Von großem Intereſſe iſt, was Staatsſekretär Dr. <hi rendition="#g">Solf</hi> über<lb/> den Krieg und unſere Kolonien denkt:</p><lb/> <p>Der Hamburger Korreſpondent bringt einen Brief, den der<lb/> Direktor der Deutſchen Handels- und Plantagen-Geſellſchaft der Süd-<lb/> ſeeinſeln zu Hamburg, Herr <hi rendition="#g">Otto Riedel,</hi> vom Staatsſekretär<lb/> Dr. <hi rendition="#g">Solf</hi> erhalten hat. Dr. Solf ſchreibt:</p><lb/> <cit> <quote> <p>„Daß das Geſchick Samoas mir perſönlich beſonders nahegeht,<lb/> deſſen brauche ich Sie nicht zu verſichern. Niemand weiß beſſer als<lb/> Sie, wie ſehr mir die Perle der Südſee, dieſes Kleinod unter unſeren<lb/> deutſchen Schutzgebieten, im Laufe einer mehr denn zehnjährigen<lb/> Gouverneurtätigkeit ans Herzen gewachſen iſt. War es mir doch<lb/> vergönnt, auf dieſem viel umſtrittenen und von drei Nationen heiß<lb/> begehrten Inſelreich die deutſche Flagge zu hiſſen, und habe ich doch,<lb/> wie auch Sie und eine lange Zeit mit Ihnen, die beſten Jahre meines<lb/> Lebens dort zugebracht und darangeſetzt, auf den Inſeln Frieden zu<lb/> ſtiften, eine geordnete Verwaltung einzuführen und Samoa einer<lb/> geſunden wirtſchaftlichen Entwicklung näherzubringen. Und jetzt,<lb/> da nach jahrelanger mühſeliger Arbeit das Feld beſtellt und die Zeit<lb/> der Ernte gekommen iſt, ſoll ſie von ſchnöden, wehrloſe Anſiedler<lb/> überfallenden Eindringlingen eingeheimſt werden. Zum Glück wird<lb/> das Geſchick unſerer Kolonien nicht in Afrika und in der Südſee, ſon-<lb/> dern auf den Schlachtfeldern Europas entſchieden, und bei den bis-<lb/> herigen Erfolgen unſerer Waffen hege ich felſenfeſtes Vertrauen,<lb/> daß es uns gelingen wird, ſchließlich auch <hi rendition="#g">unſere ſchlimmſten<lb/> Feinde, die Engländer</hi> niederzuringen. Das aber iſt eine<lb/><hi rendition="#g">ſchwere Aufgabe,</hi> viel ſchwerer, als ſich ein großer Teil unſerer<lb/> Landsleute denkt, der das engliſche Weltreich nur vom Hörenſagen<lb/> kennt und durch eine vom gerechten Zorn über ſein jetziges Ver-<lb/> halten getrübte Brille anſieht. Die militäriſchen Machtmittel Eng-<lb/> lands zu Lande brauchen wir nicht zu fürchten; mit den Künſten Kit-<lb/> cheners und Frenchs werden Moltke und unſere Kommandierenden<lb/> fertig. Zur See ſteht unſere junge, zahlenmäßig unterlegene Flotte<lb/> gegen die größte Seemacht aller Zeiten, die es noch nötig fand,<lb/> außer dem franzöſiſchen Verbündeten auch Japan heranzuziehen.<lb/> Es möchte vermeſſen klingen, in dieſem ungleichen Kampfe mehr<lb/> zu erwarten als eine tödliche Schädigung des engliſchen Gegners.<lb/> Hat nicht aber auch Nelſon bei Trafalgar gegen eine Uebermacht ge-<lb/> ſiegt? Das Beiſpiel unſeres Feindes berechtigt uns zu den kühnſten<lb/> Hoffnungen, und Großbritanniens Preſtige, ſchon erſchüttert durch<lb/> unſere Siege über ſeine Truppen, wird jede Schlappe zur See ſchwer<lb/> überwinden können. Denn Englands Macht über die ihm botmäßi-<lb/> gen eingeborenen Völkerſchaften liegt in dem Glauben an die Unbe-<lb/> ſiegbarkeit des Mutterlandes. Trotz alledem heißt es kühl bleiben<lb/> und auf der Hut ſein; denn ſelbſt bei einer Schwächung Englands<lb/> dürfen wir die der britiſchen Kriegführung eigentümlichen, den<lb/> Mangel an militäriſcher Bereitſchaft erſetzenden Mittel nicht unter-<lb/> ſchätzen. So verwerflich und hinterliſtig die Waffen ſind, mit denen<lb/> England unſeren Handel und unſere Induſtrie bekämpft, es ſind<lb/> Waffen, die an Gefährlichkeit unſeren gefürchteten Haubitzen gleich-<lb/> kommen. Einem Hamburger brauche ich dieſe Gefahr nicht weiter<lb/> zu beſchreiben. Sie, mein lieber Herr Riedel, und alle Hanſeaten<lb/> fühlen ſie am eigenen Leibe und — mit geſteigerter Bitterkeit. Denn<lb/> mit Ihnen und Ihren Landsleuten weiß ich mich in dem ehrlichen<lb/> Geſtändnis einig, daß wir den Engländern das Maß ſkrupelloſer Ge-<lb/> häſſigkeit, das ſie ſeit dem 4. Auguſt in der Welt zeigen, nie und<lb/> nimmer zugetraut haben. Klagen nützt aber nichts. Wir müſſen<lb/> auch gegen dieſe Mittel kämpfen und durchhalten, durchhalten nach<lb/> beiden Fronten, militäriſch und wirtſchaftlich, bis wir die Ruhe und<lb/> Sicherheit wenigſtens für ein Jahrhundert erſtritten haben. Während<lb/> wir mit unſeren kontinentalen Feinden um den Sieg kämpfen, geht<lb/> der Kampf mit England um die Siegesbeute, und die darf nach den<lb/> opferfreudigen Heldenleiſtungen unſeres Volkes nicht klein ſein.</p><lb/> <p>Ich will zunächſt unſere Kolonien wieder haben. Was ſonſt<lb/> vom Friedensſchluß erhofft wird und erreichbar iſt, dorüber wollen<lb/> wir uns etwas ſpäter unterhalten. Vom Standpunkte meines Reſ-<lb/> ſorts werden Sie es aber nicht verübeln, wenn ich jetzt ſchon den<lb/> Wunſch hege, die Friedenspalme für ein größeres Deutſchland in<lb/> Afrika zu pflanzen. Da gedeihen Palmen gut! Und Samoa, lieber<lb/> Herr Riedel, daß ich mich dafür einſetzen werde, dieſe herrlichen<lb/> Inſeln wieder mit dem deutſchen Vaterlande vereinigt zu ſehen, des<lb/> ſeien Sie unbeſorgt.“</p> <bibl> <hi rendition="#g">Solf.</hi> </bibl> </quote> </cit><lb/> <cb/> <p>Ueber die <hi rendition="#g">Stimmung in Amerika</hi> werden wir durch ein<lb/> längeres Telegramm des Wolffſchen Bureaus unterrichtet, das be-<lb/> ſonders in <hi rendition="#g">München</hi> von Intereſſe ſein dürfte, denn es erzählt<lb/> uns von den Bemühungen der in ihre Heimat <hi rendition="#g">aus München<lb/> zurückgekehrten Amerikaner,</hi> der Wahrheit dort zum<lb/> Durchbruch zu verhelfen. Es heißt dort:</p><lb/> <cit> <quote>New-Yorker Zeitungen berichten über die Ankunft der Ameri-<lb/> kaner, die ſich zurzeit des Kriegsausbruches in Deutſchland befan-<lb/> den, und unter denen auch ein großer Teil jener war, die mit Extra-<lb/> zügen von München nach Holland befördert worden ſind. Sie alle<lb/> ſprechen den deutſchen, beſonders den <hi rendition="#g">bayeriſchen Behörden</hi><lb/> einmütig ihr Lob und ihren Dank aus für die überaus zuvorkom-<lb/> mende Behandlung, die ihnen zuteil geworden iſt.</quote> </cit><lb/> <p>Vor ihrer Abreiſe von <hi rendition="#g">München</hi> verpflichteten ſich die ſcheiden-<lb/> den Gäſte, die durch die liebenswürdige Aufmerkſamkeit des Ober-<lb/> bürgermeiſters v. Borſcht tief gerührt waren, mit allen Kräften da-<lb/> hin zu wirken, daß die Oeffentlichkeit in den Vereinigten Staaten<lb/> über die Entſtehung des Krieges, <hi rendition="#g">Deutſchlands korrekte<lb/> Haltung</hi> und <hi rendition="#g">Englands falſches Spiel</hi> genau informiert<lb/> würde, und daß dieſe Bemühungen in Verbindung mit dem hieſigen<lb/> Aufklärungskomitee bereits gute Früchte bringen, erſieht man in<lb/> letzter Zeit deutlich aus den Nachrichten und Leitartikeln amerikani-<lb/> ſcher Blätter, in denen die von dieſen ſelbſt als zweifelhaft bezeich-<lb/> neten Nachrichten der Agence Havas eine recht klägliche Rolle ſpielen<lb/> gegenüber den in großer Kopffchrift gedruckten deutſchen Sieges-<lb/> nachrichten.</p><lb/> <p>Unter den Paſſagieren des Dampfers „Rotterdam“, der am<lb/> 7. September in Newyork ankam, befand ſich eine große Anzahl<lb/> hervorragender Männer in öffentlicher Stellung. Dieſe verfaßten<lb/> und unterzeichneten gemeinſam einen längeren Bericht, der dem<lb/> Präſidenten Wilſon und dem Staatsſekretär Bryan übermittelt<lb/> wurde, und in dem ausgeführt wird:</p><lb/> <cit> <quote> <p>Die unterzeichneten amerikaniſchen Bürger, die ſich zu Beginn<lb/> der gegenwärtigen Feindſeligkeiten alle in Deutſchland aufhielten,<lb/> erſuchen die Vereinigte Preſſe um weiteſte Verbreitung folgender<lb/> Feſtſtellung:</p><lb/> <p>Die aus franzöſiſchen und engliſchen Quellen ſtammenden Nach-<lb/> richten, wonach Amerikaner von Deutſchen ſchlecht behandelt worden<lb/> ſeien, ſind abſolut falſch. Die Reiſe durch Deutſchland war unter<lb/> den gegebenen Umſtänden vollſtändig ſicher und die Behörden ſo-<lb/> wohl wie das Volk zeigten ſich ohne Ausnahme ſehr ſeeundlich und<lb/> hilfsbereit. Die deutſchen Truppen machten ſich keiner nachgewieſe-<lb/> nen Grauſamkeiten ſchuldig.</p><lb/> <p>Alle amtlichen deutſchen Berichte über den Verlauf des Krieges<lb/> waren in jeder Hinſicht zuverläſſig, während die engliſchen, franzö-<lb/> ſiſchen und belgiſchen Nachrichten ſich faſt durchweg als falſch er-<lb/> wieſen. Wir haben die Meinung, daß dieſe falſchen und verdrehten<lb/> Berichte mit der ausgeſprochenen Abſicht nach Amerika geſandt wur-<lb/> den, das amerikaniſche Volk zu täuſchen und bei demſelben ein Vor-<lb/> urteil gegen Deutſchland wachzurufen.</p><lb/> <p>Wir erſuchen alle Amerikaner, nicht vorſchnell zu urteilen, ſon-<lb/> dern die Urſachen, die zum Ausbruch des Krieges geführt haben, un-<lb/> parteiiſch zu unterſuchen und beſonders die diplomatiſche Korreſpon-<lb/> denz genau zu prüfen. (Das deutſche Weißbuch iſt ins Engliſche<lb/> überſetzt und in einer großen Anzahl von Exemplaren nach Amerika<lb/> befördert worden.)</p><lb/> <p>Es iſt unſere feſte Ueberzeugung, daß Deutſchland nicht der an-<lb/> greifende Teil war, ſondern daß ihm der Krieg aufgezwungen wurde<lb/> durch den Neid und die Habgier jener Völker, die auf ſeine wachſende<lb/> Macht in Induſtrie und Handel eiferſüchtig waren und deshalb ſich<lb/> verſchworen, das deutſche Volk zu vernichten.</p> </quote> </cit><lb/> <p>Der Bericht iſt von mehreren hundert Namen ſehr einflußreicher<lb/> Männer aus allen Staaten Amerikas unterzeichnet und wird ſeine<lb/> gute Wirkung nicht verfehlen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">4.46 Milliarden Kriegsanleihe.</hi> </head><lb/> <p>Durch nachträgliche Eingänge von Zeichnungen, deren poſtaliſche<lb/> Erledigung ſich verzögert hatte, hat ſich die Geſamtſumme der Zeich-<lb/> nungen noch um 70 Millionen Mark über den letztbekanntgegebenen<lb/> Geſamtbetrag von 4,389,576,000 Mark erhöht. 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Allgemeine Zeitung 3. Oktober 1914.
Gebe Gott, daß die Wahrheit über die europäiſche Sachlage trotz
engliſcher Zenſur bald bis zum Oranjefluß durchdringt. Mögen Hoch-
und Niederdeutſche ſich noch einmal die Hand reichen zu gemeinſamer
chriſtlicher Kulturarbeit und zur Ehre des geſamten Germanentums.
Von großem Intereſſe iſt, was Staatsſekretär Dr. Solf über
den Krieg und unſere Kolonien denkt:
Der Hamburger Korreſpondent bringt einen Brief, den der
Direktor der Deutſchen Handels- und Plantagen-Geſellſchaft der Süd-
ſeeinſeln zu Hamburg, Herr Otto Riedel, vom Staatsſekretär
Dr. Solf erhalten hat. Dr. Solf ſchreibt:
„Daß das Geſchick Samoas mir perſönlich beſonders nahegeht,
deſſen brauche ich Sie nicht zu verſichern. Niemand weiß beſſer als
Sie, wie ſehr mir die Perle der Südſee, dieſes Kleinod unter unſeren
deutſchen Schutzgebieten, im Laufe einer mehr denn zehnjährigen
Gouverneurtätigkeit ans Herzen gewachſen iſt. War es mir doch
vergönnt, auf dieſem viel umſtrittenen und von drei Nationen heiß
begehrten Inſelreich die deutſche Flagge zu hiſſen, und habe ich doch,
wie auch Sie und eine lange Zeit mit Ihnen, die beſten Jahre meines
Lebens dort zugebracht und darangeſetzt, auf den Inſeln Frieden zu
ſtiften, eine geordnete Verwaltung einzuführen und Samoa einer
geſunden wirtſchaftlichen Entwicklung näherzubringen. Und jetzt,
da nach jahrelanger mühſeliger Arbeit das Feld beſtellt und die Zeit
der Ernte gekommen iſt, ſoll ſie von ſchnöden, wehrloſe Anſiedler
überfallenden Eindringlingen eingeheimſt werden. Zum Glück wird
das Geſchick unſerer Kolonien nicht in Afrika und in der Südſee, ſon-
dern auf den Schlachtfeldern Europas entſchieden, und bei den bis-
herigen Erfolgen unſerer Waffen hege ich felſenfeſtes Vertrauen,
daß es uns gelingen wird, ſchließlich auch unſere ſchlimmſten
Feinde, die Engländer niederzuringen. Das aber iſt eine
ſchwere Aufgabe, viel ſchwerer, als ſich ein großer Teil unſerer
Landsleute denkt, der das engliſche Weltreich nur vom Hörenſagen
kennt und durch eine vom gerechten Zorn über ſein jetziges Ver-
halten getrübte Brille anſieht. Die militäriſchen Machtmittel Eng-
lands zu Lande brauchen wir nicht zu fürchten; mit den Künſten Kit-
cheners und Frenchs werden Moltke und unſere Kommandierenden
fertig. Zur See ſteht unſere junge, zahlenmäßig unterlegene Flotte
gegen die größte Seemacht aller Zeiten, die es noch nötig fand,
außer dem franzöſiſchen Verbündeten auch Japan heranzuziehen.
Es möchte vermeſſen klingen, in dieſem ungleichen Kampfe mehr
zu erwarten als eine tödliche Schädigung des engliſchen Gegners.
Hat nicht aber auch Nelſon bei Trafalgar gegen eine Uebermacht ge-
ſiegt? Das Beiſpiel unſeres Feindes berechtigt uns zu den kühnſten
Hoffnungen, und Großbritanniens Preſtige, ſchon erſchüttert durch
unſere Siege über ſeine Truppen, wird jede Schlappe zur See ſchwer
überwinden können. Denn Englands Macht über die ihm botmäßi-
gen eingeborenen Völkerſchaften liegt in dem Glauben an die Unbe-
ſiegbarkeit des Mutterlandes. Trotz alledem heißt es kühl bleiben
und auf der Hut ſein; denn ſelbſt bei einer Schwächung Englands
dürfen wir die der britiſchen Kriegführung eigentümlichen, den
Mangel an militäriſcher Bereitſchaft erſetzenden Mittel nicht unter-
ſchätzen. So verwerflich und hinterliſtig die Waffen ſind, mit denen
England unſeren Handel und unſere Induſtrie bekämpft, es ſind
Waffen, die an Gefährlichkeit unſeren gefürchteten Haubitzen gleich-
kommen. Einem Hamburger brauche ich dieſe Gefahr nicht weiter
zu beſchreiben. Sie, mein lieber Herr Riedel, und alle Hanſeaten
fühlen ſie am eigenen Leibe und — mit geſteigerter Bitterkeit. Denn
mit Ihnen und Ihren Landsleuten weiß ich mich in dem ehrlichen
Geſtändnis einig, daß wir den Engländern das Maß ſkrupelloſer Ge-
häſſigkeit, das ſie ſeit dem 4. Auguſt in der Welt zeigen, nie und
nimmer zugetraut haben. Klagen nützt aber nichts. Wir müſſen
auch gegen dieſe Mittel kämpfen und durchhalten, durchhalten nach
beiden Fronten, militäriſch und wirtſchaftlich, bis wir die Ruhe und
Sicherheit wenigſtens für ein Jahrhundert erſtritten haben. Während
wir mit unſeren kontinentalen Feinden um den Sieg kämpfen, geht
der Kampf mit England um die Siegesbeute, und die darf nach den
opferfreudigen Heldenleiſtungen unſeres Volkes nicht klein ſein.
Ich will zunächſt unſere Kolonien wieder haben. Was ſonſt
vom Friedensſchluß erhofft wird und erreichbar iſt, dorüber wollen
wir uns etwas ſpäter unterhalten. Vom Standpunkte meines Reſ-
ſorts werden Sie es aber nicht verübeln, wenn ich jetzt ſchon den
Wunſch hege, die Friedenspalme für ein größeres Deutſchland in
Afrika zu pflanzen. Da gedeihen Palmen gut! Und Samoa, lieber
Herr Riedel, daß ich mich dafür einſetzen werde, dieſe herrlichen
Inſeln wieder mit dem deutſchen Vaterlande vereinigt zu ſehen, des
ſeien Sie unbeſorgt.“
Solf.
Ueber die Stimmung in Amerika werden wir durch ein
längeres Telegramm des Wolffſchen Bureaus unterrichtet, das be-
ſonders in München von Intereſſe ſein dürfte, denn es erzählt
uns von den Bemühungen der in ihre Heimat aus München
zurückgekehrten Amerikaner, der Wahrheit dort zum
Durchbruch zu verhelfen. Es heißt dort:
New-Yorker Zeitungen berichten über die Ankunft der Ameri-
kaner, die ſich zurzeit des Kriegsausbruches in Deutſchland befan-
den, und unter denen auch ein großer Teil jener war, die mit Extra-
zügen von München nach Holland befördert worden ſind. Sie alle
ſprechen den deutſchen, beſonders den bayeriſchen Behörden
einmütig ihr Lob und ihren Dank aus für die überaus zuvorkom-
mende Behandlung, die ihnen zuteil geworden iſt.
Vor ihrer Abreiſe von München verpflichteten ſich die ſcheiden-
den Gäſte, die durch die liebenswürdige Aufmerkſamkeit des Ober-
bürgermeiſters v. Borſcht tief gerührt waren, mit allen Kräften da-
hin zu wirken, daß die Oeffentlichkeit in den Vereinigten Staaten
über die Entſtehung des Krieges, Deutſchlands korrekte
Haltung und Englands falſches Spiel genau informiert
würde, und daß dieſe Bemühungen in Verbindung mit dem hieſigen
Aufklärungskomitee bereits gute Früchte bringen, erſieht man in
letzter Zeit deutlich aus den Nachrichten und Leitartikeln amerikani-
ſcher Blätter, in denen die von dieſen ſelbſt als zweifelhaft bezeich-
neten Nachrichten der Agence Havas eine recht klägliche Rolle ſpielen
gegenüber den in großer Kopffchrift gedruckten deutſchen Sieges-
nachrichten.
Unter den Paſſagieren des Dampfers „Rotterdam“, der am
7. September in Newyork ankam, befand ſich eine große Anzahl
hervorragender Männer in öffentlicher Stellung. Dieſe verfaßten
und unterzeichneten gemeinſam einen längeren Bericht, der dem
Präſidenten Wilſon und dem Staatsſekretär Bryan übermittelt
wurde, und in dem ausgeführt wird:
Die unterzeichneten amerikaniſchen Bürger, die ſich zu Beginn
der gegenwärtigen Feindſeligkeiten alle in Deutſchland aufhielten,
erſuchen die Vereinigte Preſſe um weiteſte Verbreitung folgender
Feſtſtellung:
Die aus franzöſiſchen und engliſchen Quellen ſtammenden Nach-
richten, wonach Amerikaner von Deutſchen ſchlecht behandelt worden
ſeien, ſind abſolut falſch. Die Reiſe durch Deutſchland war unter
den gegebenen Umſtänden vollſtändig ſicher und die Behörden ſo-
wohl wie das Volk zeigten ſich ohne Ausnahme ſehr ſeeundlich und
hilfsbereit. Die deutſchen Truppen machten ſich keiner nachgewieſe-
nen Grauſamkeiten ſchuldig.
Alle amtlichen deutſchen Berichte über den Verlauf des Krieges
waren in jeder Hinſicht zuverläſſig, während die engliſchen, franzö-
ſiſchen und belgiſchen Nachrichten ſich faſt durchweg als falſch er-
wieſen. Wir haben die Meinung, daß dieſe falſchen und verdrehten
Berichte mit der ausgeſprochenen Abſicht nach Amerika geſandt wur-
den, das amerikaniſche Volk zu täuſchen und bei demſelben ein Vor-
urteil gegen Deutſchland wachzurufen.
Wir erſuchen alle Amerikaner, nicht vorſchnell zu urteilen, ſon-
dern die Urſachen, die zum Ausbruch des Krieges geführt haben, un-
parteiiſch zu unterſuchen und beſonders die diplomatiſche Korreſpon-
denz genau zu prüfen. (Das deutſche Weißbuch iſt ins Engliſche
überſetzt und in einer großen Anzahl von Exemplaren nach Amerika
befördert worden.)
Es iſt unſere feſte Ueberzeugung, daß Deutſchland nicht der an-
greifende Teil war, ſondern daß ihm der Krieg aufgezwungen wurde
durch den Neid und die Habgier jener Völker, die auf ſeine wachſende
Macht in Induſtrie und Handel eiferſüchtig waren und deshalb ſich
verſchworen, das deutſche Volk zu vernichten.
Der Bericht iſt von mehreren hundert Namen ſehr einflußreicher
Männer aus allen Staaten Amerikas unterzeichnet und wird ſeine
gute Wirkung nicht verfehlen.
4.46 Milliarden Kriegsanleihe.
Durch nachträgliche Eingänge von Zeichnungen, deren poſtaliſche
Erledigung ſich verzögert hatte, hat ſich die Geſamtſumme der Zeich-
nungen noch um 70 Millionen Mark über den letztbekanntgegebenen
Geſamtbetrag von 4,389,576,000 Mark erhöht. Die über den aufge-
legten Betrag von 1 Milliarde Mark Reichsſchatzanweiſungen hin-
ausgezeichneten 318 Millionen Mark ſind mit der Beſtimmung ge-
zeichnet worden, daß hierfür Reichsanleihe zugeteilt werden kann,
womit ſich die Zeichnungsziffer der Reichsanleihe entſprechend erhöht.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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