Allgemeine Zeitung, Nr. 40, 3. Oktober 1914.3. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
daß Deutschland Mobilmachungsmaßnahmen gegen Oesterreich-Un-garn auch für sich selbst als höchst bedrohlich betrachten müsse, liefen in den nächsten Tagen in raschem Tempo die Nachrichten über die russische Mobilisierung ein. Am 29. Juli ordnete die russische Regie- rung die Mobilisierung in Süd- und Südwestrußland an, die am 30. auf 23 Gouvernements ausgedehnt wurde. Jetzt fehlte, wenn Rußland den Krieg herbeiführen wollte, nur noch ein Schritt, die Gesamtmobilmachung des russischen Heeres. Diese wurde, während die Bemühungen des Deutschen Kaisers um den Frieden bei ent- gegenkommender Aufnahme in Wien fortdauerten, am 31. Juli vor- mittags in Petersburg anbefohlen. Noch um 2 Uhr nachmittags am gleichen Tage aber telegraphierte der Zar an den Kaiser, es handle sich hierbei lediglich um durch Oesterreichs Mobilisierung nötig ge- wordene "militärische Vorbereitungen", deren Einstellung aus tech- nischen Gründen unmöglich sei; er gab gleichzeitig sein feierliches Wort, daß er weit davon entfernt sei, den Krieg zu wünschen. Bei so offenbarer Doppelzüngigkeit der russischen Politik wäre Dies ist in lückenloser chronologischer Folge der Sachverhalt. Schließlich erinnern wir an den von uns in Nr. 219 vom 12. ds. Aus unseren Kolonien. Aus Deutsch-Ostafrika sind zum erstenmal seit dem In Sansibar ist es nach einem hier vorliegenden Privat- In Mombassa sind alle Deutschen sofort nach Ausbruch des In Lüderitzbucht hat am 28. Sept. ein sehr lebhaftes Ge- Das Reutersche Bureau meldet aus Pretoria unterm 24. Sept.: Aus London erfährt das Wolffsche Bureau: Die Admiralität gibt bekannt, daß während der letzten Tage der Der Burenkommandant Jooste hat sich bekanntlich
3. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung [Spaltenumbruch]
daß Deutſchland Mobilmachungsmaßnahmen gegen Oeſterreich-Un-garn auch für ſich ſelbſt als höchſt bedrohlich betrachten müſſe, liefen in den nächſten Tagen in raſchem Tempo die Nachrichten über die ruſſiſche Mobiliſierung ein. Am 29. Juli ordnete die ruſſiſche Regie- rung die Mobiliſierung in Süd- und Südweſtrußland an, die am 30. auf 23 Gouvernements ausgedehnt wurde. Jetzt fehlte, wenn Rußland den Krieg herbeiführen wollte, nur noch ein Schritt, die Geſamtmobilmachung des ruſſiſchen Heeres. Dieſe wurde, während die Bemühungen des Deutſchen Kaiſers um den Frieden bei ent- gegenkommender Aufnahme in Wien fortdauerten, am 31. Juli vor- mittags in Petersburg anbefohlen. Noch um 2 Uhr nachmittags am gleichen Tage aber telegraphierte der Zar an den Kaiſer, es handle ſich hierbei lediglich um durch Oeſterreichs Mobiliſierung nötig ge- wordene „militäriſche Vorbereitungen“, deren Einſtellung aus tech- niſchen Gründen unmöglich ſei; er gab gleichzeitig ſein feierliches Wort, daß er weit davon entfernt ſei, den Krieg zu wünſchen. Bei ſo offenbarer Doppelzüngigkeit der ruſſiſchen Politik wäre Dies iſt in lückenloſer chronologiſcher Folge der Sachverhalt. Schließlich erinnern wir an den von uns in Nr. 219 vom 12. ds. Aus unſeren Kolonien. Aus Deutſch-Oſtafrika ſind zum erſtenmal ſeit dem In Sanſibar iſt es nach einem hier vorliegenden Privat- In Mombaſſa ſind alle Deutſchen ſofort nach Ausbruch des In Lüderitzbucht hat am 28. Sept. ein ſehr lebhaftes Ge- Das Reuterſche Bureau meldet aus Pretoria unterm 24. Sept.: Aus London erfährt das Wolffſche Bureau: Die Admiralität gibt bekannt, daß während der letzten Tage der Der Burenkommandant Jooſte hat ſich bekanntlich
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Noch um 2 Uhr nachmittags am<lb/> gleichen Tage aber telegraphierte der Zar an den Kaiſer, es handle<lb/> ſich hierbei lediglich um durch Oeſterreichs Mobiliſierung nötig ge-<lb/> wordene „militäriſche Vorbereitungen“, deren Einſtellung aus tech-<lb/> niſchen Gründen unmöglich ſei; er gab gleichzeitig ſein feierliches<lb/> Wort, daß er weit davon entfernt ſei, den Krieg zu wünſchen.</p><lb/> <p>Bei ſo offenbarer Doppelzüngigkeit der ruſſiſchen Politik wäre<lb/> ein weiterer Aufſchub auf unſerer Seite geradezu ein Verbrechen<lb/> gegen Deutſchlands Sicherheit und vor dem deutſchen Volk nicht<lb/> mehr zu verantworten geweſen. Daher erhielt am gleichen 31. Juli<lb/> der Kaiſerliche Botſchafter in St. Petersburg den Befehl, der ruſſi-<lb/> ſchen Regierung zu eröffnen, daß Deutſchland als Gegenmaßregel<lb/> gegen die allgemeine ruſſiſche Mobilmachung vorläufig den Kriegs-<lb/> zuſtand in Deutſchland verkündet habe, dem die Mobiliſation folgen<lb/> müſſe, wenn Rußland ſeine militäriſchen Maßnahmen nicht binnen<lb/> 12 Stunden einſtelle. Hierauf hat die ruſſiſche Regierung überhaupt<lb/> keine Antwort gegeben, und es blieb der deutſchen Regierung nichts<lb/> übrig, als der ruſſiſchen nach Ablauf der geſtellten Friſt am 1. Aug.<lb/> erklären zu laſſen, daß wir uns als im Kriegszuſtand mit ihr befind-<lb/> lich betrachteten. Schon am 1. 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Und<lb/> auch Frankreich würde ſich beim Abrücken Englands von der Begünſti-<lb/> gung einer allſlaviſchen Politik dem Bündnisfall haben entziehen können.</p><lb/> <p>Schließlich erinnern wir an den von uns in Nr. 219 vom 12. ds.<lb/> Mts. veröffentlichten Bericht des Königlich Belgiſchen Geſchäfts-<lb/> trägers in St. Petersburg, Herrn B. de l’Escaille, der unter dem<lb/> 30. Juli dem belgiſchen Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten<lb/> meldet: „Unbeſtreitbar bleibt, daß Deutſchland ſich hier (St. Peters-<lb/> burg) ebenſo ſehr wie in Wien bemüht hat, irgendein Mittel zu fin-<lb/> den, um einen allgemeinen Konflikt zu vermeiden, daß es dabei aber<lb/> einerſeits auf die feſte Entſchloſſenheit des Wiener Kabinetts ge-<lb/> ſtoßen iſt, keinen Schritt zurückzuweichen, und andrerſeits auf das<lb/> Mißtrauen des Petersburger Kabinetts.“ Und weiterhin: Eng-<lb/> land gab anfänglich zu verſtehen, daß es ſich nicht in einen Konflikt<lb/> hineinziehen laſſen wolle. Sir George Buchanan (der britiſche Bot-<lb/> ſchafter in Petersburg) ſprach dies offen aus: „Heute aber iſt man<lb/> in St. Petersburg feſt davon überzeugt, ja man hat ſogar die Zu-<lb/> ſicherung, daß England Frankreich beiſtehen wird. Dieſer Beiſtand<lb/> fällt ganz außerordentlich ins Gewicht und hat nicht wenig dazu bei-<lb/> getragen, der Kriegspartei Oberwaſſer zu verſchaffen.“</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Aus unſeren Kolonien.</hi> </head><lb/> <p>Aus <hi rendition="#g">Deutſch-Oſtafrika</hi> ſind zum erſtenmal ſeit dem<lb/> Kriegsausbruch Privatnachrichten hier eingetroffen. Aus dem Ver-<lb/> merk auf den Briefen und Karten geht hervor, daß die Poſtſachen<lb/> die engliſche Zenſur paſſiert haben. Die Engländer halten alſo die<lb/> deutſch-oſtafrikaniſche Küſte blockiert. <hi rendition="#g">Dar-es-Salaam</hi> wurde<lb/> als offene Stadt nicht verteidigt. Die engliſchen Kreuzer haben auf<lb/> die Funkenſtation Schüſſe abgegeben. Darauf wurde die weiße<lb/> Flagge über der Stadt gehißt und es ſind dann weitere Angriffe<lb/> auf Dar-es-Salaam bis zum Abgang der Poſt, etwa 20. Auguſt,<lb/> nicht erfolgt. Der Turm der Funkenſtation iſt nach den vorliegen-<lb/> den Mitteilungen von den Deutſchen ſelbſt zerſtört worden. Die<lb/><cb/> weißen Frauen und Kinder befanden ſich bis Abgang dieſer Poſt<lb/> offenbar in Dar-es-Salaam. Ob infolge der ausgebrochenen Kämpfe<lb/> im Innern die Engländer tatſächlich, wie die britiſche Admiralität<lb/> meldet, ſpäter durch den Kreuzer „Pegaſus“ Dar-es-Salaam zer-<lb/> ſtören ließen, darüber liegen verbürgte Nachrichten von deutſcher<lb/> Seite bis jetzt nicht vor. Dagegen wurde beſtätigt, daß <hi rendition="#g">Taveta</hi><lb/> von den Deutſchen beſetzt worden iſt.</p><lb/> <p>In <hi rendition="#g">Sanſibar</hi> iſt es nach einem hier vorliegenden Privat-<lb/> brief vom 27. 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Ich würde unpolitiſch handeln und unſere Sache ſchädi-<lb/> gen, wenn ich ſozuſagen die Katze aus dem Sack ließe. Jedenfalls<lb/> kann ich aber verſichern, daß der gemeine Feind der Südafrikaner<lb/> nicht der Deutſche iſt, ſondern der Brite. Die 4000 Gräber der ge-<lb/> fallenen Buren mahnen uns an unſere Pflicht, und das Blut der<lb/> 26,000 in den engliſchen Konzentrationslagern elend umgekommenen<lb/> Frauen und Kindern ſchreit nach Rache.</p><lb/> <p>Was die <hi rendition="#g">Worte Bothas</hi> anlangt, ſo darf nur ſo viel Ge-<lb/> wicht darauf gelegt werden, wie die Diplomatie in kritiſchen Zeiten<lb/> verdient; es muß vielmehr die Tat des Generals <hi rendition="#g">Beyers,</hi> die<lb/> Niederlegung ſeines Oberkommandos, ins Auge gefaßt werden. Daß<lb/> Streitkräfte aus Kapland in Deutſch-Südweſt eingebrochen ſind, be-<lb/> dauere ich aufs tiefſte, ich kann aber den vielen Freunden, die mich<lb/> in dieſen Tagen um Auskunft baten, nur antworten: Bin ich meines<lb/> Bruders Hüter? Mir iſt dieſe traurige und ſchmachvolle Tatſache<lb/> ein neuer Beweis dafür, <hi rendition="#g">was die engliſchen Lügenfertig<lb/> bringen,</hi> denn dem Bur iſt offenbar feierlich verſichert worden,<lb/> daß die ihm abgünſtig geſinnte deutſche Regierung — jeder Bur<lb/> weiß, daß Krüger ſeinerzeit von Köln zurückreiſen mußte — jetzt<lb/> das Uniongebiet annektieren wolle und dergleichen mehr. In dieſem<lb/> feſten Glauben, in dieſer Befürchtung war es ſtrategiſch berechtigt,<lb/> in Deutſch-Südweſt einzufallen, mehr zur Selbſtverteidigung, als<lb/> um England in ſeinem Kampf gegen Deutſchland zu unterſtützen.<lb/> Mag das Burenvolk noch ſo viel Fehler haben, aber <hi rendition="#g">undankbar<lb/> ſind wir nicht,</hi> und wir werden nie und nimmer vergeſſen, wie<lb/> viel Tränen getrocknet, wie viel Not gelindert und wie viel Menſchen-<lb/> leben gerettet worden ſind durch die uns aus dem ganzen deutſchen<lb/> Lande bewieſene Hilfe.</p><lb/> </quote> </cit> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [589/0005]
3. Oktober 1914. Allgemeine Zeitung
daß Deutſchland Mobilmachungsmaßnahmen gegen Oeſterreich-Un-
garn auch für ſich ſelbſt als höchſt bedrohlich betrachten müſſe, liefen
in den nächſten Tagen in raſchem Tempo die Nachrichten über die
ruſſiſche Mobiliſierung ein. Am 29. Juli ordnete die ruſſiſche Regie-
rung die Mobiliſierung in Süd- und Südweſtrußland an, die am
30. auf 23 Gouvernements ausgedehnt wurde. Jetzt fehlte, wenn
Rußland den Krieg herbeiführen wollte, nur noch ein Schritt, die
Geſamtmobilmachung des ruſſiſchen Heeres. Dieſe wurde, während
die Bemühungen des Deutſchen Kaiſers um den Frieden bei ent-
gegenkommender Aufnahme in Wien fortdauerten, am 31. Juli vor-
mittags in Petersburg anbefohlen. Noch um 2 Uhr nachmittags am
gleichen Tage aber telegraphierte der Zar an den Kaiſer, es handle
ſich hierbei lediglich um durch Oeſterreichs Mobiliſierung nötig ge-
wordene „militäriſche Vorbereitungen“, deren Einſtellung aus tech-
niſchen Gründen unmöglich ſei; er gab gleichzeitig ſein feierliches
Wort, daß er weit davon entfernt ſei, den Krieg zu wünſchen.
Bei ſo offenbarer Doppelzüngigkeit der ruſſiſchen Politik wäre
ein weiterer Aufſchub auf unſerer Seite geradezu ein Verbrechen
gegen Deutſchlands Sicherheit und vor dem deutſchen Volk nicht
mehr zu verantworten geweſen. Daher erhielt am gleichen 31. Juli
der Kaiſerliche Botſchafter in St. Petersburg den Befehl, der ruſſi-
ſchen Regierung zu eröffnen, daß Deutſchland als Gegenmaßregel
gegen die allgemeine ruſſiſche Mobilmachung vorläufig den Kriegs-
zuſtand in Deutſchland verkündet habe, dem die Mobiliſation folgen
müſſe, wenn Rußland ſeine militäriſchen Maßnahmen nicht binnen
12 Stunden einſtelle. Hierauf hat die ruſſiſche Regierung überhaupt
keine Antwort gegeben, und es blieb der deutſchen Regierung nichts
übrig, als der ruſſiſchen nach Ablauf der geſtellten Friſt am 1. Aug.
erklären zu laſſen, daß wir uns als im Kriegszuſtand mit ihr befind-
lich betrachteten. Schon am 1. Auguſt rückten ruſſiſche Truppen auf
deutſches Gebtet vor, und Rußland begann damit den Krieg gegen uns.
Dies iſt in lückenloſer chronologiſcher Folge der Sachverhalt.
Es bleibt allen nachträglichen Ausarbeitungen engliſcher Diplomaten
zum Trotz bei dem, was der Reichskanzler bereits am 3. Auguſt in
ſeinem dem Reichstage vorgelegten Weißbuche ausgeſprochen hat:
„Die ruſſiſche Regierung hat durch ihre Mobilmachung die mühſame
Vermittlungsarbeit der europäiſchen Staatskanzleien kurz vor dem
Erfolge zerſchlagen. Die Mobiliſierungsmaßregeln in Verbindung
mit ihrer fortgeſetzten Ableugnung zeigen klar, daß Rußland den
Krieg wollte“. Und England auch. Eine einfache Erklärung aus
London nach St. Petersburg, daß panſlawiſtiſche Beſtrebungen
Rußlands gegen Oeſterreich-Ungarn durch den Dreiverband nicht ge-
deckt ſeien, hätte genügt, um die ruſſiſche Kriegsluſt zu dämpfen. Und
auch Frankreich würde ſich beim Abrücken Englands von der Begünſti-
gung einer allſlaviſchen Politik dem Bündnisfall haben entziehen können.
Schließlich erinnern wir an den von uns in Nr. 219 vom 12. ds.
Mts. veröffentlichten Bericht des Königlich Belgiſchen Geſchäfts-
trägers in St. Petersburg, Herrn B. de l’Escaille, der unter dem
30. Juli dem belgiſchen Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten
meldet: „Unbeſtreitbar bleibt, daß Deutſchland ſich hier (St. Peters-
burg) ebenſo ſehr wie in Wien bemüht hat, irgendein Mittel zu fin-
den, um einen allgemeinen Konflikt zu vermeiden, daß es dabei aber
einerſeits auf die feſte Entſchloſſenheit des Wiener Kabinetts ge-
ſtoßen iſt, keinen Schritt zurückzuweichen, und andrerſeits auf das
Mißtrauen des Petersburger Kabinetts.“ Und weiterhin: Eng-
land gab anfänglich zu verſtehen, daß es ſich nicht in einen Konflikt
hineinziehen laſſen wolle. Sir George Buchanan (der britiſche Bot-
ſchafter in Petersburg) ſprach dies offen aus: „Heute aber iſt man
in St. Petersburg feſt davon überzeugt, ja man hat ſogar die Zu-
ſicherung, daß England Frankreich beiſtehen wird. Dieſer Beiſtand
fällt ganz außerordentlich ins Gewicht und hat nicht wenig dazu bei-
getragen, der Kriegspartei Oberwaſſer zu verſchaffen.“
Aus unſeren Kolonien.
Aus Deutſch-Oſtafrika ſind zum erſtenmal ſeit dem
Kriegsausbruch Privatnachrichten hier eingetroffen. Aus dem Ver-
merk auf den Briefen und Karten geht hervor, daß die Poſtſachen
die engliſche Zenſur paſſiert haben. Die Engländer halten alſo die
deutſch-oſtafrikaniſche Küſte blockiert. Dar-es-Salaam wurde
als offene Stadt nicht verteidigt. Die engliſchen Kreuzer haben auf
die Funkenſtation Schüſſe abgegeben. Darauf wurde die weiße
Flagge über der Stadt gehißt und es ſind dann weitere Angriffe
auf Dar-es-Salaam bis zum Abgang der Poſt, etwa 20. Auguſt,
nicht erfolgt. Der Turm der Funkenſtation iſt nach den vorliegen-
den Mitteilungen von den Deutſchen ſelbſt zerſtört worden. Die
weißen Frauen und Kinder befanden ſich bis Abgang dieſer Poſt
offenbar in Dar-es-Salaam. Ob infolge der ausgebrochenen Kämpfe
im Innern die Engländer tatſächlich, wie die britiſche Admiralität
meldet, ſpäter durch den Kreuzer „Pegaſus“ Dar-es-Salaam zer-
ſtören ließen, darüber liegen verbürgte Nachrichten von deutſcher
Seite bis jetzt nicht vor. Dagegen wurde beſtätigt, daß Taveta
von den Deutſchen beſetzt worden iſt.
In Sanſibar iſt es nach einem hier vorliegenden Privat-
brief vom 27. Auguſt den Leitern der deutſchen Firmen geſtattet
worden, daſelbſt zu bleiben, doch ſtehen die Deutſchen unter behörd-
licher Aufſicht. Eine gewiſſe geſchäftliche Betätigung iſt ihnen er-
laubt. Sie dürfen Geld einkaſſieren und das vorhandene Waren-
lager veräußern. Die deutſchen Angeſtellten ſind am 7. Auguſt nach
Tanga abgegangen.
In Mombaſſa ſind alle Deutſchen ſofort nach Ausbruch des
Krieges feſtgenommen und bald darauf nach Nairobj übergeführt
worden. Irgendwelche amtlichen Nachrichten ſind beim Reichs-
Kolonialamt nicht eingetroffen. Auf etwaige Anfragen kann daher
auch nur mitgeteilt werden, was in dieſer Meldung enthalten iſt.
In Lüderitzbucht hat am 28. Sept. ein ſehr lebhaftes Ge-
fecht zwiſchen Engländern und Deutſchen ſtattgefunden. Die Deut-
ſchen hatten fünf Tote und zwei Verwundete; die Engländer drei
Tote und vier Verwundete.
Das Reuterſche Bureau meldet aus Pretoria unterm 24. Sept.:
Die Polizeiſtation Rietfontein wurde am 19. September von
einer deutſchen Abteilung (etwa 200 Mann ſtark) genommen.
Aus London erfährt das Wolffſche Bureau:
Die Admiralität gibt bekannt, daß während der letzten Tage der
deutſche vielgenannte Kreuzer „Emden“ im Indiſchen Ozean die
Dampfer „Tumerico“, „Cinglud“, „Riberia“ und
„Toyle“ weggenommen oder in den Grund gebohrt und
ein Kohlenſchiff weggenommen habe. Die Bemannung der Schiffe
wurde auf dem Dampfer „Gyfedale“, der ebenfalls genommen war
und freigelaſſen wurde, nach Colombo gebracht, wo ſie heute früh
eintraf.
Der Burenkommandant Jooſte hat ſich bekanntlich
bei Ausbruch des Krieges als deutſcher Kriegsfreiwilliger gemeldet
und leiſtet jetzt als deutſcher Marineſoldat Dienſt. Jooſte ſchreibt
der „Braunſchw. Landeszeitung“:
Anläßlich mancher Notiz, die in dieſen Tagen durch die Preſſe
ging mit Bezug auf das Verhalten der Buren in dieſem Weltkriege,
fühle ich mich veranlaßt, dem deutſchen Volke gegenüber folgendes
zu erklären: Wie zur Zeit des Burenkrieges das deutſche Volk anders
dachte als ſeine Regierung, ſo geht es jetzt in meiner Heimat, und
man darf dem Burenvolk nicht die Schuld an dieſen Vorgängen zu-
ſchreiben. Ich würde unpolitiſch handeln und unſere Sache ſchädi-
gen, wenn ich ſozuſagen die Katze aus dem Sack ließe. Jedenfalls
kann ich aber verſichern, daß der gemeine Feind der Südafrikaner
nicht der Deutſche iſt, ſondern der Brite. Die 4000 Gräber der ge-
fallenen Buren mahnen uns an unſere Pflicht, und das Blut der
26,000 in den engliſchen Konzentrationslagern elend umgekommenen
Frauen und Kindern ſchreit nach Rache.
Was die Worte Bothas anlangt, ſo darf nur ſo viel Ge-
wicht darauf gelegt werden, wie die Diplomatie in kritiſchen Zeiten
verdient; es muß vielmehr die Tat des Generals Beyers, die
Niederlegung ſeines Oberkommandos, ins Auge gefaßt werden. Daß
Streitkräfte aus Kapland in Deutſch-Südweſt eingebrochen ſind, be-
dauere ich aufs tiefſte, ich kann aber den vielen Freunden, die mich
in dieſen Tagen um Auskunft baten, nur antworten: Bin ich meines
Bruders Hüter? Mir iſt dieſe traurige und ſchmachvolle Tatſache
ein neuer Beweis dafür, was die engliſchen Lügenfertig
bringen, denn dem Bur iſt offenbar feierlich verſichert worden,
daß die ihm abgünſtig geſinnte deutſche Regierung — jeder Bur
weiß, daß Krüger ſeinerzeit von Köln zurückreiſen mußte — jetzt
das Uniongebiet annektieren wolle und dergleichen mehr. In dieſem
feſten Glauben, in dieſer Befürchtung war es ſtrategiſch berechtigt,
in Deutſch-Südweſt einzufallen, mehr zur Selbſtverteidigung, als
um England in ſeinem Kampf gegen Deutſchland zu unterſtützen.
Mag das Burenvolk noch ſo viel Fehler haben, aber undankbar
ſind wir nicht, und wir werden nie und nimmer vergeſſen, wie
viel Tränen getrocknet, wie viel Not gelindert und wie viel Menſchen-
leben gerettet worden ſind durch die uns aus dem ganzen deutſchen
Lande bewieſene Hilfe.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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