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Allgemeine Zeitung, Nr. 40, 3. Oktober 1914.

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Allgemeine Zeitung 3. Oktober 1914.
[Spaltenumbruch] des Kapitänleutnants Weddigen, mit der Erwählten seines Herzens,
einem Fräulein Prete aus Homburg, den Bund für sein jetzt von
so vielen Gefahren bedrohtes Leben zu schließen. Am Tage nach
der Hochzeit war "U 9" wieder klar zum Gefecht und nahm seinen
Führer wieder auf. Bei den auf das junge Paar ausgebrachten
Trinksprüchen kamen die Hoffnungen zu enthusiastischem Ausdruck,
die die Kameraden auf diesen Mann setzten. Sie wußten, warum sie
dies Vertrauen zu dem Mute dieses Mannes haben durften. Als
er vor Helgoland lag, fiel ein Maat seines Schiffes von Bord. Die
See war bewegt, aber ohne Besinnen sprang Weddigen in die
wogende See und rettete den Matrosen. Die Rettungsmedaille am
Bande zeugt von dieser Tat. Seine seemännische Tüchtigkeit aber
fand ihre Anerkennung in der Verleihung des Roten Adlerordens.
In der Stadt Herfort gibt es mehrere angesehene Mitglieder seiner
Familie. Den Eltern jedoch war es nicht vergönnt, das Heldentum
ihres Sohnes zu erleben. Vor drei Jahren sind sie, einer bald dem
anderen folgend, gestorben.

Natürlich hat die Tat des deutschen Unterseebootes auch im
Auslande das größte Aufsehen erregt, das unangenehmste in Eng-
land selbst:

Der marinetechnische Mitarbeiter der "Times" schreibt zu der
Vernichtung der drei Panzerkreuzer: Es ist das ernsthafteste Unglück,
das die britische Flotte seit dem Beginn des Krieges betroffen hat.
Es enthält eine Lehre für die Flotte und die Nation. -- Die "Daily
Chronicle" bemerkt in einem Leitartikel: Gegenüber dem Verlust
der vortrefflichen Mannschaft unserer Flotte ist kein deutscher Ver-
lust zu verzeichnen. Wir werden schwerlich ohne viele und besondere
Vorsichtsmaßregeln Dreadnoughts in solche Gewässer bringen, wenn
nicht die Deutschen dasselbe tun. Der fachmännische Mitarbeiter der
"Chronicle" bemerkt: Uns wird versichert, der Hydroplan werde es
dem Beobachter ermöglichen, die Anwesenheit von Unterseebooten zu
entdecken, aber wie, wenn dies um 7.30 Uhr früh an Herbstmorgen
erforderlich ist oder wenn der Gebrauch dieses Hydroplans nicht rät-
lich erscheint, weil er die Nähe der angreifenden Seemacht verrät?
Der "Daily Telegraph" sagt: Es muß zugegeben werden, daß der
Angriff mit vollständigem Erfolg ausgeführt worden ist.

Ueber die Heldentat des deutschen Unterseebootes U 9 schreibt
ein bekannter norwegischer Admiral im "Morgenbladet": Die eng-
lische Taktik einer Blockade der Nord- und Ostsee ist zum Tode ver-
urteilt, da durch die gesamte englische Bewachungskette und über
200 Seemeilen von der eigenen Basis entfernt bis zum Kanal, je-
nem von England seit Jahrhunderten beherrschten Seeterritorium,
sich ein deutsches Unterseeboot mit 20 Mann Besatzung schleichen
konnte. Daß die vernichteten Panzerkreuzer älter sind, ist gleich-
gültig. Wie es gestern diesem in Grund gebohrten Kreuzergeschwa-
der erging, kann es morgen der ganzen englischen Hochseeflotte er-
gehen. Die Nordsee und Ostsee sind nicht länger Besitz englischer
blockierender Panzerungetüme. Eine neue Zeit, eine neue Methode
beginnt, bedeutungsvoll für die kleinen Seestaaten, da sie imstande
sind, eine beträchtliche Zahl dieser nicht teueren und furchtbaren See-
waffe anzuschaffen.



Ueber Englands Kriegsvorbereitungen meldet die
Norddeutsche Allgemeine Zeitung:

Aus Geschäftskreisen erhalten wir nachstehend wiedergegebene,
verbürgte Mitteilung: Das englische Bankhaus Royal Bank of Ca-
nada, Antilla (Kuba), richtete unterm 27. Juli an einen seiner kuba-
nischen Geschäftsfreunde ein Schreiben, das folgende Stelle enthält:
Bezüglich des Umwechselns in Markwährung, um welche Sie uns
ersuchen, teilen wir ihnen mit, daß es uns augenblicklich unmöglich
ist, ihnen Papiere in Markwährung zu geben, da wir heute eine
telegraphische Order erhielten, auf Grund deren uns die Ausgabe
von Giros auf Europa verboten ist, und zwar verursacht durch die
ungünstige politische Lage in diesen Ländern.

Hieraus geht zur Genüge hervor, daß schon am 28. Juli, also
eine Reihe von Tagen vor dem Zeitpunkt, wo der deutsche Einmarsch
in Belgien den Vorwand zu der englischen Kriegserklärung vom
4. August gab, England an die ausländischen Banken die Order ge-
geben hat, den Geldverkehr mit Europa, besonders mit Deutschland
einzustellen.



Die Sperrung der Dardanellen

(Nicht amtlich.) Der
"Tanin" schreibt: Die Tatsache, daß die englische Flotte vor den
Dardanellen kreuzt, stellte einen Verstoßgegen das Völker-
[Spaltenumbruch] recht
dar, da die Türkei ihre Neutralität erklärte. Auf Grund der
Nachrichten, die bei der Pforte einliefen, verlautet, daß die englische
und französische Flotte infolge der Maßnahmen der Pforte die Dar-
danellen verließen. Sie sollen sich in den Gewässern von Tenedos
befinden.



Immer und immer wieder wird die Norddeutsche Allgemeine
Zeitung in die Zwangslage versetzt, Lügen unserer Feinde insbeson-
dere englische Lügen zurückzuweisen und richtig zu stellen.
Auch jetzt wieder ist sie in eine diplomatische Polemik verwickelt wor-
den, aus der eben auch wieder hervorgeht, daß England wie auch
Rußland den Krieg gewollt haben.

Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt über den Be-
richt des bisherigen englischen Botschafters de Bunsen in Wien:

Ihren früheren Veröffentlichungen hat jetzt die englische Regie-
rung eine weitere hinzugefügt. Sie läßt einen an den Staatssekretär
des Auswärtigen Amtes gerichteten Bericht ihres bisherigen Bot-
schafters in Wien, Sir Maurice de Bunsen, erscheinen; das Schrift-
stück ist vom 1. September datiert, also einen vollen Monat nach
Ausbruch des Krieges. Es ist ebenso interessant wie unschwer, die
Tendenz dieser Veröffentlichung festzustellen. Ihre Absicht ist nicht
nur, England von aller Schuld zu entlasten und diese der deutschen
und österreichisch-ungarischen Politik zuzuschieben, sondern sie sucht
Deutschland in höherem Grade als Oesterreich-Ungarn für den Krieg
verantwortlich zu machen und dadurch zwischen uns und unseren
Verbündeten Zwietracht zu säen.

Der englische Botschafter beklagt sich darüber, daß, obwohl die
deutsche Regierung behauptete, sie habe Sir Edward Greys "Be-
mühungen um den Frieden" bis ans Ende in Wien unterstützt, der
deutsche Botschafter Herr v. Tschirschky dabei seine (Bunsens)
Mitwirkung ebensowenig wie die des russischen und des französischen
Botschafters nachgesucht habe. Dieser Beschwerde ist einige Naivität
nicht abzusprechen. Es wäre in der Tat höchst außerordentlich ge-
wesen, wenn der deutsche Botschafter in Wien bei seinen Schritten
die Hilfe der Vertreter der Entente erbeten hätte, nachdem bereits
Sir Edward Greys Versuch, den serbisch-österreichischen Konflikt zur
Majorisierung Oesterreich-Ungarns vor das Forum der Großmächte
zu ziehen, als eine Intrige gegen das deutsch-österreichische Bündnis
abgelehnt worden war. Die Anstrengungen der deutschen Regierung,
die unablässig bei unserem Verbündeten auf friedliche Entschließun-
gen in einer Weise hinwirkte, wie es England in St. Petersburg zu
tun versäumt hat, würden in ein sonderbares Licht gerückt worden
sein, wenn an die Stelle vertraulicher, aus den herzlichen Beziehun-
gen zwischen Wien und Berlin sich ergebender Ratschläge der An-
schein eines europäischen Schiedsspruches getreten wäre. Deutsch-
land sollte seine Bündnisbeziehungen zu Oesterreich-Ungarn gefähr-
den, während England sich hütete, den Freund an der Newa zu ver-
stimmen.

Fast noch weniger geschickt ist die weitere Behauptung, daß
Deutschland am 31. Juli mit rauher Hand in die Erfolg versprechen-
den Verhandlungen zwischen Wien und Petersburg durch sein Ulti-
matum eingegriffen habe, während "einige Tage Auffchub" Europa
eine furchtbare Heimsuchung erspart haben würden. Es sei dem-
gegenüber nur daran erinnert, daß, wenn jene nach Sir Maurice
de Bunsens Auffassung Erfolg versprechenden Verhandlungen zwi-
schen Oesterreich-Ungarn und Rußland bis zur letzten Stunde fort-
geführt wurden, dies gerade auf die unterbrochene Tätigkeit der
deutschen Politik für die Erhaltung des Friedens zurückzuführen ge-
wesen sei. Ohne diese durch Deutschlands Arbeit auch in Wien noch
geschaffene Frist, die England in St. Petersburg ungenutzt ver-
streichen ließ, würde der Krieg um mehrere Tage früher ausgebro-
chen sein. Denn schon am 24. Juli hat die russische Regierung in
einem amtlichen Communique erklärt, sie könne in einem öster-
reichisch-serbischen Konflikt unmöglich untätig bleiben. Dieser Er-
klärung folgten militärische Maßnahmen auf dem Fuße, die den Be-
ginn der von langer Hand vorbereiteten Mobilmachung der russi-
schen Armee darstellten. In einem vom Zaren am 30. Juli an den
Deutschen Kaiser gerichteten Telegramm (Anlage 23 a des deutschen
Weißbuches) wird ausdrücklich mitgeteilt, daß jene militärischen Maß-
regeln schon vor fünf Tagen, also am 25., beschlossen worden seien.
Dagegen erklärte am 27. Juli der russische Kriegsminister Suchom-
linow dem deutschen Militärattache ehrenwörtlich, daß noch keine
Mobilmachungsorder ergangen sei, daß kein Pferd ausgehoben, kein
Reservist eingezogen werde. Obwohl in dieser Unterredung dem
russischen Kriegsminister kein Zweifel darüber gelassen worden war,

Allgemeine Zeitung 3. Oktober 1914.
[Spaltenumbruch] des Kapitänleutnants Weddigen, mit der Erwählten ſeines Herzens,
einem Fräulein Prete aus Homburg, den Bund für ſein jetzt von
ſo vielen Gefahren bedrohtes Leben zu ſchließen. Am Tage nach
der Hochzeit war „U 9“ wieder klar zum Gefecht und nahm ſeinen
Führer wieder auf. Bei den auf das junge Paar ausgebrachten
Trinkſprüchen kamen die Hoffnungen zu enthuſiaſtiſchem Ausdruck,
die die Kameraden auf dieſen Mann ſetzten. Sie wußten, warum ſie
dies Vertrauen zu dem Mute dieſes Mannes haben durften. Als
er vor Helgoland lag, fiel ein Maat ſeines Schiffes von Bord. Die
See war bewegt, aber ohne Beſinnen ſprang Weddigen in die
wogende See und rettete den Matroſen. Die Rettungsmedaille am
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fand ihre Anerkennung in der Verleihung des Roten Adlerordens.
In der Stadt Herfort gibt es mehrere angeſehene Mitglieder ſeiner
Familie. Den Eltern jedoch war es nicht vergönnt, das Heldentum
ihres Sohnes zu erleben. Vor drei Jahren ſind ſie, einer bald dem
anderen folgend, geſtorben.

Natürlich hat die Tat des deutſchen Unterſeebootes auch im
Auslande das größte Aufſehen erregt, das unangenehmſte in Eng-
land ſelbſt:

Der marinetechniſche Mitarbeiter der „Times“ ſchreibt zu der
Vernichtung der drei Panzerkreuzer: Es iſt das ernſthafteſte Unglück,
das die britiſche Flotte ſeit dem Beginn des Krieges betroffen hat.
Es enthält eine Lehre für die Flotte und die Nation. — Die „Daily
Chronicle“ bemerkt in einem Leitartikel: Gegenüber dem Verluſt
der vortrefflichen Mannſchaft unſerer Flotte iſt kein deutſcher Ver-
luſt zu verzeichnen. Wir werden ſchwerlich ohne viele und beſondere
Vorſichtsmaßregeln Dreadnoughts in ſolche Gewäſſer bringen, wenn
nicht die Deutſchen dasſelbe tun. Der fachmänniſche Mitarbeiter der
„Chronicle“ bemerkt: Uns wird verſichert, der Hydroplan werde es
dem Beobachter ermöglichen, die Anweſenheit von Unterſeebooten zu
entdecken, aber wie, wenn dies um 7.30 Uhr früh an Herbſtmorgen
erforderlich iſt oder wenn der Gebrauch dieſes Hydroplans nicht rät-
lich erſcheint, weil er die Nähe der angreifenden Seemacht verrät?
Der „Daily Telegraph“ ſagt: Es muß zugegeben werden, daß der
Angriff mit vollſtändigem Erfolg ausgeführt worden iſt.

Ueber die Heldentat des deutſchen Unterſeebootes U 9 ſchreibt
ein bekannter norwegiſcher Admiral im „Morgenbladet“: Die eng-
liſche Taktik einer Blockade der Nord- und Oſtſee iſt zum Tode ver-
urteilt, da durch die geſamte engliſche Bewachungskette und über
200 Seemeilen von der eigenen Baſis entfernt bis zum Kanal, je-
nem von England ſeit Jahrhunderten beherrſchten Seeterritorium,
ſich ein deutſches Unterſeeboot mit 20 Mann Beſatzung ſchleichen
konnte. Daß die vernichteten Panzerkreuzer älter ſind, iſt gleich-
gültig. Wie es geſtern dieſem in Grund gebohrten Kreuzergeſchwa-
der erging, kann es morgen der ganzen engliſchen Hochſeeflotte er-
gehen. Die Nordſee und Oſtſee ſind nicht länger Beſitz engliſcher
blockierender Panzerungetüme. Eine neue Zeit, eine neue Methode
beginnt, bedeutungsvoll für die kleinen Seeſtaaten, da ſie imſtande
ſind, eine beträchtliche Zahl dieſer nicht teueren und furchtbaren See-
waffe anzuſchaffen.



Ueber Englands Kriegsvorbereitungen meldet die
Norddeutſche Allgemeine Zeitung:

Aus Geſchäftskreiſen erhalten wir nachſtehend wiedergegebene,
verbürgte Mitteilung: Das engliſche Bankhaus Royal Bank of Ca-
nada, Antilla (Kuba), richtete unterm 27. Juli an einen ſeiner kuba-
niſchen Geſchäftsfreunde ein Schreiben, das folgende Stelle enthält:
Bezüglich des Umwechſelns in Markwährung, um welche Sie uns
erſuchen, teilen wir ihnen mit, daß es uns augenblicklich unmöglich
iſt, ihnen Papiere in Markwährung zu geben, da wir heute eine
telegraphiſche Order erhielten, auf Grund deren uns die Ausgabe
von Giros auf Europa verboten iſt, und zwar verurſacht durch die
ungünſtige politiſche Lage in dieſen Ländern.

Hieraus geht zur Genüge hervor, daß ſchon am 28. Juli, alſo
eine Reihe von Tagen vor dem Zeitpunkt, wo der deutſche Einmarſch
in Belgien den Vorwand zu der engliſchen Kriegserklärung vom
4. Auguſt gab, England an die ausländiſchen Banken die Order ge-
geben hat, den Geldverkehr mit Europa, beſonders mit Deutſchland
einzuſtellen.



Die Sperrung der Dardanellen

(Nicht amtlich.) Der
„Tanin“ ſchreibt: Die Tatſache, daß die engliſche Flotte vor den
Dardanellen kreuzt, ſtellte einen Verſtoßgegen das Völker-
[Spaltenumbruch] recht
dar, da die Türkei ihre Neutralität erklärte. Auf Grund der
Nachrichten, die bei der Pforte einliefen, verlautet, daß die engliſche
und franzöſiſche Flotte infolge der Maßnahmen der Pforte die Dar-
danellen verließen. Sie ſollen ſich in den Gewäſſern von Tenedos
befinden.



Immer und immer wieder wird die Norddeutſche Allgemeine
Zeitung in die Zwangslage verſetzt, Lügen unſerer Feinde insbeſon-
dere engliſche Lügen zurückzuweiſen und richtig zu ſtellen.
Auch jetzt wieder iſt ſie in eine diplomatiſche Polemik verwickelt wor-
den, aus der eben auch wieder hervorgeht, daß England wie auch
Rußland den Krieg gewollt haben.

Die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ ſchreibt über den Be-
richt des bisherigen engliſchen Botſchafters de Bunſen in Wien:

Ihren früheren Veröffentlichungen hat jetzt die engliſche Regie-
rung eine weitere hinzugefügt. Sie läßt einen an den Staatsſekretär
des Auswärtigen Amtes gerichteten Bericht ihres bisherigen Bot-
ſchafters in Wien, Sir Maurice de Bunſen, erſcheinen; das Schrift-
ſtück iſt vom 1. September datiert, alſo einen vollen Monat nach
Ausbruch des Krieges. Es iſt ebenſo intereſſant wie unſchwer, die
Tendenz dieſer Veröffentlichung feſtzuſtellen. Ihre Abſicht iſt nicht
nur, England von aller Schuld zu entlaſten und dieſe der deutſchen
und öſterreichiſch-ungariſchen Politik zuzuſchieben, ſondern ſie ſucht
Deutſchland in höherem Grade als Oeſterreich-Ungarn für den Krieg
verantwortlich zu machen und dadurch zwiſchen uns und unſeren
Verbündeten Zwietracht zu ſäen.

Der engliſche Botſchafter beklagt ſich darüber, daß, obwohl die
deutſche Regierung behauptete, ſie habe Sir Edward Greys „Be-
mühungen um den Frieden“ bis ans Ende in Wien unterſtützt, der
deutſche Botſchafter Herr v. Tſchirſchky dabei ſeine (Bunſens)
Mitwirkung ebenſowenig wie die des ruſſiſchen und des franzöſiſchen
Botſchafters nachgeſucht habe. Dieſer Beſchwerde iſt einige Naivität
nicht abzuſprechen. Es wäre in der Tat höchſt außerordentlich ge-
weſen, wenn der deutſche Botſchafter in Wien bei ſeinen Schritten
die Hilfe der Vertreter der Entente erbeten hätte, nachdem bereits
Sir Edward Greys Verſuch, den ſerbiſch-öſterreichiſchen Konflikt zur
Majoriſierung Oeſterreich-Ungarns vor das Forum der Großmächte
zu ziehen, als eine Intrige gegen das deutſch-öſterreichiſche Bündnis
abgelehnt worden war. Die Anſtrengungen der deutſchen Regierung,
die unabläſſig bei unſerem Verbündeten auf friedliche Entſchließun-
gen in einer Weiſe hinwirkte, wie es England in St. Petersburg zu
tun verſäumt hat, würden in ein ſonderbares Licht gerückt worden
ſein, wenn an die Stelle vertraulicher, aus den herzlichen Beziehun-
gen zwiſchen Wien und Berlin ſich ergebender Ratſchläge der An-
ſchein eines europäiſchen Schiedsſpruches getreten wäre. Deutſch-
land ſollte ſeine Bündnisbeziehungen zu Oeſterreich-Ungarn gefähr-
den, während England ſich hütete, den Freund an der Newa zu ver-
ſtimmen.

Faſt noch weniger geſchickt iſt die weitere Behauptung, daß
Deutſchland am 31. Juli mit rauher Hand in die Erfolg verſprechen-
den Verhandlungen zwiſchen Wien und Petersburg durch ſein Ulti-
matum eingegriffen habe, während „einige Tage Auffchub“ Europa
eine furchtbare Heimſuchung erſpart haben würden. Es ſei dem-
gegenüber nur daran erinnert, daß, wenn jene nach Sir Maurice
de Bunſens Auffaſſung Erfolg verſprechenden Verhandlungen zwi-
ſchen Oeſterreich-Ungarn und Rußland bis zur letzten Stunde fort-
geführt wurden, dies gerade auf die unterbrochene Tätigkeit der
deutſchen Politik für die Erhaltung des Friedens zurückzuführen ge-
weſen ſei. Ohne dieſe durch Deutſchlands Arbeit auch in Wien noch
geſchaffene Friſt, die England in St. Petersburg ungenutzt ver-
ſtreichen ließ, würde der Krieg um mehrere Tage früher ausgebro-
chen ſein. Denn ſchon am 24. Juli hat die ruſſiſche Regierung in
einem amtlichen Communiqué erklärt, ſie könne in einem öſter-
reichiſch-ſerbiſchen Konflikt unmöglich untätig bleiben. Dieſer Er-
klärung folgten militäriſche Maßnahmen auf dem Fuße, die den Be-
ginn der von langer Hand vorbereiteten Mobilmachung der ruſſi-
ſchen Armee darſtellten. In einem vom Zaren am 30. Juli an den
Deutſchen Kaiſer gerichteten Telegramm (Anlage 23 a des deutſchen
Weißbuches) wird ausdrücklich mitgeteilt, daß jene militäriſchen Maß-
regeln ſchon vor fünf Tagen, alſo am 25., beſchloſſen worden ſeien.
Dagegen erklärte am 27. Juli der ruſſiſche Kriegsminiſter Suchom-
linow dem deutſchen Militärattaché ehrenwörtlich, daß noch keine
Mobilmachungsorder ergangen ſei, daß kein Pferd ausgehoben, kein
Reſerviſt eingezogen werde. Obwohl in dieſer Unterredung dem
ruſſiſchen Kriegsminiſter kein Zweifel darüber gelaſſen worden war,

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[588/0004] Allgemeine Zeitung 3. Oktober 1914. des Kapitänleutnants Weddigen, mit der Erwählten ſeines Herzens, einem Fräulein Prete aus Homburg, den Bund für ſein jetzt von ſo vielen Gefahren bedrohtes Leben zu ſchließen. Am Tage nach der Hochzeit war „U 9“ wieder klar zum Gefecht und nahm ſeinen Führer wieder auf. Bei den auf das junge Paar ausgebrachten Trinkſprüchen kamen die Hoffnungen zu enthuſiaſtiſchem Ausdruck, die die Kameraden auf dieſen Mann ſetzten. Sie wußten, warum ſie dies Vertrauen zu dem Mute dieſes Mannes haben durften. Als er vor Helgoland lag, fiel ein Maat ſeines Schiffes von Bord. Die See war bewegt, aber ohne Beſinnen ſprang Weddigen in die wogende See und rettete den Matroſen. Die Rettungsmedaille am Bande zeugt von dieſer Tat. Seine ſeemänniſche Tüchtigkeit aber fand ihre Anerkennung in der Verleihung des Roten Adlerordens. In der Stadt Herfort gibt es mehrere angeſehene Mitglieder ſeiner Familie. Den Eltern jedoch war es nicht vergönnt, das Heldentum ihres Sohnes zu erleben. Vor drei Jahren ſind ſie, einer bald dem anderen folgend, geſtorben. Natürlich hat die Tat des deutſchen Unterſeebootes auch im Auslande das größte Aufſehen erregt, das unangenehmſte in Eng- land ſelbſt: Der marinetechniſche Mitarbeiter der „Times“ ſchreibt zu der Vernichtung der drei Panzerkreuzer: Es iſt das ernſthafteſte Unglück, das die britiſche Flotte ſeit dem Beginn des Krieges betroffen hat. Es enthält eine Lehre für die Flotte und die Nation. — Die „Daily Chronicle“ bemerkt in einem Leitartikel: Gegenüber dem Verluſt der vortrefflichen Mannſchaft unſerer Flotte iſt kein deutſcher Ver- luſt zu verzeichnen. Wir werden ſchwerlich ohne viele und beſondere Vorſichtsmaßregeln Dreadnoughts in ſolche Gewäſſer bringen, wenn nicht die Deutſchen dasſelbe tun. Der fachmänniſche Mitarbeiter der „Chronicle“ bemerkt: Uns wird verſichert, der Hydroplan werde es dem Beobachter ermöglichen, die Anweſenheit von Unterſeebooten zu entdecken, aber wie, wenn dies um 7.30 Uhr früh an Herbſtmorgen erforderlich iſt oder wenn der Gebrauch dieſes Hydroplans nicht rät- lich erſcheint, weil er die Nähe der angreifenden Seemacht verrät? Der „Daily Telegraph“ ſagt: Es muß zugegeben werden, daß der Angriff mit vollſtändigem Erfolg ausgeführt worden iſt. Ueber die Heldentat des deutſchen Unterſeebootes U 9 ſchreibt ein bekannter norwegiſcher Admiral im „Morgenbladet“: Die eng- liſche Taktik einer Blockade der Nord- und Oſtſee iſt zum Tode ver- urteilt, da durch die geſamte engliſche Bewachungskette und über 200 Seemeilen von der eigenen Baſis entfernt bis zum Kanal, je- nem von England ſeit Jahrhunderten beherrſchten Seeterritorium, ſich ein deutſches Unterſeeboot mit 20 Mann Beſatzung ſchleichen konnte. Daß die vernichteten Panzerkreuzer älter ſind, iſt gleich- gültig. Wie es geſtern dieſem in Grund gebohrten Kreuzergeſchwa- der erging, kann es morgen der ganzen engliſchen Hochſeeflotte er- gehen. Die Nordſee und Oſtſee ſind nicht länger Beſitz engliſcher blockierender Panzerungetüme. Eine neue Zeit, eine neue Methode beginnt, bedeutungsvoll für die kleinen Seeſtaaten, da ſie imſtande ſind, eine beträchtliche Zahl dieſer nicht teueren und furchtbaren See- waffe anzuſchaffen. Ueber Englands Kriegsvorbereitungen meldet die Norddeutſche Allgemeine Zeitung: Aus Geſchäftskreiſen erhalten wir nachſtehend wiedergegebene, verbürgte Mitteilung: Das engliſche Bankhaus Royal Bank of Ca- nada, Antilla (Kuba), richtete unterm 27. Juli an einen ſeiner kuba- niſchen Geſchäftsfreunde ein Schreiben, das folgende Stelle enthält: Bezüglich des Umwechſelns in Markwährung, um welche Sie uns erſuchen, teilen wir ihnen mit, daß es uns augenblicklich unmöglich iſt, ihnen Papiere in Markwährung zu geben, da wir heute eine telegraphiſche Order erhielten, auf Grund deren uns die Ausgabe von Giros auf Europa verboten iſt, und zwar verurſacht durch die ungünſtige politiſche Lage in dieſen Ländern. Hieraus geht zur Genüge hervor, daß ſchon am 28. Juli, alſo eine Reihe von Tagen vor dem Zeitpunkt, wo der deutſche Einmarſch in Belgien den Vorwand zu der engliſchen Kriegserklärung vom 4. Auguſt gab, England an die ausländiſchen Banken die Order ge- geben hat, den Geldverkehr mit Europa, beſonders mit Deutſchland einzuſtellen. Die Sperrung der Dardanellen WTB. Konſtantinopel, 1. Okt. (Nicht amtlich.) Der „Tanin“ ſchreibt: Die Tatſache, daß die engliſche Flotte vor den Dardanellen kreuzt, ſtellte einen Verſtoßgegen das Völker- recht dar, da die Türkei ihre Neutralität erklärte. Auf Grund der Nachrichten, die bei der Pforte einliefen, verlautet, daß die engliſche und franzöſiſche Flotte infolge der Maßnahmen der Pforte die Dar- danellen verließen. Sie ſollen ſich in den Gewäſſern von Tenedos befinden. Immer und immer wieder wird die Norddeutſche Allgemeine Zeitung in die Zwangslage verſetzt, Lügen unſerer Feinde insbeſon- dere engliſche Lügen zurückzuweiſen und richtig zu ſtellen. Auch jetzt wieder iſt ſie in eine diplomatiſche Polemik verwickelt wor- den, aus der eben auch wieder hervorgeht, daß England wie auch Rußland den Krieg gewollt haben. Die „Norddeutſche Allgemeine Zeitung“ ſchreibt über den Be- richt des bisherigen engliſchen Botſchafters de Bunſen in Wien: Ihren früheren Veröffentlichungen hat jetzt die engliſche Regie- rung eine weitere hinzugefügt. Sie läßt einen an den Staatsſekretär des Auswärtigen Amtes gerichteten Bericht ihres bisherigen Bot- ſchafters in Wien, Sir Maurice de Bunſen, erſcheinen; das Schrift- ſtück iſt vom 1. September datiert, alſo einen vollen Monat nach Ausbruch des Krieges. Es iſt ebenſo intereſſant wie unſchwer, die Tendenz dieſer Veröffentlichung feſtzuſtellen. Ihre Abſicht iſt nicht nur, England von aller Schuld zu entlaſten und dieſe der deutſchen und öſterreichiſch-ungariſchen Politik zuzuſchieben, ſondern ſie ſucht Deutſchland in höherem Grade als Oeſterreich-Ungarn für den Krieg verantwortlich zu machen und dadurch zwiſchen uns und unſeren Verbündeten Zwietracht zu ſäen. Der engliſche Botſchafter beklagt ſich darüber, daß, obwohl die deutſche Regierung behauptete, ſie habe Sir Edward Greys „Be- mühungen um den Frieden“ bis ans Ende in Wien unterſtützt, der deutſche Botſchafter Herr v. Tſchirſchky dabei ſeine (Bunſens) Mitwirkung ebenſowenig wie die des ruſſiſchen und des franzöſiſchen Botſchafters nachgeſucht habe. Dieſer Beſchwerde iſt einige Naivität nicht abzuſprechen. Es wäre in der Tat höchſt außerordentlich ge- weſen, wenn der deutſche Botſchafter in Wien bei ſeinen Schritten die Hilfe der Vertreter der Entente erbeten hätte, nachdem bereits Sir Edward Greys Verſuch, den ſerbiſch-öſterreichiſchen Konflikt zur Majoriſierung Oeſterreich-Ungarns vor das Forum der Großmächte zu ziehen, als eine Intrige gegen das deutſch-öſterreichiſche Bündnis abgelehnt worden war. Die Anſtrengungen der deutſchen Regierung, die unabläſſig bei unſerem Verbündeten auf friedliche Entſchließun- gen in einer Weiſe hinwirkte, wie es England in St. Petersburg zu tun verſäumt hat, würden in ein ſonderbares Licht gerückt worden ſein, wenn an die Stelle vertraulicher, aus den herzlichen Beziehun- gen zwiſchen Wien und Berlin ſich ergebender Ratſchläge der An- ſchein eines europäiſchen Schiedsſpruches getreten wäre. Deutſch- land ſollte ſeine Bündnisbeziehungen zu Oeſterreich-Ungarn gefähr- den, während England ſich hütete, den Freund an der Newa zu ver- ſtimmen. Faſt noch weniger geſchickt iſt die weitere Behauptung, daß Deutſchland am 31. Juli mit rauher Hand in die Erfolg verſprechen- den Verhandlungen zwiſchen Wien und Petersburg durch ſein Ulti- matum eingegriffen habe, während „einige Tage Auffchub“ Europa eine furchtbare Heimſuchung erſpart haben würden. Es ſei dem- gegenüber nur daran erinnert, daß, wenn jene nach Sir Maurice de Bunſens Auffaſſung Erfolg verſprechenden Verhandlungen zwi- ſchen Oeſterreich-Ungarn und Rußland bis zur letzten Stunde fort- geführt wurden, dies gerade auf die unterbrochene Tätigkeit der deutſchen Politik für die Erhaltung des Friedens zurückzuführen ge- weſen ſei. Ohne dieſe durch Deutſchlands Arbeit auch in Wien noch geſchaffene Friſt, die England in St. Petersburg ungenutzt ver- ſtreichen ließ, würde der Krieg um mehrere Tage früher ausgebro- chen ſein. Denn ſchon am 24. Juli hat die ruſſiſche Regierung in einem amtlichen Communiqué erklärt, ſie könne in einem öſter- reichiſch-ſerbiſchen Konflikt unmöglich untätig bleiben. Dieſer Er- klärung folgten militäriſche Maßnahmen auf dem Fuße, die den Be- ginn der von langer Hand vorbereiteten Mobilmachung der ruſſi- ſchen Armee darſtellten. In einem vom Zaren am 30. Juli an den Deutſchen Kaiſer gerichteten Telegramm (Anlage 23 a des deutſchen Weißbuches) wird ausdrücklich mitgeteilt, daß jene militäriſchen Maß- regeln ſchon vor fünf Tagen, alſo am 25., beſchloſſen worden ſeien. Dagegen erklärte am 27. Juli der ruſſiſche Kriegsminiſter Suchom- linow dem deutſchen Militärattaché ehrenwörtlich, daß noch keine Mobilmachungsorder ergangen ſei, daß kein Pferd ausgehoben, kein Reſerviſt eingezogen werde. Obwohl in dieſer Unterredung dem ruſſiſchen Kriegsminiſter kein Zweifel darüber gelaſſen worden war,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 40, 3. Oktober 1914, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine40_1914/4>, abgerufen am 21.11.2024.