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Allgemeine Zeitung, Nr. 41, 10. Oktober 1914.

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Allgemeine Zeitung 10. Oktober 1914.
[Spaltenumbruch] Streitkräften, die eine Bewegung durch die Gegend nördlich der Linie
Tourcoing-Armentieres ausführen. Bei Arras und auf dem rech-
ten Ufer der Somme bleibt die Lage sichtlich dieselbe. Zwischen
Somme und Oise gab es abwechselnd ein Vor und Zurück. Bei
Lassigny versuchte der Feind einen starken Angriff, welcher scheiterte.
Auf dem rechten Ufer der Aisne nördlich von Soisson, sind wir ge-
meinsam mit englischen Truppen leicht vorgerückt und erzielten
gleichzeitig einige Erfolge in der Gegend von Verry-au-Bac. Auf
dem übrigen Teile der Front ist nichts zu melden. In Belgien
besetzten die belgischen Streitkräfte, welche Antwerpen verteidigen,
die Rupel- und Nethelinie. Starke Angriffe der Deutschen darauf
scheiterten.

7. Oktober:

Die Kämpfe auf dem rechten Heeresflügel in Frankreich haben
noch zu keiner Entscheidung geführt. Die Vorstöße der Franzosen
in den Argonnen und aus der Nordostfront von Verdun
wurden zurückgeworfen. Bei Antwerpen ist das Fort Broe-
chem in unserem Besitz. Der Angriff hat den Nethe-Abschnitt über-
schritten und nähert sich dem inneren Fortgürtel. Eine englische
Brigade
und die Belgier wurden zwischen dem äußeren und
dem inneren Fortgürtel zurückgeworfen. Vier schwere Batterien,
52 Feldgeschütze, viele Maschinengewehre, auch englische, wurden
im freien Felde genommen.

Seit Beginn der Feindseligkeiten hat Präsident Poin-
care
die Absicht gehegt, die Armee zu besuchen und ihr seine Glück-
wünsche auszusprechen. Jetzt erlauben die Umstände diese Reise.
Präsident Poincare hat Bordeaux am 4. ds. verlassen und sich zu-
nächst ins Hauptquartier begeben. Der Präsident wird von den
Ministern Millerand und Viviani begleitet.

9. Oktober:

Inzwischen hat General v. Beseler in Ausführung des
Art. 26 des Haager Abkommens als Befehlshaber der Belage-
rung Antwerpens
die dortigen Behörden, insbesondere aber
die Vertreter neutraler Staaten in Belgien von der Beschießung
verständigt. Dieselbe ist bei Abschluß des Blattes noch im Gange.
Vorstädte von Antwerpen brennen, die Flucht aus der beschossenen
Stadt ist allgemein. Auch das Königspaar soll sich dieser Flucht
angeschlossen haben.
Ein Tagesbefehl.

Aus Anlaß der Erstürmung des Fort Camp des Romains
bei Verdun
hat der kommandierende Offizier folgenden Tages-
befehl
erlassen:

Die bayerische 6. Infanterie-Division mit zugeteilten preußischer
Fußartillerie und Pionieren hat heute das Sperrfort bei St. Mihiel
im Sturm genommen. Die Fußartillerie und ein Teil der Feld-
artillerie hat in 30 stündigem Kampf vorgearbeitet; die 12. Infan-
terie-Brigade mit den Pionieren 16 hat in dreistündigem Kampfe
Stein um Stein, Wall um Wall das Werk erobert; die 11. Infan-
terie-Brigade mit dem Rest der Feldartillerie hat in langem schweren
Kampf feindliche Entsatzversuche abgewiesen. 5 Offiziere, 453 un-
verwundete und etwa 50 verwundete Mannschaften wurden gefan-
gen. Der Rest der Besatzung liegt tot unter den Trümmern und
in den Kasematten des Sperrforts.

Dank Euch allen, Offizieren wie Mannschaften, für diese glän-
zende Waffentat, die keiner in der Kriegsgeschichte nachsteht, Ehre
aber auch dem Andenken der Opfer, die wir bringen mußten.

Was wir und sie taten, geschah fürs Vaterland, geschah für
unser und unser Kinder und Kindeskinder Glück und Dasein!

Ueber die Behandlung der Gefangenen in Frank-
reich

läßt sich das Wolffsche Telegraphenbureau aus Budapest nach-
stehendes melden:

Einer der Reisegefährten des aus der französischen Kriegs-
gefangenschaft zurückgekehrten Grafen Michael Karolyi, der Inge-
nieur Friedrich, berichtet, daß die Gefangenen in einem engen
Raum zusammengepfercht wurden. Eines Tages wurden auch
verwundete Turkos dorthin gesteckt. Jeder Turko hatte an einer
Schnur abgeschnittene Ohren, Nasen und beringte menschliche Fin-
ger, die sie mit bestialischem Triumphgeheul jedermann vorwiesen.
Eine Gruppe Gefangener, darunter auch ein Kapitän eines deut-
[Spaltenumbruch] schen Kauffahrteischiffes, wurden einem summarischen Verhör unter-
zogen. Auf die Frage eines Hauptmannes, welcher das Verhör
vornahm, ob der Kapitän nach der Freilassung nichts gegen Frank-
reich unternehmen würde, erwiderte dieser: Ich kann nicht ver-
schweigen, daß ich meine Pflicht erfüllen und gegen Frankreich
kämpfen würde. Hierauf wurde der Kapitän in Haft behalten. Nach
der Uebersiedlung der französischen Regierung nach Bordeaux wurde
die Aufsicht über diese Gruppe der Gefangenen der Zivilbehörde
übertragen, die die Widerrechtlichkeit der Anhaltung einsah und den
Gefangenen die Reise nach Spanien gestattete.
"Deutsche Franktireurs?"

Man hört jetzt zuweilen die Frage erörtern, ob auch in Deutsch-
land feindliche Soldaten unter Umständen sich ähnlicher tückischer
Gewalttat und Niedertracht seitens der Bevölkerung zu versehen
haben würden, wie unsere Tapferen sie jetzt in Belgien und Frank-
reich erfahren müssen. Wie der größte französische Feldherr auf
Grund jahrelanger Beobachtungen über diese Frage gedacht hat,
geht aus einem Briefe hervor, den Napoleon I. am 2. Dezember
1811 an seinen Marschall Davout, den Generalgouverneur des
Departements der Elbmündungen, geschrieben hat. Dieser Bries
enthält das höchste Lob, welches der Bevölkerung eines feindlichen
Landes erteilt werden kann. Er ist mit vielen anderen Briefen
und sonstigen interessanten Schriftstücken aus der großen Zeit vor
hundert Jahren abgedruckt in Dr. Tim Klein, Die Befreiung 1813,
1814, 1815 (Verlag Langewiesche-Brandt in München-Ebenhausen).
Die betreffende Stelle aber, die man den französischen und belgischen
Gefangenen im Urtext vorlesen und auch der ausländischen Presse
bekanntgeben sollte, lautet:

"Urteilen Sie doch selbst, was zu befürchten ist von einem so
braven und so vernünftigen Volke, welches von jeder Ausschreitung
so weit entfernt ist, daß während des ganzes Krieges kein einziger
französischer Soldat in Deutschland ermordet wurde."

Der König Friedrich August von Sachsen hat am
2. Oktober folgendes Telegramm des Kaisers erhalten:

Es gereicht mir zur größten Freude, Dir vom 19. Armeekorps
und 12. Reservekorps das Beste melden zu können. Ich habe
gestern die III. Armee besucht, speziell das brave 181. Regiment
begrüßt und demselben meine Anerkennung ausgesprochen, wobei
ich Deinen dritten Sohn und Deinen Bruder Max, sowie Laffert
und Kirchbach im besten Wohlsein traf. Der Geist in den Truppen
ist vorzüglich. Mit solcher Armee werden wir auch den Rest un-
serer schweren Aufgabe siegreich erledigen, wozu der Allmächtige
uns beistehen wolle.
Wilhelm.

Im Florentiner Wochenblatt "Voce" ist von der Art und Weise
die Rede, wie italienische Freiwillige in Frankreich
behandelt werden. Diese werden in die Fremdenlegion gesteckt und
als Kanonenfutter verwendet. Man hat ihnen als "Offiziere" Kor-
porale
gegeben, deren erstes Prinzip lautet: "Moi personnelle-
ment je m'en fous!
" (Mir persönlich ist die Geschichte wurscht!)

Die materiellen Bedingungen sind einfach fürchterlich, so daß
man alle möglichen Seuchen erwarten darf. Drei Leute sind schon
an einer verdächtigen Krankheit gestorben. 15 Tage lang habe
man sie mit einer unglaublichen Nachlässigkeit behandelt und aus-
gebildet und diese kräftigen, überzeugten Menschen in einen Haufen
Mutloser verwandelt. Der Artikel, mit dem das "Giornale d'Italia"
den Abdruck des Briefes einleitet, rät vom Eintritt in die "Frem-
denlegion" ab und hebt hervor, daß Italien seine Söhne jetzt selbst
braucht.

Der Feind im Osten.

Amtlich wurde unter dem 2. Oktober aus Wien bekanntge-
geben:

Unsere in Serbien befindlichen Truppen stehen seit zwei
Tagen im Angriffskampf. Bisher schreitet die Offensive gegen
den überall in starken, verschanzten, mit Drahthindernissen geschütz-
ten Stellungen postierten Gegner zwar langsam, aber günstig fort.
Mit der Säuberung der von serbischen und montenegrinischen Trup-
pen und Irregulären beunruhigten Gegenden Bosniens wurde
energisch begonnen. Hierbei wurde gestern ein komplettes serbisches
Bataillon umzingelt und entwaffnet und als kriegsgefangen ab-
transportiert.

Allgemeine Zeitung 10. Oktober 1914.
[Spaltenumbruch] Streitkräften, die eine Bewegung durch die Gegend nördlich der Linie
Tourcoing-Armentières ausführen. Bei Arras und auf dem rech-
ten Ufer der Somme bleibt die Lage ſichtlich dieſelbe. Zwiſchen
Somme und Oiſe gab es abwechſelnd ein Vor und Zurück. Bei
Laſſigny verſuchte der Feind einen ſtarken Angriff, welcher ſcheiterte.
Auf dem rechten Ufer der Aisne nördlich von Soiſſon, ſind wir ge-
meinſam mit engliſchen Truppen leicht vorgerückt und erzielten
gleichzeitig einige Erfolge in der Gegend von Verry-au-Bac. Auf
dem übrigen Teile der Front iſt nichts zu melden. In Belgien
beſetzten die belgiſchen Streitkräfte, welche Antwerpen verteidigen,
die Rupel- und Nethelinie. Starke Angriffe der Deutſchen darauf
ſcheiterten.

7. Oktober:

Die Kämpfe auf dem rechten Heeresflügel in Frankreich haben
noch zu keiner Entſcheidung geführt. Die Vorſtöße der Franzoſen
in den Argonnen und aus der Nordoſtfront von Verdun
wurden zurückgeworfen. Bei Antwerpen iſt das Fort Broe-
chem in unſerem Beſitz. Der Angriff hat den Nethe-Abſchnitt über-
ſchritten und nähert ſich dem inneren Fortgürtel. Eine engliſche
Brigade
und die Belgier wurden zwiſchen dem äußeren und
dem inneren Fortgürtel zurückgeworfen. Vier ſchwere Batterien,
52 Feldgeſchütze, viele Maſchinengewehre, auch engliſche, wurden
im freien Felde genommen.

Seit Beginn der Feindſeligkeiten hat Präſident Poin-
caré
die Abſicht gehegt, die Armee zu beſuchen und ihr ſeine Glück-
wünſche auszuſprechen. Jetzt erlauben die Umſtände dieſe Reiſe.
Präſident Poincaré hat Bordeaux am 4. ds. verlaſſen und ſich zu-
nächſt ins Hauptquartier begeben. Der Präſident wird von den
Miniſtern Millerand und Viviani begleitet.

9. Oktober:

Inzwiſchen hat General v. Beſeler in Ausführung des
Art. 26 des Haager Abkommens als Befehlshaber der Belage-
rung Antwerpens
die dortigen Behörden, insbeſondere aber
die Vertreter neutraler Staaten in Belgien von der Beſchießung
verſtändigt. Dieſelbe iſt bei Abſchluß des Blattes noch im Gange.
Vorſtädte von Antwerpen brennen, die Flucht aus der beſchoſſenen
Stadt iſt allgemein. Auch das Königspaar ſoll ſich dieſer Flucht
angeſchloſſen haben.
Ein Tagesbefehl.

Aus Anlaß der Erſtürmung des Fort Camp des Romains
bei Verdun
hat der kommandierende Offizier folgenden Tages-
befehl
erlaſſen:

Die bayeriſche 6. Infanterie-Diviſion mit zugeteilten preußiſcher
Fußartillerie und Pionieren hat heute das Sperrfort bei St. Mihiel
im Sturm genommen. Die Fußartillerie und ein Teil der Feld-
artillerie hat in 30 ſtündigem Kampf vorgearbeitet; die 12. Infan-
terie-Brigade mit den Pionieren 16 hat in dreiſtündigem Kampfe
Stein um Stein, Wall um Wall das Werk erobert; die 11. Infan-
terie-Brigade mit dem Reſt der Feldartillerie hat in langem ſchweren
Kampf feindliche Entſatzverſuche abgewieſen. 5 Offiziere, 453 un-
verwundete und etwa 50 verwundete Mannſchaften wurden gefan-
gen. Der Reſt der Beſatzung liegt tot unter den Trümmern und
in den Kaſematten des Sperrforts.

Dank Euch allen, Offizieren wie Mannſchaften, für dieſe glän-
zende Waffentat, die keiner in der Kriegsgeſchichte nachſteht, Ehre
aber auch dem Andenken der Opfer, die wir bringen mußten.

Was wir und ſie taten, geſchah fürs Vaterland, geſchah für
unſer und unſer Kinder und Kindeskinder Glück und Daſein!

Ueber die Behandlung der Gefangenen in Frank-
reich

läßt ſich das Wolffſche Telegraphenbureau aus Budapeſt nach-
ſtehendes melden:

Einer der Reiſegefährten des aus der franzöſiſchen Kriegs-
gefangenſchaft zurückgekehrten Grafen Michael Karolyi, der Inge-
nieur Friedrich, berichtet, daß die Gefangenen in einem engen
Raum zuſammengepfercht wurden. Eines Tages wurden auch
verwundete Turkos dorthin geſteckt. Jeder Turko hatte an einer
Schnur abgeſchnittene Ohren, Naſen und beringte menſchliche Fin-
ger, die ſie mit beſtialiſchem Triumphgeheul jedermann vorwieſen.
Eine Gruppe Gefangener, darunter auch ein Kapitän eines deut-
[Spaltenumbruch] ſchen Kauffahrteiſchiffes, wurden einem ſummariſchen Verhör unter-
zogen. Auf die Frage eines Hauptmannes, welcher das Verhör
vornahm, ob der Kapitän nach der Freilaſſung nichts gegen Frank-
reich unternehmen würde, erwiderte dieſer: Ich kann nicht ver-
ſchweigen, daß ich meine Pflicht erfüllen und gegen Frankreich
kämpfen würde. Hierauf wurde der Kapitän in Haft behalten. Nach
der Ueberſiedlung der franzöſiſchen Regierung nach Bordeaux wurde
die Aufſicht über dieſe Gruppe der Gefangenen der Zivilbehörde
übertragen, die die Widerrechtlichkeit der Anhaltung einſah und den
Gefangenen die Reiſe nach Spanien geſtattete.
„Deutſche Franktireurs?“

Man hört jetzt zuweilen die Frage erörtern, ob auch in Deutſch-
land feindliche Soldaten unter Umſtänden ſich ähnlicher tückiſcher
Gewalttat und Niedertracht ſeitens der Bevölkerung zu verſehen
haben würden, wie unſere Tapferen ſie jetzt in Belgien und Frank-
reich erfahren müſſen. Wie der größte franzöſiſche Feldherr auf
Grund jahrelanger Beobachtungen über dieſe Frage gedacht hat,
geht aus einem Briefe hervor, den Napoleon I. am 2. Dezember
1811 an ſeinen Marſchall Davout, den Generalgouverneur des
Departements der Elbmündungen, geſchrieben hat. Dieſer Brieſ
enthält das höchſte Lob, welches der Bevölkerung eines feindlichen
Landes erteilt werden kann. Er iſt mit vielen anderen Briefen
und ſonſtigen intereſſanten Schriftſtücken aus der großen Zeit vor
hundert Jahren abgedruckt in Dr. Tim Klein, Die Befreiung 1813,
1814, 1815 (Verlag Langewieſche-Brandt in München-Ebenhauſen).
Die betreffende Stelle aber, die man den franzöſiſchen und belgiſchen
Gefangenen im Urtext vorleſen und auch der ausländiſchen Preſſe
bekanntgeben ſollte, lautet:

„Urteilen Sie doch ſelbſt, was zu befürchten iſt von einem ſo
braven und ſo vernünftigen Volke, welches von jeder Ausſchreitung
ſo weit entfernt iſt, daß während des ganzes Krieges kein einziger
franzöſiſcher Soldat in Deutſchland ermordet wurde.“

Der König Friedrich Auguſt von Sachſen hat am
2. Oktober folgendes Telegramm des Kaiſers erhalten:

Es gereicht mir zur größten Freude, Dir vom 19. Armeekorps
und 12. Reſervekorps das Beſte melden zu können. Ich habe
geſtern die III. Armee beſucht, ſpeziell das brave 181. Regiment
begrüßt und demſelben meine Anerkennung ausgeſprochen, wobei
ich Deinen dritten Sohn und Deinen Bruder Max, ſowie Laffert
und Kirchbach im beſten Wohlſein traf. Der Geiſt in den Truppen
iſt vorzüglich. Mit ſolcher Armee werden wir auch den Reſt un-
ſerer ſchweren Aufgabe ſiegreich erledigen, wozu der Allmächtige
uns beiſtehen wolle.
Wilhelm.

Im Florentiner Wochenblatt „Voce“ iſt von der Art und Weiſe
die Rede, wie italieniſche Freiwillige in Frankreich
behandelt werden. Dieſe werden in die Fremdenlegion geſteckt und
als Kanonenfutter verwendet. Man hat ihnen als „Offiziere“ Kor-
porale
gegeben, deren erſtes Prinzip lautet: „Moi personnelle-
ment je m’en fous!
“ (Mir perſönlich iſt die Geſchichte wurſcht!)

Die materiellen Bedingungen ſind einfach fürchterlich, ſo daß
man alle möglichen Seuchen erwarten darf. Drei Leute ſind ſchon
an einer verdächtigen Krankheit geſtorben. 15 Tage lang habe
man ſie mit einer unglaublichen Nachläſſigkeit behandelt und aus-
gebildet und dieſe kräftigen, überzeugten Menſchen in einen Haufen
Mutloſer verwandelt. Der Artikel, mit dem das „Giornale d’Italia“
den Abdruck des Briefes einleitet, rät vom Eintritt in die „Frem-
denlegion“ ab und hebt hervor, daß Italien ſeine Söhne jetzt ſelbſt
braucht.

Der Feind im Oſten.

Amtlich wurde unter dem 2. Oktober aus Wien bekanntge-
geben:

Unſere in Serbien befindlichen Truppen ſtehen ſeit zwei
Tagen im Angriffskampf. Bisher ſchreitet die Offenſive gegen
den überall in ſtarken, verſchanzten, mit Drahthinderniſſen geſchütz-
ten Stellungen poſtierten Gegner zwar langſam, aber günſtig fort.
Mit der Säuberung der von ſerbiſchen und montenegriniſchen Trup-
pen und Irregulären beunruhigten Gegenden Bosniens wurde
energiſch begonnen. Hierbei wurde geſtern ein komplettes ſerbiſches
Bataillon umzingelt und entwaffnet und als kriegsgefangen ab-
transportiert.

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[598.[598]/0002] Allgemeine Zeitung 10. Oktober 1914. Streitkräften, die eine Bewegung durch die Gegend nördlich der Linie Tourcoing-Armentières ausführen. Bei Arras und auf dem rech- ten Ufer der Somme bleibt die Lage ſichtlich dieſelbe. Zwiſchen Somme und Oiſe gab es abwechſelnd ein Vor und Zurück. Bei Laſſigny verſuchte der Feind einen ſtarken Angriff, welcher ſcheiterte. Auf dem rechten Ufer der Aisne nördlich von Soiſſon, ſind wir ge- meinſam mit engliſchen Truppen leicht vorgerückt und erzielten gleichzeitig einige Erfolge in der Gegend von Verry-au-Bac. Auf dem übrigen Teile der Front iſt nichts zu melden. In Belgien beſetzten die belgiſchen Streitkräfte, welche Antwerpen verteidigen, die Rupel- und Nethelinie. Starke Angriffe der Deutſchen darauf ſcheiterten. 7. Oktober: Die Kämpfe auf dem rechten Heeresflügel in Frankreich haben noch zu keiner Entſcheidung geführt. Die Vorſtöße der Franzoſen in den Argonnen und aus der Nordoſtfront von Verdun wurden zurückgeworfen. Bei Antwerpen iſt das Fort Broe- chem in unſerem Beſitz. Der Angriff hat den Nethe-Abſchnitt über- ſchritten und nähert ſich dem inneren Fortgürtel. Eine engliſche Brigade und die Belgier wurden zwiſchen dem äußeren und dem inneren Fortgürtel zurückgeworfen. Vier ſchwere Batterien, 52 Feldgeſchütze, viele Maſchinengewehre, auch engliſche, wurden im freien Felde genommen. Seit Beginn der Feindſeligkeiten hat Präſident Poin- caré die Abſicht gehegt, die Armee zu beſuchen und ihr ſeine Glück- wünſche auszuſprechen. Jetzt erlauben die Umſtände dieſe Reiſe. Präſident Poincaré hat Bordeaux am 4. ds. verlaſſen und ſich zu- nächſt ins Hauptquartier begeben. Der Präſident wird von den Miniſtern Millerand und Viviani begleitet. 9. Oktober: Inzwiſchen hat General v. Beſeler in Ausführung des Art. 26 des Haager Abkommens als Befehlshaber der Belage- rung Antwerpens die dortigen Behörden, insbeſondere aber die Vertreter neutraler Staaten in Belgien von der Beſchießung verſtändigt. Dieſelbe iſt bei Abſchluß des Blattes noch im Gange. Vorſtädte von Antwerpen brennen, die Flucht aus der beſchoſſenen Stadt iſt allgemein. Auch das Königspaar ſoll ſich dieſer Flucht angeſchloſſen haben. Ein Tagesbefehl. Aus Anlaß der Erſtürmung des Fort Camp des Romains bei Verdun hat der kommandierende Offizier folgenden Tages- befehl erlaſſen: Die bayeriſche 6. Infanterie-Diviſion mit zugeteilten preußiſcher Fußartillerie und Pionieren hat heute das Sperrfort bei St. Mihiel im Sturm genommen. Die Fußartillerie und ein Teil der Feld- artillerie hat in 30 ſtündigem Kampf vorgearbeitet; die 12. Infan- terie-Brigade mit den Pionieren 16 hat in dreiſtündigem Kampfe Stein um Stein, Wall um Wall das Werk erobert; die 11. Infan- terie-Brigade mit dem Reſt der Feldartillerie hat in langem ſchweren Kampf feindliche Entſatzverſuche abgewieſen. 5 Offiziere, 453 un- verwundete und etwa 50 verwundete Mannſchaften wurden gefan- gen. Der Reſt der Beſatzung liegt tot unter den Trümmern und in den Kaſematten des Sperrforts. Dank Euch allen, Offizieren wie Mannſchaften, für dieſe glän- zende Waffentat, die keiner in der Kriegsgeſchichte nachſteht, Ehre aber auch dem Andenken der Opfer, die wir bringen mußten. Was wir und ſie taten, geſchah fürs Vaterland, geſchah für unſer und unſer Kinder und Kindeskinder Glück und Daſein! gez. von Hoehn. Ueber die Behandlung der Gefangenen in Frank- reich läßt ſich das Wolffſche Telegraphenbureau aus Budapeſt nach- ſtehendes melden: Einer der Reiſegefährten des aus der franzöſiſchen Kriegs- gefangenſchaft zurückgekehrten Grafen Michael Karolyi, der Inge- nieur Friedrich, berichtet, daß die Gefangenen in einem engen Raum zuſammengepfercht wurden. Eines Tages wurden auch verwundete Turkos dorthin geſteckt. Jeder Turko hatte an einer Schnur abgeſchnittene Ohren, Naſen und beringte menſchliche Fin- ger, die ſie mit beſtialiſchem Triumphgeheul jedermann vorwieſen. Eine Gruppe Gefangener, darunter auch ein Kapitän eines deut- ſchen Kauffahrteiſchiffes, wurden einem ſummariſchen Verhör unter- zogen. Auf die Frage eines Hauptmannes, welcher das Verhör vornahm, ob der Kapitän nach der Freilaſſung nichts gegen Frank- reich unternehmen würde, erwiderte dieſer: Ich kann nicht ver- ſchweigen, daß ich meine Pflicht erfüllen und gegen Frankreich kämpfen würde. Hierauf wurde der Kapitän in Haft behalten. Nach der Ueberſiedlung der franzöſiſchen Regierung nach Bordeaux wurde die Aufſicht über dieſe Gruppe der Gefangenen der Zivilbehörde übertragen, die die Widerrechtlichkeit der Anhaltung einſah und den Gefangenen die Reiſe nach Spanien geſtattete. „Deutſche Franktireurs?“ Man hört jetzt zuweilen die Frage erörtern, ob auch in Deutſch- land feindliche Soldaten unter Umſtänden ſich ähnlicher tückiſcher Gewalttat und Niedertracht ſeitens der Bevölkerung zu verſehen haben würden, wie unſere Tapferen ſie jetzt in Belgien und Frank- reich erfahren müſſen. Wie der größte franzöſiſche Feldherr auf Grund jahrelanger Beobachtungen über dieſe Frage gedacht hat, geht aus einem Briefe hervor, den Napoleon I. am 2. Dezember 1811 an ſeinen Marſchall Davout, den Generalgouverneur des Departements der Elbmündungen, geſchrieben hat. Dieſer Brieſ enthält das höchſte Lob, welches der Bevölkerung eines feindlichen Landes erteilt werden kann. Er iſt mit vielen anderen Briefen und ſonſtigen intereſſanten Schriftſtücken aus der großen Zeit vor hundert Jahren abgedruckt in Dr. Tim Klein, Die Befreiung 1813, 1814, 1815 (Verlag Langewieſche-Brandt in München-Ebenhauſen). Die betreffende Stelle aber, die man den franzöſiſchen und belgiſchen Gefangenen im Urtext vorleſen und auch der ausländiſchen Preſſe bekanntgeben ſollte, lautet: „Urteilen Sie doch ſelbſt, was zu befürchten iſt von einem ſo braven und ſo vernünftigen Volke, welches von jeder Ausſchreitung ſo weit entfernt iſt, daß während des ganzes Krieges kein einziger franzöſiſcher Soldat in Deutſchland ermordet wurde.“ Der König Friedrich Auguſt von Sachſen hat am 2. Oktober folgendes Telegramm des Kaiſers erhalten: Es gereicht mir zur größten Freude, Dir vom 19. Armeekorps und 12. Reſervekorps das Beſte melden zu können. Ich habe geſtern die III. Armee beſucht, ſpeziell das brave 181. Regiment begrüßt und demſelben meine Anerkennung ausgeſprochen, wobei ich Deinen dritten Sohn und Deinen Bruder Max, ſowie Laffert und Kirchbach im beſten Wohlſein traf. Der Geiſt in den Truppen iſt vorzüglich. Mit ſolcher Armee werden wir auch den Reſt un- ſerer ſchweren Aufgabe ſiegreich erledigen, wozu der Allmächtige uns beiſtehen wolle. Wilhelm. Im Florentiner Wochenblatt „Voce“ iſt von der Art und Weiſe die Rede, wie italieniſche Freiwillige in Frankreich behandelt werden. Dieſe werden in die Fremdenlegion geſteckt und als Kanonenfutter verwendet. Man hat ihnen als „Offiziere“ Kor- porale gegeben, deren erſtes Prinzip lautet: „Moi personnelle- ment je m’en fous!“ (Mir perſönlich iſt die Geſchichte wurſcht!) Die materiellen Bedingungen ſind einfach fürchterlich, ſo daß man alle möglichen Seuchen erwarten darf. Drei Leute ſind ſchon an einer verdächtigen Krankheit geſtorben. 15 Tage lang habe man ſie mit einer unglaublichen Nachläſſigkeit behandelt und aus- gebildet und dieſe kräftigen, überzeugten Menſchen in einen Haufen Mutloſer verwandelt. Der Artikel, mit dem das „Giornale d’Italia“ den Abdruck des Briefes einleitet, rät vom Eintritt in die „Frem- denlegion“ ab und hebt hervor, daß Italien ſeine Söhne jetzt ſelbſt braucht. Der Feind im Oſten. Amtlich wurde unter dem 2. Oktober aus Wien bekanntge- geben: Unſere in Serbien befindlichen Truppen ſtehen ſeit zwei Tagen im Angriffskampf. Bisher ſchreitet die Offenſive gegen den überall in ſtarken, verſchanzten, mit Drahthinderniſſen geſchütz- ten Stellungen poſtierten Gegner zwar langſam, aber günſtig fort. Mit der Säuberung der von ſerbiſchen und montenegriniſchen Trup- pen und Irregulären beunruhigten Gegenden Bosniens wurde energiſch begonnen. Hierbei wurde geſtern ein komplettes ſerbiſches Bataillon umzingelt und entwaffnet und als kriegsgefangen ab- transportiert.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-27T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 41, 10. Oktober 1914, S. 598.[598]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine41_1914/2>, abgerufen am 03.12.2024.