Allgemeine Zeitung, Nr. 42, 17. Oktober 1914.Allgemeine Zeitung 17. Oktober 1914. [Spaltenumbruch]
Die letzten Nachrichten. Aus Westen. WTB. Großes Hauptquartier, 15. Okt., mittags. Die Kriegsbeute in Antwerpen ist groß. Mindestens 500 Die Reste der belgischen Armee haben bei Annäherung unserer Angriffe der Franzosen in der Gegend von Albert wurden 16. Oktober. Auch Brügge und Ostende sind unser. Vom östlichen Kriegsschauplatz. WTB. Großes Hauptquartier, 15. Okt. Im Osten ist Die in russischen Zeitungen verbreiteten Gerüchte über erbeutete W. Wien, 14. Okt., mittags. Amtlich wird gemeldet: In der Vorsicht! Spione! Das Wolffsche Bureau verbreitet nachstehende, der allgemeinen Schon in Friedenszeiten haben unsere Feinde alle Mittel ange- Deutschland und Belgien nach Antwerpens Fall. Mit Antwerpens Fall liegt ganz Belgien militärisch wehrlos Aber mitten im Kriegsgetümmel stellt uns offenbar die mit Allgemeine Zeitung 17. Oktober 1914. [Spaltenumbruch]
Die letzten Nachrichten. Aus Weſten. WTB. Großes Hauptquartier, 15. Okt., mittags. Die Kriegsbeute in Antwerpen iſt groß. Mindeſtens 500 Die Reſte der belgiſchen Armee haben bei Annäherung unſerer Angriffe der Franzoſen in der Gegend von Albert wurden 16. Oktober. Auch Brügge und Oſtende ſind unſer. Vom öſtlichen Kriegsſchauplatz. WTB. Großes Hauptquartier, 15. Okt. Im Oſten iſt Die in ruſſiſchen Zeitungen verbreiteten Gerüchte über erbeutete W. Wien, 14. Okt., mittags. Amtlich wird gemeldet: In der Vorſicht! Spione! Das Wolffſche Bureau verbreitet nachſtehende, der allgemeinen Schon in Friedenszeiten haben unſere Feinde alle Mittel ange- Deutſchland und Belgien nach Antwerpens Fall. Mit Antwerpens Fall liegt ganz Belgien militäriſch wehrlos Aber mitten im Kriegsgetümmel ſtellt uns offenbar die mit <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <pb facs="#f0008" n="612"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Allgemeine Zeitung</hi> 17. Oktober 1914.</fw><lb/> <cb/> </div> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Die letzten Nachrichten.</hi> </hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Aus Weſten.</hi> </hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#aq">WTB.</hi><hi rendition="#g">Großes Hauptquartier,</hi> 15. Okt., mittags.<lb/> (Amtlich.) Bei <hi rendition="#g">Antwerpen</hi> wurden im ganzen 4—5000 Gefan-<lb/> gene gemacht. Es iſt anzunehmen, daß in nächſter Zeit noch eine<lb/> große Zahl belgiſcher Soldaten, welche Zivilkleidung angezogen<lb/> haben, dingfeſt gemacht werden. Nach Mitteilungen des Konſuls<lb/> von Terneuzen ſind etwa 20,000 belgiſche Soldaten und 2000 Eng-<lb/> länder auf holländiſches Gebiet übergetreten, wo ſie entwaffnet wor-<lb/> den ſind. Ihre Flucht muß in großer Haſt vor ſich gegangen ſein.<lb/> Hierfür zeugen Maſſen weggeworfener Kleidungsſtücke, beſonders<lb/> von der engliſchen Royal-Naval-Diviſion.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Kriegsbeute</hi> in Antwerpen iſt groß. Mindeſtens 500<lb/> Geſchütze, eine Unmenge Munition, Maſſen von Sätteln, Voylachs,<lb/> ſehr viel Sanitätsmaterial, zahlreiche Kraftwagen, viele Lokomotiven<lb/> und Waggons, vier Millionen Kilogramm Getreide, viel Mehl, Koh-<lb/> len, Flachs, für 10 Millionen Mark Wolle, Kupfer und Silber im<lb/> Wert von etwa einer halben Million Mark, ein Panzereiſenbahnzug,<lb/> mehrere gefüllte Verpflegungszüge, große Viehbeſtände. Belgiſche<lb/> und engliſche Schiffe befanden ſich nicht mehr in Antwerpen. 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Man beobachte aber auch ſelbſt Vorſicht<lb/> und Zurückhaltung in der Unterhaltung, ſowohl in der Oeffentlichkeit<lb/> (Eiſenbahn, Straßenbahn, Wirtshaus) als auch im eigenen Kreiſe.<lb/> Man ſei vorſichtig in der Mitteilung von Nachrichten von dem<lb/> Kriegsſchauplatz, aus Feldpoſtbriefen und bedenke, daß leichtfertige<lb/> Mitteilſamkeit das Leben der eigenen Angehörigen gefährden kann.<lb/> Jedes unvorſichtige Wort kann dem Feind nützen, uns aber unge-<lb/> zählte Opfer koſten und dadurch zu einer ſchweren Verſündigung<lb/> am Vaterlande werden. Darum nochmals Aufmerkſamkeit gegen-<lb/> über Verdächtigen und Zurückhaltung im Verkehr mit anderen!</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Deutſchland und Belgien nach Antwerpens Fall.</hi> </head><lb/> <p>Mit Antwerpens Fall liegt ganz Belgien militäriſch wehrlos<lb/> zu Deutſchlands Füßen. Seitdem Karl <hi rendition="#aq">V.</hi> erſtmals die Stadt nach<lb/> den Plänen von San Micheli zu einer Feſtung erſten Ranges aus-<lb/> bauen ließ, hat ſie ſtets eine maßgebliche Rolle in allen blutigen<lb/> Auseinanderſetzungen der weſteuropäiſchen Großmächte über ihre<lb/> Machtſtreitigkeiten geſpielt. Ihre geographiſche Lage macht ſie von<lb/> Natur zu einem ſolchen militärpolitiſchen Brennpunkt. Die breite<lb/> Fahrſtraße der Scheldemündung öffnet ihr den Verkehr nach der<lb/> Nordſee und dem Atlantiſchen Ozean in denkbar günſtiger, ge-<lb/> ſchützter Lage; ſchon eine Chronik aus der Zeit des großen Kaiſers<lb/> des heiligen römiſchen Reichs deutſcher Nation rühmt, daß an ihren<lb/> Ufern ſich Faktoreien von aller Herren Länder niedergelaſſen hätten.<lb/> Ihr überaus reiches Hinterland ſichert ihr nicht nur kommerziell<lb/> Gebiete von unverſieglicher Abſatz- und Zufuhrfähigkeit, ſondern<lb/> auch ſtrategiſch den Zufluß aller Kriegsmittel in jeder gewünſchten<lb/> Fülle. <hi rendition="#g">Antwerpen iſt das feſtländiſche London an<lb/> der Nordſee und ſeine Eroberung bedeutet da-<lb/> her den erſten großen Sleg Deutſchlands über<lb/> England: das iſt das wichtigſte Ergebnis der Er-<lb/> eigniſſe vom 9. Oktober,</hi> wichtiger als alle ſonſtigen takti-<lb/> ſchen Vorteile auf dem weſtlichen Kampfplatz, die ſo klar zutage<lb/> liegen, daß ſie nicht näher erörtert zu werden brauchen. Und man<lb/> hat in der Themſeſtadt wohl erkannt, um was es ſich bei der Be-<lb/> rennung des Scheldeemporiums handelte, und daher in letzter<lb/> Stunde, aber natürlich viel zu ſpät, ſoviel Hilfstruppen und ſchwere<lb/> Geſchütze nach der <hi rendition="#aq">„Tête de Flandre“</hi> hinübergeworfen, als man<lb/> nur irgendwie vermochte. 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Denn von Antwerpen<lb/> weiſen die deutſchen Heeresmarſchſtraßen nach Oſtende, Dünkirchen,<lb/> Calais, und wenn wir erſt dort, in der Breite der Kanalfront, mit<lb/> unſeren Mörſern größten Kalibers aufgezogen ſind, dann wird man<lb/> in London erſt voll die Wahrheit des Wortes Napoleons des Erſten<lb/> erkennen, der, als er die Feſtlandſperre gegen Großbritannien vor-<lb/> bereitete, Antwerpen eine geladene Piſtole gegen das Herz Eng-<lb/> lands nannte.</p><lb/> <p>Aber mitten im Kriegsgetümmel ſtellt uns offenbar die mit<lb/> Ausnahme unwichtiger Gebietsteile vollkommene Niederwerfung<lb/> Belgiens vor eine <hi rendition="#g">Befriedungs</hi> aufgabe wichtigſter Art: eine<lb/> Brücke der Verſtändigung zwiſchen dem belgiſchen Volk und uns<lb/> zu bauen. Gewiß, wir ſind als Eroberer ihm genaht, aber doch<lb/> nicht eigentlich als Feinde, wenn uns auch die ſchmähliche Be-<lb/> handlung unſerer Volksgenoſſen ſchon vor dem Krieg und die<lb/> nachfolgenden Greueltaten der belgiſchen Franktireurs an unſeren<lb/> Soldaten das Blut kochen machte! Der Einmarſch in das König-<lb/> reich war uns durch die hinterliſtige und verräteriſche Politik der<lb/> Ententegenoſſenſchaft aufgezwungen, und jetzt, wo das Ziel, deren<lb/> ſchwarze Pläne durch zuvorkommenden Stoß unwirkſam zu machen,<lb/> erreicht iſt, fühlen wir erſt recht, daß unſere Truppen auf einem<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [612/0008]
Allgemeine Zeitung 17. Oktober 1914.
Die letzten Nachrichten.
Aus Weſten.
WTB. Großes Hauptquartier, 15. Okt., mittags.
(Amtlich.) Bei Antwerpen wurden im ganzen 4—5000 Gefan-
gene gemacht. Es iſt anzunehmen, daß in nächſter Zeit noch eine
große Zahl belgiſcher Soldaten, welche Zivilkleidung angezogen
haben, dingfeſt gemacht werden. Nach Mitteilungen des Konſuls
von Terneuzen ſind etwa 20,000 belgiſche Soldaten und 2000 Eng-
länder auf holländiſches Gebiet übergetreten, wo ſie entwaffnet wor-
den ſind. Ihre Flucht muß in großer Haſt vor ſich gegangen ſein.
Hierfür zeugen Maſſen weggeworfener Kleidungsſtücke, beſonders
von der engliſchen Royal-Naval-Diviſion.
Die Kriegsbeute in Antwerpen iſt groß. Mindeſtens 500
Geſchütze, eine Unmenge Munition, Maſſen von Sätteln, Voylachs,
ſehr viel Sanitätsmaterial, zahlreiche Kraftwagen, viele Lokomotiven
und Waggons, vier Millionen Kilogramm Getreide, viel Mehl, Koh-
len, Flachs, für 10 Millionen Mark Wolle, Kupfer und Silber im
Wert von etwa einer halben Million Mark, ein Panzereiſenbahnzug,
mehrere gefüllte Verpflegungszüge, große Viehbeſtände. Belgiſche
und engliſche Schiffe befanden ſich nicht mehr in Antwerpen. Die
bei Kriegsausbruch im Hafen von Antwerpen befindlichen 34 deut-
ſchen Dampfer und drei Segler ſind mit einer Ausnahme vorhanden;
jedoch ſind die Maſchinen unbrauchbar. Angebohrt und verſenkt
wurde nur die „Gneiſenau“ des Norddeutſchen Lloyd. Die große
Hafenſchleuſe iſt intakt, aber zunächſt durch mit Steinen beſchwerte
verſenkte Kähne nicht benutzbar. Die Hafenanlagen ſind unbeſchä-
digt, die Stadt Antwerpen hat wenig gelitten, die Bevölkerung ver-
hält ſich ruhig und ſcheint froh zu ſein, daß die Tage des Schreckens
zu Ende ſind, beſonders da der Pöbel bereits zu plündern begonnen
hatte.
Die Reſte der belgiſchen Armee haben bei Annäherung unſerer
Truppen Gent ſchleunigſt geräumt. Die belgiſche Regierung, mit
Ausnahme des Kriegsminiſters, ſoll ſich nach Le Havre begeben
haben.
Angriffe der Franzoſen in der Gegend von Albert wurden
unter erheblichen Verluſten für ſie abgewieſen; ſonſt im Weſten keine
Veränderungen.
16. Oktober. Auch Brügge und Oſtende ſind unſer.
Vom öſtlichen Kriegsſchauplatz.
WTB. Großes Hauptquartier, 15. Okt. Im Oſten iſt
der ruſſiſche, mit ſtarken Kräften unternommene Vorſtoß auf Oſt-
preußen als geſcheitert anzuſehen. Der Angriff unſerer, in Polen
Schulter an Schulter mit dem öſterreichiſchen Heer kämpfenden Trup-
pen befindet ſich im Fortſchreiten. Unſere Truppen ſtehen vor War-
ſchau. Ein mit acht Armeekorps aus der Linie Iwangorod-War-
ſchau über die Weichſel unternommener ruſſiſcher Vorſtoß wurde
auf der ganzen Linie und unter ſchweren Verluſten für die Ruſſen
zurückgeworfen.
Die in ruſſiſchen Zeitungen verbreiteten Gerüchte über erbeutete
deutſche Geſchütze entbehren jeder Begründung.
W. Wien, 14. Okt., mittags. Amtlich wird gemeldet: In der
Linie Sary-Sombor-Medtyka ſind befeſtigte Stellungen des Feindes.
Unſere Truppen greifen an. Dieſe Kämpfe nehmen an Ausdehnung
zu. In den Karpathen nahmen wir Toronya nach viertägigem
Kampfe und verfolgten die Ruſſen gegen Wyskow. Kleinere erfolg-
reiche Gefechte mit zurückgehenden feindlichen Abteilungen fanden
auch im Viſſotale ſtatt.
Vorſicht! Spione!
Das Wolffſche Bureau verbreitet nachſtehende, der allgemeinen
Beachtung empfohlene Mahnung:
Schon in Friedenszeiten haben unſere Feinde alle Mittel ange-
wandt, um unſere militäriſchen Geheimniſſe zu erforſchen, jetzt aber
wird Deutſchland von Spionen geradezu überſchwemmt. Ueberall
im Inland arbeiten zahlreiche ruſſiſche, franzöſiſche und engliſche
Agenten, Männer wie Frauen, um ihre Auftraggeber zu unterrich-
ten. Sie kommen zu uns mit falſchen deutſchen Päſſen, oder als
Angehörige neutraler Staaten, Dänemarks, Schwedens, Hollands,
der Schweiz, hören und ſehen und berichten über das neutrale Aus-
land. Am ſchlimmſten treiben ſie es in der Nähe der Grenzen, aber
auch im Innern des Landes ſitzen ſie in den Städten, namentlich in
Feſtungen, Hafenplätzen, an wichtigen Eiſenbahnlinien. Daß uns
durch dieſe Leute ſchwerer Schaden zugefügt wird, braucht nicht erſt
bewieſen zu werden. Wie kann man dagegen kämpfen? Nur da-
durch, daß jeder ſein Vaterland liebende Deutſche in dieſer Zeit der
Gefahr ſeine Mitwirkung nicht verſagt. Man achte auf jeden, der
ſich durch wiederholten oder längeren Aufenthalt auf Bahnhöfen
und in der Nähe von Kaſernen, Flugplätzen, Luftſchiffhallen oder
Werften verdächtig macht. Man beobachte aber auch ſelbſt Vorſicht
und Zurückhaltung in der Unterhaltung, ſowohl in der Oeffentlichkeit
(Eiſenbahn, Straßenbahn, Wirtshaus) als auch im eigenen Kreiſe.
Man ſei vorſichtig in der Mitteilung von Nachrichten von dem
Kriegsſchauplatz, aus Feldpoſtbriefen und bedenke, daß leichtfertige
Mitteilſamkeit das Leben der eigenen Angehörigen gefährden kann.
Jedes unvorſichtige Wort kann dem Feind nützen, uns aber unge-
zählte Opfer koſten und dadurch zu einer ſchweren Verſündigung
am Vaterlande werden. Darum nochmals Aufmerkſamkeit gegen-
über Verdächtigen und Zurückhaltung im Verkehr mit anderen!
Deutſchland und Belgien nach Antwerpens Fall.
Mit Antwerpens Fall liegt ganz Belgien militäriſch wehrlos
zu Deutſchlands Füßen. Seitdem Karl V. erſtmals die Stadt nach
den Plänen von San Micheli zu einer Feſtung erſten Ranges aus-
bauen ließ, hat ſie ſtets eine maßgebliche Rolle in allen blutigen
Auseinanderſetzungen der weſteuropäiſchen Großmächte über ihre
Machtſtreitigkeiten geſpielt. Ihre geographiſche Lage macht ſie von
Natur zu einem ſolchen militärpolitiſchen Brennpunkt. Die breite
Fahrſtraße der Scheldemündung öffnet ihr den Verkehr nach der
Nordſee und dem Atlantiſchen Ozean in denkbar günſtiger, ge-
ſchützter Lage; ſchon eine Chronik aus der Zeit des großen Kaiſers
des heiligen römiſchen Reichs deutſcher Nation rühmt, daß an ihren
Ufern ſich Faktoreien von aller Herren Länder niedergelaſſen hätten.
Ihr überaus reiches Hinterland ſichert ihr nicht nur kommerziell
Gebiete von unverſieglicher Abſatz- und Zufuhrfähigkeit, ſondern
auch ſtrategiſch den Zufluß aller Kriegsmittel in jeder gewünſchten
Fülle. Antwerpen iſt das feſtländiſche London an
der Nordſee und ſeine Eroberung bedeutet da-
her den erſten großen Sleg Deutſchlands über
England: das iſt das wichtigſte Ergebnis der Er-
eigniſſe vom 9. Oktober, wichtiger als alle ſonſtigen takti-
ſchen Vorteile auf dem weſtlichen Kampfplatz, die ſo klar zutage
liegen, daß ſie nicht näher erörtert zu werden brauchen. Und man
hat in der Themſeſtadt wohl erkannt, um was es ſich bei der Be-
rennung des Scheldeemporiums handelte, und daher in letzter
Stunde, aber natürlich viel zu ſpät, ſoviel Hilfstruppen und ſchwere
Geſchütze nach der „Tête de Flandre“ hinübergeworfen, als man
nur irgendwie vermochte. Noch ein paar Tage vor der Erſtür-
mung Antwerpens ſchrieb das mit jedem Tag des Kriegs auf tiefere
geiſtige und moraliſche Stufe ſinkende Hauptorakel der Harms-
worth-Hetzpreſſe, die Times, Deutſchland habe offenbar die Abſicht,
die belgiſche Handelshauptſtadt zu einem zweiten Hamburg ſeiner
Herrſchaft zu machen, und weil dadurch eine für England uner-
trägliche Lage geſchaffen würde, ſo beſtehe keine Ausſicht, daß dieſer
überſpannte teutoniſche Machttraum jemals verwirklicht werde.
Echt britiſcher geſpreizter Dünkel, dem ſchnell der Star geſtochen
worden iſt und der, wie wir zuverläſſig vertrauen dürfen, in kurzer
Zeit noch weiter gebeugt werden wird. Denn von Antwerpen
weiſen die deutſchen Heeresmarſchſtraßen nach Oſtende, Dünkirchen,
Calais, und wenn wir erſt dort, in der Breite der Kanalfront, mit
unſeren Mörſern größten Kalibers aufgezogen ſind, dann wird man
in London erſt voll die Wahrheit des Wortes Napoleons des Erſten
erkennen, der, als er die Feſtlandſperre gegen Großbritannien vor-
bereitete, Antwerpen eine geladene Piſtole gegen das Herz Eng-
lands nannte.
Aber mitten im Kriegsgetümmel ſtellt uns offenbar die mit
Ausnahme unwichtiger Gebietsteile vollkommene Niederwerfung
Belgiens vor eine Befriedungs aufgabe wichtigſter Art: eine
Brücke der Verſtändigung zwiſchen dem belgiſchen Volk und uns
zu bauen. Gewiß, wir ſind als Eroberer ihm genaht, aber doch
nicht eigentlich als Feinde, wenn uns auch die ſchmähliche Be-
handlung unſerer Volksgenoſſen ſchon vor dem Krieg und die
nachfolgenden Greueltaten der belgiſchen Franktireurs an unſeren
Soldaten das Blut kochen machte! Der Einmarſch in das König-
reich war uns durch die hinterliſtige und verräteriſche Politik der
Ententegenoſſenſchaft aufgezwungen, und jetzt, wo das Ziel, deren
ſchwarze Pläne durch zuvorkommenden Stoß unwirkſam zu machen,
erreicht iſt, fühlen wir erſt recht, daß unſere Truppen auf einem
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(2023-04-27T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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