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Allgemeine Zeitung, Nr. 45, 7. November 1914.

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7. November 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] nationalen Denkens und Empfindens zur Lösung bringen. Jeder
Staat soll auch für seine Frauen und die Gestaltung ihrer Existenz,
ihres Berufes und ihrer Geltung im Staate aufkommen, so gut wie
für seine geistigen und wirtschaftlichen Arbeiter. Die Rolle, welche
jedes Volk seinen Frauen zuweist, beruht viel zu sehr auf eigen-
artigen Volksüberzeugungen religiöser, sittlicher und wirtschaftlich-
sozialer Natur, als daß sie bei der Verschiedenheit dieser Ueber-
zeugungen in den einzelnen Völkern durch internationales Zusam-
menarbeiten bestimmt werden könnte, wie leider viele Frauenvereine
wähnen.

Der Krieg hat enthüllt, daß solche Hoffnungen auf inter-
nationale Lösung der wichtigsten menschlichen Probleme nur
Träume gewesen sind. Der harte Realismus des englischen Den-
kens hat so manchen Traum jählings vernichtet, den die deutsche
Gutgläubigkeit für Wahrheit nahm. Die Zukunft gehört den
Völkern von starkem nationalem Selbstbewußtsein. Sie gehört
nicht denen, die alle völkischen Unterschiede ausgleichen und ver-
wischen möchten.



Militarismus.

Der neueste Köder, mit dem Staatsmänner und andere Poli-
tiker Englands krebsen gehen, ist das Schlagwort "Militarismus".
Nicht die deutsche Nation zu vernichten, sagen sie, sei der Zweck des
gegenwärtigen Krieges, sondern uns und die ganze Welt von dem
unerträglichen Druck des preußisch-deutschen Militarismus zu be-
freien. Man sollte kaum glauben, daß so ein plumper Versuch, die
öffentliche Meinung über die Ziele der englischen Kriegführung
irre zu führen, Erfolg haben könnte. Wenn ihm die Absicht zu-
grunde liegen sollte, die Kraft Deutschlands durch Wiedererweckung
früherer Parteigegensätze zu lähmen, so werden die Intriganten
heute schon wissen, wie sehr sie den gesunden geistigen Kern der
deutschen Nation unterschätzt haben. Und selbst in ihrem eigenen
Lande scheint ihre Idee nicht allgemeinen Anklang zu finden, denn
in der Morningpost vom 20. Oktober d. J. begegnen wir dem Aus-
spruch: "Das absurde Geschwätz, daß dieser Krieg nur dem Mili-
tarismus gelte, muß unterdrückt werden."

Sonach könnten wir die Sache auf sich beruhen lassen, wenn
nicht beachtenswerte Stimmen des Auslandes erkennen ließen, daß
dort die betrügerische Vorspiegelung vielfach ihren Zweck zu er-
reichen droht. Das ist, wie der Gen. d. Inf. z. D., v. Blume,
in der Kreuz-Zeitung mit Recht sagt, nicht zum geringen Teil eine
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Nationen, darauf bedacht gewesen sind, unser Licht auch in der
Fremde leuchten zu lassen, daß wir die oft kleinlichen, aber not-
wendigen Mittel zur Erzielung einer gerechten Würdigung unseres
Volkscharakters, unserer Institutionen und unserer Leistungen ver-
schmäht und dadurch unseren Widersachern freie Hand zu unserer
Verunglimpfung gelassen haben. Infolgedessen unterliegen auch
unsere Wehrverfassung und unser Heerwesen in nicht wenigen
Ländern, besonders in solchen, in denen demokratische Anschauungen
vorherrschen, abfälliger Beurteilung unter Verwertung von Schlag-
wörtern wie Militarismus, Sklavendienst, Kadavergehorsam usw.,
während man bei näherer Bekanntschaft mit ihnen erkennen würde,
eine wie starke und volkstümliche Schutzwehr und wie wertvolle
Bildungsmittel wir ihnen verdanken. Und auch darüber, wie
unsere Wehrverfassung, unser Heer und unsere Marine sich im
jetzigen Kriege bewähren, gelangen infolge unserer unzulänglichen
Beziehungen zum Auslande fast nur die Lügenberichte unserer
Gegner dorthin.

Diese für uns ungünstigen Umstände suchen nun die Draht-
zieher jenseits des Kanals, die die Gefahren der Verteidigung ihres
Landes und seiner Interessen nach Art des dunklen Mittelalters
Söldnern überlassen, zu benutzen, um in der angegebenen Weise
die Welt darüber zu täuschen, daß für sie lediglich Herrsch- und
schnöde Gewinnsucht die Triebfedern zu dem gegenwärtigen Kriege
sind. Daß sie lediglich den Zweck verfolgen, die Menschheit von
dem angeblichen Druck des Militarismus zu befreien, kann ihnen
nur der glauben, der den Pferdefuß nicht sieht, der aus ihren
Versicherungen herausguckt. Wenn sie ehrlich erklärten, daß sie
es auf Vernichtung der deutschen Wehrkraft abgesehen haben, so
ließe sich dagegen wenigstens insoferne nichts sagen, als das Ziel
jeder ernsten Kriegführung darin besteht, die Wehrkraft des Geg-
ners und dadurch seinen politischen Willen zu brechen. Aber da-
neben zu verkünden, man habe nur das Wohl der Menschheit und
[Spaltenumbruch] auch das des feindlichen Landes im Auge, indem man sie von
einem schweren Druck befreien wolle, ist eine Heuchelei, deren sich
Männer nicht schuldig machen sollten. Es ist überdies eine Dor-
heit, wenn solcher Versuch von Staatsmännern der Macht unter-
nommen wird, die unverfroren die Alleinherrschaft auf dem Meere
für sich in Anspruch nimmt und sich bei ihrer Ausübung rücksichts-
los über das Völkerrecht sowie über die Interessen anderer Staaten
hinwegsetzt, sobald sie sich davon Vorteile verspricht, ja, andere
Völker in diesem Falle unbedenklich der Freiheit beraubt.



Zensur und Zeitungsredaktion.

Zu diesem Thema bringt die Kölnische Zeitung folgende sehr
berechtigte Ausführungen, deren Wiedergabe in der Tagespresse so-
wohl im Interesse der Zensurbehörden wie der Aufklärung des
Publikums
erwünscht erscheint:

Nur wenige Zeitungsleser werden sich darüber klar sein, welche
besondern Schwierigkeiten der Krieg für die redaktionelle Herstellung
der Zeitungen mit sich bringt. Der Leser denkt vermutlich, daß die
Zusammenstellung einer Zeitung in dieser Zeit, da eine interessante
Nachricht der andern folgt, besonders leicht und einfach sei. Dem ist
jedoch nicht so. Der Weg vom Ereignis bis in die Spalten der Zei-
tung ist aus verschiedenen Gründen in Kriegszeiten besonders
schwierig. In dem Augenblick der Mobilmachung tritt gebieterisch
eine Notwendigkeit ein, der sich alle Rücksichten auf die Presse und
die Leser unterzuordnen haben; zu verhüten, daß auch nur der ge-
ringste Aufschluß über den Aufmarsch ins feindliche Ausland gelangt.
Im weitern Verlauf des Krieges tritt die Notwendigkeit hinzu, alles
zu verheimlichen, was dem Feinde auch nur den geringsten Anhalt
über die Absichten der Heeres- und Marineleitung geben könnte.
Kurz gesagt, es darf nichts bekannt werden, was die Erfüllung der
gewaltigen Aufgabe irgendwie schädigen könnte. Diese Bedingung
muß zuerst erfüllt sein, ehe das Publikum durch die Presse über die
Vorgänge im Kampfgebiet unterrichtet werden kann. Noch mehr als
sonst gilt jetzt der Satz, daß die Tat wichtiger ist als das Wort, und
daß das Wort, das die Tat beeinträchtigen könnte, unterdrückt wer-
den muß.

Was nun die offizielle Berichterstattung unserer Heeres- und
Marineleitung betrifft, so war sie von Anfang an von dem Grund-
satz geleitet, daß man nichts mitteilen werde, was nicht bis ins
kleinste hinein richtig ist. Diesem Grundsatz ist unsere Heeres- und
Marineleitung in musterhafter Weise gefolgt. Knapp, sachlich, den
leisesten Schein von Phrase vermeidend, eher zurückhaltend als auch
nur im geringsten etwas als erreicht hinstellend, was nicht ganz ab-
geschlossen vorlag, so hat sie im Lapidarstil das deutsche Volk unter-
richtet. Von Anfang an war geplant gewesen, öfter einmal aus-
führlich, zusammenfassend zu berichten. Der stürmische Sieges-
lauf unserer Truppen hat das unmöglich gemacht. Das Bild ändert
sich immer wieder. Es kam so unaufhaltsam Neues, daß jeder
sammelnde Rückblick unmöglich wurde. Solange unser Feldheer
so unaufhaltsam vordringt, muß es bei der knappen Berichterstat-
tung bleiben. Das wird das Publikum verstehen.

Was nun die übrigen Mitteilungen der Zeitung betrifft, so
unterliegen sie einer notwendigen, sorgfältigen Zensur. So sorg-
fältig auch die Redaktionen selbst prüfen, manches ist im Werden,
das auch der bestunterrichteten Redaktion unter den heutigen Ver-
hältnissen nicht bekannt sein kann, mancher Faden ist angeknüpft,
den unter den jetzigen Umständen der Zeitungsmann noch nicht
sieht. Die Redaktionen ordnen sich der Notwendigkeit der Prü-
fung ihres Materials um der Sache willen gern unter, und sie
nehmen es in Kauf, daß diese Prüfung die Veröffentlichung der
Nachrichten verzögert, da den Zensurstellen in Berlin und in der
Provinz unendlich viel Material durch die Hände geht. Mancher
interessante Bericht, manches wichtige Telegramm kann aus den
geschilderten Erwägungen nicht veröffentlicht werden. Wir
möchten aber an dieser Stelle die mit der schwierigen Aufgabe
der Ueberwachung der Presse betrauten Zensurbehörden bitten,
die gewaltigen Schwierigkeiten zu berücksichtigen, welche die Zei-
tungen zu überwinden haben, denen in ihrem Betriebe nun plötz-
lich solche sie auf Schritt und Tritt hemmenden Beschränkungen
auferlegt sind. Diese Schwierigkeiten wachsen mit der Größe
des Zeitungsbetriebs und der Fülle des dem Blatte zuströmenden
Stoffes ins Unabsehbare, und sie sind bis zu einem gewissen
Grade unüberwindlich, weil die Beantwortung der Frage, ob

7. November 1914. Allgemeine Zeitung
[Spaltenumbruch] nationalen Denkens und Empfindens zur Löſung bringen. Jeder
Staat ſoll auch für ſeine Frauen und die Geſtaltung ihrer Exiſtenz,
ihres Berufes und ihrer Geltung im Staate aufkommen, ſo gut wie
für ſeine geiſtigen und wirtſchaftlichen Arbeiter. Die Rolle, welche
jedes Volk ſeinen Frauen zuweiſt, beruht viel zu ſehr auf eigen-
artigen Volksüberzeugungen religiöſer, ſittlicher und wirtſchaftlich-
ſozialer Natur, als daß ſie bei der Verſchiedenheit dieſer Ueber-
zeugungen in den einzelnen Völkern durch internationales Zuſam-
menarbeiten beſtimmt werden könnte, wie leider viele Frauenvereine
wähnen.

Der Krieg hat enthüllt, daß ſolche Hoffnungen auf inter-
nationale Löſung der wichtigſten menſchlichen Probleme nur
Träume geweſen ſind. Der harte Realismus des engliſchen Den-
kens hat ſo manchen Traum jählings vernichtet, den die deutſche
Gutgläubigkeit für Wahrheit nahm. Die Zukunft gehört den
Völkern von ſtarkem nationalem Selbſtbewußtſein. Sie gehört
nicht denen, die alle völkiſchen Unterſchiede ausgleichen und ver-
wiſchen möchten.



Militarismus.

Der neueſte Köder, mit dem Staatsmänner und andere Poli-
tiker Englands krebſen gehen, iſt das Schlagwort „Militarismus“.
Nicht die deutſche Nation zu vernichten, ſagen ſie, ſei der Zweck des
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unerträglichen Druck des preußiſch-deutſchen Militarismus zu be-
freien. Man ſollte kaum glauben, daß ſo ein plumper Verſuch, die
öffentliche Meinung über die Ziele der engliſchen Kriegführung
irre zu führen, Erfolg haben könnte. Wenn ihm die Abſicht zu-
grunde liegen ſollte, die Kraft Deutſchlands durch Wiedererweckung
früherer Parteigegenſätze zu lähmen, ſo werden die Intriganten
heute ſchon wiſſen, wie ſehr ſie den geſunden geiſtigen Kern der
deutſchen Nation unterſchätzt haben. Und ſelbſt in ihrem eigenen
Lande ſcheint ihre Idee nicht allgemeinen Anklang zu finden, denn
in der Morningpoſt vom 20. Oktober d. J. begegnen wir dem Aus-
ſpruch: „Das abſurde Geſchwätz, daß dieſer Krieg nur dem Mili-
tarismus gelte, muß unterdrückt werden.“

Sonach könnten wir die Sache auf ſich beruhen laſſen, wenn
nicht beachtenswerte Stimmen des Auslandes erkennen ließen, daß
dort die betrügeriſche Vorſpiegelung vielfach ihren Zweck zu er-
reichen droht. Das iſt, wie der Gen. d. Inf. z. D., v. Blume,
in der Kreuz-Zeitung mit Recht ſagt, nicht zum geringen Teil eine
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Nationen, darauf bedacht geweſen ſind, unſer Licht auch in der
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wendigen Mittel zur Erzielung einer gerechten Würdigung unſeres
Volkscharakters, unſerer Inſtitutionen und unſerer Leiſtungen ver-
ſchmäht und dadurch unſeren Widerſachern freie Hand zu unſerer
Verunglimpfung gelaſſen haben. Infolgedeſſen unterliegen auch
unſere Wehrverfaſſung und unſer Heerweſen in nicht wenigen
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vorherrſchen, abfälliger Beurteilung unter Verwertung von Schlag-
wörtern wie Militarismus, Sklavendienſt, Kadavergehorſam uſw.,
während man bei näherer Bekanntſchaft mit ihnen erkennen würde,
eine wie ſtarke und volkstümliche Schutzwehr und wie wertvolle
Bildungsmittel wir ihnen verdanken. Und auch darüber, wie
unſere Wehrverfaſſung, unſer Heer und unſere Marine ſich im
jetzigen Kriege bewähren, gelangen infolge unſerer unzulänglichen
Beziehungen zum Auslande faſt nur die Lügenberichte unſerer
Gegner dorthin.

Dieſe für uns ungünſtigen Umſtände ſuchen nun die Draht-
zieher jenſeits des Kanals, die die Gefahren der Verteidigung ihres
Landes und ſeiner Intereſſen nach Art des dunklen Mittelalters
Söldnern überlaſſen, zu benutzen, um in der angegebenen Weiſe
die Welt darüber zu täuſchen, daß für ſie lediglich Herrſch- und
ſchnöde Gewinnſucht die Triebfedern zu dem gegenwärtigen Kriege
ſind. Daß ſie lediglich den Zweck verfolgen, die Menſchheit von
dem angeblichen Druck des Militarismus zu befreien, kann ihnen
nur der glauben, der den Pferdefuß nicht ſieht, der aus ihren
Verſicherungen herausguckt. Wenn ſie ehrlich erklärten, daß ſie
es auf Vernichtung der deutſchen Wehrkraft abgeſehen haben, ſo
ließe ſich dagegen wenigſtens inſoferne nichts ſagen, als das Ziel
jeder ernſten Kriegführung darin beſteht, die Wehrkraft des Geg-
ners und dadurch ſeinen politiſchen Willen zu brechen. Aber da-
neben zu verkünden, man habe nur das Wohl der Menſchheit und
[Spaltenumbruch] auch das des feindlichen Landes im Auge, indem man ſie von
einem ſchweren Druck befreien wolle, iſt eine Heuchelei, deren ſich
Männer nicht ſchuldig machen ſollten. Es iſt überdies eine Dor-
heit, wenn ſolcher Verſuch von Staatsmännern der Macht unter-
nommen wird, die unverfroren die Alleinherrſchaft auf dem Meere
für ſich in Anſpruch nimmt und ſich bei ihrer Ausübung rückſichts-
los über das Völkerrecht ſowie über die Intereſſen anderer Staaten
hinwegſetzt, ſobald ſie ſich davon Vorteile verſpricht, ja, andere
Völker in dieſem Falle unbedenklich der Freiheit beraubt.



Zenſur und Zeitungsredaktion.

Zu dieſem Thema bringt die Kölniſche Zeitung folgende ſehr
berechtigte Ausführungen, deren Wiedergabe in der Tagespreſſe ſo-
wohl im Intereſſe der Zenſurbehörden wie der Aufklärung des
Publikums
erwünſcht erſcheint:

Nur wenige Zeitungsleſer werden ſich darüber klar ſein, welche
beſondern Schwierigkeiten der Krieg für die redaktionelle Herſtellung
der Zeitungen mit ſich bringt. Der Leſer denkt vermutlich, daß die
Zuſammenſtellung einer Zeitung in dieſer Zeit, da eine intereſſante
Nachricht der andern folgt, beſonders leicht und einfach ſei. Dem iſt
jedoch nicht ſo. Der Weg vom Ereignis bis in die Spalten der Zei-
tung iſt aus verſchiedenen Gründen in Kriegszeiten beſonders
ſchwierig. In dem Augenblick der Mobilmachung tritt gebieteriſch
eine Notwendigkeit ein, der ſich alle Rückſichten auf die Preſſe und
die Leſer unterzuordnen haben; zu verhüten, daß auch nur der ge-
ringſte Aufſchluß über den Aufmarſch ins feindliche Ausland gelangt.
Im weitern Verlauf des Krieges tritt die Notwendigkeit hinzu, alles
zu verheimlichen, was dem Feinde auch nur den geringſten Anhalt
über die Abſichten der Heeres- und Marineleitung geben könnte.
Kurz geſagt, es darf nichts bekannt werden, was die Erfüllung der
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muß zuerſt erfüllt ſein, ehe das Publikum durch die Preſſe über die
Vorgänge im Kampfgebiet unterrichtet werden kann. Noch mehr als
ſonſt gilt jetzt der Satz, daß die Tat wichtiger iſt als das Wort, und
daß das Wort, das die Tat beeinträchtigen könnte, unterdrückt wer-
den muß.

Was nun die offizielle Berichterſtattung unſerer Heeres- und
Marineleitung betrifft, ſo war ſie von Anfang an von dem Grund-
ſatz geleitet, daß man nichts mitteilen werde, was nicht bis ins
kleinſte hinein richtig iſt. Dieſem Grundſatz iſt unſere Heeres- und
Marineleitung in muſterhafter Weiſe gefolgt. Knapp, ſachlich, den
leiſeſten Schein von Phraſe vermeidend, eher zurückhaltend als auch
nur im geringſten etwas als erreicht hinſtellend, was nicht ganz ab-
geſchloſſen vorlag, ſo hat ſie im Lapidarſtil das deutſche Volk unter-
richtet. Von Anfang an war geplant geweſen, öfter einmal aus-
führlich, zuſammenfaſſend zu berichten. Der ſtürmiſche Sieges-
lauf unſerer Truppen hat das unmöglich gemacht. Das Bild ändert
ſich immer wieder. Es kam ſo unaufhaltſam Neues, daß jeder
ſammelnde Rückblick unmöglich wurde. Solange unſer Feldheer
ſo unaufhaltſam vordringt, muß es bei der knappen Berichterſtat-
tung bleiben. Das wird das Publikum verſtehen.

Was nun die übrigen Mitteilungen der Zeitung betrifft, ſo
unterliegen ſie einer notwendigen, ſorgfältigen Zenſur. So ſorg-
fältig auch die Redaktionen ſelbſt prüfen, manches iſt im Werden,
das auch der beſtunterrichteten Redaktion unter den heutigen Ver-
hältniſſen nicht bekannt ſein kann, mancher Faden iſt angeknüpft,
den unter den jetzigen Umſtänden der Zeitungsmann noch nicht
ſieht. Die Redaktionen ordnen ſich der Notwendigkeit der Prü-
fung ihres Materials um der Sache willen gern unter, und ſie
nehmen es in Kauf, daß dieſe Prüfung die Veröffentlichung der
Nachrichten verzögert, da den Zenſurſtellen in Berlin und in der
Provinz unendlich viel Material durch die Hände geht. Mancher
intereſſante Bericht, manches wichtige Telegramm kann aus den
geſchilderten Erwägungen nicht veröffentlicht werden. Wir
möchten aber an dieſer Stelle die mit der ſchwierigen Aufgabe
der Ueberwachung der Preſſe betrauten Zenſurbehörden bitten,
die gewaltigen Schwierigkeiten zu berückſichtigen, welche die Zei-
tungen zu überwinden haben, denen in ihrem Betriebe nun plötz-
lich ſolche ſie auf Schritt und Tritt hemmenden Beſchränkungen
auferlegt ſind. Dieſe Schwierigkeiten wachſen mit der Größe
des Zeitungsbetriebs und der Fülle des dem Blatte zuſtrömenden
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[653/0009] 7. November 1914. Allgemeine Zeitung nationalen Denkens und Empfindens zur Löſung bringen. Jeder Staat ſoll auch für ſeine Frauen und die Geſtaltung ihrer Exiſtenz, ihres Berufes und ihrer Geltung im Staate aufkommen, ſo gut wie für ſeine geiſtigen und wirtſchaftlichen Arbeiter. Die Rolle, welche jedes Volk ſeinen Frauen zuweiſt, beruht viel zu ſehr auf eigen- artigen Volksüberzeugungen religiöſer, ſittlicher und wirtſchaftlich- ſozialer Natur, als daß ſie bei der Verſchiedenheit dieſer Ueber- zeugungen in den einzelnen Völkern durch internationales Zuſam- menarbeiten beſtimmt werden könnte, wie leider viele Frauenvereine wähnen. Der Krieg hat enthüllt, daß ſolche Hoffnungen auf inter- nationale Löſung der wichtigſten menſchlichen Probleme nur Träume geweſen ſind. Der harte Realismus des engliſchen Den- kens hat ſo manchen Traum jählings vernichtet, den die deutſche Gutgläubigkeit für Wahrheit nahm. Die Zukunft gehört den Völkern von ſtarkem nationalem Selbſtbewußtſein. Sie gehört nicht denen, die alle völkiſchen Unterſchiede ausgleichen und ver- wiſchen möchten. Militarismus. Der neueſte Köder, mit dem Staatsmänner und andere Poli- tiker Englands krebſen gehen, iſt das Schlagwort „Militarismus“. Nicht die deutſche Nation zu vernichten, ſagen ſie, ſei der Zweck des gegenwärtigen Krieges, ſondern uns und die ganze Welt von dem unerträglichen Druck des preußiſch-deutſchen Militarismus zu be- freien. Man ſollte kaum glauben, daß ſo ein plumper Verſuch, die öffentliche Meinung über die Ziele der engliſchen Kriegführung irre zu führen, Erfolg haben könnte. Wenn ihm die Abſicht zu- grunde liegen ſollte, die Kraft Deutſchlands durch Wiedererweckung früherer Parteigegenſätze zu lähmen, ſo werden die Intriganten heute ſchon wiſſen, wie ſehr ſie den geſunden geiſtigen Kern der deutſchen Nation unterſchätzt haben. Und ſelbſt in ihrem eigenen Lande ſcheint ihre Idee nicht allgemeinen Anklang zu finden, denn in der Morningpoſt vom 20. Oktober d. J. begegnen wir dem Aus- ſpruch: „Das abſurde Geſchwätz, daß dieſer Krieg nur dem Mili- tarismus gelte, muß unterdrückt werden.“ Sonach könnten wir die Sache auf ſich beruhen laſſen, wenn nicht beachtenswerte Stimmen des Auslandes erkennen ließen, daß dort die betrügeriſche Vorſpiegelung vielfach ihren Zweck zu er- reichen droht. Das iſt, wie der Gen. d. Inf. z. D., v. Blume, in der Kreuz-Zeitung mit Recht ſagt, nicht zum geringen Teil eine Folge davon, daß wir bisher zu wenig, weit weniger als andere Nationen, darauf bedacht geweſen ſind, unſer Licht auch in der Fremde leuchten zu laſſen, daß wir die oft kleinlichen, aber not- wendigen Mittel zur Erzielung einer gerechten Würdigung unſeres Volkscharakters, unſerer Inſtitutionen und unſerer Leiſtungen ver- ſchmäht und dadurch unſeren Widerſachern freie Hand zu unſerer Verunglimpfung gelaſſen haben. Infolgedeſſen unterliegen auch unſere Wehrverfaſſung und unſer Heerweſen in nicht wenigen Ländern, beſonders in ſolchen, in denen demokratiſche Anſchauungen vorherrſchen, abfälliger Beurteilung unter Verwertung von Schlag- wörtern wie Militarismus, Sklavendienſt, Kadavergehorſam uſw., während man bei näherer Bekanntſchaft mit ihnen erkennen würde, eine wie ſtarke und volkstümliche Schutzwehr und wie wertvolle Bildungsmittel wir ihnen verdanken. Und auch darüber, wie unſere Wehrverfaſſung, unſer Heer und unſere Marine ſich im jetzigen Kriege bewähren, gelangen infolge unſerer unzulänglichen Beziehungen zum Auslande faſt nur die Lügenberichte unſerer Gegner dorthin. Dieſe für uns ungünſtigen Umſtände ſuchen nun die Draht- zieher jenſeits des Kanals, die die Gefahren der Verteidigung ihres Landes und ſeiner Intereſſen nach Art des dunklen Mittelalters Söldnern überlaſſen, zu benutzen, um in der angegebenen Weiſe die Welt darüber zu täuſchen, daß für ſie lediglich Herrſch- und ſchnöde Gewinnſucht die Triebfedern zu dem gegenwärtigen Kriege ſind. Daß ſie lediglich den Zweck verfolgen, die Menſchheit von dem angeblichen Druck des Militarismus zu befreien, kann ihnen nur der glauben, der den Pferdefuß nicht ſieht, der aus ihren Verſicherungen herausguckt. Wenn ſie ehrlich erklärten, daß ſie es auf Vernichtung der deutſchen Wehrkraft abgeſehen haben, ſo ließe ſich dagegen wenigſtens inſoferne nichts ſagen, als das Ziel jeder ernſten Kriegführung darin beſteht, die Wehrkraft des Geg- ners und dadurch ſeinen politiſchen Willen zu brechen. Aber da- neben zu verkünden, man habe nur das Wohl der Menſchheit und auch das des feindlichen Landes im Auge, indem man ſie von einem ſchweren Druck befreien wolle, iſt eine Heuchelei, deren ſich Männer nicht ſchuldig machen ſollten. Es iſt überdies eine Dor- heit, wenn ſolcher Verſuch von Staatsmännern der Macht unter- nommen wird, die unverfroren die Alleinherrſchaft auf dem Meere für ſich in Anſpruch nimmt und ſich bei ihrer Ausübung rückſichts- los über das Völkerrecht ſowie über die Intereſſen anderer Staaten hinwegſetzt, ſobald ſie ſich davon Vorteile verſpricht, ja, andere Völker in dieſem Falle unbedenklich der Freiheit beraubt. Zenſur und Zeitungsredaktion. Zu dieſem Thema bringt die Kölniſche Zeitung folgende ſehr berechtigte Ausführungen, deren Wiedergabe in der Tagespreſſe ſo- wohl im Intereſſe der Zenſurbehörden wie der Aufklärung des Publikums erwünſcht erſcheint: Nur wenige Zeitungsleſer werden ſich darüber klar ſein, welche beſondern Schwierigkeiten der Krieg für die redaktionelle Herſtellung der Zeitungen mit ſich bringt. Der Leſer denkt vermutlich, daß die Zuſammenſtellung einer Zeitung in dieſer Zeit, da eine intereſſante Nachricht der andern folgt, beſonders leicht und einfach ſei. Dem iſt jedoch nicht ſo. Der Weg vom Ereignis bis in die Spalten der Zei- tung iſt aus verſchiedenen Gründen in Kriegszeiten beſonders ſchwierig. In dem Augenblick der Mobilmachung tritt gebieteriſch eine Notwendigkeit ein, der ſich alle Rückſichten auf die Preſſe und die Leſer unterzuordnen haben; zu verhüten, daß auch nur der ge- ringſte Aufſchluß über den Aufmarſch ins feindliche Ausland gelangt. Im weitern Verlauf des Krieges tritt die Notwendigkeit hinzu, alles zu verheimlichen, was dem Feinde auch nur den geringſten Anhalt über die Abſichten der Heeres- und Marineleitung geben könnte. Kurz geſagt, es darf nichts bekannt werden, was die Erfüllung der gewaltigen Aufgabe irgendwie ſchädigen könnte. Dieſe Bedingung muß zuerſt erfüllt ſein, ehe das Publikum durch die Preſſe über die Vorgänge im Kampfgebiet unterrichtet werden kann. Noch mehr als ſonſt gilt jetzt der Satz, daß die Tat wichtiger iſt als das Wort, und daß das Wort, das die Tat beeinträchtigen könnte, unterdrückt wer- den muß. Was nun die offizielle Berichterſtattung unſerer Heeres- und Marineleitung betrifft, ſo war ſie von Anfang an von dem Grund- ſatz geleitet, daß man nichts mitteilen werde, was nicht bis ins kleinſte hinein richtig iſt. Dieſem Grundſatz iſt unſere Heeres- und Marineleitung in muſterhafter Weiſe gefolgt. Knapp, ſachlich, den leiſeſten Schein von Phraſe vermeidend, eher zurückhaltend als auch nur im geringſten etwas als erreicht hinſtellend, was nicht ganz ab- geſchloſſen vorlag, ſo hat ſie im Lapidarſtil das deutſche Volk unter- richtet. Von Anfang an war geplant geweſen, öfter einmal aus- führlich, zuſammenfaſſend zu berichten. Der ſtürmiſche Sieges- lauf unſerer Truppen hat das unmöglich gemacht. Das Bild ändert ſich immer wieder. Es kam ſo unaufhaltſam Neues, daß jeder ſammelnde Rückblick unmöglich wurde. Solange unſer Feldheer ſo unaufhaltſam vordringt, muß es bei der knappen Berichterſtat- tung bleiben. Das wird das Publikum verſtehen. Was nun die übrigen Mitteilungen der Zeitung betrifft, ſo unterliegen ſie einer notwendigen, ſorgfältigen Zenſur. So ſorg- fältig auch die Redaktionen ſelbſt prüfen, manches iſt im Werden, das auch der beſtunterrichteten Redaktion unter den heutigen Ver- hältniſſen nicht bekannt ſein kann, mancher Faden iſt angeknüpft, den unter den jetzigen Umſtänden der Zeitungsmann noch nicht ſieht. Die Redaktionen ordnen ſich der Notwendigkeit der Prü- fung ihres Materials um der Sache willen gern unter, und ſie nehmen es in Kauf, daß dieſe Prüfung die Veröffentlichung der Nachrichten verzögert, da den Zenſurſtellen in Berlin und in der Provinz unendlich viel Material durch die Hände geht. Mancher intereſſante Bericht, manches wichtige Telegramm kann aus den geſchilderten Erwägungen nicht veröffentlicht werden. Wir möchten aber an dieſer Stelle die mit der ſchwierigen Aufgabe der Ueberwachung der Preſſe betrauten Zenſurbehörden bitten, die gewaltigen Schwierigkeiten zu berückſichtigen, welche die Zei- tungen zu überwinden haben, denen in ihrem Betriebe nun plötz- lich ſolche ſie auf Schritt und Tritt hemmenden Beſchränkungen auferlegt ſind. Dieſe Schwierigkeiten wachſen mit der Größe des Zeitungsbetriebs und der Fülle des dem Blatte zuſtrömenden Stoffes ins Unabſehbare, und ſie ſind bis zu einem gewiſſen Grade unüberwindlich, weil die Beantwortung der Frage, ob

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-04-27T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 45, 7. November 1914, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine45_1914/9>, abgerufen am 23.11.2024.