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Allgemeine Zeitung, Nr. 46, 15. Februar 1871.

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[Spaltenumbruch] wegung festhalten und fortbilden, als bereits die Reaction durch das Mi-
nisterium Dalwigk ihren Einzug gehalten. Das verzieh dieses nicht; die
Bureaukratie wollte ihre Macht beweisen, und was kümmert sie die Blüthe
der Universität? Was bedurfte es der Philosophie und Literatur um ge-
fügige Beamte zu erziehen? Hillebrand ward aus seinem besten Wirken
durch die Pensionirung 1850 herausgerissen. Bald darauf verließen Liebig,
Bischoff, Kopp, G. Bauer, Ihering und andere die Universität, welche
früher in dem Zusammenwirken solcher Männer ein Anziehungspunkt für
die auswärtigen Kräfte gewesen war.

Die Stadt Mainz wählte Hillebrand zum Deputirten, aber wer es
noch nicht wußte, der lernte es jetzt durch die Erfahrung: daß in der Klein-
staaterei die Freiheit nicht gesichert war, daß wir vor allem ein Volk und
Staat werden mußten; ex unitate libertas! Hillebrand wollte wenig-
stens retten was zu retten war, er mühte in vergeblichem Kampfe sich ab,
und zog sich dann nach Rödelheim, nach Soden zurück, wo er ohne die An-
regung der Universität und der aufstrebenden Jugend wohl allzu früh ein
bloß beschauliches Leben führte und auch nicht mehr in die Literatur mit
seinem geistvollen Wort eingreifen mochte. Aber er bewahrte dem voran-
schreitenden Leben seine warme Theilnahme. Und so war es ihm vergönnt
den Sieg des deutschen Geistes und der deutschen Waffen in der Grün-
dung des nationalen Staats mitanzusehen, und er konnte mit dem Bewußt-
sein scheiden daß auch er einen guten Kampf gekämpft und dem Ideal der
Jugend die Treue bewahrt habe.



Neueste Posten.

Sitzung der Kammer der Abgeord-
neten.
Am Ministertische sämmtliche Minister. Der den Vorsitz führende
zweite Präsident Graf Seinsheim gibt das kgl. Rescript bekannt welches
den Landtag bis zum 15 d. M. verlängert, widmet dem inzwischen ver-
storbenen Abgg. Nonkarz einen ehrenden Nachruf, bemerkt ferner daß an
Stelle der verstorbenen, resp. ausgetretenen Abg. Ronkarz, F. X. Schmid,
Wiesnet, Engelb. Weiß, v. Freyberg und Häring die Ersatzmänner ein-
berufen wurden. Von diesen ist Bürgermeister Spukner von Kemnath und
Prof. Daller anwesend, die beide beeidigt wurden. Die Kammer geneh-
migt sodann das Austrittsgesuch des Abg. Höchstätter. Der Präsident
bringt zur Kenntniß der Kammer daß das Justizministerium die Revision
des Strafprocesses zurückgezogen, das Handelsministerium zwei Gesetzent-
würfe (über Erbauung der Vicinalbahn von Holzkirchen nach Tölz und
Legung eines Doppelgeleises auf der Bahnlinie Untersteinach-Neumarkt-Hof)
vorgelegt hat. Mit Bezug auf Art. 4 der Reichsverfassung haben die Abg.
Adler und Genossen ihren Antrag auf Einführung von Lagerscheinen etc. zurück-
gezogen. Hierauf erhielt das Wort der k. Staatsminister v. Lutz, um die
Interpellation des Abg. Mahr wegen der Jesuitenmissionen zu beantworten.
Der Hr. Minister führte zuvörderst im allgemeinen aus daß die bestehenden
Vorschriften, welche die jetzige Regierung aufrecht erhält, aus Abneigung
der damaligen Regierung gegen die Jesuiten entsprungen seien. Der
Minister verweist auf die Regierung König Ludwigs I, insbesondere zur
Zeit des Ministeriums Abel, welcher, obwohl doch ganz gewiß der katyo-
lischen Kirche sehr gewogen, die Erlaubniß zur Gründung von Jesuiten-
klöstern oder zur Berufung von Jesuiten zu seelsorgerlichen Zwecken nie
ertheilen wollte, da er nur solche Orden welche von jeher von allen politi-
schen Tendenzen sich ferngehalten, in Bayern haben wollte. Selbst Mis-
sionen anderer Orden ließ König Ludwig I, wegen der dabei sich heraus-
stellenden Mißstände, nur ausnahmsweise zu. Die Ministerialentschlie-
ßungen von 1851 und 1852, über welche sich der Abg. Mahr beschwere,
seien aber nicht einmal so weit gegangen, indem sie Jesuitenmissionen nicht
absolut ausschließen, sondern bedingungsweise erlauben, und die Praxis
ergebe daß in den letzten 19 Jahren jährlich im Durchschnitt 7 Jesuiten-
missionen abgehalten wurden, und daß die Fälle in welchen sie nicht bewilligt
wurden die weitaus kleinere Zahl bilden. Da der Interpellant sich über
das unbehinderte Auftreten freireligiöser Prediger beschwert hatte, so gab
der Minister zu daß allerdings die anerkannten Kirchen in Bayern gewissen
Beschränkungen durch die Staatsgewalt unterworfen sind, dafür aber
auch eine Reihe von weit bedeutenderen Vorrechten genießen, welche
den nicht anerkannten Religionsgesellschaften nicht zustehen, während
letztere eben im allgemeinen wie jede andere Privatgesellschaft be-
handelt werden. Wolle man absolute Gleichheit in dieser Beziehung,
dann müsse man consequent völlige Trennung der Kirche vom Staat
verlangen; damit werde aber der weitaus größte Theil des katholischen
Volkes nicht einverstanden sein. Der Minister legte dann dar daß die
vom Interpellanten angefochtenen Ministerial-Entschließungen nicht bloß
innerhalb der Verfassung sich halten, sondern sogar von dem durch diese der
Regierung eingeräumten Rechte des Verbietens außerordentlicher Kirchen-
feierlichkeiten noch einen sehr milden Gebrauch machten. Deßhalb beant-
worte er die sämmtlichen vom Interpellanten gestellten Anfragen (ob die
Regierung die bezeichneten Entschließungen aufheben, und Missionen die
von den kirchlichen Obern gewünscht werden, fortan kein Hinderniß
in den Weg legen werde) mit "Nein!" Abg. Mahr hievon nicht befrie-
digt, behält sich weiteren Antrag vor. Abg. Frhr. v. Stauffenberg
erstattet sodann kurzen Vortrag über den Gesetzentwurf welcher die metri-
[Spaltenumbruch] schen Maße in das dießrheinische Malzaufschlagswesen vom 1 Jan. 1872
einführen soll, und empfiehlt dessen Annahme mit der von der Staatsregie-
rung nachträglich vorgeschlagenen Modification zu Art. 1, welche dann
auch einstimmig (142 Votanten) erfolgte. An die Reihe kam hierauf der
Entwurf eines Finanzgesetzes für die X. Finanzperiode (1870 und 1871),
worüber Abg. G. F. Kolb Namens des zweiten Ausschusses kurz Vortrag
erstattete. Finanzminister v. Pfretzschner erklärte Namens der Re-
gierung, wie schon im Ausschuß, daß auch beim Vollzug des gegenwärtigen
Gesetzes die Staatsregierung die bei den Ausschußberathungen von ihr zu-
gestandenen Ermäßigungen des Etatsgesetzes als für sich maßgebend er-
achte. Abg. Greil: Er bedauere den gegenwärtigen Zustand, der eine so ab-
norme Erledigung des Budgets nöthig mache, müsse aber erläutern wie
es so gekommen sei. Gleich beim Wiederzusammentritt der Kammer am
10 December habe er die Vollendung der Ausschußberathungen über das
Budget betrieben; aus welchem Grunde darauf nicht eingegangen worden
wisse er nicht, wohl aber daß die Budgetberathung auch im Plenum jetzt
schon ganz gut beendet sein könnte, wenn damals seiner Anregung stattge-
geben worden wäre. Abg. Dr. Völk weist an dem schleppenden Gang
der dießmaligen Budgetarbeiten nach, wie nothwendig die von ihm und
seinen Freunden beantragte Verbesserung der Geschäftsordnung sei:
bei dieser Geschäftsordnung werde man selbst bei angestrengtester Arbeit
nie ein Budget rechtzeitig fertig bringen. Er frage daher die königliche
Staatsregierung weßhalb sie, trotz der Anträge beider Kammern, nichts ge-
than habe der Kammer in dieser Richtung die verlangte Vorlage zu machen?
Der Minister des Innern v. Braun erklärt daß der Entwurf bereits aus-
gearbeitet sei und dem nächsten Landtag werde vorgelegt werden. Abg.
Kolb: Er wisse zwar nicht was den früheren Vorstand des Ausschusses
bewog Greils Anregung nicht statt zu geben, er glaube aber es
sei geschehen weil damals wichtige Ereignisse alles in Spannung
hielten. Hiemit ist die allgemeine Discussion geschlossen. In der
speciellen Discussion werden §§. 1--5 des vom Ausschuß in Ueberein-
stimmung mit dem k. Staatsminister der Finanzen entworfenen Finanz-
gesetzes ohne Debatte angenommen. Zu §. 6 wurde ein Antrag der Abgg.
Grafen v. Fugger-Blumenthal und Ponschab angenommen: für einen
Landgerichts-Neubau in Schrobenhausen noch 28,000 fl. einzustellen.
Minister v. Lutz erklärt: daß von der für Neubauten im Ressort des Cultus-
ministeriums geforderten Summe schon 155,000 fl. ausgegeben sind, weil
die betreffenden Ausgaben auf Grund privatrechtlicher Verbindlichkeiten
gemacht werden mußten. Brandenburg begnügt sich nicht mit der all-
gemeinen Versicherung daß unter den 762,200 fl. des Cultusministeriums
sich 400,000 fl. befinden die auf Grund privatrechtlicher Verbindlichkeiten
ausgegeben werden müssen, und macht auch verschiedene Ausstellungen
bezüglich der für die Münchener Thierarzneischule geforderten 30,000 fl.
Abg. v. Schenk regt die Aufbesserung der Lehrergehalte wenigstens für die
nächste Finanzperiode an. Minister v. Lutz sagt eine entsprechende Berücksich-
tigung der Lehrer bei Aufstellung des künftigen Budgets zu; daß in dieser Pe-
riode nichts geschehen konnte, bedauere er sehr. Auf Antrag des Abg. Eckert,
die für den Bau einer Straße von der neuen Brücke in Bamberg zum Bahnhof
eingesetzten 40,000 fl. zu streichen, gieng die Kammer nach einer längeren
Debatte mit 67 gegen 67 Stimmen ein, indem bei Stimmengleichheit die
mindere Summe als genehmigt erschien. Der Antrag bezüglich des Land-
gerichtsgebäudes in Schrobenhausen wurde mit 71 gegen 63 Stimmen an-
genommen. Der Antrag des Abg. Brandenburg, die 30,000 fl. für die Cen-
tralthierarzneischule zu streichen, wurde abgelehnt. Mit Ausnahme der
genannten Positionen wurde §. 6 unverändert angenommen. Fortsetzung
der Berathung über das Finanzgesetz morgen.

Gestern starb dahier im 86sten Jahr ein vor
und nach der Revolution von 1830 vielgenannter belgischer Staatsmann,
Baron v. Gerlache. Seine politische Thätigkeit endigte schon 1832, wo
er zum Präsidenten des Cassationshofs ernannt wurde, welche Stellung
er bis zu seiner Quiescirung im Jahre 1869 bekleidete. Nur 1839 war
er für kurze Zeit wieder auf die politische Schaubühne getreten, indem er
damals den Auftrag übernahm bei der Londoner Conferenz die Vorschläge
zu einer pecuniären Ausgleichung des Territorialstreits mit Holland zu
vertheidigen. Jm luxemburgischen Weiler Biourge 1785 geboren, begann
er 1806 seine juristische Laufbahn als Advocat in Paris, ließ sich aber
1818 nach der Bildung des Königreichs der Niederlande in Lüttich nieder,
wo er 1824 in die zweite Kammer der Generalstaaten gewählt, und 1825
zum Appellationsgerichtsrath ernannt wurde. Als Deputirter gehörte er
zur gemäßigten Opposition und, obgleich der streng katholischen Richtung
angehörend, trat er den Unionsbestrebungen bei welche die Revolution
vorbereiteten. Nach dem Ausbruch der letzteren wurde er in die Verfas-
sungscommission und in den Nationalcongreß gewählt, wo er gegen die
Ausschließung der oranischen Dynastie stimmte. Nach der Ernennung
Surlet de Chokier's zum Regenten Belgiens, wurde Gerlache Präsident
des Congresses; in dieser Eigenschaft nahm er im Juli 1831 Leopold I den
Eid auf die Verfassung ab. Sowohl im ersten Ministerium der Regent-
schaft, als in dem des Königs präsidirte er ohne Portefeuille dem Minister-
rath. Auch bei dem ersten Landtag 1831 bis 32 hatte er den Vorsitz.
Baron de Gerlache hat sich gleichfalls als historischer Schriftsteller bemerk-

[Spaltenumbruch] wegung feſthalten und fortbilden, als bereits die Reaction durch das Mi-
niſterium Dalwigk ihren Einzug gehalten. Das verzieh dieſes nicht; die
Bureaukratie wollte ihre Macht beweiſen, und was kümmert ſie die Blüthe
der Univerſität? Was bedurfte es der Philoſophie und Literatur um ge-
fügige Beamte zu erziehen? Hillebrand ward aus ſeinem beſten Wirken
durch die Penſionirung 1850 herausgeriſſen. Bald darauf verließen Liebig,
Biſchoff, Kopp, G. Bauer, Ihering und andere die Univerſität, welche
früher in dem Zuſammenwirken ſolcher Männer ein Anziehungspunkt für
die auswärtigen Kräfte geweſen war.

Die Stadt Mainz wählte Hillebrand zum Deputirten, aber wer es
noch nicht wußte, der lernte es jetzt durch die Erfahrung: daß in der Klein-
ſtaaterei die Freiheit nicht geſichert war, daß wir vor allem ein Volk und
Staat werden mußten; ex unitate libertas! Hillebrand wollte wenig-
ſtens retten was zu retten war, er mühte in vergeblichem Kampfe ſich ab,
und zog ſich dann nach Rödelheim, nach Soden zurück, wo er ohne die An-
regung der Univerſität und der aufſtrebenden Jugend wohl allzu früh ein
bloß beſchauliches Leben führte und auch nicht mehr in die Literatur mit
ſeinem geiſtvollen Wort eingreifen mochte. Aber er bewahrte dem voran-
ſchreitenden Leben ſeine warme Theilnahme. Und ſo war es ihm vergönnt
den Sieg des deutſchen Geiſtes und der deutſchen Waffen in der Grün-
dung des nationalen Staats mitanzuſehen, und er konnte mit dem Bewußt-
ſein ſcheiden daß auch er einen guten Kampf gekämpft und dem Ideal der
Jugend die Treue bewahrt habe.



Neueſte Poſten.

Sitzung der Kammer der Abgeord-
neten.
Am Miniſtertiſche ſämmtliche Miniſter. Der den Vorſitz führende
zweite Präſident Graf Seinsheim gibt das kgl. Reſcript bekannt welches
den Landtag bis zum 15 d. M. verlängert, widmet dem inzwiſchen ver-
ſtorbenen Abgg. Nonkarz einen ehrenden Nachruf, bemerkt ferner daß an
Stelle der verſtorbenen, reſp. ausgetretenen Abg. Ronkarz, F. X. Schmid,
Wiesnet, Engelb. Weiß, v. Freyberg und Häring die Erſatzmänner ein-
berufen wurden. Von dieſen iſt Bürgermeiſter Spukner von Kemnath und
Prof. Daller anweſend, die beide beeidigt wurden. Die Kammer geneh-
migt ſodann das Austrittsgeſuch des Abg. Höchſtätter. Der Präſident
bringt zur Kenntniß der Kammer daß das Juſtizminiſterium die Reviſion
des Strafproceſſes zurückgezogen, das Handelsminiſterium zwei Geſetzent-
würfe (über Erbauung der Vicinalbahn von Holzkirchen nach Tölz und
Legung eines Doppelgeleiſes auf der Bahnlinie Unterſteinach-Neumarkt-Hof)
vorgelegt hat. Mit Bezug auf Art. 4 der Reichsverfaſſung haben die Abg.
Adler und Genoſſen ihren Antrag auf Einführung von Lagerſcheinen ꝛc. zurück-
gezogen. Hierauf erhielt das Wort der k. Staatsminiſter v. Lutz, um die
Interpellation des Abg. Mahr wegen der Jeſuitenmiſſionen zu beantworten.
Der Hr. Miniſter führte zuvörderſt im allgemeinen aus daß die beſtehenden
Vorſchriften, welche die jetzige Regierung aufrecht erhält, aus Abneigung
der damaligen Regierung gegen die Jeſuiten entſprungen ſeien. Der
Miniſter verweist auf die Regierung König Ludwigs I, insbeſondere zur
Zeit des Miniſteriums Abel, welcher, obwohl doch ganz gewiß der katyo-
liſchen Kirche ſehr gewogen, die Erlaubniß zur Gründung von Jeſuiten-
klöſtern oder zur Berufung von Jeſuiten zu ſeelſorgerlichen Zwecken nie
ertheilen wollte, da er nur ſolche Orden welche von jeher von allen politi-
ſchen Tendenzen ſich ferngehalten, in Bayern haben wollte. Selbſt Miſ-
ſionen anderer Orden ließ König Ludwig I, wegen der dabei ſich heraus-
ſtellenden Mißſtände, nur ausnahmsweiſe zu. Die Miniſterialentſchlie-
ßungen von 1851 und 1852, über welche ſich der Abg. Mahr beſchwere,
ſeien aber nicht einmal ſo weit gegangen, indem ſie Jeſuitenmiſſionen nicht
abſolut ausſchließen, ſondern bedingungsweiſe erlauben, und die Praxis
ergebe daß in den letzten 19 Jahren jährlich im Durchſchnitt 7 Jeſuiten-
miſſionen abgehalten wurden, und daß die Fälle in welchen ſie nicht bewilligt
wurden die weitaus kleinere Zahl bilden. Da der Interpellant ſich über
das unbehinderte Auftreten freireligiöſer Prediger beſchwert hatte, ſo gab
der Miniſter zu daß allerdings die anerkannten Kirchen in Bayern gewiſſen
Beſchränkungen durch die Staatsgewalt unterworfen ſind, dafür aber
auch eine Reihe von weit bedeutenderen Vorrechten genießen, welche
den nicht anerkannten Religionsgeſellſchaften nicht zuſtehen, während
letztere eben im allgemeinen wie jede andere Privatgeſellſchaft be-
handelt werden. Wolle man abſolute Gleichheit in dieſer Beziehung,
dann müſſe man conſequent völlige Trennung der Kirche vom Staat
verlangen; damit werde aber der weitaus größte Theil des katholiſchen
Volkes nicht einverſtanden ſein. Der Miniſter legte dann dar daß die
vom Interpellanten angefochtenen Miniſterial-Entſchließungen nicht bloß
innerhalb der Verfaſſung ſich halten, ſondern ſogar von dem durch dieſe der
Regierung eingeräumten Rechte des Verbietens außerordentlicher Kirchen-
feierlichkeiten noch einen ſehr milden Gebrauch machten. Deßhalb beant-
worte er die ſämmtlichen vom Interpellanten geſtellten Anfragen (ob die
Regierung die bezeichneten Entſchließungen aufheben, und Miſſionen die
von den kirchlichen Obern gewünſcht werden, fortan kein Hinderniß
in den Weg legen werde) mit „Nein!“ Abg. Mahr hievon nicht befrie-
digt, behält ſich weiteren Antrag vor. Abg. Frhr. v. Stauffenberg
erſtattet ſodann kurzen Vortrag über den Geſetzentwurf welcher die metri-
[Spaltenumbruch] ſchen Maße in das dießrheiniſche Malzaufſchlagsweſen vom 1 Jan. 1872
einführen ſoll, und empfiehlt deſſen Annahme mit der von der Staatsregie-
rung nachträglich vorgeſchlagenen Modification zu Art. 1, welche dann
auch einſtimmig (142 Votanten) erfolgte. An die Reihe kam hierauf der
Entwurf eines Finanzgeſetzes für die X. Finanzperiode (1870 und 1871),
worüber Abg. G. F. Kolb Namens des zweiten Ausſchuſſes kurz Vortrag
erſtattete. Finanzminiſter v. Pfretzſchner erklärte Namens der Re-
gierung, wie ſchon im Ausſchuß, daß auch beim Vollzug des gegenwärtigen
Geſetzes die Staatsregierung die bei den Ausſchußberathungen von ihr zu-
geſtandenen Ermäßigungen des Etatsgeſetzes als für ſich maßgebend er-
achte. Abg. Greil: Er bedauere den gegenwärtigen Zuſtand, der eine ſo ab-
norme Erledigung des Budgets nöthig mache, müſſe aber erläutern wie
es ſo gekommen ſei. Gleich beim Wiederzuſammentritt der Kammer am
10 December habe er die Vollendung der Ausſchußberathungen über das
Budget betrieben; aus welchem Grunde darauf nicht eingegangen worden
wiſſe er nicht, wohl aber daß die Budgetberathung auch im Plenum jetzt
ſchon ganz gut beendet ſein könnte, wenn damals ſeiner Anregung ſtattge-
geben worden wäre. Abg. Dr. Völk weist an dem ſchleppenden Gang
der dießmaligen Budgetarbeiten nach, wie nothwendig die von ihm und
ſeinen Freunden beantragte Verbeſſerung der Geſchäftsordnung ſei:
bei dieſer Geſchäftsordnung werde man ſelbſt bei angeſtrengteſter Arbeit
nie ein Budget rechtzeitig fertig bringen. Er frage daher die königliche
Staatsregierung weßhalb ſie, trotz der Anträge beider Kammern, nichts ge-
than habe der Kammer in dieſer Richtung die verlangte Vorlage zu machen?
Der Miniſter des Innern v. Braun erklärt daß der Entwurf bereits aus-
gearbeitet ſei und dem nächſten Landtag werde vorgelegt werden. Abg.
Kolb: Er wiſſe zwar nicht was den früheren Vorſtand des Ausſchuſſes
bewog Greils Anregung nicht ſtatt zu geben, er glaube aber es
ſei geſchehen weil damals wichtige Ereigniſſe alles in Spannung
hielten. Hiemit iſt die allgemeine Discuſſion geſchloſſen. In der
ſpeciellen Discuſſion werden §§. 1—5 des vom Ausſchuß in Ueberein-
ſtimmung mit dem k. Staatsminiſter der Finanzen entworfenen Finanz-
geſetzes ohne Debatte angenommen. Zu §. 6 wurde ein Antrag der Abgg.
Grafen v. Fugger-Blumenthal und Ponſchab angenommen: für einen
Landgerichts-Neubau in Schrobenhauſen noch 28,000 fl. einzuſtellen.
Miniſter v. Lutz erklärt: daß von der für Neubauten im Reſſort des Cultus-
miniſteriums geforderten Summe ſchon 155,000 fl. ausgegeben ſind, weil
die betreffenden Ausgaben auf Grund privatrechtlicher Verbindlichkeiten
gemacht werden mußten. Brandenburg begnügt ſich nicht mit der all-
gemeinen Verſicherung daß unter den 762,200 fl. des Cultusminiſteriums
ſich 400,000 fl. befinden die auf Grund privatrechtlicher Verbindlichkeiten
ausgegeben werden müſſen, und macht auch verſchiedene Ausſtellungen
bezüglich der für die Münchener Thierarzneiſchule geforderten 30,000 fl.
Abg. v. Schenk regt die Aufbeſſerung der Lehrergehalte wenigſtens für die
nächſte Finanzperiode an. Miniſter v. Lutz ſagt eine entſprechende Berückſich-
tigung der Lehrer bei Aufſtellung des künftigen Budgets zu; daß in dieſer Pe-
riode nichts geſchehen konnte, bedauere er ſehr. Auf Antrag des Abg. Eckert,
die für den Bau einer Straße von der neuen Brücke in Bamberg zum Bahnhof
eingeſetzten 40,000 fl. zu ſtreichen, gieng die Kammer nach einer längeren
Debatte mit 67 gegen 67 Stimmen ein, indem bei Stimmengleichheit die
mindere Summe als genehmigt erſchien. Der Antrag bezüglich des Land-
gerichtsgebäudes in Schrobenhauſen wurde mit 71 gegen 63 Stimmen an-
genommen. Der Antrag des Abg. Brandenburg, die 30,000 fl. für die Cen-
tralthierarzneiſchule zu ſtreichen, wurde abgelehnt. Mit Ausnahme der
genannten Poſitionen wurde §. 6 unverändert angenommen. Fortſetzung
der Berathung über das Finanzgeſetz morgen.

Geſtern ſtarb dahier im 86ſten Jahr ein vor
und nach der Revolution von 1830 vielgenannter belgiſcher Staatsmann,
Baron v. Gerlache. Seine politiſche Thätigkeit endigte ſchon 1832, wo
er zum Präſidenten des Caſſationshofs ernannt wurde, welche Stellung
er bis zu ſeiner Quieſcirung im Jahre 1869 bekleidete. Nur 1839 war
er für kurze Zeit wieder auf die politiſche Schaubühne getreten, indem er
damals den Auftrag übernahm bei der Londoner Conferenz die Vorſchläge
zu einer pecuniären Ausgleichung des Territorialſtreits mit Holland zu
vertheidigen. Jm luxemburgiſchen Weiler Biourge 1785 geboren, begann
er 1806 ſeine juriſtiſche Laufbahn als Advocat in Paris, ließ ſich aber
1818 nach der Bildung des Königreichs der Niederlande in Lüttich nieder,
wo er 1824 in die zweite Kammer der Generalſtaaten gewählt, und 1825
zum Appellationsgerichtsrath ernannt wurde. Als Deputirter gehörte er
zur gemäßigten Oppoſition und, obgleich der ſtreng katholiſchen Richtung
angehörend, trat er den Unionsbeſtrebungen bei welche die Revolution
vorbereiteten. Nach dem Ausbruch der letzteren wurde er in die Verfaſ-
ſungscommiſſion und in den Nationalcongreß gewählt, wo er gegen die
Ausſchließung der oraniſchen Dynaſtie ſtimmte. Nach der Ernennung
Surlet de Chokier’s zum Regenten Belgiens, wurde Gerlache Präſident
des Congreſſes; in dieſer Eigenſchaft nahm er im Juli 1831 Leopold I den
Eid auf die Verfaſſung ab. Sowohl im erſten Miniſterium der Regent-
ſchaft, als in dem des Königs präſidirte er ohne Portefeuille dem Miniſter-
rath. Auch bei dem erſten Landtag 1831 bis 32 hatte er den Vorſitz.
Baron de Gerlache hat ſich gleichfalls als hiſtoriſcher Schriftſteller bemerk-

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[772/0012] wegung feſthalten und fortbilden, als bereits die Reaction durch das Mi- niſterium Dalwigk ihren Einzug gehalten. Das verzieh dieſes nicht; die Bureaukratie wollte ihre Macht beweiſen, und was kümmert ſie die Blüthe der Univerſität? Was bedurfte es der Philoſophie und Literatur um ge- fügige Beamte zu erziehen? Hillebrand ward aus ſeinem beſten Wirken durch die Penſionirung 1850 herausgeriſſen. Bald darauf verließen Liebig, Biſchoff, Kopp, G. Bauer, Ihering und andere die Univerſität, welche früher in dem Zuſammenwirken ſolcher Männer ein Anziehungspunkt für die auswärtigen Kräfte geweſen war. Die Stadt Mainz wählte Hillebrand zum Deputirten, aber wer es noch nicht wußte, der lernte es jetzt durch die Erfahrung: daß in der Klein- ſtaaterei die Freiheit nicht geſichert war, daß wir vor allem ein Volk und Staat werden mußten; ex unitate libertas! Hillebrand wollte wenig- ſtens retten was zu retten war, er mühte in vergeblichem Kampfe ſich ab, und zog ſich dann nach Rödelheim, nach Soden zurück, wo er ohne die An- regung der Univerſität und der aufſtrebenden Jugend wohl allzu früh ein bloß beſchauliches Leben führte und auch nicht mehr in die Literatur mit ſeinem geiſtvollen Wort eingreifen mochte. Aber er bewahrte dem voran- ſchreitenden Leben ſeine warme Theilnahme. Und ſo war es ihm vergönnt den Sieg des deutſchen Geiſtes und der deutſchen Waffen in der Grün- dung des nationalen Staats mitanzuſehen, und er konnte mit dem Bewußt- ſein ſcheiden daß auch er einen guten Kampf gekämpft und dem Ideal der Jugend die Treue bewahrt habe. Neueſte Poſten. ⊥ München, 14 Febr. Sitzung der Kammer der Abgeord- neten. Am Miniſtertiſche ſämmtliche Miniſter. Der den Vorſitz führende zweite Präſident Graf Seinsheim gibt das kgl. Reſcript bekannt welches den Landtag bis zum 15 d. M. verlängert, widmet dem inzwiſchen ver- ſtorbenen Abgg. Nonkarz einen ehrenden Nachruf, bemerkt ferner daß an Stelle der verſtorbenen, reſp. ausgetretenen Abg. Ronkarz, F. X. Schmid, Wiesnet, Engelb. Weiß, v. Freyberg und Häring die Erſatzmänner ein- berufen wurden. Von dieſen iſt Bürgermeiſter Spukner von Kemnath und Prof. Daller anweſend, die beide beeidigt wurden. Die Kammer geneh- migt ſodann das Austrittsgeſuch des Abg. Höchſtätter. Der Präſident bringt zur Kenntniß der Kammer daß das Juſtizminiſterium die Reviſion des Strafproceſſes zurückgezogen, das Handelsminiſterium zwei Geſetzent- würfe (über Erbauung der Vicinalbahn von Holzkirchen nach Tölz und Legung eines Doppelgeleiſes auf der Bahnlinie Unterſteinach-Neumarkt-Hof) vorgelegt hat. Mit Bezug auf Art. 4 der Reichsverfaſſung haben die Abg. Adler und Genoſſen ihren Antrag auf Einführung von Lagerſcheinen ꝛc. zurück- gezogen. Hierauf erhielt das Wort der k. Staatsminiſter v. Lutz, um die Interpellation des Abg. Mahr wegen der Jeſuitenmiſſionen zu beantworten. Der Hr. Miniſter führte zuvörderſt im allgemeinen aus daß die beſtehenden Vorſchriften, welche die jetzige Regierung aufrecht erhält, aus Abneigung der damaligen Regierung gegen die Jeſuiten entſprungen ſeien. Der Miniſter verweist auf die Regierung König Ludwigs I, insbeſondere zur Zeit des Miniſteriums Abel, welcher, obwohl doch ganz gewiß der katyo- liſchen Kirche ſehr gewogen, die Erlaubniß zur Gründung von Jeſuiten- klöſtern oder zur Berufung von Jeſuiten zu ſeelſorgerlichen Zwecken nie ertheilen wollte, da er nur ſolche Orden welche von jeher von allen politi- ſchen Tendenzen ſich ferngehalten, in Bayern haben wollte. Selbſt Miſ- ſionen anderer Orden ließ König Ludwig I, wegen der dabei ſich heraus- ſtellenden Mißſtände, nur ausnahmsweiſe zu. Die Miniſterialentſchlie- ßungen von 1851 und 1852, über welche ſich der Abg. Mahr beſchwere, ſeien aber nicht einmal ſo weit gegangen, indem ſie Jeſuitenmiſſionen nicht abſolut ausſchließen, ſondern bedingungsweiſe erlauben, und die Praxis ergebe daß in den letzten 19 Jahren jährlich im Durchſchnitt 7 Jeſuiten- miſſionen abgehalten wurden, und daß die Fälle in welchen ſie nicht bewilligt wurden die weitaus kleinere Zahl bilden. Da der Interpellant ſich über das unbehinderte Auftreten freireligiöſer Prediger beſchwert hatte, ſo gab der Miniſter zu daß allerdings die anerkannten Kirchen in Bayern gewiſſen Beſchränkungen durch die Staatsgewalt unterworfen ſind, dafür aber auch eine Reihe von weit bedeutenderen Vorrechten genießen, welche den nicht anerkannten Religionsgeſellſchaften nicht zuſtehen, während letztere eben im allgemeinen wie jede andere Privatgeſellſchaft be- handelt werden. Wolle man abſolute Gleichheit in dieſer Beziehung, dann müſſe man conſequent völlige Trennung der Kirche vom Staat verlangen; damit werde aber der weitaus größte Theil des katholiſchen Volkes nicht einverſtanden ſein. Der Miniſter legte dann dar daß die vom Interpellanten angefochtenen Miniſterial-Entſchließungen nicht bloß innerhalb der Verfaſſung ſich halten, ſondern ſogar von dem durch dieſe der Regierung eingeräumten Rechte des Verbietens außerordentlicher Kirchen- feierlichkeiten noch einen ſehr milden Gebrauch machten. Deßhalb beant- worte er die ſämmtlichen vom Interpellanten geſtellten Anfragen (ob die Regierung die bezeichneten Entſchließungen aufheben, und Miſſionen die von den kirchlichen Obern gewünſcht werden, fortan kein Hinderniß in den Weg legen werde) mit „Nein!“ Abg. Mahr hievon nicht befrie- digt, behält ſich weiteren Antrag vor. Abg. Frhr. v. Stauffenberg erſtattet ſodann kurzen Vortrag über den Geſetzentwurf welcher die metri- ſchen Maße in das dießrheiniſche Malzaufſchlagsweſen vom 1 Jan. 1872 einführen ſoll, und empfiehlt deſſen Annahme mit der von der Staatsregie- rung nachträglich vorgeſchlagenen Modification zu Art. 1, welche dann auch einſtimmig (142 Votanten) erfolgte. An die Reihe kam hierauf der Entwurf eines Finanzgeſetzes für die X. Finanzperiode (1870 und 1871), worüber Abg. G. F. Kolb Namens des zweiten Ausſchuſſes kurz Vortrag erſtattete. Finanzminiſter v. Pfretzſchner erklärte Namens der Re- gierung, wie ſchon im Ausſchuß, daß auch beim Vollzug des gegenwärtigen Geſetzes die Staatsregierung die bei den Ausſchußberathungen von ihr zu- geſtandenen Ermäßigungen des Etatsgeſetzes als für ſich maßgebend er- achte. Abg. Greil: Er bedauere den gegenwärtigen Zuſtand, der eine ſo ab- norme Erledigung des Budgets nöthig mache, müſſe aber erläutern wie es ſo gekommen ſei. Gleich beim Wiederzuſammentritt der Kammer am 10 December habe er die Vollendung der Ausſchußberathungen über das Budget betrieben; aus welchem Grunde darauf nicht eingegangen worden wiſſe er nicht, wohl aber daß die Budgetberathung auch im Plenum jetzt ſchon ganz gut beendet ſein könnte, wenn damals ſeiner Anregung ſtattge- geben worden wäre. Abg. Dr. Völk weist an dem ſchleppenden Gang der dießmaligen Budgetarbeiten nach, wie nothwendig die von ihm und ſeinen Freunden beantragte Verbeſſerung der Geſchäftsordnung ſei: bei dieſer Geſchäftsordnung werde man ſelbſt bei angeſtrengteſter Arbeit nie ein Budget rechtzeitig fertig bringen. Er frage daher die königliche Staatsregierung weßhalb ſie, trotz der Anträge beider Kammern, nichts ge- than habe der Kammer in dieſer Richtung die verlangte Vorlage zu machen? Der Miniſter des Innern v. Braun erklärt daß der Entwurf bereits aus- gearbeitet ſei und dem nächſten Landtag werde vorgelegt werden. Abg. Kolb: Er wiſſe zwar nicht was den früheren Vorſtand des Ausſchuſſes bewog Greils Anregung nicht ſtatt zu geben, er glaube aber es ſei geſchehen weil damals wichtige Ereigniſſe alles in Spannung hielten. Hiemit iſt die allgemeine Discuſſion geſchloſſen. In der ſpeciellen Discuſſion werden §§. 1—5 des vom Ausſchuß in Ueberein- ſtimmung mit dem k. Staatsminiſter der Finanzen entworfenen Finanz- geſetzes ohne Debatte angenommen. Zu §. 6 wurde ein Antrag der Abgg. Grafen v. Fugger-Blumenthal und Ponſchab angenommen: für einen Landgerichts-Neubau in Schrobenhauſen noch 28,000 fl. einzuſtellen. Miniſter v. Lutz erklärt: daß von der für Neubauten im Reſſort des Cultus- miniſteriums geforderten Summe ſchon 155,000 fl. ausgegeben ſind, weil die betreffenden Ausgaben auf Grund privatrechtlicher Verbindlichkeiten gemacht werden mußten. Brandenburg begnügt ſich nicht mit der all- gemeinen Verſicherung daß unter den 762,200 fl. des Cultusminiſteriums ſich 400,000 fl. befinden die auf Grund privatrechtlicher Verbindlichkeiten ausgegeben werden müſſen, und macht auch verſchiedene Ausſtellungen bezüglich der für die Münchener Thierarzneiſchule geforderten 30,000 fl. Abg. v. Schenk regt die Aufbeſſerung der Lehrergehalte wenigſtens für die nächſte Finanzperiode an. Miniſter v. Lutz ſagt eine entſprechende Berückſich- tigung der Lehrer bei Aufſtellung des künftigen Budgets zu; daß in dieſer Pe- riode nichts geſchehen konnte, bedauere er ſehr. Auf Antrag des Abg. Eckert, die für den Bau einer Straße von der neuen Brücke in Bamberg zum Bahnhof eingeſetzten 40,000 fl. zu ſtreichen, gieng die Kammer nach einer längeren Debatte mit 67 gegen 67 Stimmen ein, indem bei Stimmengleichheit die mindere Summe als genehmigt erſchien. Der Antrag bezüglich des Land- gerichtsgebäudes in Schrobenhauſen wurde mit 71 gegen 63 Stimmen an- genommen. Der Antrag des Abg. Brandenburg, die 30,000 fl. für die Cen- tralthierarzneiſchule zu ſtreichen, wurde abgelehnt. Mit Ausnahme der genannten Poſitionen wurde §. 6 unverändert angenommen. Fortſetzung der Berathung über das Finanzgeſetz morgen. ✺ Bruffel, 12 Febr. Geſtern ſtarb dahier im 86ſten Jahr ein vor und nach der Revolution von 1830 vielgenannter belgiſcher Staatsmann, Baron v. Gerlache. Seine politiſche Thätigkeit endigte ſchon 1832, wo er zum Präſidenten des Caſſationshofs ernannt wurde, welche Stellung er bis zu ſeiner Quieſcirung im Jahre 1869 bekleidete. Nur 1839 war er für kurze Zeit wieder auf die politiſche Schaubühne getreten, indem er damals den Auftrag übernahm bei der Londoner Conferenz die Vorſchläge zu einer pecuniären Ausgleichung des Territorialſtreits mit Holland zu vertheidigen. Jm luxemburgiſchen Weiler Biourge 1785 geboren, begann er 1806 ſeine juriſtiſche Laufbahn als Advocat in Paris, ließ ſich aber 1818 nach der Bildung des Königreichs der Niederlande in Lüttich nieder, wo er 1824 in die zweite Kammer der Generalſtaaten gewählt, und 1825 zum Appellationsgerichtsrath ernannt wurde. Als Deputirter gehörte er zur gemäßigten Oppoſition und, obgleich der ſtreng katholiſchen Richtung angehörend, trat er den Unionsbeſtrebungen bei welche die Revolution vorbereiteten. Nach dem Ausbruch der letzteren wurde er in die Verfaſ- ſungscommiſſion und in den Nationalcongreß gewählt, wo er gegen die Ausſchließung der oraniſchen Dynaſtie ſtimmte. Nach der Ernennung Surlet de Chokier’s zum Regenten Belgiens, wurde Gerlache Präſident des Congreſſes; in dieſer Eigenſchaft nahm er im Juli 1831 Leopold I den Eid auf die Verfaſſung ab. Sowohl im erſten Miniſterium der Regent- ſchaft, als in dem des Königs präſidirte er ohne Portefeuille dem Miniſter- rath. Auch bei dem erſten Landtag 1831 bis 32 hatte er den Vorſitz. Baron de Gerlache hat ſich gleichfalls als hiſtoriſcher Schriftſteller bemerk-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 46, 15. Februar 1871, S. 772. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine46_1871/12>, abgerufen am 01.06.2024.