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Allgemeine Zeitung, Nr. 46, 15. Februar 1871.

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[Spaltenumbruch] unter französischen Unterofficieren, und sowohl im Einzelnen als Ganzen
unter eidgenössischen Befehl gestellt; die Officiere ohne Zusammenhang
mit der Mannschaft, jene auf Ehrenwort, diese überwacht; alle wohl ge-
nährt, erträglich besoldet, neu beschuht, mit Leibwäsche versehen, mit
Ober- und Unterkleidern für die Winterszeit ausgerüstet; mehr als 6000
Verwundete und Kranke in guten und reinlichen Betten unter der Pflege
der schweizerischen Aerzte. -- Woher die Verschiedenheit jener Zahl gegen
die sechzigtausend und einige Hunderte welche ich Ihnen nach den amtlichen
Aufnahmen meldete? Weil viele Tausende aus der Umgegend militärische
Abzeichen nahmen und sich dem französischen Heer anschlossen, um dem
Hungertode zu entgehen. Diese flüchteten dann mit den Gaben an Geld,
Schuhen und Lebensmitteln wieder nach Hause, und zeigten auch andern
ihrer Volksgenossen die Heimwege nach Frankreich. Das Wachtdienstper-
sonal genügte z. B. bei Balaigues nicht, wo ein Bataillon Schweizer fünf-
undzwanzigtausend Mann entwaffnen mußte. -- Die Klagen über zwei
Drittheile der Officiere und die Mehrzahl der französischen Aerzte ertönen
noch immer fort: haben Sie einen Begriff davon daß, während die männ-
liche und weibliche Bevölkerung der Schweiz bis in die tiefe Nacht arbeitet,
kocht und Lager hereitet für die Kranken und Verwundeten, diese französi-
schen Aerzte Mühewaltung und Praxis ablehnen, mit der Ausrede: "Wir
haben seit der Internirung keinen Dienst mehr." Wenn der Gerechte sich
des Viehs, seines Viehs wenigstens erbarmt, so mußten den französischen
Pferden andere, d. h. die Schweizer helfen; denn die Bourbakiner trugen
den verhungernden Thieren das Heu und den Hafer nicht eine Strecke von
zwanzig Minuten weit! Daneben liegt uns die Ernährung der Nachbarn
ob; seit eben dem Verhandlungstag zwischen Sieber und Clinchant (Kaiser
Karlstag) 28 Jan., wo unsere ersten sechs zweispännigen Wagen nach Mont-
beliard abgiengen, senden wir in steigemdem Grade für die unglückselige Be-
völkerung täglich Brod, Neis, Fleisch und Branntwein; wir empfehlen diese
Aermsten dem Mitleiden Deutschlands, welches sich in den wackern
Wiesenthalern hülfreich erwies.

* Hr. v. Wickede schildert in der "Köln. Ztg." herzzerreißende Scenen
aus der Umgegend von Montbeltard, die er etwa eine Woche nach dem
Rückzuge Bourbaki's besuchte. Wir entnehmen diesem Berichte:

"Mit dem
äußersten Muthe der Verzweiflung haben die französischen Soldaten gegen
unsere Batterien angestürmt, und die Hälfte von ihnen ist stets gefallen
gewesen, bevor die andern sich zum Rückzug entschlossen. Wir haben in
allen diesen Kämpfen hier, bei denen unsere Artillerie stets den Haupt-
ausschlag gab, verhältnißmäßig nur sehr geringe Verluste gehabt; die
französischen Todten und Verwundeten zählen aber nach vielen Tausenden.
Und nun denke man sich das Schicksal dieser armen Opfer des Krieges, die
ohne Aerzte, Hospitaleinrichtungen, Verpflegung, hülflos in eisig kalter
Winterzeit dort liegen bleiben mußten wo sie gerade gefallen waren. Die
deutschen Aerzte und Krankenpfleger haben jetzt gethan was in ihren
Kräften stand um sich auch der Franzosen anzunehmen, allein es gieng
nicht, deren Zahl war zu groß, ihre Hülfe aber war wie ein Tropfen
Wasser auf einen heißen Stein. Unsere eigenen nachrückenden Truppen
litten in diesen vollständig verheerten Gegenden selbst schon Mangel, und
man hat zuletzt absichtlich keine französischen Gefangenen mehr gemacht,
weil man keine Möglichkeit mehr sah solche auch nur halbwegs zu ernähren.
Da sind viele Hunderte von französischen Verwundeten und Marodeurs
elend aus Kälte und Hunger und Mangel an jeglicher Hülfe zu Grunde
gegangen, und selbst bei dem Rückzug aus Rußland kann es nicht grausiger
gewesen sein als es jetzt hier ist. Unbegrabene bereits in Fäulniß über-
gegangene Leichen liegen in den Gebüschen noch zahllos umher, und mir
wurde zuletzt fast übel, so wirkte diese Atmosphäre der Verwesung und
Fäulniß, die ich unaufhörlich einathmete, auf mich ein. Was die mensch-
liche Natur aber auszuhalten vermag, davon erlebte ich hier ein rechtes
Beispiel. Unweit Montbeliard fanden mein Begleiter, ein badischer Arzt,
und ich in einem total zusammengeschossenen Häuschen 7 bis 8 todte
Franzosen liegen, die alle schon in die größte Verwesung übergegangen
waren. Und mitten zwischen ihnen lag ein noch lebender Verwundeter,
der mit schwacher Stimme um Hülfe wimmerte. Wir zogen den Unglück-
lichen mit Mühe zwischen allen diesen Leichen hervor und trugen ihn in
das Freie. Es war ein blutjunges Bürschlein von kaum 17 Jahren, ein
Student aus Avignon, wie er uns mit schwacher Stimme erzählte. Eine
preußische Granate hatte ihm beide Füße unterhalb des Kniees arg zer-
rissen. In dieser Lage hatte er sieben, sage sieben volle Tage, ohne verbunden
zu sein, ohne Speise und Trank, gänzlich hülflos und verlassen zwischen
allen diesen Leichen hier in diesem Häuschen gelegen. Er hatte sich seine
Wunden selbst mit Fetzen von Uniformstücken verbunden, und die Kälte
hatte das Verbluten verhindert. Auf dem Bauche rutschend, war er müh-
sam in der Kammer umhergekrochen und hatte in den Taschen der Leichen
noch einige harte Zwiebackkrumen gefunden, die ihm als Nahrung dienten,
während er seinen brennenden Durst mit dem Schnee stillte, der durch die
zertrümmerten Fenster reichlich fiel. So hatte er eine volle Woche, wie
er uns mit kaum vernehmbarer Stimme mittheilte, zugebracht. Man hat
den Unglücklichen jetzt in die Schweiz transportirt, und der Arzt meint: es
sei möglich daß er noch gerettet werden könne. -- Das Fleisch gefallener
Pferde bildet jetzt die beste Nahrung der Einwohner in allen diesen Ge-
[Spaltenumbruch] genden, so viel überhaupt noch davon vorhanden sind, und ich sah selbst
daß ein Haufe halbverhungerter Frauen wie ein Rudel gieriger Wölfe
über ein am Wege liegendes todtes Pferd, das bei dem plötzlich eingetre-
tenen Thauwetter schon zu riechen anfieng, herstürzte, das Fleisch mit
allen möglichen scharfen Instrumenten auseinander riß, und es nun so, wie
es war, heißhungrig verschlang. Man hat mir erzählt, doch will ich
dieß nicht verbürgen, daß die Leute schon aus Hunger Menschenfleisch ge-
gessen haben. Es ist alles so grausig und gräßlich hier, daß jede Beschrei-
bung doch nicht das erreicht was man stündlich sehen muß. Es ist dieß
der achte Feldzug dem ich beiwohne, aber weder in Algerien noch im Orient,
in Italien oder Böhmen, noch gar in Schleswig-Holstein sah ich jemals
die Hälfte von dem Elend das meine Augen in den letzten 24 Stunden
fast unausgesetzt sehen mußten. Wer diese Scenen alle mit durchgemacht
hat und den Krieg nicht verflucht, und für sich den Schwur thut alles und
jegliches Mittel, das nur immerhin in seinen Kräften steht, anzuwenden
daß die Kriege fernerhin zu den Unmöglichkeiten gehören, der trägt statt
des menschlich fühlenden Herzens bloß einen Fleischklumpen in seiner Brust,
und wenn er sich einen Christen zu nennen wagt, so schändet er diesen
hohen Namen."

Der Commandant von Langres hat bekanntlich Einspruch gegen
den Waffenstillstand erhoben, und Bestätigung der ihm von deutscher Seite
gemachten Anzeige durch eine chiffrirte Depesche der Pariser Regierung
verlangt. Es wird der "National-Zeitung" darüber folgendes nähere ge-
schrieben: Chaumont, 2 Febr. Seit zwei Tagen glaubten wir uns der
Waffenruhe erfreuen zu können. Aber heut' ist uns durch einen von hier
abgesandten Parlamentär die Anzeige des Commandanten von Langres
geworden daß er sich in den Waffenstillstand nicht einbegriffen erachte, da
er über bedeutende Truppenmassen verfüge. Und zwar soll er die Zahl
auf etwa 20,000 Mann angegeben haben, was kaum übertrieben sein
mag; denn es ist Thatsache daß die Stellung der verheiratheten Leute bis
zu 40 Jahren in Folge der letzten "Levee" in Langres äußerst umfangreich
gewesen ist. Es stehen französischerseits von Langres her allein an 2000
Mann gegen Chaumont auf Vorposten. Danach würde im Departement
der Haute Marne der Krieg vorläufig seinen Lauf nehmen. In Langres
commandirt seit Arbelots Rücktritt der General Meyere, ein fanatischer
Republicaner, dessen unausgesetzte Wirksamkeit im ganzen Departement,
selbst in den von uns besetzten Theilen, nicht zu verkennen ist. Feldge-
schütze sind bei Langres nur wenige. Von dem zahlreichen Festungsge-
schütz soll aber keines über 800 Meter weit tragen. -- Am 28 Jan.
haben Husaren des 4. Reserveregiments die Feldpost von Langres nach St.
Diziers, Ave, Chaumont etc. abgefangen. Briefe von größerer Wichtigkeit
waren allerdings nicht darunter; aber es geht aus ihnen hervor daß sich
nahe an 3000 Garibaldiner in Langres befinden, deren Aufgabe es sein
soll gegen Chaumont zu operiren. Außerdem erzählen diese Briefe daß
die Straßen der Festung vom Jammer der Frauen erfüllt seien die ihren
in großer Zahl einberufenen Männern folgten. Ferner wird erzählt daß
bis zum 1 Jan. 1600 Mann der Besatzung an den Pocken gestorben seien.

Die Capitulationsconvention der Festung Longwy ist bisher in der
deutschen Presse nicht vollständig zur Oeffentlichkeit gelangt. So möge
sie noch nachträglich hier Platz finden:

"Der unterzeichnete Befehlshaber
des Belagerungscorps vor Longwy, Oberst v. Krenski, schließt mit dem
unterzeichneten Commandanten, Oberstlieutenant Massaroli, in Folge der
ihm von demselben gemachten Eröffnung und angesichts der tapfern mit
großer Energie geleiteten Vertheidigung der Festungsbesatzung gegen eine
überlegene Macht nachstehende Capitulation ab: Art. 1. Am 25 Jan.
1871 um 12 Uhr Mittags verläßt die Garnison von Longwy die Festung
und sämmtliche dazu gehörige Werke ohne Waffen, und marschiert durch die
Porte de France nach dem Glacis vor der Bastion VI. Gleichzeitig wird
von den preußischen Truppen die Porte de France und die Porte de Bour-
gogne besetzt. Die mit Beaufsichtigung der Zeughäuser und Magazine jeder
Art beauftragten französischen Officiere und Beamten verbleiben in der
Festung zur unmittelbaren Uebergabe der Bestände an die betreffenden
preußischen Officiere und Beamten. Art. 2. Die gesammte Garnison mit
alleiniger Ausnahme der aus Einwohnern der Stadt Longwy bestehenden
Nationalgarde und der Pompiers ist kriegsgefangen, und wird sofort nach
Deutschland abmarschieren. Den Officieren ist, unter der Bedingung daß sie
sich auf Ehrenwort verpflichten Longwy nicht zu verlassen, gestattet vom
Glacis der Bastion VI zur Regelung ihrer Privatverhältnisse nochmals
nach der Festung zurückzukehren. Art. 3. Der unterzeichnete Festungs-
commandant verpflichtet sich jeden Entweichungsversuch von Officieren
und Mannschaften bis zum Ausmarsch der Garnison zu verhindern. Die
bei derartigen Versuchen Betroffenen sind von der Capitulation ausge-
schlossen. Die Militärärzte und das gesammte Hospitalpersonal werden der
Genfer Convention gemäß behandelt. Art. 4. Die Mannschaften behal-
ten ihr Gepäck, die Officiere ihr Privateigenthum jeder Art, sowie ihre
Diener. Das zurückbleibende Privateigenthum der Officiere wird sicher
gestellt. Art. 5. Der unterzeichnete Festungscommandant verpflichtet sich
ausdrücklich die Fortificationen, sämmtliches Kriegsmaterial, Pferde,
Fahnen und Vorräthe aller Art, sowie sämmtliche Staatscassen genau in
demselben Zustand übergeben zu lassen in welchem sie sich gegenwärtig
befinden. Die während der Belagerung den preußischen Truppen abge-
nommenen Pferde sind in natura zurückzugeben oder mit a 1000 Fr. zu
vergüten. Ein Officier der Besatzung wird dem unterzeichneten Oberst am

[Spaltenumbruch] unter franzöſiſchen Unterofficieren, und ſowohl im Einzelnen als Ganzen
unter eidgenöſſiſchen Befehl geſtellt; die Officiere ohne Zuſammenhang
mit der Mannſchaft, jene auf Ehrenwort, dieſe überwacht; alle wohl ge-
nährt, erträglich beſoldet, neu beſchuht, mit Leibwäſche verſehen, mit
Ober- und Unterkleidern für die Winterszeit ausgerüſtet; mehr als 6000
Verwundete und Kranke in guten und reinlichen Betten unter der Pflege
der ſchweizeriſchen Aerzte. — Woher die Verſchiedenheit jener Zahl gegen
die ſechzigtauſend und einige Hunderte welche ich Ihnen nach den amtlichen
Aufnahmen meldete? Weil viele Tauſende aus der Umgegend militäriſche
Abzeichen nahmen und ſich dem franzöſiſchen Heer anſchloſſen, um dem
Hungertode zu entgehen. Dieſe flüchteten dann mit den Gaben an Geld,
Schuhen und Lebensmitteln wieder nach Hauſe, und zeigten auch andern
ihrer Volksgenoſſen die Heimwege nach Frankreich. Das Wachtdienſtper-
ſonal genügte z. B. bei Balaigues nicht, wo ein Bataillon Schweizer fünf-
undzwanzigtauſend Mann entwaffnen mußte. — Die Klagen über zwei
Drittheile der Officiere und die Mehrzahl der franzöſiſchen Aerzte ertönen
noch immer fort: haben Sie einen Begriff davon daß, während die männ-
liche und weibliche Bevölkerung der Schweiz bis in die tiefe Nacht arbeitet,
kocht und Lager hereitet für die Kranken und Verwundeten, dieſe franzöſi-
ſchen Aerzte Mühewaltung und Praxis ablehnen, mit der Ausrede: „Wir
haben ſeit der Internirung keinen Dienſt mehr.“ Wenn der Gerechte ſich
des Viehs, ſeines Viehs wenigſtens erbarmt, ſo mußten den franzöſiſchen
Pferden andere, d. h. die Schweizer helfen; denn die Bourbakiner trugen
den verhungernden Thieren das Heu und den Hafer nicht eine Strecke von
zwanzig Minuten weit! Daneben liegt uns die Ernährung der Nachbarn
ob; ſeit eben dem Verhandlungstag zwiſchen Sieber und Clinchant (Kaiſer
Karlstag) 28 Jan., wo unſere erſten ſechs zweiſpännigen Wagen nach Mont-
béliard abgiengen, ſenden wir in ſteigemdem Grade für die unglückſelige Be-
völkerung täglich Brod, Neis, Fleiſch und Branntwein; wir empfehlen dieſe
Aermſten dem Mitleiden Deutſchlands, welches ſich in den wackern
Wieſenthalern hülfreich erwies.

* Hr. v. Wickede ſchildert in der „Köln. Ztg.“ herzzerreißende Scenen
aus der Umgegend von Montbéltard, die er etwa eine Woche nach dem
Rückzuge Bourbaki’s beſuchte. Wir entnehmen dieſem Berichte:

„Mit dem
äußerſten Muthe der Verzweiflung haben die franzöſiſchen Soldaten gegen
unſere Batterien angeſtürmt, und die Hälfte von ihnen iſt ſtets gefallen
geweſen, bevor die andern ſich zum Rückzug entſchloſſen. Wir haben in
allen dieſen Kämpfen hier, bei denen unſere Artillerie ſtets den Haupt-
ausſchlag gab, verhältnißmäßig nur ſehr geringe Verluſte gehabt; die
franzöſiſchen Todten und Verwundeten zählen aber nach vielen Tauſenden.
Und nun denke man ſich das Schickſal dieſer armen Opfer des Krieges, die
ohne Aerzte, Hoſpitaleinrichtungen, Verpflegung, hülflos in eiſig kalter
Winterzeit dort liegen bleiben mußten wo ſie gerade gefallen waren. Die
deutſchen Aerzte und Krankenpfleger haben jetzt gethan was in ihren
Kräften ſtand um ſich auch der Franzoſen anzunehmen, allein es gieng
nicht, deren Zahl war zu groß, ihre Hülfe aber war wie ein Tropfen
Waſſer auf einen heißen Stein. Unſere eigenen nachrückenden Truppen
litten in dieſen vollſtändig verheerten Gegenden ſelbſt ſchon Mangel, und
man hat zuletzt abſichtlich keine franzöſiſchen Gefangenen mehr gemacht,
weil man keine Möglichkeit mehr ſah ſolche auch nur halbwegs zu ernähren.
Da ſind viele Hunderte von franzöſiſchen Verwundeten und Marodeurs
elend aus Kälte und Hunger und Mangel an jeglicher Hülfe zu Grunde
gegangen, und ſelbſt bei dem Rückzug aus Rußland kann es nicht grauſiger
geweſen ſein als es jetzt hier iſt. Unbegrabene bereits in Fäulniß über-
gegangene Leichen liegen in den Gebüſchen noch zahllos umher, und mir
wurde zuletzt faſt übel, ſo wirkte dieſe Atmoſphäre der Verweſung und
Fäulniß, die ich unaufhörlich einathmete, auf mich ein. Was die menſch-
liche Natur aber auszuhalten vermag, davon erlebte ich hier ein rechtes
Beiſpiel. Unweit Montbéliard fanden mein Begleiter, ein badiſcher Arzt,
und ich in einem total zuſammengeſchoſſenen Häuschen 7 bis 8 todte
Franzoſen liegen, die alle ſchon in die größte Verweſung übergegangen
waren. Und mitten zwiſchen ihnen lag ein noch lebender Verwundeter,
der mit ſchwacher Stimme um Hülfe wimmerte. Wir zogen den Unglück-
lichen mit Mühe zwiſchen allen dieſen Leichen hervor und trugen ihn in
das Freie. Es war ein blutjunges Bürſchlein von kaum 17 Jahren, ein
Student aus Avignon, wie er uns mit ſchwacher Stimme erzählte. Eine
preußiſche Granate hatte ihm beide Füße unterhalb des Kniees arg zer-
riſſen. In dieſer Lage hatte er ſieben, ſage ſieben volle Tage, ohne verbunden
zu ſein, ohne Speiſe und Trank, gänzlich hülflos und verlaſſen zwiſchen
allen dieſen Leichen hier in dieſem Häuschen gelegen. Er hatte ſich ſeine
Wunden ſelbſt mit Fetzen von Uniformſtücken verbunden, und die Kälte
hatte das Verbluten verhindert. Auf dem Bauche rutſchend, war er müh-
ſam in der Kammer umhergekrochen und hatte in den Taſchen der Leichen
noch einige harte Zwiebackkrumen gefunden, die ihm als Nahrung dienten,
während er ſeinen brennenden Durſt mit dem Schnee ſtillte, der durch die
zertrümmerten Fenſter reichlich fiel. So hatte er eine volle Woche, wie
er uns mit kaum vernehmbarer Stimme mittheilte, zugebracht. Man hat
den Unglücklichen jetzt in die Schweiz transportirt, und der Arzt meint: es
ſei möglich daß er noch gerettet werden könne. — Das Fleiſch gefallener
Pferde bildet jetzt die beſte Nahrung der Einwohner in allen dieſen Ge-
[Spaltenumbruch] genden, ſo viel überhaupt noch davon vorhanden ſind, und ich ſah ſelbſt
daß ein Haufe halbverhungerter Frauen wie ein Rudel gieriger Wölfe
über ein am Wege liegendes todtes Pferd, das bei dem plötzlich eingetre-
tenen Thauwetter ſchon zu riechen anfieng, herſtürzte, das Fleiſch mit
allen möglichen ſcharfen Inſtrumenten auseinander riß, und es nun ſo, wie
es war, heißhungrig verſchlang. Man hat mir erzählt, doch will ich
dieß nicht verbürgen, daß die Leute ſchon aus Hunger Menſchenfleiſch ge-
geſſen haben. Es iſt alles ſo grauſig und gräßlich hier, daß jede Beſchrei-
bung doch nicht das erreicht was man ſtündlich ſehen muß. Es iſt dieß
der achte Feldzug dem ich beiwohne, aber weder in Algerien noch im Orient,
in Italien oder Böhmen, noch gar in Schleswig-Holſtein ſah ich jemals
die Hälfte von dem Elend das meine Augen in den letzten 24 Stunden
faſt unausgeſetzt ſehen mußten. Wer dieſe Scenen alle mit durchgemacht
hat und den Krieg nicht verflucht, und für ſich den Schwur thut alles und
jegliches Mittel, das nur immerhin in ſeinen Kräften ſteht, anzuwenden
daß die Kriege fernerhin zu den Unmöglichkeiten gehören, der trägt ſtatt
des menſchlich fühlenden Herzens bloß einen Fleiſchklumpen in ſeiner Bruſt,
und wenn er ſich einen Chriſten zu nennen wagt, ſo ſchändet er dieſen
hohen Namen.“

Der Commandant von Langres hat bekanntlich Einſpruch gegen
den Waffenſtillſtand erhoben, und Beſtätigung der ihm von deutſcher Seite
gemachten Anzeige durch eine chiffrirte Depeſche der Pariſer Regierung
verlangt. Es wird der „National-Zeitung“ darüber folgendes nähere ge-
ſchrieben: Chaumont, 2 Febr. Seit zwei Tagen glaubten wir uns der
Waffenruhe erfreuen zu können. Aber heut’ iſt uns durch einen von hier
abgeſandten Parlamentär die Anzeige des Commandanten von Langres
geworden daß er ſich in den Waffenſtillſtand nicht einbegriffen erachte, da
er über bedeutende Truppenmaſſen verfüge. Und zwar ſoll er die Zahl
auf etwa 20,000 Mann angegeben haben, was kaum übertrieben ſein
mag; denn es iſt Thatſache daß die Stellung der verheiratheten Leute bis
zu 40 Jahren in Folge der letzten „Levée“ in Langres äußerſt umfangreich
geweſen iſt. Es ſtehen franzöſiſcherſeits von Langres her allein an 2000
Mann gegen Chaumont auf Vorpoſten. Danach würde im Departement
der Haute Marne der Krieg vorläufig ſeinen Lauf nehmen. In Langres
commandirt ſeit Arbelots Rücktritt der General Meyère, ein fanatiſcher
Republicaner, deſſen unausgeſetzte Wirkſamkeit im ganzen Departement,
ſelbſt in den von uns beſetzten Theilen, nicht zu verkennen iſt. Feldge-
ſchütze ſind bei Langres nur wenige. Von dem zahlreichen Feſtungsge-
ſchütz ſoll aber keines über 800 Meter weit tragen. — Am 28 Jan.
haben Huſaren des 4. Reſerveregiments die Feldpoſt von Langres nach St.
Diziers, Ave, Chaumont ꝛc. abgefangen. Briefe von größerer Wichtigkeit
waren allerdings nicht darunter; aber es geht aus ihnen hervor daß ſich
nahe an 3000 Garibaldiner in Langres befinden, deren Aufgabe es ſein
ſoll gegen Chaumont zu operiren. Außerdem erzählen dieſe Briefe daß
die Straßen der Feſtung vom Jammer der Frauen erfüllt ſeien die ihren
in großer Zahl einberufenen Männern folgten. Ferner wird erzählt daß
bis zum 1 Jan. 1600 Mann der Beſatzung an den Pocken geſtorben ſeien.

Die Capitulationsconvention der Feſtung Longwy iſt bisher in der
deutſchen Preſſe nicht vollſtändig zur Oeffentlichkeit gelangt. So möge
ſie noch nachträglich hier Platz finden:

„Der unterzeichnete Befehlshaber
des Belagerungscorps vor Longwy, Oberſt v. Krenski, ſchließt mit dem
unterzeichneten Commandanten, Oberſtlieutenant Maſſaroli, in Folge der
ihm von demſelben gemachten Eröffnung und angeſichts der tapfern mit
großer Energie geleiteten Vertheidigung der Feſtungsbeſatzung gegen eine
überlegene Macht nachſtehende Capitulation ab: Art. 1. Am 25 Jan.
1871 um 12 Uhr Mittags verläßt die Garniſon von Longwy die Feſtung
und ſämmtliche dazu gehörige Werke ohne Waffen, und marſchiert durch die
Porte de France nach dem Glacis vor der Baſtion VI. Gleichzeitig wird
von den preußiſchen Truppen die Porte de France und die Porte de Bour-
gogne beſetzt. Die mit Beaufſichtigung der Zeughäuſer und Magazine jeder
Art beauftragten franzöſiſchen Officiere und Beamten verbleiben in der
Feſtung zur unmittelbaren Uebergabe der Beſtände an die betreffenden
preußiſchen Officiere und Beamten. Art. 2. Die geſammte Garniſon mit
alleiniger Ausnahme der aus Einwohnern der Stadt Longwy beſtehenden
Nationalgarde und der Pompiers iſt kriegsgefangen, und wird ſofort nach
Deutſchland abmarſchieren. Den Officieren iſt, unter der Bedingung daß ſie
ſich auf Ehrenwort verpflichten Longwy nicht zu verlaſſen, geſtattet vom
Glacis der Baſtion VI zur Regelung ihrer Privatverhältniſſe nochmals
nach der Feſtung zurückzukehren. Art. 3. Der unterzeichnete Feſtungs-
commandant verpflichtet ſich jeden Entweichungsverſuch von Officieren
und Mannſchaften bis zum Ausmarſch der Garniſon zu verhindern. Die
bei derartigen Verſuchen Betroffenen ſind von der Capitulation ausge-
ſchloſſen. Die Militärärzte und das geſammte Hoſpitalperſonal werden der
Genfer Convention gemäß behandelt. Art. 4. Die Mannſchaften behal-
ten ihr Gepäck, die Officiere ihr Privateigenthum jeder Art, ſowie ihre
Diener. Das zurückbleibende Privateigenthum der Officiere wird ſicher
geſtellt. Art. 5. Der unterzeichnete Feſtungscommandant verpflichtet ſich
ausdrücklich die Fortificationen, ſämmtliches Kriegsmaterial, Pferde,
Fahnen und Vorräthe aller Art, ſowie ſämmtliche Staatscaſſen genau in
demſelben Zuſtand übergeben zu laſſen in welchem ſie ſich gegenwärtig
befinden. Die während der Belagerung den preußiſchen Truppen abge-
nommenen Pferde ſind in natura zurückzugeben oder mit à 1000 Fr. zu
vergüten. Ein Officier der Beſatzung wird dem unterzeichneten Oberſt am

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[779/0019] unter franzöſiſchen Unterofficieren, und ſowohl im Einzelnen als Ganzen unter eidgenöſſiſchen Befehl geſtellt; die Officiere ohne Zuſammenhang mit der Mannſchaft, jene auf Ehrenwort, dieſe überwacht; alle wohl ge- nährt, erträglich beſoldet, neu beſchuht, mit Leibwäſche verſehen, mit Ober- und Unterkleidern für die Winterszeit ausgerüſtet; mehr als 6000 Verwundete und Kranke in guten und reinlichen Betten unter der Pflege der ſchweizeriſchen Aerzte. — Woher die Verſchiedenheit jener Zahl gegen die ſechzigtauſend und einige Hunderte welche ich Ihnen nach den amtlichen Aufnahmen meldete? Weil viele Tauſende aus der Umgegend militäriſche Abzeichen nahmen und ſich dem franzöſiſchen Heer anſchloſſen, um dem Hungertode zu entgehen. Dieſe flüchteten dann mit den Gaben an Geld, Schuhen und Lebensmitteln wieder nach Hauſe, und zeigten auch andern ihrer Volksgenoſſen die Heimwege nach Frankreich. Das Wachtdienſtper- ſonal genügte z. 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Daneben liegt uns die Ernährung der Nachbarn ob; ſeit eben dem Verhandlungstag zwiſchen Sieber und Clinchant (Kaiſer Karlstag) 28 Jan., wo unſere erſten ſechs zweiſpännigen Wagen nach Mont- béliard abgiengen, ſenden wir in ſteigemdem Grade für die unglückſelige Be- völkerung täglich Brod, Neis, Fleiſch und Branntwein; wir empfehlen dieſe Aermſten dem Mitleiden Deutſchlands, welches ſich in den wackern Wieſenthalern hülfreich erwies. * Hr. v. Wickede ſchildert in der „Köln. Ztg.“ herzzerreißende Scenen aus der Umgegend von Montbéltard, die er etwa eine Woche nach dem Rückzuge Bourbaki’s beſuchte. Wir entnehmen dieſem Berichte: „Mit dem äußerſten Muthe der Verzweiflung haben die franzöſiſchen Soldaten gegen unſere Batterien angeſtürmt, und die Hälfte von ihnen iſt ſtets gefallen geweſen, bevor die andern ſich zum Rückzug entſchloſſen. Wir haben in allen dieſen Kämpfen hier, bei denen unſere Artillerie ſtets den Haupt- ausſchlag gab, verhältnißmäßig nur ſehr geringe Verluſte gehabt; die franzöſiſchen Todten und Verwundeten zählen aber nach vielen Tauſenden. Und nun denke man ſich das Schickſal dieſer armen Opfer des Krieges, die ohne Aerzte, Hoſpitaleinrichtungen, Verpflegung, hülflos in eiſig kalter Winterzeit dort liegen bleiben mußten wo ſie gerade gefallen waren. Die deutſchen Aerzte und Krankenpfleger haben jetzt gethan was in ihren Kräften ſtand um ſich auch der Franzoſen anzunehmen, allein es gieng nicht, deren Zahl war zu groß, ihre Hülfe aber war wie ein Tropfen Waſſer auf einen heißen Stein. Unſere eigenen nachrückenden Truppen litten in dieſen vollſtändig verheerten Gegenden ſelbſt ſchon Mangel, und man hat zuletzt abſichtlich keine franzöſiſchen Gefangenen mehr gemacht, weil man keine Möglichkeit mehr ſah ſolche auch nur halbwegs zu ernähren. Da ſind viele Hunderte von franzöſiſchen Verwundeten und Marodeurs elend aus Kälte und Hunger und Mangel an jeglicher Hülfe zu Grunde gegangen, und ſelbſt bei dem Rückzug aus Rußland kann es nicht grauſiger geweſen ſein als es jetzt hier iſt. Unbegrabene bereits in Fäulniß über- gegangene Leichen liegen in den Gebüſchen noch zahllos umher, und mir wurde zuletzt faſt übel, ſo wirkte dieſe Atmoſphäre der Verweſung und Fäulniß, die ich unaufhörlich einathmete, auf mich ein. Was die menſch- liche Natur aber auszuhalten vermag, davon erlebte ich hier ein rechtes Beiſpiel. Unweit Montbéliard fanden mein Begleiter, ein badiſcher Arzt, und ich in einem total zuſammengeſchoſſenen Häuschen 7 bis 8 todte Franzoſen liegen, die alle ſchon in die größte Verweſung übergegangen waren. Und mitten zwiſchen ihnen lag ein noch lebender Verwundeter, der mit ſchwacher Stimme um Hülfe wimmerte. Wir zogen den Unglück- lichen mit Mühe zwiſchen allen dieſen Leichen hervor und trugen ihn in das Freie. Es war ein blutjunges Bürſchlein von kaum 17 Jahren, ein Student aus Avignon, wie er uns mit ſchwacher Stimme erzählte. Eine preußiſche Granate hatte ihm beide Füße unterhalb des Kniees arg zer- riſſen. In dieſer Lage hatte er ſieben, ſage ſieben volle Tage, ohne verbunden zu ſein, ohne Speiſe und Trank, gänzlich hülflos und verlaſſen zwiſchen allen dieſen Leichen hier in dieſem Häuschen gelegen. Er hatte ſich ſeine Wunden ſelbſt mit Fetzen von Uniformſtücken verbunden, und die Kälte hatte das Verbluten verhindert. Auf dem Bauche rutſchend, war er müh- ſam in der Kammer umhergekrochen und hatte in den Taſchen der Leichen noch einige harte Zwiebackkrumen gefunden, die ihm als Nahrung dienten, während er ſeinen brennenden Durſt mit dem Schnee ſtillte, der durch die zertrümmerten Fenſter reichlich fiel. So hatte er eine volle Woche, wie er uns mit kaum vernehmbarer Stimme mittheilte, zugebracht. Man hat den Unglücklichen jetzt in die Schweiz transportirt, und der Arzt meint: es ſei möglich daß er noch gerettet werden könne. — Das Fleiſch gefallener Pferde bildet jetzt die beſte Nahrung der Einwohner in allen dieſen Ge- genden, ſo viel überhaupt noch davon vorhanden ſind, und ich ſah ſelbſt daß ein Haufe halbverhungerter Frauen wie ein Rudel gieriger Wölfe über ein am Wege liegendes todtes Pferd, das bei dem plötzlich eingetre- tenen Thauwetter ſchon zu riechen anfieng, herſtürzte, das Fleiſch mit allen möglichen ſcharfen Inſtrumenten auseinander riß, und es nun ſo, wie es war, heißhungrig verſchlang. Man hat mir erzählt, doch will ich dieß nicht verbürgen, daß die Leute ſchon aus Hunger Menſchenfleiſch ge- geſſen haben. Es iſt alles ſo grauſig und gräßlich hier, daß jede Beſchrei- bung doch nicht das erreicht was man ſtündlich ſehen muß. Es iſt dieß der achte Feldzug dem ich beiwohne, aber weder in Algerien noch im Orient, in Italien oder Böhmen, noch gar in Schleswig-Holſtein ſah ich jemals die Hälfte von dem Elend das meine Augen in den letzten 24 Stunden faſt unausgeſetzt ſehen mußten. Wer dieſe Scenen alle mit durchgemacht hat und den Krieg nicht verflucht, und für ſich den Schwur thut alles und jegliches Mittel, das nur immerhin in ſeinen Kräften ſteht, anzuwenden daß die Kriege fernerhin zu den Unmöglichkeiten gehören, der trägt ſtatt des menſchlich fühlenden Herzens bloß einen Fleiſchklumpen in ſeiner Bruſt, und wenn er ſich einen Chriſten zu nennen wagt, ſo ſchändet er dieſen hohen Namen.“ Der Commandant von Langres hat bekanntlich Einſpruch gegen den Waffenſtillſtand erhoben, und Beſtätigung der ihm von deutſcher Seite gemachten Anzeige durch eine chiffrirte Depeſche der Pariſer Regierung verlangt. Es wird der „National-Zeitung“ darüber folgendes nähere ge- ſchrieben: Chaumont, 2 Febr. Seit zwei Tagen glaubten wir uns der Waffenruhe erfreuen zu können. Aber heut’ iſt uns durch einen von hier abgeſandten Parlamentär die Anzeige des Commandanten von Langres geworden daß er ſich in den Waffenſtillſtand nicht einbegriffen erachte, da er über bedeutende Truppenmaſſen verfüge. Und zwar ſoll er die Zahl auf etwa 20,000 Mann angegeben haben, was kaum übertrieben ſein mag; denn es iſt Thatſache daß die Stellung der verheiratheten Leute bis zu 40 Jahren in Folge der letzten „Levée“ in Langres äußerſt umfangreich geweſen iſt. Es ſtehen franzöſiſcherſeits von Langres her allein an 2000 Mann gegen Chaumont auf Vorpoſten. Danach würde im Departement der Haute Marne der Krieg vorläufig ſeinen Lauf nehmen. In Langres commandirt ſeit Arbelots Rücktritt der General Meyère, ein fanatiſcher Republicaner, deſſen unausgeſetzte Wirkſamkeit im ganzen Departement, ſelbſt in den von uns beſetzten Theilen, nicht zu verkennen iſt. Feldge- ſchütze ſind bei Langres nur wenige. Von dem zahlreichen Feſtungsge- ſchütz ſoll aber keines über 800 Meter weit tragen. — Am 28 Jan. haben Huſaren des 4. Reſerveregiments die Feldpoſt von Langres nach St. Diziers, Ave, Chaumont ꝛc. abgefangen. Briefe von größerer Wichtigkeit waren allerdings nicht darunter; aber es geht aus ihnen hervor daß ſich nahe an 3000 Garibaldiner in Langres befinden, deren Aufgabe es ſein ſoll gegen Chaumont zu operiren. Außerdem erzählen dieſe Briefe daß die Straßen der Feſtung vom Jammer der Frauen erfüllt ſeien die ihren in großer Zahl einberufenen Männern folgten. Ferner wird erzählt daß bis zum 1 Jan. 1600 Mann der Beſatzung an den Pocken geſtorben ſeien. Die Capitulationsconvention der Feſtung Longwy iſt bisher in der deutſchen Preſſe nicht vollſtändig zur Oeffentlichkeit gelangt. So möge ſie noch nachträglich hier Platz finden: „Der unterzeichnete Befehlshaber des Belagerungscorps vor Longwy, Oberſt v. Krenski, ſchließt mit dem unterzeichneten Commandanten, Oberſtlieutenant Maſſaroli, in Folge der ihm von demſelben gemachten Eröffnung und angeſichts der tapfern mit großer Energie geleiteten Vertheidigung der Feſtungsbeſatzung gegen eine überlegene Macht nachſtehende Capitulation ab: Art. 1. Am 25 Jan. 1871 um 12 Uhr Mittags verläßt die Garniſon von Longwy die Feſtung und ſämmtliche dazu gehörige Werke ohne Waffen, und marſchiert durch die Porte de France nach dem Glacis vor der Baſtion VI. Gleichzeitig wird von den preußiſchen Truppen die Porte de France und die Porte de Bour- gogne beſetzt. Die mit Beaufſichtigung der Zeughäuſer und Magazine jeder Art beauftragten franzöſiſchen Officiere und Beamten verbleiben in der Feſtung zur unmittelbaren Uebergabe der Beſtände an die betreffenden preußiſchen Officiere und Beamten. Art. 2. Die geſammte Garniſon mit alleiniger Ausnahme der aus Einwohnern der Stadt Longwy beſtehenden Nationalgarde und der Pompiers iſt kriegsgefangen, und wird ſofort nach Deutſchland abmarſchieren. Den Officieren iſt, unter der Bedingung daß ſie ſich auf Ehrenwort verpflichten Longwy nicht zu verlaſſen, geſtattet vom Glacis der Baſtion VI zur Regelung ihrer Privatverhältniſſe nochmals nach der Feſtung zurückzukehren. Art. 3. Der unterzeichnete Feſtungs- commandant verpflichtet ſich jeden Entweichungsverſuch von Officieren und Mannſchaften bis zum Ausmarſch der Garniſon zu verhindern. Die bei derartigen Verſuchen Betroffenen ſind von der Capitulation ausge- ſchloſſen. Die Militärärzte und das geſammte Hoſpitalperſonal werden der Genfer Convention gemäß behandelt. Art. 4. Die Mannſchaften behal- ten ihr Gepäck, die Officiere ihr Privateigenthum jeder Art, ſowie ihre Diener. Das zurückbleibende Privateigenthum der Officiere wird ſicher geſtellt. Art. 5. 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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen, Susanne Haaf: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine46_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine46_1871/19
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 46, 15. Februar 1871, S. 779. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine46_1871/19>, abgerufen am 23.11.2024.