Allgemeine Zeitung, Nr. 46, 15. Februar 1871.[Spaltenumbruch]
Freicorps mit pünktlicher Genauigkeit vollzogen worden sein. -- Die Ver- Oesterreichisch-ungarische Monarchie. i Wien, 13 Febr. Der Unterstellung daß das neue Cabinet be- ** Wien, 13 Febr. Im Ministerium Hohenwart wird bekannt- Pest, 12 Febr. Das "Amtsblatt" veröffentlicht heute, wie ange- Schweiz. @ Bern, 11 Febr. In den bundesräthlichen Kreisen macht man Großbritannien. London. 11 Febr. Im Oberhaus brachte gestern der Führer der Opposition die Falli- Im Unterhaus richtete bezüglich des vielbesprochenen Geleit- [Spaltenumbruch]
Freicorps mit pünktlicher Genauigkeit vollzogen worden ſein. — Die Ver- Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie. ȋ Wien, 13 Febr. Der Unterſtellung daß das neue Cabinet be- ** Wien, 13 Febr. Im Miniſterium Hohenwart wird bekannt- Peſt, 12 Febr. Das „Amtsblatt“ veröffentlicht heute, wie ange- Schweiz.  Bern, 11 Febr. In den bundesräthlichen Kreiſen macht man Großbritannien. London. 11 Febr. Im Oberhaus brachte geſtern der Führer der Oppoſition die Falli- Im Unterhaus richtete bezüglich des vielbeſprochenen Geleit- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0005" n="765"/><cb/> Freicorps mit pünktlicher Genauigkeit vollzogen worden ſein. — Die Ver-<lb/> kehrshinderniſſe über welche ich geſtern berichtete, ſind bis auf einige Ge-<lb/> genden im Poſen’ſchen und Weſtpreußen gehoben, und werden ſich hoffent-<lb/> lich in dieſem Winter nicht mehr einſtellen. Als Vorbote des herannahenden<lb/> Schluſſes der Landtagsſeſſion ſtellen ſich die Abendſitzungen des Abgeord-<lb/> netenhauſes ein. Die erſte wurde geſtern Abends gehalten, und war der<lb/> Fortſetzung der Berathung über das Geſetz betreffend den Unterſtützungs-<lb/> wohnſitz gewidmet. Man gelangte bis zum §. 40 der Vorlage, und hofft<lb/> mit der Berathung morgen zu Ende zu kommen, was auch den Wünſchen<lb/> der meiſten Abgeordneten entſprechen dürfte, welche der Wahlbewegung in<lb/> ihrer Heimath nicht gern fern bleiben möchten. Geſtern drehte ſich der<lb/> Kampf um die Principienfrage: wie die Armenlaſt zu vertheilen ſei. Die<lb/> Commiſſion wollte die ſämmtlichen directen Staatsſteuern zum Maßſtab<lb/> genommen wiſſen, und dieſen Standpunkt vertraten auch die Fortſchritts-<lb/> partei, die Nationalliberalen, das Gros der Freiconſervativen und ein<lb/> Theil der ſogen. Wilden. Dagegen verlangten die Conſervativen daß die<lb/> Vertheilung nach dem Maßſtabe der Claſſen- und claſſificirten Einkom-<lb/> menſteuer erfolge, weil der Grundbeſitz ſchon jetzt zu überbürdet ſei. Zwi-<lb/> ſchen beiden Forderungen ſuchte die Centrums-Fraction (katholiſche) zu<lb/> vermitteln, indem nach dem Antrage des Abg. v. Schorlemer-Alſt neben<lb/> der Claſſen-, Einkommen- und Gewerbeſteuer noch die Grund- und<lb/> Gebäudeſteuer ins Geſetz aufgenommen werden ſolle. Schließlich ſiegte<lb/> jedoch der Commiſſionsantrag, nachdem der v. Schorlemer’ſche in nament-<lb/> licher Abſtimmung mit 180 gegen 175 Stimmen abgelehnt worden war.<lb/> Dasſelbe Mißgeſchick erlebt der vom Regierungscommiſſär als abſolut unaus-<lb/> führbar bezeichnete Antrag Reichenſpergers (Olpe) auf Ausſonderung des<lb/> zu kirchlichen Wohlthätigkeitszwecken beſtimmten Vermögens aus dem Ar-<lb/> menvermögen und Zurückgabe desſelben an die kirchlichen Organe. — In<lb/> der Budgetcommiſſion ſind die Anträge von Richter und Virchow, wonach<lb/> die vom vorigen Finanzminiſter ohne Genehmigung des Landtags aufge-<lb/> nommenen Vorſchüſſe im Betrage von 7,300,000 Thalern für eine unbe-<lb/> rechtigte Operation erklärt und ihnen die Indemnität verſagt werden ſoll,<lb/> durchgefallen, wogegen eine Reſolution angenommen wurde welche die<lb/> Erwartung ausſpricht: daß die Genehmigung zu ſolchen Operationen in<lb/> Zukunft ſofort oder in der nächſten Seſſion beim Landtag werde eingeholt<lb/> werden. — Miquel, deſſen Candidatur in Osnabrück durch die Gegner-<lb/> ſchaft des ehemaligen hannoveriſchen Miniſters Erxleben ſtark gefährdet<lb/> iſt, tritt jetzt als Wahlcandidat für den Reichstag auch im Fürſtenthum<lb/> Waldeck auf, welches bisher <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Wehrenpfennig vertrat. Letzterer hat<lb/> für Waldeck reſignirt, weil er im heſſiſchen Wahlbezirk Fritzlar ſichere Aus-<lb/> ſichten haben ſoll.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>ȋ <hi rendition="#b">Wien,</hi> 13 Febr.</dateline> <p>Der Unterſtellung daß das neue Cabinet be-<lb/> rufen ſein möchte die freiheitliche Entwicklung im Innern zu ſtauen, hat<lb/> ſich bereits die weitere zugeſellt: daß dasſelbe eine Wendung in der Rich-<lb/> tung der auswärtigen Politik zu inauguriren und ſpeciell der Annähe-<lb/> rung an Deutſchland Halt zu gebieten beſtimmt ſei. Die dießfälligen Be-<lb/> ſorgniſſe ſcheinen ſich weſentlich an die Berufung Schäffle’s zu knüpfen, von<lb/> dem man annimmt daß er nicht bloß ein „Preußenhaſſer“ geweſen, ſon-<lb/> dern auch geblieben, der aber jedenfalls nur eine Stellung in einem Ca-<lb/> binet einnimmt welches nicht das Reichsminiſterium, und welches alſo<lb/> einen directen Einfluß auf die auswärtige Politik zu üben gar nicht in<lb/> der Lage iſt; und wenn man zudem als ſicher annehmen darf daß die An-<lb/> näherung zwiſchen Oeſterreich und Deutſchland nicht als das Product<lb/> irgendwelcher perſönlichen Gefühls-Liebhabereien, ſondern der ſehr realen<lb/> Intereſſen hüben und drüben ſich darſtellt, ſo ſcheint die volle Berechtigung<lb/> gegeben vorauszuſetzen daß, ſolange wenigſtens Graf Beuſt die auswärtige<lb/> Politik leitet, die angebahnten engeren Beziehungen zu Deutſchland weder<lb/> eine Lockerung noch eine Löſung erfahren. Daß man gar daran denke<lb/> Rußland näher zu treten, iſt augenſcheinlich der Teufel den lediglich die<lb/> ungariſche Angſt an die Wand malt. — Dem Vernehmen nach iſt der ſeit-<lb/> herige Leiter des Handelsminiſteriums, Sectionschef de Pretis, an Stelle<lb/> des verſtorbenen FML. Möring zum Statthalter von Trieſt ernannt wor-<lb/> den. — Geſtern Nachmittag und Abend iſt, vollſtändig unerwartet, eine<lb/> Ueberſchwemmung über Wien hereingebrochen; ein großer Theil der Leo-<lb/> poldſtadt, der Landſtraße und der Roßau, ſelbſt ein kleiner Theil der in-<lb/> neren Stadt, ſteht noch heut unter Waſſer und koloſſale Eismaſſen haben<lb/> ſich über die Ufer des Donaucanals hinausgeſchoben. Tauſende von<lb/> Menſchen haben ſich mit ſinkender Nacht aus ihren Wohnungen retten<lb/> müſſen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>** <hi rendition="#b">Wien,</hi> 13 Febr.</dateline> <p>Im Miniſterium Hohenwart wird bekannt-<lb/> lich das Ackerbauminiſterium proviſoriſch verwaltet. Dasſelbe befand ſich<lb/> zuletzt in den Händen eines Polen (Petrin<hi rendition="#aq">ó</hi>) und ſoll auch im neuen Mi-<lb/> niſterium einem Polen vorbehalten worden ſein. Wenigſtens beſtand die<lb/> Abſicht dasſelbe für einen Deputirten Galiziens zu reſeryiren. Aber ver-<lb/><cb/> ſchiedene Verſuche, einen ſolchen nachträglich zum Eintritt in das neue<lb/> Miniſterium zu bewegen ſind mißglückt. In erſter Reihe ſoll man ſich<lb/> an Grocholski gewandt haben. Wie die Dinge jetzt liegen, glaubt man<lb/> daß die polniſche Fraction gemeinſame Sache mit der deutſch-liberalen<lb/> Partei gegen das Miniſterium machen dürfte.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Peſt,</hi> 12 Febr.</dateline> <p>Das „Amtsblatt“ veröffentlicht heute, wie ange-<lb/> kündigt, die Ernennung des Profeſſors Pauler zum Cultusminiſter an<lb/> Stelle des verſtorbenen Frhrn. v. Eötvös, ferner des Staatsſecretärs<lb/> Wilhelm Toth zum Miniſter des Innern, von welchem Poſten der bis-<lb/> herige Inhaber desſelben, Paul Rajner, wegen Krankheit auf ſein drin-<lb/> gendes Anſuchen enthoben wird, und endlich des Grafen Pejacſevich zum<lb/> Miniſter für Croatien. Die ungariſchen Blätter fallen über die neuen<lb/> Miniſter mit ganz ähnlicher Heftigkeit her wie die weſtöſterreichiſche Preſſe<lb/> über das Miniſterium Hohenwart. — Um den geſtern erwähnten „Addi-<lb/> tionsfehler“ zu repariren, wird die Reichsrathsdelegation zu einer nach-<lb/> träglichen einzigen Sitzung nochmals — und zwar nach Wien — einberufen<lb/> werden.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Schweiz.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline> <hi rendition="#b">Bern,</hi> 11 Febr.</dateline> <p>In den bundesräthlichen Kreiſen macht man<lb/> ſich keine Hoffnung daß die morgen im Kanton Teſſin vorzunehmende Neu-<lb/> wahl des großen Raths zur Beilegung der dortigen Verfaſſungswirren<lb/> und des Trennungsconflicts beitragen werde. Das auf beiden Seiten auf-<lb/> geſtellte Programm iſt ſogar ſo ſcharf ausgeprägt, daß nicht einmal auf<lb/> ein zeitweiliges Ruhenlaſſen des Reviſionsſtreites zu hoffen iſt; um jedoch<lb/> nicht ſofort zum letzten Mittel, zur Gewalt, zu greifen, will der Bundes-<lb/> rath noch einmal den Weg des Friedens einſchlagen, und ſeinen Geſandten<lb/> in Florenz, Hrn. Pioda, der ſelbſt Teſſiner iſt, und in Folge ſeiner lang-<lb/> jährigen Abweſenheit den Parteizwiſtigkeiten ſeines Kantons immer fern-<lb/> geſtanden, als außerordentlichen Abgeordneten dahin entſenden, mit dem<lb/> Auftrag „im Sinne des Beſchluſſes der Bundesverſammlung vom letzten<lb/> December auf ihre endliche Beilegung hinzuwirken.“ — Bis geſtern<lb/> Abends waren von der 15 Millionen-Anleihe welche der Bundesrath be-<lb/> hufs Deckung der Koſten der Internirung der Oſtarmee und der Verbeſſe-<lb/> rungen im ſchweizeriſchen Armeeweſen öffentlich ausgeſchrieben hat, 4½<lb/> Millionen gedeckt. — Seit geſtern weilt General Clinchant in Bern, wo<lb/> er ſich bis zum Friedensſchluß aufzuhalten gedenken ſoll. Wie ich höre, iſt<lb/> derſelbe erſt 42 Jahre alt, und ſoll vor den übrigen Officieren ſich dadurch<lb/> rühmlichſt auszeichnen daß er an dem Schickſale der Soldaten ſeiner ehe-<lb/> maligen Armee die größte Theilnahme zeigt. Einem Oberſten, Namens<lb/> Carayon la Tour, welcher in die Conſtituante Frankreichs im Departe-<lb/> ment der Gironde gewählt worden iſt, hat der Bundesrath heute die Rück-<lb/> kehr nach Frankreich gegen Abgabe des Ehrenworts „ſich nach Ablauf ſei-<lb/> nes Mandats wieder in Bern zu ſtellen und, ſolange der Krieg noch dauert,<lb/> ſich jeglicher militäriſchen Handlung gegen Deutſchland zu enthalten,“ ge-<lb/> ſtattet. — Obgleich noch immer beſtimmte Data in Betreff der Geſammt-<lb/> zahl der internirten Franzoſen fehlen, ſo ſoll ſich doch bereits herausſtellen<lb/> daß ihre Anzahl 70,000 Mann bedeutend überſteigt.</p> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">London.</hi> 11 Febr.</dateline><lb/> <p>Im <hi rendition="#g">Oberhaus</hi> brachte geſtern der Führer der Oppoſition die <hi rendition="#g">Falli-<lb/> mente verſchiedener Peers</hi> zur Sprache, und wünſchte zu wiſſen ob<lb/> die Regierung von dieſen Fällen Notiz genommen habe, und es für nöthig<lb/> erachte im Wege der Geſetzgebung Schritte zu thun. <hi rendition="#g">Lord Granville</hi><lb/> erwiederte: die Regierung habe von der Sache Kenntniß genommen, und<lb/> ſich überzeugt daß auf beiden Seiten des Hauſes die Anſicht vorherrſche<lb/> es müſſe etwas geſchehen um die Würde des Hauſes zu wahren. Er hoffe<lb/> Lord Cairns (der ehemalige conſervative Kanzler) werde ſich mit dem Lord<lb/> Kanzler in Betreff des Näheren in Verbindung ſetzen, damit ein Geſetzvor-<lb/> ſchlag baldigſt eingebracht werden könne. Lord Granville legte ferner die<lb/><hi rendition="#g">königliche Botſchaft</hi> vor, die vom Lordkanzler verleſen wurde: „Ihre<lb/> Majeſtät vertraut auf das herzliche Intereſſe welches das Oberhaus bezüg-<lb/> lich der herannahenden Heirath zwiſchen der Prinzeſſin Louiſe und dem<lb/> Marquis of Lorne bekundet hat. Die zahlreichen Proben welche die Köni-<lb/> gin von der treuen Geſinnung der Lords für den Thron und ihre Anhäng-<lb/> lichkeit an ihre Perſon und Familie erhalten hat, veranlaſſen ſie zu hoffen<lb/> daß dieſelben diejenigen Bewilligungen für die Prinzeſſin Louiſe bezüglich<lb/> der vorgeſchlagenen Heirath machen werden, welche für die Würde der<lb/> Krone paſſend ſein dürften.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>Im <hi rendition="#g">Unterhaus</hi> richtete bezüglich des vielbeſprochenen <hi rendition="#g">Geleit-<lb/> ſcheins</hi> zur Conferenz für <hi rendition="#g">Jules Favre</hi> der Hon. <hi rendition="#g">Auberon Herbert</hi><lb/> an den Premier die Anfrage: ob derſelbe auf Anſuchen der engliſchen Ne-<lb/> gierung von den preußiſchen Behörden verſprochen, und trotzdem ſpäter<lb/> verweigert worden ſei, und was im letztern Falle die engliſche Regierung<lb/> für Schritte gethan habe. In ſeiner Entgegnung erklärte <hi rendition="#g">Gladſtone:</hi><lb/> die Angelegenheit ſei eine einigermaßen verwickelte, und er wolle ſich da-<lb/> her nicht auf Einzelheiten einlaſſen. Da aber die Frage einmal aufge-<lb/> worfen ſei, und vielleicht die Anſicht herrſche daß eine Art Wortbruch vor-<lb/> liege, ſo wolle er im folgenden ſo viel mittheilen, um einen Ueberblick über<lb/> die Sache zu ermöglichen: „Zunächſt wurde am 27 Nov. durch Hrn. Tiſſot,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [765/0005]
Freicorps mit pünktlicher Genauigkeit vollzogen worden ſein. — Die Ver-
kehrshinderniſſe über welche ich geſtern berichtete, ſind bis auf einige Ge-
genden im Poſen’ſchen und Weſtpreußen gehoben, und werden ſich hoffent-
lich in dieſem Winter nicht mehr einſtellen. Als Vorbote des herannahenden
Schluſſes der Landtagsſeſſion ſtellen ſich die Abendſitzungen des Abgeord-
netenhauſes ein. Die erſte wurde geſtern Abends gehalten, und war der
Fortſetzung der Berathung über das Geſetz betreffend den Unterſtützungs-
wohnſitz gewidmet. Man gelangte bis zum §. 40 der Vorlage, und hofft
mit der Berathung morgen zu Ende zu kommen, was auch den Wünſchen
der meiſten Abgeordneten entſprechen dürfte, welche der Wahlbewegung in
ihrer Heimath nicht gern fern bleiben möchten. Geſtern drehte ſich der
Kampf um die Principienfrage: wie die Armenlaſt zu vertheilen ſei. Die
Commiſſion wollte die ſämmtlichen directen Staatsſteuern zum Maßſtab
genommen wiſſen, und dieſen Standpunkt vertraten auch die Fortſchritts-
partei, die Nationalliberalen, das Gros der Freiconſervativen und ein
Theil der ſogen. Wilden. Dagegen verlangten die Conſervativen daß die
Vertheilung nach dem Maßſtabe der Claſſen- und claſſificirten Einkom-
menſteuer erfolge, weil der Grundbeſitz ſchon jetzt zu überbürdet ſei. Zwi-
ſchen beiden Forderungen ſuchte die Centrums-Fraction (katholiſche) zu
vermitteln, indem nach dem Antrage des Abg. v. Schorlemer-Alſt neben
der Claſſen-, Einkommen- und Gewerbeſteuer noch die Grund- und
Gebäudeſteuer ins Geſetz aufgenommen werden ſolle. Schließlich ſiegte
jedoch der Commiſſionsantrag, nachdem der v. Schorlemer’ſche in nament-
licher Abſtimmung mit 180 gegen 175 Stimmen abgelehnt worden war.
Dasſelbe Mißgeſchick erlebt der vom Regierungscommiſſär als abſolut unaus-
führbar bezeichnete Antrag Reichenſpergers (Olpe) auf Ausſonderung des
zu kirchlichen Wohlthätigkeitszwecken beſtimmten Vermögens aus dem Ar-
menvermögen und Zurückgabe desſelben an die kirchlichen Organe. — In
der Budgetcommiſſion ſind die Anträge von Richter und Virchow, wonach
die vom vorigen Finanzminiſter ohne Genehmigung des Landtags aufge-
nommenen Vorſchüſſe im Betrage von 7,300,000 Thalern für eine unbe-
rechtigte Operation erklärt und ihnen die Indemnität verſagt werden ſoll,
durchgefallen, wogegen eine Reſolution angenommen wurde welche die
Erwartung ausſpricht: daß die Genehmigung zu ſolchen Operationen in
Zukunft ſofort oder in der nächſten Seſſion beim Landtag werde eingeholt
werden. — Miquel, deſſen Candidatur in Osnabrück durch die Gegner-
ſchaft des ehemaligen hannoveriſchen Miniſters Erxleben ſtark gefährdet
iſt, tritt jetzt als Wahlcandidat für den Reichstag auch im Fürſtenthum
Waldeck auf, welches bisher Dr. Wehrenpfennig vertrat. Letzterer hat
für Waldeck reſignirt, weil er im heſſiſchen Wahlbezirk Fritzlar ſichere Aus-
ſichten haben ſoll.
Oeſterreichiſch-ungariſche Monarchie.
ȋ Wien, 13 Febr. Der Unterſtellung daß das neue Cabinet be-
rufen ſein möchte die freiheitliche Entwicklung im Innern zu ſtauen, hat
ſich bereits die weitere zugeſellt: daß dasſelbe eine Wendung in der Rich-
tung der auswärtigen Politik zu inauguriren und ſpeciell der Annähe-
rung an Deutſchland Halt zu gebieten beſtimmt ſei. Die dießfälligen Be-
ſorgniſſe ſcheinen ſich weſentlich an die Berufung Schäffle’s zu knüpfen, von
dem man annimmt daß er nicht bloß ein „Preußenhaſſer“ geweſen, ſon-
dern auch geblieben, der aber jedenfalls nur eine Stellung in einem Ca-
binet einnimmt welches nicht das Reichsminiſterium, und welches alſo
einen directen Einfluß auf die auswärtige Politik zu üben gar nicht in
der Lage iſt; und wenn man zudem als ſicher annehmen darf daß die An-
näherung zwiſchen Oeſterreich und Deutſchland nicht als das Product
irgendwelcher perſönlichen Gefühls-Liebhabereien, ſondern der ſehr realen
Intereſſen hüben und drüben ſich darſtellt, ſo ſcheint die volle Berechtigung
gegeben vorauszuſetzen daß, ſolange wenigſtens Graf Beuſt die auswärtige
Politik leitet, die angebahnten engeren Beziehungen zu Deutſchland weder
eine Lockerung noch eine Löſung erfahren. Daß man gar daran denke
Rußland näher zu treten, iſt augenſcheinlich der Teufel den lediglich die
ungariſche Angſt an die Wand malt. — Dem Vernehmen nach iſt der ſeit-
herige Leiter des Handelsminiſteriums, Sectionschef de Pretis, an Stelle
des verſtorbenen FML. Möring zum Statthalter von Trieſt ernannt wor-
den. — Geſtern Nachmittag und Abend iſt, vollſtändig unerwartet, eine
Ueberſchwemmung über Wien hereingebrochen; ein großer Theil der Leo-
poldſtadt, der Landſtraße und der Roßau, ſelbſt ein kleiner Theil der in-
neren Stadt, ſteht noch heut unter Waſſer und koloſſale Eismaſſen haben
ſich über die Ufer des Donaucanals hinausgeſchoben. Tauſende von
Menſchen haben ſich mit ſinkender Nacht aus ihren Wohnungen retten
müſſen.
** Wien, 13 Febr. Im Miniſterium Hohenwart wird bekannt-
lich das Ackerbauminiſterium proviſoriſch verwaltet. Dasſelbe befand ſich
zuletzt in den Händen eines Polen (Petrinó) und ſoll auch im neuen Mi-
niſterium einem Polen vorbehalten worden ſein. Wenigſtens beſtand die
Abſicht dasſelbe für einen Deputirten Galiziens zu reſeryiren. Aber ver-
ſchiedene Verſuche, einen ſolchen nachträglich zum Eintritt in das neue
Miniſterium zu bewegen ſind mißglückt. In erſter Reihe ſoll man ſich
an Grocholski gewandt haben. Wie die Dinge jetzt liegen, glaubt man
daß die polniſche Fraction gemeinſame Sache mit der deutſch-liberalen
Partei gegen das Miniſterium machen dürfte.
Peſt, 12 Febr. Das „Amtsblatt“ veröffentlicht heute, wie ange-
kündigt, die Ernennung des Profeſſors Pauler zum Cultusminiſter an
Stelle des verſtorbenen Frhrn. v. Eötvös, ferner des Staatsſecretärs
Wilhelm Toth zum Miniſter des Innern, von welchem Poſten der bis-
herige Inhaber desſelben, Paul Rajner, wegen Krankheit auf ſein drin-
gendes Anſuchen enthoben wird, und endlich des Grafen Pejacſevich zum
Miniſter für Croatien. Die ungariſchen Blätter fallen über die neuen
Miniſter mit ganz ähnlicher Heftigkeit her wie die weſtöſterreichiſche Preſſe
über das Miniſterium Hohenwart. — Um den geſtern erwähnten „Addi-
tionsfehler“ zu repariren, wird die Reichsrathsdelegation zu einer nach-
träglichen einzigen Sitzung nochmals — und zwar nach Wien — einberufen
werden.
Schweiz.
 Bern, 11 Febr. In den bundesräthlichen Kreiſen macht man
ſich keine Hoffnung daß die morgen im Kanton Teſſin vorzunehmende Neu-
wahl des großen Raths zur Beilegung der dortigen Verfaſſungswirren
und des Trennungsconflicts beitragen werde. Das auf beiden Seiten auf-
geſtellte Programm iſt ſogar ſo ſcharf ausgeprägt, daß nicht einmal auf
ein zeitweiliges Ruhenlaſſen des Reviſionsſtreites zu hoffen iſt; um jedoch
nicht ſofort zum letzten Mittel, zur Gewalt, zu greifen, will der Bundes-
rath noch einmal den Weg des Friedens einſchlagen, und ſeinen Geſandten
in Florenz, Hrn. Pioda, der ſelbſt Teſſiner iſt, und in Folge ſeiner lang-
jährigen Abweſenheit den Parteizwiſtigkeiten ſeines Kantons immer fern-
geſtanden, als außerordentlichen Abgeordneten dahin entſenden, mit dem
Auftrag „im Sinne des Beſchluſſes der Bundesverſammlung vom letzten
December auf ihre endliche Beilegung hinzuwirken.“ — Bis geſtern
Abends waren von der 15 Millionen-Anleihe welche der Bundesrath be-
hufs Deckung der Koſten der Internirung der Oſtarmee und der Verbeſſe-
rungen im ſchweizeriſchen Armeeweſen öffentlich ausgeſchrieben hat, 4½
Millionen gedeckt. — Seit geſtern weilt General Clinchant in Bern, wo
er ſich bis zum Friedensſchluß aufzuhalten gedenken ſoll. Wie ich höre, iſt
derſelbe erſt 42 Jahre alt, und ſoll vor den übrigen Officieren ſich dadurch
rühmlichſt auszeichnen daß er an dem Schickſale der Soldaten ſeiner ehe-
maligen Armee die größte Theilnahme zeigt. Einem Oberſten, Namens
Carayon la Tour, welcher in die Conſtituante Frankreichs im Departe-
ment der Gironde gewählt worden iſt, hat der Bundesrath heute die Rück-
kehr nach Frankreich gegen Abgabe des Ehrenworts „ſich nach Ablauf ſei-
nes Mandats wieder in Bern zu ſtellen und, ſolange der Krieg noch dauert,
ſich jeglicher militäriſchen Handlung gegen Deutſchland zu enthalten,“ ge-
ſtattet. — Obgleich noch immer beſtimmte Data in Betreff der Geſammt-
zahl der internirten Franzoſen fehlen, ſo ſoll ſich doch bereits herausſtellen
daß ihre Anzahl 70,000 Mann bedeutend überſteigt.
Großbritannien.
London. 11 Febr.
Im Oberhaus brachte geſtern der Führer der Oppoſition die Falli-
mente verſchiedener Peers zur Sprache, und wünſchte zu wiſſen ob
die Regierung von dieſen Fällen Notiz genommen habe, und es für nöthig
erachte im Wege der Geſetzgebung Schritte zu thun. Lord Granville
erwiederte: die Regierung habe von der Sache Kenntniß genommen, und
ſich überzeugt daß auf beiden Seiten des Hauſes die Anſicht vorherrſche
es müſſe etwas geſchehen um die Würde des Hauſes zu wahren. Er hoffe
Lord Cairns (der ehemalige conſervative Kanzler) werde ſich mit dem Lord
Kanzler in Betreff des Näheren in Verbindung ſetzen, damit ein Geſetzvor-
ſchlag baldigſt eingebracht werden könne. Lord Granville legte ferner die
königliche Botſchaft vor, die vom Lordkanzler verleſen wurde: „Ihre
Majeſtät vertraut auf das herzliche Intereſſe welches das Oberhaus bezüg-
lich der herannahenden Heirath zwiſchen der Prinzeſſin Louiſe und dem
Marquis of Lorne bekundet hat. Die zahlreichen Proben welche die Köni-
gin von der treuen Geſinnung der Lords für den Thron und ihre Anhäng-
lichkeit an ihre Perſon und Familie erhalten hat, veranlaſſen ſie zu hoffen
daß dieſelben diejenigen Bewilligungen für die Prinzeſſin Louiſe bezüglich
der vorgeſchlagenen Heirath machen werden, welche für die Würde der
Krone paſſend ſein dürften.“
Im Unterhaus richtete bezüglich des vielbeſprochenen Geleit-
ſcheins zur Conferenz für Jules Favre der Hon. Auberon Herbert
an den Premier die Anfrage: ob derſelbe auf Anſuchen der engliſchen Ne-
gierung von den preußiſchen Behörden verſprochen, und trotzdem ſpäter
verweigert worden ſei, und was im letztern Falle die engliſche Regierung
für Schritte gethan habe. In ſeiner Entgegnung erklärte Gladſtone:
die Angelegenheit ſei eine einigermaßen verwickelte, und er wolle ſich da-
her nicht auf Einzelheiten einlaſſen. Da aber die Frage einmal aufge-
worfen ſei, und vielleicht die Anſicht herrſche daß eine Art Wortbruch vor-
liege, ſo wolle er im folgenden ſo viel mittheilen, um einen Ueberblick über
die Sache zu ermöglichen: „Zunächſt wurde am 27 Nov. durch Hrn. Tiſſot,
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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