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Allgemeine Zeitung, Nr. 75, 15. März 1848.

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Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung
vom 15 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Großbritannien.

Die französische Staatsumwälzung, der
Sturz Ludwig Philipps und die Maßnahmen der provisorischen Regie-
rung von Frankreich werden vom englischen Volk ohne Enthustasmus,
aber auch ohne Mißgunst betrachtet. Das Benehmen des gestürzten
Monarchen und seiner Minister in den spanischen Heirathsfragen hatte
die Achtung und das Vertrauen, die sie früher in England genossen,
gänzlich vernichtet; so erhob sich denn keine Stimme um ihren Fall zu
beklagen, ausgenommen vielleicht im Privatkreis des Grafen Aberdeen,
wovon ein leiser Wiederhall im Standard tönte. Die Tories im allge-
meinen sind, gleich den französischen Legitimisten, der Ansicht daß eine
Krone die durch einen Volkstumult gewonnen worden, billigerweise im
nämlichen Spiele verloren gehen darf. Die Whigs haßten das "Sy-
stem" der Tuilerien als hinterlistig und reactionär. Die Radicalen
sind geneigt über alles zu frohlocken was volklichen Sympathien einen
Ansporn geben kann. Ueberdieß, um aufrichtig zu sprechen, die Regie-
rung Ludwig Philipps und Hrn. Guizots hatte Frankreich auf den höch-
sten Gipfel der Macht erhoben den es jemals in einer Friedensperiode
seit 150 Jahren erklommen. Die Lage des Königreichs ließ sich nur
vergleichen mit jener Ludwigs XIV im J. 1698 unmittelbar nach dem
Ryswyker Frieden. Gleich dem "Grand Monarque" hatte Ludwig Phi-
lipp sich zum vollständigen Meister gemacht nicht nur in Frankreich, son-
dern auch in Spanien; er hatte England aus Griechenland verdrängt,
hielt der englischen Politik in jedem Theile der Welt das Gegengewicht
oder durchkreuzte sie, und dieses System wurde mit einer solchen Thätig-
keit verfolgt, daß es offenbar in naher Zeit zu einem Bruch und Krieg
zwischen den beiden Nationen geführt haben würde. Der Aufstand des
französischen Volks hat all diesen Zettelungen und Einflüssen summa-
risch ein Ende gemacht. Alle die regellose Heftigkeit der republicani-
schen Propaganda muß unendlich zurückbleiben hinter den Hülfsquellen
und Auskunftsmitteln einer solchen Monarchie wie es die Ludwig Phi-
lipps unter einem Minister wie Guizot war. Jn seiner neuen Stellung
kann Frankreich vergleichsweise nur wenig die Eifersucht Englands er-
regen. Frankreichs Credit ist nothwendig bis in seine Grundfesten
erschüttert, seine politische Lage ist unterminirt, seine künftigen
Führer sind unbekannt, und wiewohl im ersten Augenblick der Verdutzung
und Furcht alle Franzosen der Republik hastig beigetreten sind, so wal-
tet doch kein ächter republicanischer Enthustasmus in den Mittelclassen,
Elemente zu Spaltungen sind offenbar vorhanden, und ganz sicher wird
es lange währen bis sich in Frankreich eine Regierung wieder hinläng-
lich befestigt um mit Plan und Absicht auf ein System politischen Ein-
flusses hinarbeiten zu können. Kurz, das Daseyn einer starken nationalen
Nebenbuhlerschaft zwischen Frankreich und England zugegeben, haben doch
die Februarereignisse Frankreich in der Wagschale der Nationen so nie-
dergedrückt und geschwächt, daß Englands Eifersucht, die es in der letz-
ten Regierungsperiode Ludwig Philipps gegen den Nachbarstaat hegte,
sehr vermindert worden ist. Uebrigens hat Frankreich sich mit eigenem
freien Entschluß in die Anarchie gestürzt, und es ist jetzt bestrebt seine
Jdeen von politischer Freiheit und socialistischer Glückseligkeit zu ver-
wirklichen. Sind die Franzosen selbst mit den Resultaten ihrer Be-
strebnisse zufrieden, so hat niemand anderer das Recht sich darüber zu
beklagen oder daran zu mäkeln. -- Die Ruhestörungen die hier in Lon-
don auf Trafalgar-Square und Charing-Croß vorgefallen, waren eine
Caricatur der Pariser Revolution. Ein paar tausend Gassenjungen
und Taschendiebe liefen zusammen; 40 Polizeidiener waren anfänglich
alles was die Regierung dem "Mob" entgegensetzte. Eine gute Anzahl
Gaslaternen und Budenfenster ward eingeschlagen oder eingeworfen.
Jn der Nacht sammelte sich die Polizei ungefähr 1100 Mann stark, kein
Militär wurde beigezogen, und mit einigen blutigen Köpfen war die
Schlacht vorüber. Ernsterer Art waren die Unruhen in Glasgow, wegen
des wilden Charakters des gemeinen schottischen und irischen Volks in
jener Stadt. Eigenthum ward in sehr beträchtlichem Maße zerstört.
Jn Jrland nähern sich die Dinge rasch einer Krisis.

Frankreich.

Der Bericht des Hrn. Garnier Pages über die Finanzlage der Re-
publik geht davon aus daß das Land die Wahrheit hierüber erfahren
wolle und daß die Regierung das Bedürfniß habe sie zu sagen, daß das
[Spaltenumbruch] ihre Pflicht, ihr Jnteresse, ihr Recht sey. Er verspricht es ohne Haß,
ohne Furcht, aber auch ohne Schonung zu thun. Demnach stellen sich
folgende Thatsachen heraus. Oeffentliche Schuld. Am 1 Jan.
1841, nach Abzug der dem Tilgungsfonds zugehörigen Renten,
4,267,315,402 Fr. Am 1 Jan. 1848 5,179,644,730 Fr. -- also in den
sieben Jahren der letzten Verwaltung, inmitten des Friedens, ein Mehr
von 912,329,328 Fr. Budgets. Von 1829/30 = 1,014,914,000
Fr. Von 1847, alle der Regierung zur Verfügung gestellten Sum-
men gerechnet = 1,712,979,639 Fr. 62 C. Trotz der sich steigernden
Einnahmen jedes Jahr ein beträchtliches Deficit. Von 1840 bis 1847
einschließlich ein Ueberschreiten der Einnahmen um 604,525,000 Fr.
Das vorgesehene Deficit von 1848 = 48,000,000 Fr., ohne das Capi-
tel der Nachforderungen und Ergänzungscredite, welches das Gesammt-
deficit in den Budgets der letzten Verwaltung auf 652,525,000 Fr. er-
hebt. Oeffentliche Arbeiten. Die maßlos auf allen Punkten des
Landes zum Behuf der Wahlbestechung gleichzeitig unternommenen
Staatsbauten = 1,081,000,000 Fr. Davon die von den Compagnien
zurückbezahlten Summen im Betrag von 160 Mill. und das letzte An-
lehen mit 82 Mill., also zusammen 242 Mill. abgezogen, bleiben 839
Mill., wovon 435 Mill. aus den Hülfsquellen der schwebenden Schuld
verausgabt wurden, und 404 Mill. zur Vollendung der Arbeiten noch
zu bestreiten sind. Schwebende Schuld. Nicht minder beträcht-
liche Zunahme. Zu Anfang des Jahrs 1831 = 250 Mill., am letzten
26 Febr. über 670 Mill., dazu die Renten der Spareasse mit 202 Mill.,
also im ganzen 872 Mill. Jn den letzten 268 Tagen ihrer Existenz hat
die gestürzte Regierung über ihre ordentlichen Hülfsquellen ausgegeben
294,800,000 Fr., täglich 1,100,000 Fr. Dieser Aufwand wurde aus
drei Quellen geschöpft: königliche Scheine, Anlehen, Sparcassen. Vom
12 April 1847 bis 26 Febr. 1848 ist die Ziffer der Schatzscheine von
86 auf 325 Mill. hinaufgegangen. Die Einzahlungen des Anlehens
vom 10 Nov. 1847 belaufen sich auf 82 Mill. "Jst der Rest des Anle-
hens realistrbar? sagt der Finanzminister. Niemand weiß es. Bloß
soviel ist gewiß daß die Schatzscheine bezahlt werden müssen. Die kläg-
liche Geschichte der Sparcasse kennt Jedermann. Von den 355 Mill.
die zu Händen der vorigen Verwaltung eingezahlt wurden, habe ich nur
60 Mill. baar vorgefunden, das übrige war immobilisirt in Renten und
Actien. Daraus folgt daß die gestürzte Regierung sich in die absolute
Unmöglichkeit gesetzt hatte die Heimzahlungen die verlangt werden konn-
ten, zu leisten. Dieß ist die wahre Finanzlage, Bürger, welche die
Monarchie der Republik vermacht hat. Die Republik nimmt sie an."
Die Hülfe soll nun in den bereits mitgetheilten Decreten gesucht wer-
den, wozu auch eine Verminderung der Stellen in Aussicht gestellt ist.
Keine Sinecuren, wenige aber gut bezahlte Staatsdiener -- ist Princip und
Regel der Republik. Tilgungscasse. Die Erhaltung des Tilgungsfonds
wird als eine Verpflichtung des Staates gegen die Gläubiger anerkannt.
Da die vorige Regierung über die Reserven des Tilgungsfonds voraus
verfügt hatte, so befand man sich, nachdem die Rente unter Pari gefallen
war, in der Alternative entweder die Bewegung der Tilgung eintreten
zu lassen und die Arbeiten einzustellen, oder diese fortzusetzen, dann aber
Schatzscheine auszugeben statt baaren Geldes in der Tilgungscasse.
Diese letztere Wahl bot den doppelten Vortheil daß sie denen Brod sicherte
die keines hatten und das baare Geld in den Cassen des Schatzes ließ,
über 1/2 Mill. täglich. Daher wurde beschlossen daß die Tilgungscasse
fortfahren sollte Schatzscheine zu empfangen statt Geld, was die 5pro-
centigen und die 41/2procentigen Renten betrifft. Schatzscheine.
Sie beliefen sich am 24 Febr. 1848 auf 329,886,000 Fr., zum Theil
mit kurzer Verfallzeit, im allgemeinen auf die verschiedenen Monate von
1848 u. 1849 vertheilt. Die Steuererhebung geht mit größter Leichtigkeit
vor sich, der Dienst der Schatzscheine ist gesichert, und es wird nur darin
eine Aenderung getroffen daß der Zins ohne Rücksicht auf die Ver-
fallszeit künftig 5 Proc. ausmachen soll. Sparcassen. Das Eigen-
thum der Einleger war am 7 März, dem Tag wo Hr. Garnier Pages
die Finanzleitung übernahm, also vertheilt: Jm Schatz auf laufende
Rechnung zu 4 Proc. 65,703,620 Fr. 40 C.; 5proc. Renten kostend
34,106,135 Fr. 25 C.; 4proc. Renten 202,316,175 Fr.; 3proc. Ren-
ten 34,048,447 Fr. 92 C.; Actien der vier Canäle 14,059,120 Fr.;
Actien der drei Canäle 4,818,218 Fr. 75 C.; zusammen 355,087,717
Fr. 32 C.

Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung
vom 15 März 1848.


[Spaltenumbruch]
Großbritannien.

Die franzöſiſche Staatsumwälzung, der
Sturz Ludwig Philipps und die Maßnahmen der proviſoriſchen Regie-
rung von Frankreich werden vom engliſchen Volk ohne Enthuſtasmus,
aber auch ohne Mißgunſt betrachtet. Das Benehmen des geſtürzten
Monarchen und ſeiner Miniſter in den ſpaniſchen Heirathsfragen hatte
die Achtung und das Vertrauen, die ſie früher in England genoſſen,
gänzlich vernichtet; ſo erhob ſich denn keine Stimme um ihren Fall zu
beklagen, ausgenommen vielleicht im Privatkreis des Grafen Aberdeen,
wovon ein leiſer Wiederhall im Standard tönte. Die Tories im allge-
meinen ſind, gleich den franzöſiſchen Legitimiſten, der Anſicht daß eine
Krone die durch einen Volkstumult gewonnen worden, billigerweiſe im
nämlichen Spiele verloren gehen darf. Die Whigs haßten das „Sy-
ſtem“ der Tuilerien als hinterliſtig und reactionär. Die Radicalen
ſind geneigt über alles zu frohlocken was volklichen Sympathien einen
Anſporn geben kann. Ueberdieß, um aufrichtig zu ſprechen, die Regie-
rung Ludwig Philipps und Hrn. Guizots hatte Frankreich auf den höch-
ſten Gipfel der Macht erhoben den es jemals in einer Friedensperiode
ſeit 150 Jahren erklommen. Die Lage des Königreichs ließ ſich nur
vergleichen mit jener Ludwigs XIV im J. 1698 unmittelbar nach dem
Ryswyker Frieden. Gleich dem „Grand Monarque“ hatte Ludwig Phi-
lipp ſich zum vollſtändigen Meiſter gemacht nicht nur in Frankreich, ſon-
dern auch in Spanien; er hatte England aus Griechenland verdrängt,
hielt der engliſchen Politik in jedem Theile der Welt das Gegengewicht
oder durchkreuzte ſie, und dieſes Syſtem wurde mit einer ſolchen Thätig-
keit verfolgt, daß es offenbar in naher Zeit zu einem Bruch und Krieg
zwiſchen den beiden Nationen geführt haben würde. Der Aufſtand des
franzöſiſchen Volks hat all dieſen Zettelungen und Einflüſſen ſumma-
riſch ein Ende gemacht. Alle die regelloſe Heftigkeit der republicani-
ſchen Propaganda muß unendlich zurückbleiben hinter den Hülfsquellen
und Auskunftsmitteln einer ſolchen Monarchie wie es die Ludwig Phi-
lipps unter einem Miniſter wie Guizot war. Jn ſeiner neuen Stellung
kann Frankreich vergleichsweiſe nur wenig die Eiferſucht Englands er-
regen. Frankreichs Credit iſt nothwendig bis in ſeine Grundfeſten
erſchüttert, ſeine politiſche Lage iſt unterminirt, ſeine künftigen
Führer ſind unbekannt, und wiewohl im erſten Augenblick der Verdutzung
und Furcht alle Franzoſen der Republik haſtig beigetreten ſind, ſo wal-
tet doch kein ächter republicaniſcher Enthuſtasmus in den Mittelclaſſen,
Elemente zu Spaltungen ſind offenbar vorhanden, und ganz ſicher wird
es lange währen bis ſich in Frankreich eine Regierung wieder hinläng-
lich befeſtigt um mit Plan und Abſicht auf ein Syſtem politiſchen Ein-
fluſſes hinarbeiten zu können. Kurz, das Daſeyn einer ſtarken nationalen
Nebenbuhlerſchaft zwiſchen Frankreich und England zugegeben, haben doch
die Februarereigniſſe Frankreich in der Wagſchale der Nationen ſo nie-
dergedrückt und geſchwächt, daß Englands Eiferſucht, die es in der letz-
ten Regierungsperiode Ludwig Philipps gegen den Nachbarſtaat hegte,
ſehr vermindert worden iſt. Uebrigens hat Frankreich ſich mit eigenem
freien Entſchluß in die Anarchie geſtürzt, und es iſt jetzt beſtrebt ſeine
Jdeen von politiſcher Freiheit und ſocialiſtiſcher Glückſeligkeit zu ver-
wirklichen. Sind die Franzoſen ſelbſt mit den Reſultaten ihrer Be-
ſtrebniſſe zufrieden, ſo hat niemand anderer das Recht ſich darüber zu
beklagen oder daran zu mäkeln. — Die Ruheſtörungen die hier in Lon-
don auf Trafalgar-Square und Charing-Croß vorgefallen, waren eine
Caricatur der Pariſer Revolution. Ein paar tauſend Gaſſenjungen
und Taſchendiebe liefen zuſammen; 40 Polizeidiener waren anfänglich
alles was die Regierung dem „Mob“ entgegenſetzte. Eine gute Anzahl
Gaslaternen und Budenfenſter ward eingeſchlagen oder eingeworfen.
Jn der Nacht ſammelte ſich die Polizei ungefähr 1100 Mann ſtark, kein
Militär wurde beigezogen, und mit einigen blutigen Köpfen war die
Schlacht vorüber. Ernſterer Art waren die Unruhen in Glasgow, wegen
des wilden Charakters des gemeinen ſchottiſchen und iriſchen Volks in
jener Stadt. Eigenthum ward in ſehr beträchtlichem Maße zerſtört.
Jn Jrland nähern ſich die Dinge raſch einer Kriſis.

Frankreich.

Der Bericht des Hrn. Garnier Pagès über die Finanzlage der Re-
publik geht davon aus daß das Land die Wahrheit hierüber erfahren
wolle und daß die Regierung das Bedürfniß habe ſie zu ſagen, daß das
[Spaltenumbruch] ihre Pflicht, ihr Jntereſſe, ihr Recht ſey. Er verſpricht es ohne Haß,
ohne Furcht, aber auch ohne Schonung zu thun. Demnach ſtellen ſich
folgende Thatſachen heraus. Oeffentliche Schuld. Am 1 Jan.
1841, nach Abzug der dem Tilgungsfonds zugehörigen Renten,
4,267,315,402 Fr. Am 1 Jan. 1848 5,179,644,730 Fr. — alſo in den
ſieben Jahren der letzten Verwaltung, inmitten des Friedens, ein Mehr
von 912,329,328 Fr. Budgets. Von 1829/30 = 1,014,914,000
Fr. Von 1847, alle der Regierung zur Verfügung geſtellten Sum-
men gerechnet = 1,712,979,639 Fr. 62 C. Trotz der ſich ſteigernden
Einnahmen jedes Jahr ein beträchtliches Deficit. Von 1840 bis 1847
einſchließlich ein Ueberſchreiten der Einnahmen um 604,525,000 Fr.
Das vorgeſehene Deficit von 1848 = 48,000,000 Fr., ohne das Capi-
tel der Nachforderungen und Ergänzungscredite, welches das Geſammt-
deficit in den Budgets der letzten Verwaltung auf 652,525,000 Fr. er-
hebt. Oeffentliche Arbeiten. Die maßlos auf allen Punkten des
Landes zum Behuf der Wahlbeſtechung gleichzeitig unternommenen
Staatsbauten = 1,081,000,000 Fr. Davon die von den Compagnien
zurückbezahlten Summen im Betrag von 160 Mill. und das letzte An-
lehen mit 82 Mill., alſo zuſammen 242 Mill. abgezogen, bleiben 839
Mill., wovon 435 Mill. aus den Hülfsquellen der ſchwebenden Schuld
verausgabt wurden, und 404 Mill. zur Vollendung der Arbeiten noch
zu beſtreiten ſind. Schwebende Schuld. Nicht minder beträcht-
liche Zunahme. Zu Anfang des Jahrs 1831 = 250 Mill., am letzten
26 Febr. über 670 Mill., dazu die Renten der Spareaſſe mit 202 Mill.,
alſo im ganzen 872 Mill. Jn den letzten 268 Tagen ihrer Exiſtenz hat
die geſtürzte Regierung über ihre ordentlichen Hülfsquellen ausgegeben
294,800,000 Fr., täglich 1,100,000 Fr. Dieſer Aufwand wurde aus
drei Quellen geſchöpft: königliche Scheine, Anlehen, Sparcaſſen. Vom
12 April 1847 bis 26 Febr. 1848 iſt die Ziffer der Schatzſcheine von
86 auf 325 Mill. hinaufgegangen. Die Einzahlungen des Anlehens
vom 10 Nov. 1847 belaufen ſich auf 82 Mill. „Jſt der Reſt des Anle-
hens realiſtrbar? ſagt der Finanzminiſter. Niemand weiß es. Bloß
ſoviel iſt gewiß daß die Schatzſcheine bezahlt werden müſſen. Die kläg-
liche Geſchichte der Sparcaſſe kennt Jedermann. Von den 355 Mill.
die zu Händen der vorigen Verwaltung eingezahlt wurden, habe ich nur
60 Mill. baar vorgefunden, das übrige war immobiliſirt in Renten und
Actien. Daraus folgt daß die geſtürzte Regierung ſich in die abſolute
Unmöglichkeit geſetzt hatte die Heimzahlungen die verlangt werden konn-
ten, zu leiſten. Dieß iſt die wahre Finanzlage, Bürger, welche die
Monarchie der Republik vermacht hat. Die Republik nimmt ſie an.“
Die Hülfe ſoll nun in den bereits mitgetheilten Decreten geſucht wer-
den, wozu auch eine Verminderung der Stellen in Ausſicht geſtellt iſt.
Keine Sinecuren, wenige aber gut bezahlte Staatsdiener — iſt Princip und
Regel der Republik. Tilgungscaſſe. Die Erhaltung des Tilgungsfonds
wird als eine Verpflichtung des Staates gegen die Gläubiger anerkannt.
Da die vorige Regierung über die Reſerven des Tilgungsfonds voraus
verfügt hatte, ſo befand man ſich, nachdem die Rente unter Pari gefallen
war, in der Alternative entweder die Bewegung der Tilgung eintreten
zu laſſen und die Arbeiten einzuſtellen, oder dieſe fortzuſetzen, dann aber
Schatzſcheine auszugeben ſtatt baaren Geldes in der Tilgungscaſſe.
Dieſe letztere Wahl bot den doppelten Vortheil daß ſie denen Brod ſicherte
die keines hatten und das baare Geld in den Caſſen des Schatzes ließ,
über ½ Mill. täglich. Daher wurde beſchloſſen daß die Tilgungscaſſe
fortfahren ſollte Schatzſcheine zu empfangen ſtatt Geld, was die 5pro-
centigen und die 4½procentigen Renten betrifft. Schatzſcheine.
Sie beliefen ſich am 24 Febr. 1848 auf 329,886,000 Fr., zum Theil
mit kurzer Verfallzeit, im allgemeinen auf die verſchiedenen Monate von
1848 u. 1849 vertheilt. Die Steuererhebung geht mit größter Leichtigkeit
vor ſich, der Dienſt der Schatzſcheine iſt geſichert, und es wird nur darin
eine Aenderung getroffen daß der Zins ohne Rückſicht auf die Ver-
fallszeit künftig 5 Proc. ausmachen ſoll. Sparcaſſen. Das Eigen-
thum der Einleger war am 7 März, dem Tag wo Hr. Garnier Pagès
die Finanzleitung übernahm, alſo vertheilt: Jm Schatz auf laufende
Rechnung zu 4 Proc. 65,703,620 Fr. 40 C.; 5proc. Renten koſtend
34,106,135 Fr. 25 C.; 4proc. Renten 202,316,175 Fr.; 3proc. Ren-
ten 34,048,447 Fr. 92 C.; Actien der vier Canäle 14,059,120 Fr.;
Actien der drei Canäle 4,818,218 Fr. 75 C.; zuſammen 355,087,717
Fr. 32 C.

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[0017] Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitungvom 15 März 1848. Großbritannien. ⸫ London, 8 März. Die franzöſiſche Staatsumwälzung, der Sturz Ludwig Philipps und die Maßnahmen der proviſoriſchen Regie- rung von Frankreich werden vom engliſchen Volk ohne Enthuſtasmus, aber auch ohne Mißgunſt betrachtet. Das Benehmen des geſtürzten Monarchen und ſeiner Miniſter in den ſpaniſchen Heirathsfragen hatte die Achtung und das Vertrauen, die ſie früher in England genoſſen, gänzlich vernichtet; ſo erhob ſich denn keine Stimme um ihren Fall zu beklagen, ausgenommen vielleicht im Privatkreis des Grafen Aberdeen, wovon ein leiſer Wiederhall im Standard tönte. Die Tories im allge- meinen ſind, gleich den franzöſiſchen Legitimiſten, der Anſicht daß eine Krone die durch einen Volkstumult gewonnen worden, billigerweiſe im nämlichen Spiele verloren gehen darf. Die Whigs haßten das „Sy- ſtem“ der Tuilerien als hinterliſtig und reactionär. Die Radicalen ſind geneigt über alles zu frohlocken was volklichen Sympathien einen Anſporn geben kann. Ueberdieß, um aufrichtig zu ſprechen, die Regie- rung Ludwig Philipps und Hrn. Guizots hatte Frankreich auf den höch- ſten Gipfel der Macht erhoben den es jemals in einer Friedensperiode ſeit 150 Jahren erklommen. Die Lage des Königreichs ließ ſich nur vergleichen mit jener Ludwigs XIV im J. 1698 unmittelbar nach dem Ryswyker Frieden. Gleich dem „Grand Monarque“ hatte Ludwig Phi- lipp ſich zum vollſtändigen Meiſter gemacht nicht nur in Frankreich, ſon- dern auch in Spanien; er hatte England aus Griechenland verdrängt, hielt der engliſchen Politik in jedem Theile der Welt das Gegengewicht oder durchkreuzte ſie, und dieſes Syſtem wurde mit einer ſolchen Thätig- keit verfolgt, daß es offenbar in naher Zeit zu einem Bruch und Krieg zwiſchen den beiden Nationen geführt haben würde. Der Aufſtand des franzöſiſchen Volks hat all dieſen Zettelungen und Einflüſſen ſumma- riſch ein Ende gemacht. Alle die regelloſe Heftigkeit der republicani- ſchen Propaganda muß unendlich zurückbleiben hinter den Hülfsquellen und Auskunftsmitteln einer ſolchen Monarchie wie es die Ludwig Phi- lipps unter einem Miniſter wie Guizot war. Jn ſeiner neuen Stellung kann Frankreich vergleichsweiſe nur wenig die Eiferſucht Englands er- regen. Frankreichs Credit iſt nothwendig bis in ſeine Grundfeſten erſchüttert, ſeine politiſche Lage iſt unterminirt, ſeine künftigen Führer ſind unbekannt, und wiewohl im erſten Augenblick der Verdutzung und Furcht alle Franzoſen der Republik haſtig beigetreten ſind, ſo wal- tet doch kein ächter republicaniſcher Enthuſtasmus in den Mittelclaſſen, Elemente zu Spaltungen ſind offenbar vorhanden, und ganz ſicher wird es lange währen bis ſich in Frankreich eine Regierung wieder hinläng- lich befeſtigt um mit Plan und Abſicht auf ein Syſtem politiſchen Ein- fluſſes hinarbeiten zu können. Kurz, das Daſeyn einer ſtarken nationalen Nebenbuhlerſchaft zwiſchen Frankreich und England zugegeben, haben doch die Februarereigniſſe Frankreich in der Wagſchale der Nationen ſo nie- dergedrückt und geſchwächt, daß Englands Eiferſucht, die es in der letz- ten Regierungsperiode Ludwig Philipps gegen den Nachbarſtaat hegte, ſehr vermindert worden iſt. Uebrigens hat Frankreich ſich mit eigenem freien Entſchluß in die Anarchie geſtürzt, und es iſt jetzt beſtrebt ſeine Jdeen von politiſcher Freiheit und ſocialiſtiſcher Glückſeligkeit zu ver- wirklichen. Sind die Franzoſen ſelbſt mit den Reſultaten ihrer Be- ſtrebniſſe zufrieden, ſo hat niemand anderer das Recht ſich darüber zu beklagen oder daran zu mäkeln. — Die Ruheſtörungen die hier in Lon- don auf Trafalgar-Square und Charing-Croß vorgefallen, waren eine Caricatur der Pariſer Revolution. Ein paar tauſend Gaſſenjungen und Taſchendiebe liefen zuſammen; 40 Polizeidiener waren anfänglich alles was die Regierung dem „Mob“ entgegenſetzte. Eine gute Anzahl Gaslaternen und Budenfenſter ward eingeſchlagen oder eingeworfen. Jn der Nacht ſammelte ſich die Polizei ungefähr 1100 Mann ſtark, kein Militär wurde beigezogen, und mit einigen blutigen Köpfen war die Schlacht vorüber. Ernſterer Art waren die Unruhen in Glasgow, wegen des wilden Charakters des gemeinen ſchottiſchen und iriſchen Volks in jener Stadt. Eigenthum ward in ſehr beträchtlichem Maße zerſtört. Jn Jrland nähern ſich die Dinge raſch einer Kriſis. Frankreich. Der Bericht des Hrn. Garnier Pagès über die Finanzlage der Re- publik geht davon aus daß das Land die Wahrheit hierüber erfahren wolle und daß die Regierung das Bedürfniß habe ſie zu ſagen, daß das ihre Pflicht, ihr Jntereſſe, ihr Recht ſey. Er verſpricht es ohne Haß, ohne Furcht, aber auch ohne Schonung zu thun. Demnach ſtellen ſich folgende Thatſachen heraus. Oeffentliche Schuld. Am 1 Jan. 1841, nach Abzug der dem Tilgungsfonds zugehörigen Renten, 4,267,315,402 Fr. Am 1 Jan. 1848 5,179,644,730 Fr. — alſo in den ſieben Jahren der letzten Verwaltung, inmitten des Friedens, ein Mehr von 912,329,328 Fr. Budgets. Von 1829/30 = 1,014,914,000 Fr. Von 1847, alle der Regierung zur Verfügung geſtellten Sum- men gerechnet = 1,712,979,639 Fr. 62 C. Trotz der ſich ſteigernden Einnahmen jedes Jahr ein beträchtliches Deficit. Von 1840 bis 1847 einſchließlich ein Ueberſchreiten der Einnahmen um 604,525,000 Fr. Das vorgeſehene Deficit von 1848 = 48,000,000 Fr., ohne das Capi- tel der Nachforderungen und Ergänzungscredite, welches das Geſammt- deficit in den Budgets der letzten Verwaltung auf 652,525,000 Fr. er- hebt. Oeffentliche Arbeiten. Die maßlos auf allen Punkten des Landes zum Behuf der Wahlbeſtechung gleichzeitig unternommenen Staatsbauten = 1,081,000,000 Fr. Davon die von den Compagnien zurückbezahlten Summen im Betrag von 160 Mill. und das letzte An- lehen mit 82 Mill., alſo zuſammen 242 Mill. abgezogen, bleiben 839 Mill., wovon 435 Mill. aus den Hülfsquellen der ſchwebenden Schuld verausgabt wurden, und 404 Mill. zur Vollendung der Arbeiten noch zu beſtreiten ſind. Schwebende Schuld. Nicht minder beträcht- liche Zunahme. Zu Anfang des Jahrs 1831 = 250 Mill., am letzten 26 Febr. über 670 Mill., dazu die Renten der Spareaſſe mit 202 Mill., alſo im ganzen 872 Mill. Jn den letzten 268 Tagen ihrer Exiſtenz hat die geſtürzte Regierung über ihre ordentlichen Hülfsquellen ausgegeben 294,800,000 Fr., täglich 1,100,000 Fr. Dieſer Aufwand wurde aus drei Quellen geſchöpft: königliche Scheine, Anlehen, Sparcaſſen. Vom 12 April 1847 bis 26 Febr. 1848 iſt die Ziffer der Schatzſcheine von 86 auf 325 Mill. hinaufgegangen. Die Einzahlungen des Anlehens vom 10 Nov. 1847 belaufen ſich auf 82 Mill. „Jſt der Reſt des Anle- hens realiſtrbar? ſagt der Finanzminiſter. Niemand weiß es. Bloß ſoviel iſt gewiß daß die Schatzſcheine bezahlt werden müſſen. Die kläg- liche Geſchichte der Sparcaſſe kennt Jedermann. Von den 355 Mill. die zu Händen der vorigen Verwaltung eingezahlt wurden, habe ich nur 60 Mill. baar vorgefunden, das übrige war immobiliſirt in Renten und Actien. Daraus folgt daß die geſtürzte Regierung ſich in die abſolute Unmöglichkeit geſetzt hatte die Heimzahlungen die verlangt werden konn- ten, zu leiſten. Dieß iſt die wahre Finanzlage, Bürger, welche die Monarchie der Republik vermacht hat. Die Republik nimmt ſie an.“ Die Hülfe ſoll nun in den bereits mitgetheilten Decreten geſucht wer- den, wozu auch eine Verminderung der Stellen in Ausſicht geſtellt iſt. Keine Sinecuren, wenige aber gut bezahlte Staatsdiener — iſt Princip und Regel der Republik. Tilgungscaſſe. Die Erhaltung des Tilgungsfonds wird als eine Verpflichtung des Staates gegen die Gläubiger anerkannt. Da die vorige Regierung über die Reſerven des Tilgungsfonds voraus verfügt hatte, ſo befand man ſich, nachdem die Rente unter Pari gefallen war, in der Alternative entweder die Bewegung der Tilgung eintreten zu laſſen und die Arbeiten einzuſtellen, oder dieſe fortzuſetzen, dann aber Schatzſcheine auszugeben ſtatt baaren Geldes in der Tilgungscaſſe. Dieſe letztere Wahl bot den doppelten Vortheil daß ſie denen Brod ſicherte die keines hatten und das baare Geld in den Caſſen des Schatzes ließ, über ½ Mill. täglich. Daher wurde beſchloſſen daß die Tilgungscaſſe fortfahren ſollte Schatzſcheine zu empfangen ſtatt Geld, was die 5pro- centigen und die 4½procentigen Renten betrifft. Schatzſcheine. Sie beliefen ſich am 24 Febr. 1848 auf 329,886,000 Fr., zum Theil mit kurzer Verfallzeit, im allgemeinen auf die verſchiedenen Monate von 1848 u. 1849 vertheilt. Die Steuererhebung geht mit größter Leichtigkeit vor ſich, der Dienſt der Schatzſcheine iſt geſichert, und es wird nur darin eine Aenderung getroffen daß der Zins ohne Rückſicht auf die Ver- fallszeit künftig 5 Proc. ausmachen ſoll. Sparcaſſen. Das Eigen- thum der Einleger war am 7 März, dem Tag wo Hr. Garnier Pagès die Finanzleitung übernahm, alſo vertheilt: Jm Schatz auf laufende Rechnung zu 4 Proc. 65,703,620 Fr. 40 C.; 5proc. Renten koſtend 34,106,135 Fr. 25 C.; 4proc. 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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 75, 15. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine75_1848/17>, abgerufen am 21.11.2024.