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Allgemeine Zeitung, Nr. 75, 15. März 1848.

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Die traurige Lage des Credits dauert fort.
Das Gesuch der gestern auf dem Stadthause versammelten 800 Kauf-
leute um Verlängerung der Zahlungsfrist für die Wechsel um einen
Monat ist in der That abgeschlagen worden, und zwar mit sehr scharfen
Worten. Hr. Pagnerre, Generalsecretär der Regierung, ertheilte den
Bittstellern einen förmlichen Verweis mit dem Rathe sich in die Um-
stände zu fügen, die Wechsel die sie nicht bezahlen können oder wollen,
eben protestiren zu lassen. Eher würde die provisorische Regierung in
Masse abtreten als in ein solches Verlangen willigen. Für dießmal
mußten die Bittsteller abziehen. Aber heute versammelten sie sich aber-
mals in noch weit größerer Zahl um ihr Gesuch zu erneuern, mit ebenso
wenig Erfolg. Ja dießmal soll man ihnen sogar zu verstehen gegeben
haben daß es scheine sie wollten Unordnung und Verlegenheit anstiften,
in diesem Falle werde man ihnen die Köpfe zurechtzusetzen wissen. Ja
es sollen auf einen gegebenen Wink schon mehrere tausend Jünglinge
der Schulen, von denen eine große Zahl im Stadthause, und zwar im
Thronsaale, förmlich ihr Hauptquartier aufgeschlagen hat, zum Einschrei-
ten gegen die zudringlichen "Krämer" sich bereit gemacht haben. Diese
mußten daher abermals abziehen, und mögen Betrachtungen anstellen
über den Wechsel der Dinge. Sie haben so wesentlich zum Sturz der
Juliusregierung mitgewirkt, die ihr Werk war. Hr. Pagnerre, der nie
ein Freund jener Regierung gewesen, hat ganz recht wenn er ihnen ins
Gedächtniß zurückruft daß sie nun auch den Folgen des 24 Febr. sich fü-
gen müssen. Die Bank von Frankreich hatte sich übrigens sehr energisch
gegen das von den Handelsleuten verlangte Zugeständniß erklärt. Die
Lage der Gewerbe ist nicht minder schlimm als die des Handels. Die
Goldarbeiter in Masse müssen feiern, von 30,000 Schneidergesellen ist
baum ein Drittheil beschäftigt, die Reichen vom Jn- und Auslande haben
Paris großentheils verlassen, die Zurückgebliebenen schränken sich in je-
der Weise ein. Während die einen arbeiten möchten, aber keine Arbeit
finden, weisen andere sie zurück wenn man ihren Forderungen höhern
Lohnes nicht entspricht. So feiern alle Pflasterer sammt und sonders;
ihre Zahl ist indeß nicht sehr groß, und Ausländer haben sie nie unter
sich zugelassen. Bisher erhielten sie 4 Fr. Taglohn, jetzt verlangen sie
das Doppelte. Die Regierung sah sich dadurch genöthigt Maurern die
Wiederherstellung des aufgerissenen Straßenpflasters zu übertragen.
Auf dem Marsfeld tragen an 5 bis 6000 Jndividuen mit einem Tag-
lohn von je 2 Fr. die kleinen Erdaufwürfe ab, die östlich und südlich
dieses weite Sandfeld begränzen, und hauen sogar die herrlichen Baum-
reihen daneben nieder, ohne daß sich ein Zweck entdecken ließe als den
brodlosen Leuten Verdienst zu geben. Dahin führt die so unüberlegt
von der Regierung übernommene Bürgschaft den Arbeitern stets Be-
schäftigung zu verschaffen.


Die Zahl der Linientruppen ist in
diesem Augenblick so gering bei uns daß der Dienst der Nationalgarde
erweitert werden mußte. Selbst die Hauptwache ist von der Land-
wehr und den Linientruppen abwechselnd besetzt. Der wirkliche
Bestand des Heers wird auf keinen Fall vermehrt, dagegen dürften
die Truppen in der Folge mehr concentrirt werden, da man auf
die örtlichen Betteleien, welche von den ehemaligen Deputirten so sehr
bevorwortet wurden, keine Rücksicht mehr nimmt und nur dort Besatzun-
gen fortbestehen läßt wo es die Nothwendigkeit erfordert. Die Krank-
heit der Börse in Paris hat auf unserm Platz weniger bedenkliche Ein-
wirkungen als man gefürchtet hatte. Das hiesige Bankcomptoir dis-
contirt für bedeutende Summen. Der Baarvorrath an geprägter Münze,
worüber diese Anstalt jeden Augenblick verfügen kann, beträgt 8 bis 9
Millionen. Nach Deutschland gingen diese Woche einige ansehnliche
Baarsendungen. Jm Handel wurde während der letzten Tage durch-
schnittlich zu 51/2 ja sogar zu 5 Proc. discontirt -- der deutlichste Be-
weis daß das Vertrauen weniger erschüttert ist als zur Zeit der Geld-
klemme und Theurung im vorigen Jahr. Jn allen Theilen des Elsasses
herrscht die erwünschteste Ruhe und Ordnung.

Niederland.

Vorgestern wurden die Ge-
neralstaaten eröffnet, und der Minister der auswärtigen Angelegenheiten
nahm alsbald das Wort, um die Kammer von den friedlichen Versiche-
rungen Frankreichs und der Anknüpfung von Unterhandlungen mit Bel-
gien in Kenntniß zu setzen. Von einem bereits abgeschlossenen Schutz-
[Spaltenumbruch] und Trutzbündniß ist in dieser Ankündigung nicht die Sprache gewesen,
obgleich die Unterhandlungen auf nichts anderes hinauslaufen können.
Sodann trat der Minister der innern Angelegenheiten auf, und kündigte
an daß man Vorsichtshalber die Beurlaubten der Jahre 1845 und 1846
einberufen habe, auch die Miliz von 1847 solle aus der Reserve in Activi-
tät gestellt werden, und zwar am 1 April. Ebenso soll die Aushebung
von 1848, wie man sagt, auf den 1 Mai berufen werden. Auf heute er-
wartet man eine abermalige Versammlung der Kammern, in welcher
vermuthlich die Vorschläge hinsichtlich der Grundgesetzänderungen vorge-
legt werden. Seit einigen Tagen fanden fast unablässig Staatsraths-
sitzungen statt.


Am 9 wurde der zweiten
Kammer der Generalstaaten eine königliche Botschaft mitgetheilt, und
zugleich damit 27 Gesetzentwürfe, welche die Regierungsvorschläge über
die Aenderungen im Grundgesetz umfassen. Jch werde Sie mit Aufzäh-
lung dieser Gesetzentwürfe nicht behelligen, und bemerke nur so viel daß
die meisten sehr unbedeutend sind, und daß die wahren Krebsschäden, der
Grundsatz indirecter Wahlen durch die Provinzialstände und die Einthei-
lung in Stände, bestehen bleibt. Das ist hinreichend um den ganzen Geist
dieser Vorschläge zu bezeichnen, sie werden mit Entrüstung aufgenommen
werden; sie wären so aufgenommen worden vor der französischen Revolu-
tion, und werden zuverlässig jetzt wo Belgien zur Verhütung von
Schlimmerem mit dem Beispiel einer noch liberalern Entwicklung seiner
Verfassung voranging, mit noch bittererem Hohn aufgenommen werden.
Die Verblendung gränzt in der That aus Unbegreifliche und die Folgen
werden binnen wenigen Monaten -- man übereilt sich hier nicht allzu-
sehr -- nicht ausbleiben. Das ist fürs erste alles was ich Jhnen über
diesen Gegenstand sagen kann.

Italien.

Das Municipium fand noch Zeit sich der Pe-
tition um beschleunigte Ertheilung der Verfassung zu bemächtigen und
in Verein mit der zu gleichem Zweck hier angelangten Deputation von
Bologna dem heil. Vater gestern Morgen die betreffende Adresse zu über-
reichen. Diese weist nicht bloß auf die Nothwendigkeit hin die Ver-
öffentlichung der Constitution zu beschleunigen, sondern auch den Bund
der italienischen Staaten zur Aufrechthaltung der Unabhängigkeit Jta-
liens rasch zum Abschluß zu bringen. Der Papst nahm die Deputa-
tion welche ihm unter dem Vortritt des Senators genaht war, huldvoll
auf und antwortete in kurzem etwa folgendes: "Daß er mit den Refor-
men ernsthaft beschäftigt sey, wisse man. Wenn in andern Staaten
aber sich eine Constitution über Nacht machen lasse, so verlange eine
solche Arbeit für den Kirchenstaat lange Zeit. Dennoch hoffe er in we-
nigen Tagen das thun zu können was seine Unterthanen zufriedenzu-
stellen vermögend seyn dürfe. Gelänge ihm dieses große Werk, so wolle
er Gott am Fuße des Kreuzes danken." Diese kurze Rede, aus dem Ge-
dächtniß nachgeschrieben, circulirt in vielen Abschriften. Es bietet einen
wunderbaren Contrast dar, wenn man eben einen Faschingsnarren hat
anhören müssen der durch lange Witzeleien die Menge um sich zu ver-
sammeln weiß, hineinzutreten in einen Tabaksladen wo Haufen von
Menschen so ernste Worte sich in die Feder dictiren lassen. Die Adresse
selbst wird an den Straßenecken mit Hülfe von Wachsstümpfchen nicht
bloß gelesen, sondern laut verlesen und hier bieten sich noch komischere
Widersprüche dar, indem die toll vermummten Masken nicht umhin kön-
nen in den Ernst des Lebens zurückzukehren. Dazwischen immer die aus-
gestreuten Gerüchte, Karl Albert sey bereits mit 25,000 Mann in die
Lombardei eingerückt; Aufforderungen von Damen ihr Nadelgeld zum
Ankauf von Kanonen zu verwenden; die Nachricht von Nardoni's, des
verhaßten Gregorianischen Polizeihauptmanns, Festnehmung in Ceprano.
Kurz es ist ein Carneval wie bis jetzt vielleicht noch keiner in Rom ab-
gehalten worden ist. Gleichzeitig bringt die Pallade als eine Sage
welche bald werde zur Wahrheit werden, einen neuen Ministerwechsel,
demzufolge Marco Minghetti das Ministerium des Jnnern, Gaetano
Recchi das der Finanzen und Fürst Camillo Aldobrandini das des Kriegs
allernächst zuertheilt erhalten werden. Statt der Moccoli will man, so
sagen einige, einen Zug zum Papst veranstalten. Etwas ungewöhnliches
wird wohl vorgenommen werden ohne daß gerade Grund zu ernstlichen
Besorgnissen vorhanden wäre.

[Spaltenumbruch]

Die traurige Lage des Credits dauert fort.
Das Geſuch der geſtern auf dem Stadthauſe verſammelten 800 Kauf-
leute um Verlängerung der Zahlungsfriſt für die Wechſel um einen
Monat iſt in der That abgeſchlagen worden, und zwar mit ſehr ſcharfen
Worten. Hr. Pagnerre, Generalſecretär der Regierung, ertheilte den
Bittſtellern einen förmlichen Verweis mit dem Rathe ſich in die Um-
ſtände zu fügen, die Wechſel die ſie nicht bezahlen können oder wollen,
eben proteſtiren zu laſſen. Eher würde die proviſoriſche Regierung in
Maſſe abtreten als in ein ſolches Verlangen willigen. Für dießmal
mußten die Bittſteller abziehen. Aber heute verſammelten ſie ſich aber-
mals in noch weit größerer Zahl um ihr Geſuch zu erneuern, mit ebenſo
wenig Erfolg. Ja dießmal ſoll man ihnen ſogar zu verſtehen gegeben
haben daß es ſcheine ſie wollten Unordnung und Verlegenheit anſtiften,
in dieſem Falle werde man ihnen die Köpfe zurechtzuſetzen wiſſen. Ja
es ſollen auf einen gegebenen Wink ſchon mehrere tauſend Jünglinge
der Schulen, von denen eine große Zahl im Stadthauſe, und zwar im
Thronſaale, förmlich ihr Hauptquartier aufgeſchlagen hat, zum Einſchrei-
ten gegen die zudringlichen „Krämer“ ſich bereit gemacht haben. Dieſe
mußten daher abermals abziehen, und mögen Betrachtungen anſtellen
über den Wechſel der Dinge. Sie haben ſo weſentlich zum Sturz der
Juliusregierung mitgewirkt, die ihr Werk war. Hr. Pagnerre, der nie
ein Freund jener Regierung geweſen, hat ganz recht wenn er ihnen ins
Gedächtniß zurückruft daß ſie nun auch den Folgen des 24 Febr. ſich fü-
gen müſſen. Die Bank von Frankreich hatte ſich übrigens ſehr energiſch
gegen das von den Handelsleuten verlangte Zugeſtändniß erklärt. Die
Lage der Gewerbe iſt nicht minder ſchlimm als die des Handels. Die
Goldarbeiter in Maſſe müſſen feiern, von 30,000 Schneidergeſellen iſt
baum ein Drittheil beſchäftigt, die Reichen vom Jn- und Auslande haben
Paris großentheils verlaſſen, die Zurückgebliebenen ſchränken ſich in je-
der Weiſe ein. Während die einen arbeiten möchten, aber keine Arbeit
finden, weiſen andere ſie zurück wenn man ihren Forderungen höhern
Lohnes nicht entſpricht. So feiern alle Pflaſterer ſammt und ſonders;
ihre Zahl iſt indeß nicht ſehr groß, und Ausländer haben ſie nie unter
ſich zugelaſſen. Bisher erhielten ſie 4 Fr. Taglohn, jetzt verlangen ſie
das Doppelte. Die Regierung ſah ſich dadurch genöthigt Maurern die
Wiederherſtellung des aufgeriſſenen Straßenpflaſters zu übertragen.
Auf dem Marsfeld tragen an 5 bis 6000 Jndividuen mit einem Tag-
lohn von je 2 Fr. die kleinen Erdaufwürfe ab, die öſtlich und ſüdlich
dieſes weite Sandfeld begränzen, und hauen ſogar die herrlichen Baum-
reihen daneben nieder, ohne daß ſich ein Zweck entdecken ließe als den
brodloſen Leuten Verdienſt zu geben. Dahin führt die ſo unüberlegt
von der Regierung übernommene Bürgſchaft den Arbeitern ſtets Be-
ſchäftigung zu verſchaffen.


Die Zahl der Linientruppen iſt in
dieſem Augenblick ſo gering bei uns daß der Dienſt der Nationalgarde
erweitert werden mußte. Selbſt die Hauptwache iſt von der Land-
wehr und den Linientruppen abwechſelnd beſetzt. Der wirkliche
Beſtand des Heers wird auf keinen Fall vermehrt, dagegen dürften
die Truppen in der Folge mehr concentrirt werden, da man auf
die örtlichen Betteleien, welche von den ehemaligen Deputirten ſo ſehr
bevorwortet wurden, keine Rückſicht mehr nimmt und nur dort Beſatzun-
gen fortbeſtehen läßt wo es die Nothwendigkeit erfordert. Die Krank-
heit der Börſe in Paris hat auf unſerm Platz weniger bedenkliche Ein-
wirkungen als man gefürchtet hatte. Das hieſige Bankcomptoir dis-
contirt für bedeutende Summen. Der Baarvorrath an geprägter Münze,
worüber dieſe Anſtalt jeden Augenblick verfügen kann, beträgt 8 bis 9
Millionen. Nach Deutſchland gingen dieſe Woche einige anſehnliche
Baarſendungen. Jm Handel wurde während der letzten Tage durch-
ſchnittlich zu 5½ ja ſogar zu 5 Proc. discontirt — der deutlichſte Be-
weis daß das Vertrauen weniger erſchüttert iſt als zur Zeit der Geld-
klemme und Theurung im vorigen Jahr. Jn allen Theilen des Elſaſſes
herrſcht die erwünſchteſte Ruhe und Ordnung.

Niederland.

Vorgeſtern wurden die Ge-
neralſtaaten eröffnet, und der Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten
nahm alsbald das Wort, um die Kammer von den friedlichen Verſiche-
rungen Frankreichs und der Anknüpfung von Unterhandlungen mit Bel-
gien in Kenntniß zu ſetzen. Von einem bereits abgeſchloſſenen Schutz-
[Spaltenumbruch] und Trutzbündniß iſt in dieſer Ankündigung nicht die Sprache geweſen,
obgleich die Unterhandlungen auf nichts anderes hinauslaufen können.
Sodann trat der Miniſter der innern Angelegenheiten auf, und kündigte
an daß man Vorſichtshalber die Beurlaubten der Jahre 1845 und 1846
einberufen habe, auch die Miliz von 1847 ſolle aus der Reſerve in Activi-
tät geſtellt werden, und zwar am 1 April. Ebenſo ſoll die Aushebung
von 1848, wie man ſagt, auf den 1 Mai berufen werden. Auf heute er-
wartet man eine abermalige Verſammlung der Kammern, in welcher
vermuthlich die Vorſchläge hinſichtlich der Grundgeſetzänderungen vorge-
legt werden. Seit einigen Tagen fanden faſt unabläſſig Staatsraths-
ſitzungen ſtatt.


Am 9 wurde der zweiten
Kammer der Generalſtaaten eine königliche Botſchaft mitgetheilt, und
zugleich damit 27 Geſetzentwürfe, welche die Regierungsvorſchläge über
die Aenderungen im Grundgeſetz umfaſſen. Jch werde Sie mit Aufzäh-
lung dieſer Geſetzentwürfe nicht behelligen, und bemerke nur ſo viel daß
die meiſten ſehr unbedeutend ſind, und daß die wahren Krebsſchäden, der
Grundſatz indirecter Wahlen durch die Provinzialſtände und die Einthei-
lung in Stände, beſtehen bleibt. Das iſt hinreichend um den ganzen Geiſt
dieſer Vorſchläge zu bezeichnen, ſie werden mit Entrüſtung aufgenommen
werden; ſie wären ſo aufgenommen worden vor der franzöſiſchen Revolu-
tion, und werden zuverläſſig jetzt wo Belgien zur Verhütung von
Schlimmerem mit dem Beiſpiel einer noch liberalern Entwicklung ſeiner
Verfaſſung voranging, mit noch bittererem Hohn aufgenommen werden.
Die Verblendung gränzt in der That aus Unbegreifliche und die Folgen
werden binnen wenigen Monaten — man übereilt ſich hier nicht allzu-
ſehr — nicht ausbleiben. Das iſt fürs erſte alles was ich Jhnen über
dieſen Gegenſtand ſagen kann.

Italien.

Das Municipium fand noch Zeit ſich der Pe-
tition um beſchleunigte Ertheilung der Verfaſſung zu bemächtigen und
in Verein mit der zu gleichem Zweck hier angelangten Deputation von
Bologna dem heil. Vater geſtern Morgen die betreffende Adreſſe zu über-
reichen. Dieſe weist nicht bloß auf die Nothwendigkeit hin die Ver-
öffentlichung der Conſtitution zu beſchleunigen, ſondern auch den Bund
der italieniſchen Staaten zur Aufrechthaltung der Unabhängigkeit Jta-
liens raſch zum Abſchluß zu bringen. Der Papſt nahm die Deputa-
tion welche ihm unter dem Vortritt des Senators genaht war, huldvoll
auf und antwortete in kurzem etwa folgendes: „Daß er mit den Refor-
men ernſthaft beſchäftigt ſey, wiſſe man. Wenn in andern Staaten
aber ſich eine Conſtitution über Nacht machen laſſe, ſo verlange eine
ſolche Arbeit für den Kirchenſtaat lange Zeit. Dennoch hoffe er in we-
nigen Tagen das thun zu können was ſeine Unterthanen zufriedenzu-
ſtellen vermögend ſeyn dürfe. Gelänge ihm dieſes große Werk, ſo wolle
er Gott am Fuße des Kreuzes danken.“ Dieſe kurze Rede, aus dem Ge-
dächtniß nachgeſchrieben, circulirt in vielen Abſchriften. Es bietet einen
wunderbaren Contraſt dar, wenn man eben einen Faſchingsnarren hat
anhören müſſen der durch lange Witzeleien die Menge um ſich zu ver-
ſammeln weiß, hineinzutreten in einen Tabaksladen wo Haufen von
Menſchen ſo ernſte Worte ſich in die Feder dictiren laſſen. Die Adreſſe
ſelbſt wird an den Straßenecken mit Hülfe von Wachsſtümpfchen nicht
bloß geleſen, ſondern laut verleſen und hier bieten ſich noch komiſchere
Widerſprüche dar, indem die toll vermummten Masken nicht umhin kön-
nen in den Ernſt des Lebens zurückzukehren. Dazwiſchen immer die aus-
geſtreuten Gerüchte, Karl Albert ſey bereits mit 25,000 Mann in die
Lombardei eingerückt; Aufforderungen von Damen ihr Nadelgeld zum
Ankauf von Kanonen zu verwenden; die Nachricht von Nardoni’s, des
verhaßten Gregorianiſchen Polizeihauptmanns, Feſtnehmung in Ceprano.
Kurz es iſt ein Carneval wie bis jetzt vielleicht noch keiner in Rom ab-
gehalten worden iſt. Gleichzeitig bringt die Pallade als eine Sage
welche bald werde zur Wahrheit werden, einen neuen Miniſterwechſel,
demzufolge Marco Minghetti das Miniſterium des Jnnern, Gaetano
Recchi das der Finanzen und Fürſt Camillo Aldobrandini das des Kriegs
allernächſt zuertheilt erhalten werden. Statt der Moccoli will man, ſo
ſagen einige, einen Zug zum Papſt veranſtalten. Etwas ungewöhnliches
wird wohl vorgenommen werden ohne daß gerade Grund zu ernſtlichen
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[0018] # Paris, 10 März. Die traurige Lage des Credits dauert fort. Das Geſuch der geſtern auf dem Stadthauſe verſammelten 800 Kauf- leute um Verlängerung der Zahlungsfriſt für die Wechſel um einen Monat iſt in der That abgeſchlagen worden, und zwar mit ſehr ſcharfen Worten. Hr. Pagnerre, Generalſecretär der Regierung, ertheilte den Bittſtellern einen förmlichen Verweis mit dem Rathe ſich in die Um- ſtände zu fügen, die Wechſel die ſie nicht bezahlen können oder wollen, eben proteſtiren zu laſſen. Eher würde die proviſoriſche Regierung in Maſſe abtreten als in ein ſolches Verlangen willigen. Für dießmal mußten die Bittſteller abziehen. Aber heute verſammelten ſie ſich aber- mals in noch weit größerer Zahl um ihr Geſuch zu erneuern, mit ebenſo wenig Erfolg. Ja dießmal ſoll man ihnen ſogar zu verſtehen gegeben haben daß es ſcheine ſie wollten Unordnung und Verlegenheit anſtiften, in dieſem Falle werde man ihnen die Köpfe zurechtzuſetzen wiſſen. Ja es ſollen auf einen gegebenen Wink ſchon mehrere tauſend Jünglinge der Schulen, von denen eine große Zahl im Stadthauſe, und zwar im Thronſaale, förmlich ihr Hauptquartier aufgeſchlagen hat, zum Einſchrei- ten gegen die zudringlichen „Krämer“ ſich bereit gemacht haben. Dieſe mußten daher abermals abziehen, und mögen Betrachtungen anſtellen über den Wechſel der Dinge. Sie haben ſo weſentlich zum Sturz der Juliusregierung mitgewirkt, die ihr Werk war. Hr. Pagnerre, der nie ein Freund jener Regierung geweſen, hat ganz recht wenn er ihnen ins Gedächtniß zurückruft daß ſie nun auch den Folgen des 24 Febr. ſich fü- gen müſſen. Die Bank von Frankreich hatte ſich übrigens ſehr energiſch gegen das von den Handelsleuten verlangte Zugeſtändniß erklärt. Die Lage der Gewerbe iſt nicht minder ſchlimm als die des Handels. Die Goldarbeiter in Maſſe müſſen feiern, von 30,000 Schneidergeſellen iſt baum ein Drittheil beſchäftigt, die Reichen vom Jn- und Auslande haben Paris großentheils verlaſſen, die Zurückgebliebenen ſchränken ſich in je- der Weiſe ein. Während die einen arbeiten möchten, aber keine Arbeit finden, weiſen andere ſie zurück wenn man ihren Forderungen höhern Lohnes nicht entſpricht. So feiern alle Pflaſterer ſammt und ſonders; ihre Zahl iſt indeß nicht ſehr groß, und Ausländer haben ſie nie unter ſich zugelaſſen. Bisher erhielten ſie 4 Fr. Taglohn, jetzt verlangen ſie das Doppelte. Die Regierung ſah ſich dadurch genöthigt Maurern die Wiederherſtellung des aufgeriſſenen Straßenpflaſters zu übertragen. Auf dem Marsfeld tragen an 5 bis 6000 Jndividuen mit einem Tag- lohn von je 2 Fr. die kleinen Erdaufwürfe ab, die öſtlich und ſüdlich dieſes weite Sandfeld begränzen, und hauen ſogar die herrlichen Baum- reihen daneben nieder, ohne daß ſich ein Zweck entdecken ließe als den brodloſen Leuten Verdienſt zu geben. Dahin führt die ſo unüberlegt von der Regierung übernommene Bürgſchaft den Arbeitern ſtets Be- ſchäftigung zu verſchaffen. # Straßburg, 11 März. Die Zahl der Linientruppen iſt in dieſem Augenblick ſo gering bei uns daß der Dienſt der Nationalgarde erweitert werden mußte. Selbſt die Hauptwache iſt von der Land- wehr und den Linientruppen abwechſelnd beſetzt. Der wirkliche Beſtand des Heers wird auf keinen Fall vermehrt, dagegen dürften die Truppen in der Folge mehr concentrirt werden, da man auf die örtlichen Betteleien, welche von den ehemaligen Deputirten ſo ſehr bevorwortet wurden, keine Rückſicht mehr nimmt und nur dort Beſatzun- gen fortbeſtehen läßt wo es die Nothwendigkeit erfordert. Die Krank- heit der Börſe in Paris hat auf unſerm Platz weniger bedenkliche Ein- wirkungen als man gefürchtet hatte. Das hieſige Bankcomptoir dis- contirt für bedeutende Summen. Der Baarvorrath an geprägter Münze, worüber dieſe Anſtalt jeden Augenblick verfügen kann, beträgt 8 bis 9 Millionen. Nach Deutſchland gingen dieſe Woche einige anſehnliche Baarſendungen. Jm Handel wurde während der letzten Tage durch- ſchnittlich zu 5½ ja ſogar zu 5 Proc. discontirt — der deutlichſte Be- weis daß das Vertrauen weniger erſchüttert iſt als zur Zeit der Geld- klemme und Theurung im vorigen Jahr. Jn allen Theilen des Elſaſſes herrſcht die erwünſchteſte Ruhe und Ordnung. Niederland. *** Vom Niederrhein, 9 März. Vorgeſtern wurden die Ge- neralſtaaten eröffnet, und der Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten nahm alsbald das Wort, um die Kammer von den friedlichen Verſiche- rungen Frankreichs und der Anknüpfung von Unterhandlungen mit Bel- gien in Kenntniß zu ſetzen. Von einem bereits abgeſchloſſenen Schutz- und Trutzbündniß iſt in dieſer Ankündigung nicht die Sprache geweſen, obgleich die Unterhandlungen auf nichts anderes hinauslaufen können. Sodann trat der Miniſter der innern Angelegenheiten auf, und kündigte an daß man Vorſichtshalber die Beurlaubten der Jahre 1845 und 1846 einberufen habe, auch die Miliz von 1847 ſolle aus der Reſerve in Activi- tät geſtellt werden, und zwar am 1 April. Ebenſo ſoll die Aushebung von 1848, wie man ſagt, auf den 1 Mai berufen werden. Auf heute er- wartet man eine abermalige Verſammlung der Kammern, in welcher vermuthlich die Vorſchläge hinſichtlich der Grundgeſetzänderungen vorge- legt werden. Seit einigen Tagen fanden faſt unabläſſig Staatsraths- ſitzungen ſtatt. *** Vom Niederrhein, 11 März. Am 9 wurde der zweiten Kammer der Generalſtaaten eine königliche Botſchaft mitgetheilt, und zugleich damit 27 Geſetzentwürfe, welche die Regierungsvorſchläge über die Aenderungen im Grundgeſetz umfaſſen. Jch werde Sie mit Aufzäh- lung dieſer Geſetzentwürfe nicht behelligen, und bemerke nur ſo viel daß die meiſten ſehr unbedeutend ſind, und daß die wahren Krebsſchäden, der Grundſatz indirecter Wahlen durch die Provinzialſtände und die Einthei- lung in Stände, beſtehen bleibt. Das iſt hinreichend um den ganzen Geiſt dieſer Vorſchläge zu bezeichnen, ſie werden mit Entrüſtung aufgenommen werden; ſie wären ſo aufgenommen worden vor der franzöſiſchen Revolu- tion, und werden zuverläſſig jetzt wo Belgien zur Verhütung von Schlimmerem mit dem Beiſpiel einer noch liberalern Entwicklung ſeiner Verfaſſung voranging, mit noch bittererem Hohn aufgenommen werden. Die Verblendung gränzt in der That aus Unbegreifliche und die Folgen werden binnen wenigen Monaten — man übereilt ſich hier nicht allzu- ſehr — nicht ausbleiben. Das iſt fürs erſte alles was ich Jhnen über dieſen Gegenſtand ſagen kann. Italien. △ Rom, 7 März Das Municipium fand noch Zeit ſich der Pe- tition um beſchleunigte Ertheilung der Verfaſſung zu bemächtigen und in Verein mit der zu gleichem Zweck hier angelangten Deputation von Bologna dem heil. Vater geſtern Morgen die betreffende Adreſſe zu über- reichen. Dieſe weist nicht bloß auf die Nothwendigkeit hin die Ver- öffentlichung der Conſtitution zu beſchleunigen, ſondern auch den Bund der italieniſchen Staaten zur Aufrechthaltung der Unabhängigkeit Jta- liens raſch zum Abſchluß zu bringen. Der Papſt nahm die Deputa- tion welche ihm unter dem Vortritt des Senators genaht war, huldvoll auf und antwortete in kurzem etwa folgendes: „Daß er mit den Refor- men ernſthaft beſchäftigt ſey, wiſſe man. Wenn in andern Staaten aber ſich eine Conſtitution über Nacht machen laſſe, ſo verlange eine ſolche Arbeit für den Kirchenſtaat lange Zeit. Dennoch hoffe er in we- nigen Tagen das thun zu können was ſeine Unterthanen zufriedenzu- ſtellen vermögend ſeyn dürfe. Gelänge ihm dieſes große Werk, ſo wolle er Gott am Fuße des Kreuzes danken.“ Dieſe kurze Rede, aus dem Ge- dächtniß nachgeſchrieben, circulirt in vielen Abſchriften. Es bietet einen wunderbaren Contraſt dar, wenn man eben einen Faſchingsnarren hat anhören müſſen der durch lange Witzeleien die Menge um ſich zu ver- ſammeln weiß, hineinzutreten in einen Tabaksladen wo Haufen von Menſchen ſo ernſte Worte ſich in die Feder dictiren laſſen. Die Adreſſe ſelbſt wird an den Straßenecken mit Hülfe von Wachsſtümpfchen nicht bloß geleſen, ſondern laut verleſen und hier bieten ſich noch komiſchere Widerſprüche dar, indem die toll vermummten Masken nicht umhin kön- nen in den Ernſt des Lebens zurückzukehren. Dazwiſchen immer die aus- geſtreuten Gerüchte, Karl Albert ſey bereits mit 25,000 Mann in die Lombardei eingerückt; Aufforderungen von Damen ihr Nadelgeld zum Ankauf von Kanonen zu verwenden; die Nachricht von Nardoni’s, des verhaßten Gregorianiſchen Polizeihauptmanns, Feſtnehmung in Ceprano. Kurz es iſt ein Carneval wie bis jetzt vielleicht noch keiner in Rom ab- gehalten worden iſt. Gleichzeitig bringt die Pallade als eine Sage welche bald werde zur Wahrheit werden, einen neuen Miniſterwechſel, demzufolge Marco Minghetti das Miniſterium des Jnnern, Gaetano Recchi das der Finanzen und Fürſt Camillo Aldobrandini das des Kriegs allernächſt zuertheilt erhalten werden. Statt der Moccoli will man, ſo ſagen einige, einen Zug zum Papſt veranſtalten. Etwas ungewöhnliches wird wohl vorgenommen werden ohne daß gerade Grund zu ernſtlichen Beſorgniſſen vorhanden wäre.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 75, 15. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine75_1848/18>, abgerufen am 21.11.2024.