Allgemeine Zeitung, Nr. 75, 15. März 1848.[Spaltenumbruch]
# Paris, 10 März. Die traurige Lage des Credits dauert fort. # Straßburg, 11 März. Die Zahl der Linientruppen ist in Niederland. *** Vom Niederrhein, 9 März. Vorgestern wurden die Ge- *** Vom Niederrhein, 11 März. Am 9 wurde der zweiten Italien. ^ Rom, 7 März Das Municipium fand noch Zeit sich der Pe- [Spaltenumbruch]
# Paris, 10 März. Die traurige Lage des Credits dauert fort. # Straßburg, 11 März. Die Zahl der Linientruppen iſt in Niederland. *** Vom Niederrhein, 9 März. Vorgeſtern wurden die Ge- *** Vom Niederrhein, 11 März. Am 9 wurde der zweiten Italien. △ Rom, 7 März Das Municipium fand noch Zeit ſich der Pe- <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <pb facs="#f0018"/> <cb/> </div> <div type="jArticle" n="4"> <dateline># <hi rendition="#b">Paris,</hi> 10 März.</dateline><lb/> <p>Die traurige Lage des Credits dauert fort.<lb/> Das Geſuch der geſtern auf dem Stadthauſe verſammelten 800 Kauf-<lb/> leute um Verlängerung der Zahlungsfriſt für die Wechſel um einen<lb/> Monat iſt in der That abgeſchlagen worden, und zwar mit ſehr ſcharfen<lb/> Worten. Hr. Pagnerre, Generalſecretär der Regierung, ertheilte den<lb/> Bittſtellern einen förmlichen Verweis mit dem Rathe ſich in die Um-<lb/> ſtände zu fügen, die Wechſel die ſie nicht bezahlen können oder wollen,<lb/> eben proteſtiren zu laſſen. Eher würde die proviſoriſche Regierung in<lb/> Maſſe abtreten als in ein ſolches Verlangen willigen. Für dießmal<lb/> mußten die Bittſteller abziehen. Aber heute verſammelten ſie ſich aber-<lb/> mals in noch weit größerer Zahl um ihr Geſuch zu erneuern, mit ebenſo<lb/> wenig Erfolg. Ja dießmal ſoll man ihnen ſogar zu verſtehen gegeben<lb/> haben daß es ſcheine ſie wollten Unordnung und Verlegenheit anſtiften,<lb/> in dieſem Falle werde man ihnen die Köpfe zurechtzuſetzen wiſſen. Ja<lb/> es ſollen auf einen gegebenen Wink ſchon mehrere tauſend Jünglinge<lb/> der Schulen, von denen eine große Zahl im Stadthauſe, und zwar im<lb/> Thronſaale, förmlich ihr Hauptquartier aufgeſchlagen hat, zum Einſchrei-<lb/> ten gegen die zudringlichen „Krämer“ ſich bereit gemacht haben. Dieſe<lb/> mußten daher abermals abziehen, und mögen Betrachtungen anſtellen<lb/> über den Wechſel der Dinge. Sie haben ſo weſentlich zum Sturz der<lb/> Juliusregierung mitgewirkt, die ihr Werk war. Hr. Pagnerre, der nie<lb/> ein Freund jener Regierung geweſen, hat ganz recht wenn er ihnen ins<lb/> Gedächtniß zurückruft daß ſie nun auch den Folgen des 24 Febr. ſich fü-<lb/> gen müſſen. Die Bank von Frankreich hatte ſich übrigens ſehr energiſch<lb/> gegen das von den Handelsleuten verlangte Zugeſtändniß erklärt. Die<lb/> Lage der Gewerbe iſt nicht minder ſchlimm als die des Handels. Die<lb/> Goldarbeiter in Maſſe müſſen feiern, von 30,000 Schneidergeſellen iſt<lb/> baum ein Drittheil beſchäftigt, die Reichen vom Jn- und Auslande haben<lb/> Paris großentheils verlaſſen, die Zurückgebliebenen ſchränken ſich in je-<lb/> der Weiſe ein. Während die einen arbeiten möchten, aber keine Arbeit<lb/> finden, weiſen andere ſie zurück wenn man ihren Forderungen höhern<lb/> Lohnes nicht entſpricht. So feiern alle Pflaſterer ſammt und ſonders;<lb/> ihre Zahl iſt indeß nicht ſehr groß, und Ausländer haben ſie nie unter<lb/> ſich zugelaſſen. Bisher erhielten ſie 4 Fr. Taglohn, jetzt verlangen ſie<lb/> das Doppelte. Die Regierung ſah ſich dadurch genöthigt Maurern die<lb/> Wiederherſtellung des aufgeriſſenen Straßenpflaſters zu übertragen.<lb/> Auf dem Marsfeld tragen an 5 bis 6000 Jndividuen mit einem Tag-<lb/> lohn von je 2 Fr. die kleinen Erdaufwürfe ab, die öſtlich und ſüdlich<lb/> dieſes weite Sandfeld begränzen, und hauen ſogar die herrlichen Baum-<lb/> reihen daneben nieder, ohne daß ſich ein Zweck entdecken ließe als den<lb/> brodloſen Leuten Verdienſt zu geben. Dahin führt die ſo unüberlegt<lb/> von der Regierung übernommene Bürgſchaft den Arbeitern ſtets Be-<lb/> ſchäftigung zu verſchaffen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline># <hi rendition="#b">Straßburg</hi>, 11 März.</dateline><lb/> <p>Die Zahl der Linientruppen iſt in<lb/> dieſem Augenblick ſo gering bei uns daß der Dienſt der Nationalgarde<lb/> erweitert werden mußte. Selbſt die Hauptwache iſt von der Land-<lb/> wehr und den Linientruppen abwechſelnd beſetzt. Der wirkliche<lb/> Beſtand des Heers wird auf keinen Fall vermehrt, dagegen dürften<lb/> die Truppen in der Folge mehr concentrirt werden, da man auf<lb/> die örtlichen Betteleien, welche von den ehemaligen Deputirten ſo ſehr<lb/> bevorwortet wurden, keine Rückſicht mehr nimmt und nur dort Beſatzun-<lb/> gen fortbeſtehen läßt wo es die Nothwendigkeit erfordert. Die Krank-<lb/> heit der Börſe in Paris hat auf unſerm Platz weniger bedenkliche Ein-<lb/> wirkungen als man gefürchtet hatte. Das hieſige Bankcomptoir dis-<lb/> contirt für bedeutende Summen. Der Baarvorrath an geprägter Münze,<lb/> worüber dieſe Anſtalt jeden Augenblick verfügen kann, beträgt 8 bis 9<lb/> Millionen. Nach Deutſchland gingen dieſe Woche einige anſehnliche<lb/> Baarſendungen. Jm Handel wurde während der letzten Tage durch-<lb/> ſchnittlich zu 5½ ja ſogar zu 5 Proc. discontirt — der deutlichſte Be-<lb/> weis daß das Vertrauen weniger erſchüttert iſt als zur Zeit der Geld-<lb/> klemme und Theurung im vorigen Jahr. Jn allen Theilen des Elſaſſes<lb/> herrſcht die erwünſchteſte Ruhe und Ordnung.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Niederland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>*** <hi rendition="#b">Vom Niederrhein</hi>, 9 März.</dateline><lb/> <p>Vorgeſtern wurden die Ge-<lb/> neralſtaaten eröffnet, und der Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten<lb/> nahm alsbald das Wort, um die Kammer von den friedlichen Verſiche-<lb/> rungen Frankreichs und der Anknüpfung von Unterhandlungen mit Bel-<lb/> gien in Kenntniß zu ſetzen. Von einem bereits abgeſchloſſenen Schutz-<lb/><cb/> und Trutzbündniß iſt in dieſer Ankündigung nicht die Sprache geweſen,<lb/> obgleich die Unterhandlungen auf nichts anderes hinauslaufen können.<lb/> Sodann trat der Miniſter der innern Angelegenheiten auf, und kündigte<lb/> an daß man Vorſichtshalber die Beurlaubten der Jahre 1845 und 1846<lb/> einberufen habe, auch die Miliz von 1847 ſolle aus der Reſerve in Activi-<lb/> tät geſtellt werden, und zwar am 1 April. Ebenſo ſoll die Aushebung<lb/> von 1848, wie man ſagt, auf den 1 Mai berufen werden. Auf heute er-<lb/> wartet man eine abermalige Verſammlung der Kammern, in welcher<lb/> vermuthlich die Vorſchläge hinſichtlich der Grundgeſetzänderungen vorge-<lb/> legt werden. Seit einigen Tagen fanden faſt unabläſſig Staatsraths-<lb/> ſitzungen ſtatt.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline>*** <hi rendition="#b">Vom Niederrhein</hi>, 11 März.</dateline><lb/> <p>Am 9 wurde der zweiten<lb/> Kammer der Generalſtaaten eine königliche Botſchaft mitgetheilt, und<lb/> zugleich damit 27 Geſetzentwürfe, welche die Regierungsvorſchläge über<lb/> die Aenderungen im Grundgeſetz umfaſſen. Jch werde Sie mit Aufzäh-<lb/> lung dieſer Geſetzentwürfe nicht behelligen, und bemerke nur ſo viel daß<lb/> die meiſten ſehr unbedeutend ſind, und daß die wahren Krebsſchäden, der<lb/> Grundſatz indirecter Wahlen durch die Provinzialſtände und die Einthei-<lb/> lung in Stände, beſtehen bleibt. Das iſt hinreichend um den ganzen Geiſt<lb/> dieſer Vorſchläge zu bezeichnen, ſie werden mit Entrüſtung aufgenommen<lb/> werden; ſie wären ſo aufgenommen worden vor der franzöſiſchen Revolu-<lb/> tion, und werden zuverläſſig jetzt wo Belgien zur Verhütung von<lb/> Schlimmerem mit dem Beiſpiel einer noch liberalern Entwicklung ſeiner<lb/> Verfaſſung voranging, mit noch bittererem Hohn aufgenommen werden.<lb/> Die Verblendung gränzt in der That aus Unbegreifliche und die Folgen<lb/> werden binnen wenigen Monaten — man übereilt ſich hier nicht allzu-<lb/> ſehr — nicht ausbleiben. Das iſt fürs erſte alles was ich Jhnen über<lb/> dieſen Gegenſtand ſagen kann.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>△ <hi rendition="#b">Rom,</hi> 7 März</dateline><lb/> <p>Das Municipium fand noch Zeit ſich der Pe-<lb/> tition um beſchleunigte Ertheilung der Verfaſſung zu bemächtigen und<lb/> in Verein mit der zu gleichem Zweck hier angelangten Deputation von<lb/> Bologna dem heil. Vater geſtern Morgen die betreffende Adreſſe zu über-<lb/> reichen. Dieſe weist nicht bloß auf die Nothwendigkeit hin die Ver-<lb/> öffentlichung der Conſtitution zu beſchleunigen, ſondern auch den Bund<lb/> der italieniſchen Staaten zur Aufrechthaltung der Unabhängigkeit Jta-<lb/> liens raſch zum Abſchluß zu bringen. Der Papſt nahm die Deputa-<lb/> tion welche ihm unter dem Vortritt des Senators genaht war, huldvoll<lb/> auf und antwortete in kurzem etwa folgendes: „Daß er mit den Refor-<lb/> men ernſthaft beſchäftigt ſey, wiſſe man. Wenn in andern Staaten<lb/> aber ſich eine Conſtitution über Nacht machen laſſe, ſo verlange eine<lb/> ſolche Arbeit für den Kirchenſtaat lange Zeit. Dennoch hoffe er in we-<lb/> nigen Tagen das thun zu können was ſeine Unterthanen zufriedenzu-<lb/> ſtellen vermögend ſeyn dürfe. Gelänge ihm dieſes große Werk, ſo wolle<lb/> er Gott am Fuße des Kreuzes danken.“ Dieſe kurze Rede, aus dem Ge-<lb/> dächtniß nachgeſchrieben, circulirt in vielen Abſchriften. Es bietet einen<lb/> wunderbaren Contraſt dar, wenn man eben einen Faſchingsnarren hat<lb/> anhören müſſen der durch lange Witzeleien die Menge um ſich zu ver-<lb/> ſammeln weiß, hineinzutreten in einen Tabaksladen wo Haufen von<lb/> Menſchen ſo ernſte Worte ſich in die Feder dictiren laſſen. Die Adreſſe<lb/> ſelbſt wird an den Straßenecken mit Hülfe von Wachsſtümpfchen nicht<lb/> bloß geleſen, ſondern laut verleſen und hier bieten ſich noch komiſchere<lb/> Widerſprüche dar, indem die toll vermummten Masken nicht umhin kön-<lb/> nen in den Ernſt des Lebens zurückzukehren. Dazwiſchen immer die aus-<lb/> geſtreuten Gerüchte, Karl Albert ſey bereits mit 25,000 Mann in die<lb/> Lombardei eingerückt; Aufforderungen von Damen ihr Nadelgeld zum<lb/> Ankauf von Kanonen zu verwenden; die Nachricht von Nardoni’s, des<lb/> verhaßten Gregorianiſchen Polizeihauptmanns, Feſtnehmung in Ceprano.<lb/> Kurz es iſt ein Carneval wie bis jetzt vielleicht noch keiner in Rom ab-<lb/> gehalten worden iſt. Gleichzeitig bringt die Pallade als eine Sage<lb/> welche bald werde zur Wahrheit werden, einen neuen Miniſterwechſel,<lb/> demzufolge Marco Minghetti das Miniſterium des Jnnern, Gaetano<lb/> Recchi das der Finanzen und Fürſt Camillo Aldobrandini das des Kriegs<lb/> allernächſt zuertheilt erhalten werden. Statt der Moccoli will man, ſo<lb/> ſagen einige, einen Zug zum Papſt veranſtalten. Etwas ungewöhnliches<lb/> wird wohl vorgenommen werden ohne daß gerade Grund zu ernſtlichen<lb/> Beſorgniſſen vorhanden wäre.</p> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [0018]
# Paris, 10 März.
Die traurige Lage des Credits dauert fort.
Das Geſuch der geſtern auf dem Stadthauſe verſammelten 800 Kauf-
leute um Verlängerung der Zahlungsfriſt für die Wechſel um einen
Monat iſt in der That abgeſchlagen worden, und zwar mit ſehr ſcharfen
Worten. Hr. Pagnerre, Generalſecretär der Regierung, ertheilte den
Bittſtellern einen förmlichen Verweis mit dem Rathe ſich in die Um-
ſtände zu fügen, die Wechſel die ſie nicht bezahlen können oder wollen,
eben proteſtiren zu laſſen. Eher würde die proviſoriſche Regierung in
Maſſe abtreten als in ein ſolches Verlangen willigen. Für dießmal
mußten die Bittſteller abziehen. Aber heute verſammelten ſie ſich aber-
mals in noch weit größerer Zahl um ihr Geſuch zu erneuern, mit ebenſo
wenig Erfolg. Ja dießmal ſoll man ihnen ſogar zu verſtehen gegeben
haben daß es ſcheine ſie wollten Unordnung und Verlegenheit anſtiften,
in dieſem Falle werde man ihnen die Köpfe zurechtzuſetzen wiſſen. Ja
es ſollen auf einen gegebenen Wink ſchon mehrere tauſend Jünglinge
der Schulen, von denen eine große Zahl im Stadthauſe, und zwar im
Thronſaale, förmlich ihr Hauptquartier aufgeſchlagen hat, zum Einſchrei-
ten gegen die zudringlichen „Krämer“ ſich bereit gemacht haben. Dieſe
mußten daher abermals abziehen, und mögen Betrachtungen anſtellen
über den Wechſel der Dinge. Sie haben ſo weſentlich zum Sturz der
Juliusregierung mitgewirkt, die ihr Werk war. Hr. Pagnerre, der nie
ein Freund jener Regierung geweſen, hat ganz recht wenn er ihnen ins
Gedächtniß zurückruft daß ſie nun auch den Folgen des 24 Febr. ſich fü-
gen müſſen. Die Bank von Frankreich hatte ſich übrigens ſehr energiſch
gegen das von den Handelsleuten verlangte Zugeſtändniß erklärt. Die
Lage der Gewerbe iſt nicht minder ſchlimm als die des Handels. Die
Goldarbeiter in Maſſe müſſen feiern, von 30,000 Schneidergeſellen iſt
baum ein Drittheil beſchäftigt, die Reichen vom Jn- und Auslande haben
Paris großentheils verlaſſen, die Zurückgebliebenen ſchränken ſich in je-
der Weiſe ein. Während die einen arbeiten möchten, aber keine Arbeit
finden, weiſen andere ſie zurück wenn man ihren Forderungen höhern
Lohnes nicht entſpricht. So feiern alle Pflaſterer ſammt und ſonders;
ihre Zahl iſt indeß nicht ſehr groß, und Ausländer haben ſie nie unter
ſich zugelaſſen. Bisher erhielten ſie 4 Fr. Taglohn, jetzt verlangen ſie
das Doppelte. Die Regierung ſah ſich dadurch genöthigt Maurern die
Wiederherſtellung des aufgeriſſenen Straßenpflaſters zu übertragen.
Auf dem Marsfeld tragen an 5 bis 6000 Jndividuen mit einem Tag-
lohn von je 2 Fr. die kleinen Erdaufwürfe ab, die öſtlich und ſüdlich
dieſes weite Sandfeld begränzen, und hauen ſogar die herrlichen Baum-
reihen daneben nieder, ohne daß ſich ein Zweck entdecken ließe als den
brodloſen Leuten Verdienſt zu geben. Dahin führt die ſo unüberlegt
von der Regierung übernommene Bürgſchaft den Arbeitern ſtets Be-
ſchäftigung zu verſchaffen.
# Straßburg, 11 März.
Die Zahl der Linientruppen iſt in
dieſem Augenblick ſo gering bei uns daß der Dienſt der Nationalgarde
erweitert werden mußte. Selbſt die Hauptwache iſt von der Land-
wehr und den Linientruppen abwechſelnd beſetzt. Der wirkliche
Beſtand des Heers wird auf keinen Fall vermehrt, dagegen dürften
die Truppen in der Folge mehr concentrirt werden, da man auf
die örtlichen Betteleien, welche von den ehemaligen Deputirten ſo ſehr
bevorwortet wurden, keine Rückſicht mehr nimmt und nur dort Beſatzun-
gen fortbeſtehen läßt wo es die Nothwendigkeit erfordert. Die Krank-
heit der Börſe in Paris hat auf unſerm Platz weniger bedenkliche Ein-
wirkungen als man gefürchtet hatte. Das hieſige Bankcomptoir dis-
contirt für bedeutende Summen. Der Baarvorrath an geprägter Münze,
worüber dieſe Anſtalt jeden Augenblick verfügen kann, beträgt 8 bis 9
Millionen. Nach Deutſchland gingen dieſe Woche einige anſehnliche
Baarſendungen. Jm Handel wurde während der letzten Tage durch-
ſchnittlich zu 5½ ja ſogar zu 5 Proc. discontirt — der deutlichſte Be-
weis daß das Vertrauen weniger erſchüttert iſt als zur Zeit der Geld-
klemme und Theurung im vorigen Jahr. Jn allen Theilen des Elſaſſes
herrſcht die erwünſchteſte Ruhe und Ordnung.
Niederland.
*** Vom Niederrhein, 9 März.
Vorgeſtern wurden die Ge-
neralſtaaten eröffnet, und der Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten
nahm alsbald das Wort, um die Kammer von den friedlichen Verſiche-
rungen Frankreichs und der Anknüpfung von Unterhandlungen mit Bel-
gien in Kenntniß zu ſetzen. Von einem bereits abgeſchloſſenen Schutz-
und Trutzbündniß iſt in dieſer Ankündigung nicht die Sprache geweſen,
obgleich die Unterhandlungen auf nichts anderes hinauslaufen können.
Sodann trat der Miniſter der innern Angelegenheiten auf, und kündigte
an daß man Vorſichtshalber die Beurlaubten der Jahre 1845 und 1846
einberufen habe, auch die Miliz von 1847 ſolle aus der Reſerve in Activi-
tät geſtellt werden, und zwar am 1 April. Ebenſo ſoll die Aushebung
von 1848, wie man ſagt, auf den 1 Mai berufen werden. Auf heute er-
wartet man eine abermalige Verſammlung der Kammern, in welcher
vermuthlich die Vorſchläge hinſichtlich der Grundgeſetzänderungen vorge-
legt werden. Seit einigen Tagen fanden faſt unabläſſig Staatsraths-
ſitzungen ſtatt.
*** Vom Niederrhein, 11 März.
Am 9 wurde der zweiten
Kammer der Generalſtaaten eine königliche Botſchaft mitgetheilt, und
zugleich damit 27 Geſetzentwürfe, welche die Regierungsvorſchläge über
die Aenderungen im Grundgeſetz umfaſſen. Jch werde Sie mit Aufzäh-
lung dieſer Geſetzentwürfe nicht behelligen, und bemerke nur ſo viel daß
die meiſten ſehr unbedeutend ſind, und daß die wahren Krebsſchäden, der
Grundſatz indirecter Wahlen durch die Provinzialſtände und die Einthei-
lung in Stände, beſtehen bleibt. Das iſt hinreichend um den ganzen Geiſt
dieſer Vorſchläge zu bezeichnen, ſie werden mit Entrüſtung aufgenommen
werden; ſie wären ſo aufgenommen worden vor der franzöſiſchen Revolu-
tion, und werden zuverläſſig jetzt wo Belgien zur Verhütung von
Schlimmerem mit dem Beiſpiel einer noch liberalern Entwicklung ſeiner
Verfaſſung voranging, mit noch bittererem Hohn aufgenommen werden.
Die Verblendung gränzt in der That aus Unbegreifliche und die Folgen
werden binnen wenigen Monaten — man übereilt ſich hier nicht allzu-
ſehr — nicht ausbleiben. Das iſt fürs erſte alles was ich Jhnen über
dieſen Gegenſtand ſagen kann.
Italien.
△ Rom, 7 März
Das Municipium fand noch Zeit ſich der Pe-
tition um beſchleunigte Ertheilung der Verfaſſung zu bemächtigen und
in Verein mit der zu gleichem Zweck hier angelangten Deputation von
Bologna dem heil. Vater geſtern Morgen die betreffende Adreſſe zu über-
reichen. Dieſe weist nicht bloß auf die Nothwendigkeit hin die Ver-
öffentlichung der Conſtitution zu beſchleunigen, ſondern auch den Bund
der italieniſchen Staaten zur Aufrechthaltung der Unabhängigkeit Jta-
liens raſch zum Abſchluß zu bringen. Der Papſt nahm die Deputa-
tion welche ihm unter dem Vortritt des Senators genaht war, huldvoll
auf und antwortete in kurzem etwa folgendes: „Daß er mit den Refor-
men ernſthaft beſchäftigt ſey, wiſſe man. Wenn in andern Staaten
aber ſich eine Conſtitution über Nacht machen laſſe, ſo verlange eine
ſolche Arbeit für den Kirchenſtaat lange Zeit. Dennoch hoffe er in we-
nigen Tagen das thun zu können was ſeine Unterthanen zufriedenzu-
ſtellen vermögend ſeyn dürfe. Gelänge ihm dieſes große Werk, ſo wolle
er Gott am Fuße des Kreuzes danken.“ Dieſe kurze Rede, aus dem Ge-
dächtniß nachgeſchrieben, circulirt in vielen Abſchriften. Es bietet einen
wunderbaren Contraſt dar, wenn man eben einen Faſchingsnarren hat
anhören müſſen der durch lange Witzeleien die Menge um ſich zu ver-
ſammeln weiß, hineinzutreten in einen Tabaksladen wo Haufen von
Menſchen ſo ernſte Worte ſich in die Feder dictiren laſſen. Die Adreſſe
ſelbſt wird an den Straßenecken mit Hülfe von Wachsſtümpfchen nicht
bloß geleſen, ſondern laut verleſen und hier bieten ſich noch komiſchere
Widerſprüche dar, indem die toll vermummten Masken nicht umhin kön-
nen in den Ernſt des Lebens zurückzukehren. Dazwiſchen immer die aus-
geſtreuten Gerüchte, Karl Albert ſey bereits mit 25,000 Mann in die
Lombardei eingerückt; Aufforderungen von Damen ihr Nadelgeld zum
Ankauf von Kanonen zu verwenden; die Nachricht von Nardoni’s, des
verhaßten Gregorianiſchen Polizeihauptmanns, Feſtnehmung in Ceprano.
Kurz es iſt ein Carneval wie bis jetzt vielleicht noch keiner in Rom ab-
gehalten worden iſt. Gleichzeitig bringt die Pallade als eine Sage
welche bald werde zur Wahrheit werden, einen neuen Miniſterwechſel,
demzufolge Marco Minghetti das Miniſterium des Jnnern, Gaetano
Recchi das der Finanzen und Fürſt Camillo Aldobrandini das des Kriegs
allernächſt zuertheilt erhalten werden. Statt der Moccoli will man, ſo
ſagen einige, einen Zug zum Papſt veranſtalten. Etwas ungewöhnliches
wird wohl vorgenommen werden ohne daß gerade Grund zu ernſtlichen
Beſorgniſſen vorhanden wäre.
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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