Allgemeine Zeitung, Nr. 75, 15. März 1848.[Spaltenumbruch]
versammlung seyn können, andererseits voraussetzen daß die Bittsteller sich Königsberg, 6 März. Eine Adresse wird hier unterzeichnet, Magdeburg, 8 März. Soeben ist der officielle Befehl einge- Oesterreich. Sun Wien, 12. März. Von den verschiedenen *+ Wien, 11 März. Sehr lebhaft ist hier der Courierwechsel Prag, 12 März. Die große Aufregung zu beschreiben welche [Spaltenumbruch]
verſammlung ſeyn können, andererſeits vorausſetzen daß die Bittſteller ſich Königsberg, 6 März. Eine Adreſſe wird hier unterzeichnet, Magdeburg, 8 März. Soeben iſt der officielle Befehl einge- Oeſterreich. ☉ Wien, 12. März. Von den verſchiedenen *† Wien, 11 März. Sehr lebhaft iſt hier der Courierwechſel ⸪ Prag, 12 März. Die große Aufregung zu beſchreiben welche <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0006" n="1190"/><cb/> verſammlung ſeyn können, andererſeits vorausſetzen daß die Bittſteller ſich<lb/> dabei beruhigen würden daß ihre Adreſſe der Deputation vorgelegt, von<lb/> derſelben geprüft und ſo weit mit aufgenommen ſey als es ihre Ueber-<lb/> zeugung geſtattet habe. Endlich kam ein letzter ſich hier gewiſſermaßen<lb/> anſchließender Punkt zur Berathung: ein Antrag auf Bürgerbewaff-<lb/> nung. Es muß bemerkt werden daß mehrere ſtädtiſche Behörden ſchon<lb/> lange mit der Staatsregierung über Errichtung ſogenannier Schutzcom-<lb/> miſſionen verhandeln. Die Verhandlung war aber fruchtlos geblieben,<lb/> weil die Regierung, wie ein Abgeordneter ſich ausdrückte, „unbeſoldete<lb/> Gendarmen“ creiren wolle, und man ſich dazu nicht habe hergeben mö-<lb/> gen. Gegenwärtig wurde nun dieſer Antrag wieder aufgenommen, und<lb/> die vorberathende Deputation hatte bewaffnete Schutzcommiſſionen vor-<lb/> geſchlagen. Jn der Berathung trennte man die Sache. Einige ſpra-<lb/> chen für Schutzcommiſſionen mit Stab und Binde in dem alten, Sinn,<lb/> andere für Errichtung einer bewaffneten Bürgermacht mit ſelbſtge-<lb/> wählten Führern im modernen Sinn. Endlich kam es zur Abſtim-<lb/> mung. Der Vorſteher erklärte zuerſt über die Schutzcommiſſio-<lb/> nen, eventuell wenn dieſe abgelehnt würden, über Bürgerbewaff-<lb/> nung abſtimmen laſſen zu wollen. Der erſte Antrag, die Errich-<lb/> tung von Schutzcommiſſionen und eventualiter die Wiederaufnahme<lb/> der Verhandlungen über dieſelben mit den Behörden betreffend,<lb/> wurde mit 57 Stimmen <hi rendition="#g">angenommen</hi>, und ſomit ſollte der zweite<lb/> wegfallen. Nun erhob ſich aber ein großer Lärm; mehrere Stadtver-<lb/> ordnete, welche die Sache früher wohl falſch verſtanden und deßhalb<lb/> geſchwiegen hatten, proteſtirten und forderten Abſtimmung über Bürger-<lb/> bewaffnung. Das Publicum ſtimmte in dieſes Verlangen mit einem<lb/> wahrhaft furchtbaren Lärmen ein, und als der Vorſteher die Sitzung<lb/> ſchloß, weigerte ſich dasſelbe die Tribüne zu verlaſſen. Der Spectakel<lb/> dauerte eine ziemliche Weile und drohte immer ärger zu werden, bis<lb/> einer der anweſenden Zuhörer, der Schriftſteller <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Wöniger, der to-<lb/> benden Menge vorſtellte daß man hier kein Recht habe zu lärmen, und<lb/> daß man lieber hinuntergehen und einigen Stadtverordneten, die ſich in<lb/> der Berathung ſehr hervorgethan, ein Hoch bringen wolle. Damit ein-<lb/> verſtanden räumte die Menge den Saal, brachte den Stadtverordneten<lb/> Nauwerk, Mertens und Berends von der Straße aus ein dreimaliges<lb/> Bivat, und ging dann auf weitere Vorſtellungen ruhig auseinander.<lb/> Einzelne ſollen indeß auch den Stadtverordnetenvorſteher erwartet und<lb/> ihn mit einem Pereat empfangen haben. Man iſt jetzt ſehr geſpannt,<lb/> ob der König die Deputation empfangen, oder was weiter geſchehen wird.<lb/> Wahrſcheinlicher iſt eine Weigerung, da der König die feſte Anſicht ha-<lb/> ben ſoll gar keine Deputation zu empfangen und, wie allgemein verlau-<lb/> tet, in dieſem Sinne auch bereits die heute angekommene Breslauer De-<lb/> putation hat beſcheiden laſſen. Die Unruhe wird auch hier immer merk-<lb/> licher, und mit Rückſicht darauf verdienen Ereigniſſe, wie wir ſie heute<lb/> ſchilderten, beſondere Aufmerkſamkeit.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Königsberg</hi>, 6 März.</dateline><lb/> <p>Eine Adreſſe wird hier unterzeichnet,<lb/> welche den König erſucht Preußen Volksvertretung, Preßfreiheit zu<lb/> verleihen, und ein deutſches Parlament beantragt, indem ſie zugleich<lb/> entſchiedene Abneigung gegen Rußland und Widerwillen vor unnöthi-<lb/> gen Verwickelungen mit Frankreich ausdrückt. (<hi rendition="#g">Nürnb</hi>. 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Majeſtät den Kaiſer ſelbſt, theils an die niederöſterreichiſchen Stände<lb/> gerichtet circuliren um bei der morgen ſtattfindenden Ständeverſamm-<lb/> lung in Antrag gebracht und dem Kaiſer unterbreitet zu werden, wer-<lb/> den Sie gehört haben. Bereits am 6 d. Mts. hat der niederöſter-<lb/> reichiſche Gewerbeverein in ſeiner unter dem Vorſitze des Erzherzogs<lb/> Franz Karl gehaltenen Sitzung dem Erzherzog eine Adreſſe an Se.<lb/> Majeſtät überreicht, in welcher der Gewerbeverein ſeinen Patriotis-<lb/> mus und ſeine Anhänglichkeit an den Monarchen, ſowie die Noth-<lb/> wendigkeit eines feſten innigen Anſchließens der Regierung an die<lb/> Stände und Bürger, eines feſten innigen Anſchließens Oeſterreichs<lb/> an die Jntereſſen des gemeinſamen deutſchen Vaterlandes mit größ-<lb/> ter Offenheit ausſpricht. Ebenſo haben die Bürger, der Handelsſtand,<lb/><cb/> Künſtler, Schriftſteller und eine bedeutende Anzahl von Beamten<lb/> mehrere Petitionen und Adreſſen um Abſchaffung der Cenſur, Frei-<lb/> heit der Preſſe und ſonſtige Reformen unterzeichnet, die den morgen<lb/> zuſammentretenden niederöſterreiſchen Ständen übergeben werden. Heute<lb/> Sonntag verſammelten ſich ſämmtliche Studirende der juridiſchen und<lb/> mediciniſchen Facultät an der hieſigen Hochſchule, ſo wie die Polytechni-<lb/> ker in der Aula der Univerſität um eine Adreſſe wegen Aufhebung<lb/> der Cenſur und Oeffentlichkeit der Verhandlungen (?) an den Kai-<lb/> ſer <hi rendition="#aq">in corpore</hi> zu überreichen. Es mochten über 2000 Studenten<lb/> beiſammen ſeyn. Anfangs verſuchte der Vicekammerprocurator <hi rendition="#aq">Dr.</hi><lb/> Kremer die Studenten davon abzuhalten, allein vergebens, und erſt<lb/> als <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Hye, Profeſſor des Natur- und Staatsrechtes, und der Re-<lb/> gierungsrath Endlicher, Profeſſor der Botanik, die beide die Kanzel<lb/> beſtiegen hatten, mit eindringlicher Rede den Studenten die Verſiche-<lb/> rung gaben die Adreſſe im Namen der Studenten ſelbſt dem Kaiſer zu<lb/> überreichen, beruhigten ſie ſich und zogen in größter Ordnung ab.<lb/> Bemerkenswerth iſt es daß bei dieſem Anlaſſe nicht der mindeſte Tu-<lb/> mult, nicht die mindeſte Störung ſtattfand, ſondern daß die ganze<lb/> Scene mit der größten Ruhe vor ſich ging. Wie man erzählt ſollen<lb/> die genannten zwei Profeſſoren ſich auch bereits zu Sr. Majeſtät dem<lb/> Kaiſer begeben haben, da die Studenten bis morgen eine Antwort<lb/> zu haben wünſchten. Mit der Petition welche die hieſigen Buchhänd-<lb/> ler vor ein paar Tagen Sr. Majeſtät überreichten begaben ſie ſich auch<lb/> zu Jhren k. k. Hoheiten den Erzherzogen Ludwig, Johann und Franz<lb/> Karl ſowie zum Fürſten Metternich und dem Grafen Colowrat. Durch<lb/> die freundlichen Bemühungen des letztern erhielten ſie Zutritt bei dem<lb/> Kaiſer, der ihnen, wie man ſagt, von einer andern Seite hatte in<lb/> Abrede geſtellt werden wollen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>*† <hi rendition="#b">Wien</hi>, 11 März.</dateline><lb/> <p>Sehr lebhaft iſt hier der Courierwechſel<lb/> mit Berlin. Die neue Lage Deutſchlands und Europa’s ſoll der Ge-<lb/> genſtand der diplomatiſchen Erörterungen ſeyn. Der hier anweſende<lb/> Hr. v. Radowitz conferirt faſt täglich mit dem Grafen v. Münch-<lb/> Bellinghauſen (der erſt in einigen Tagen nach Dresden abgehen ſoll)<lb/> und dem General Heß. Auf Verlangen der württembergiſchen Re-<lb/> gierung (ſo wird erzählt, ohne daß ich näheres anzugeben weiß)<lb/> ſoll von hier aus an den General Lichnowski der einige Trup-<lb/> penabtheilungen an der Schweizergränze commandirt, der Befehl er-<lb/> gangen ſeyn ſich nach Ulm in Marſch zu ſetzen zur Beſetzung der<lb/> Bundesfeſtung, zu welcher Oeſterreich vertragsmäßig ein Drittheil zu<lb/> ſtellen hat. Ein zweites Drittheil iſt von Bayern zu ſtellen, an wel-<lb/> ches von württembergiſcher Seite ein gleiches Anſuchen gerichtet wor-<lb/> den ſeyn ſoll. Die Beſetzung der neuen Feſtung mit Geſchütz dürfte<lb/> von Oeſterreich aus geſchehen. — Der neuernannte niederöſterreichiſche<lb/> Landmarſchall Graf v. Montecucculi wird nach Eröffnung der hieſigen<lb/> Ständeſitzung nach Jtalien abgehen. — Es haben wieder einige Re-<lb/> gimenter Befehl erhalten ſich marſchfertig zu halten; wahrſcheinlich an<lb/> die italieniſche Gränze.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="3"> <dateline> ⸪ <hi rendition="#b">Prag,</hi> 12 März.</dateline><lb/> <p>Die große Aufregung zu beſchreiben welche<lb/> die neueſten Vorgänge in Europa unter allen Claſſen der Bevölke-<lb/> rung hervorgerufen hatten, iſt wohl überflüſſig. Jn vielen Caffee-<lb/> häuſern und Gaſthäufern werden täglich die Zeitungen vor einem<lb/> zahlreichen Zuhörerkreiſe vorgeleſen. Doch iſt die Stimmung friedlich<lb/> unter der gebildeten Claſſe, man denkt noch an keinen gewaltſamen<lb/> Umſturz, man hofft auf Zugeſtändniſſe von oben. Die Regierung<lb/> ſoll auch geneigt ſeyn auf die billigen Wünſche der Bürger zu hören.<lb/> So beſonnen die Haltung unter den Bürgern, ebenſo groß iſt die<lb/> Gährung der arbeitenden Claſſe. Die von Frankreich herübertönende<lb/> Kunde von Organiſtrung der Arbeit hat die Köpfe erhitzt, und die<lb/> meiſten unter ihnen ſind wohl geneigt zu glauben daß durch einen<lb/> Gewaltſtreich allen Uebelſtänden abgeholfen werden könne. Die Arbeiter<lb/> in den Fabriken ſind noch nicht geneſen von ihrem Haſſe gegen die<lb/> Maſchinen, und hie und da tauchen Pläne auf dieſelben zu zerſtören.<lb/> Daß dadurch ihre Lage nicht verbeſſert würde, bedenken ſie nicht. Mangel<lb/> faſt an jeglicher Bildung iſt unter dieſer Claſſe wohl der größte Uebel-<lb/> ſtand, und die Urſache iſt leider zu ſuchen in unſerm ſchlecht organi-<lb/> ſirten Unterrichtsweſen. Seit einigen Tagen ging in der Stadt das<lb/> Gerücht herum es ſolle am Samstag 11 März Abends 6 Uhr im Men-<lb/> gelsbad eine Bürgerverſammlung abgehalten werden, in welcher man<lb/> ſich über eine an die Regierung zu richtende Adreſſe berathen wolle.<lb/> Anonyme Einladungen dazu waren in mehreren Häuſern erſchienen,<lb/> batten aber unter den Bürgern wenig Theilnahme gefunden, ja waren<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1190/0006]
verſammlung ſeyn können, andererſeits vorausſetzen daß die Bittſteller ſich
dabei beruhigen würden daß ihre Adreſſe der Deputation vorgelegt, von
derſelben geprüft und ſo weit mit aufgenommen ſey als es ihre Ueber-
zeugung geſtattet habe. Endlich kam ein letzter ſich hier gewiſſermaßen
anſchließender Punkt zur Berathung: ein Antrag auf Bürgerbewaff-
nung. Es muß bemerkt werden daß mehrere ſtädtiſche Behörden ſchon
lange mit der Staatsregierung über Errichtung ſogenannier Schutzcom-
miſſionen verhandeln. Die Verhandlung war aber fruchtlos geblieben,
weil die Regierung, wie ein Abgeordneter ſich ausdrückte, „unbeſoldete
Gendarmen“ creiren wolle, und man ſich dazu nicht habe hergeben mö-
gen. Gegenwärtig wurde nun dieſer Antrag wieder aufgenommen, und
die vorberathende Deputation hatte bewaffnete Schutzcommiſſionen vor-
geſchlagen. Jn der Berathung trennte man die Sache. Einige ſpra-
chen für Schutzcommiſſionen mit Stab und Binde in dem alten, Sinn,
andere für Errichtung einer bewaffneten Bürgermacht mit ſelbſtge-
wählten Führern im modernen Sinn. Endlich kam es zur Abſtim-
mung. Der Vorſteher erklärte zuerſt über die Schutzcommiſſio-
nen, eventuell wenn dieſe abgelehnt würden, über Bürgerbewaff-
nung abſtimmen laſſen zu wollen. Der erſte Antrag, die Errich-
tung von Schutzcommiſſionen und eventualiter die Wiederaufnahme
der Verhandlungen über dieſelben mit den Behörden betreffend,
wurde mit 57 Stimmen angenommen, und ſomit ſollte der zweite
wegfallen. Nun erhob ſich aber ein großer Lärm; mehrere Stadtver-
ordnete, welche die Sache früher wohl falſch verſtanden und deßhalb
geſchwiegen hatten, proteſtirten und forderten Abſtimmung über Bürger-
bewaffnung. Das Publicum ſtimmte in dieſes Verlangen mit einem
wahrhaft furchtbaren Lärmen ein, und als der Vorſteher die Sitzung
ſchloß, weigerte ſich dasſelbe die Tribüne zu verlaſſen. Der Spectakel
dauerte eine ziemliche Weile und drohte immer ärger zu werden, bis
einer der anweſenden Zuhörer, der Schriftſteller Dr. Wöniger, der to-
benden Menge vorſtellte daß man hier kein Recht habe zu lärmen, und
daß man lieber hinuntergehen und einigen Stadtverordneten, die ſich in
der Berathung ſehr hervorgethan, ein Hoch bringen wolle. Damit ein-
verſtanden räumte die Menge den Saal, brachte den Stadtverordneten
Nauwerk, Mertens und Berends von der Straße aus ein dreimaliges
Bivat, und ging dann auf weitere Vorſtellungen ruhig auseinander.
Einzelne ſollen indeß auch den Stadtverordnetenvorſteher erwartet und
ihn mit einem Pereat empfangen haben. Man iſt jetzt ſehr geſpannt,
ob der König die Deputation empfangen, oder was weiter geſchehen wird.
Wahrſcheinlicher iſt eine Weigerung, da der König die feſte Anſicht ha-
ben ſoll gar keine Deputation zu empfangen und, wie allgemein verlau-
tet, in dieſem Sinne auch bereits die heute angekommene Breslauer De-
putation hat beſcheiden laſſen. Die Unruhe wird auch hier immer merk-
licher, und mit Rückſicht darauf verdienen Ereigniſſe, wie wir ſie heute
ſchilderten, beſondere Aufmerkſamkeit.
Königsberg, 6 März.
Eine Adreſſe wird hier unterzeichnet,
welche den König erſucht Preußen Volksvertretung, Preßfreiheit zu
verleihen, und ein deutſches Parlament beantragt, indem ſie zugleich
entſchiedene Abneigung gegen Rußland und Widerwillen vor unnöthi-
gen Verwickelungen mit Frankreich ausdrückt. (Nürnb. C.)
Magdeburg, 8 März.
Soeben iſt der officielle Befehl einge-
troffen daß unſere Garniſon, das 26ſte und 27ſte Regiment, am Sonn-
tag den 11 d. M. auf der Eiſenbahn nach Köln abgehen ſoll. Es ſcheint
als wäre hierbei nicht von einer Demonſtration nach außen die
Rede, ſondern als hätten die Unruhen in Köln ſelbſt zu dieſer Maßre-
regel die nächſte Veranlaſſung gegeben. Das 24ſte Regiment aus Neu-
ruppin wird hieher nachrücken. (Leipz. Z.)
Oeſterreich.
☉ Wien, 12. März.
Von den verſchiedenen
Adreſſen und Reformpetitionen welche hier ſeit einigen Tagen theils an
Se. Majeſtät den Kaiſer ſelbſt, theils an die niederöſterreichiſchen Stände
gerichtet circuliren um bei der morgen ſtattfindenden Ständeverſamm-
lung in Antrag gebracht und dem Kaiſer unterbreitet zu werden, wer-
den Sie gehört haben. Bereits am 6 d. Mts. hat der niederöſter-
reichiſche Gewerbeverein in ſeiner unter dem Vorſitze des Erzherzogs
Franz Karl gehaltenen Sitzung dem Erzherzog eine Adreſſe an Se.
Majeſtät überreicht, in welcher der Gewerbeverein ſeinen Patriotis-
mus und ſeine Anhänglichkeit an den Monarchen, ſowie die Noth-
wendigkeit eines feſten innigen Anſchließens der Regierung an die
Stände und Bürger, eines feſten innigen Anſchließens Oeſterreichs
an die Jntereſſen des gemeinſamen deutſchen Vaterlandes mit größ-
ter Offenheit ausſpricht. Ebenſo haben die Bürger, der Handelsſtand,
Künſtler, Schriftſteller und eine bedeutende Anzahl von Beamten
mehrere Petitionen und Adreſſen um Abſchaffung der Cenſur, Frei-
heit der Preſſe und ſonſtige Reformen unterzeichnet, die den morgen
zuſammentretenden niederöſterreiſchen Ständen übergeben werden. Heute
Sonntag verſammelten ſich ſämmtliche Studirende der juridiſchen und
mediciniſchen Facultät an der hieſigen Hochſchule, ſo wie die Polytechni-
ker in der Aula der Univerſität um eine Adreſſe wegen Aufhebung
der Cenſur und Oeffentlichkeit der Verhandlungen (?) an den Kai-
ſer in corpore zu überreichen. Es mochten über 2000 Studenten
beiſammen ſeyn. Anfangs verſuchte der Vicekammerprocurator Dr.
Kremer die Studenten davon abzuhalten, allein vergebens, und erſt
als Dr. Hye, Profeſſor des Natur- und Staatsrechtes, und der Re-
gierungsrath Endlicher, Profeſſor der Botanik, die beide die Kanzel
beſtiegen hatten, mit eindringlicher Rede den Studenten die Verſiche-
rung gaben die Adreſſe im Namen der Studenten ſelbſt dem Kaiſer zu
überreichen, beruhigten ſie ſich und zogen in größter Ordnung ab.
Bemerkenswerth iſt es daß bei dieſem Anlaſſe nicht der mindeſte Tu-
mult, nicht die mindeſte Störung ſtattfand, ſondern daß die ganze
Scene mit der größten Ruhe vor ſich ging. Wie man erzählt ſollen
die genannten zwei Profeſſoren ſich auch bereits zu Sr. Majeſtät dem
Kaiſer begeben haben, da die Studenten bis morgen eine Antwort
zu haben wünſchten. Mit der Petition welche die hieſigen Buchhänd-
ler vor ein paar Tagen Sr. Majeſtät überreichten begaben ſie ſich auch
zu Jhren k. k. Hoheiten den Erzherzogen Ludwig, Johann und Franz
Karl ſowie zum Fürſten Metternich und dem Grafen Colowrat. Durch
die freundlichen Bemühungen des letztern erhielten ſie Zutritt bei dem
Kaiſer, der ihnen, wie man ſagt, von einer andern Seite hatte in
Abrede geſtellt werden wollen.
*† Wien, 11 März.
Sehr lebhaft iſt hier der Courierwechſel
mit Berlin. Die neue Lage Deutſchlands und Europa’s ſoll der Ge-
genſtand der diplomatiſchen Erörterungen ſeyn. Der hier anweſende
Hr. v. Radowitz conferirt faſt täglich mit dem Grafen v. Münch-
Bellinghauſen (der erſt in einigen Tagen nach Dresden abgehen ſoll)
und dem General Heß. Auf Verlangen der württembergiſchen Re-
gierung (ſo wird erzählt, ohne daß ich näheres anzugeben weiß)
ſoll von hier aus an den General Lichnowski der einige Trup-
penabtheilungen an der Schweizergränze commandirt, der Befehl er-
gangen ſeyn ſich nach Ulm in Marſch zu ſetzen zur Beſetzung der
Bundesfeſtung, zu welcher Oeſterreich vertragsmäßig ein Drittheil zu
ſtellen hat. Ein zweites Drittheil iſt von Bayern zu ſtellen, an wel-
ches von württembergiſcher Seite ein gleiches Anſuchen gerichtet wor-
den ſeyn ſoll. Die Beſetzung der neuen Feſtung mit Geſchütz dürfte
von Oeſterreich aus geſchehen. — Der neuernannte niederöſterreichiſche
Landmarſchall Graf v. Montecucculi wird nach Eröffnung der hieſigen
Ständeſitzung nach Jtalien abgehen. — Es haben wieder einige Re-
gimenter Befehl erhalten ſich marſchfertig zu halten; wahrſcheinlich an
die italieniſche Gränze.
⸪ Prag, 12 März.
Die große Aufregung zu beſchreiben welche
die neueſten Vorgänge in Europa unter allen Claſſen der Bevölke-
rung hervorgerufen hatten, iſt wohl überflüſſig. Jn vielen Caffee-
häuſern und Gaſthäufern werden täglich die Zeitungen vor einem
zahlreichen Zuhörerkreiſe vorgeleſen. Doch iſt die Stimmung friedlich
unter der gebildeten Claſſe, man denkt noch an keinen gewaltſamen
Umſturz, man hofft auf Zugeſtändniſſe von oben. Die Regierung
ſoll auch geneigt ſeyn auf die billigen Wünſche der Bürger zu hören.
So beſonnen die Haltung unter den Bürgern, ebenſo groß iſt die
Gährung der arbeitenden Claſſe. Die von Frankreich herübertönende
Kunde von Organiſtrung der Arbeit hat die Köpfe erhitzt, und die
meiſten unter ihnen ſind wohl geneigt zu glauben daß durch einen
Gewaltſtreich allen Uebelſtänden abgeholfen werden könne. Die Arbeiter
in den Fabriken ſind noch nicht geneſen von ihrem Haſſe gegen die
Maſchinen, und hie und da tauchen Pläne auf dieſelben zu zerſtören.
Daß dadurch ihre Lage nicht verbeſſert würde, bedenken ſie nicht. Mangel
faſt an jeglicher Bildung iſt unter dieſer Claſſe wohl der größte Uebel-
ſtand, und die Urſache iſt leider zu ſuchen in unſerm ſchlecht organi-
ſirten Unterrichtsweſen. Seit einigen Tagen ging in der Stadt das
Gerücht herum es ſolle am Samstag 11 März Abends 6 Uhr im Men-
gelsbad eine Bürgerverſammlung abgehalten werden, in welcher man
ſich über eine an die Regierung zu richtende Adreſſe berathen wolle.
Anonyme Einladungen dazu waren in mehreren Häuſern erſchienen,
batten aber unter den Bürgern wenig Theilnahme gefunden, ja waren
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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