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Allgemeine Zeitung, Nr. 75, 15. März 1848.

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[Spaltenumbruch] steigt hier mit jedem Tag höher; die Abschiedsworte an den Aus-
schuß waren nicht geeignet sie zu vermindern; die Stimmung ist aller-
orten deutsch und constitutionell-liberal.


Der neuliche Tumult in Köln, der von
einigen communistischen Sprechern angestiftet worden, hat wie in der
ganzen Rheinprovinz so hier die entschiedenste Mißbilligung aller Ver-
nünftigen gefunden. Diese Mißbilligung hat sich auch in hiesiger
Stadt thatsächlich dadurch ausgesprochen daß der Vorschlag des Ober-
bürgermeisters Regierungsraths Oppenhoff eine Bürgergarde zum
Schutze des Eigenthums gegen etwa vorkommende Excesse, für den Fall
der Verlegung des hier befindlichen Uhlanenregimentes, zu bilden
allgemeinen Anklang gefunden hat. Diesem Vorschlage haben sich
die hier wohnhaften Engländer und ein großer Theil der Studiren-
den bereitwillig angeschlossen, während letztere das Ansuchen des
akademischen Senates ablehnten unter Leitung ordentlicher Pro-
fessoren für jenen Fall besondere Corps zu bilden. Auch bei einer
andern Gelegenheit haben die Studirenden diesen gesetzlichen Sinn
bewährt. Als von vielen hiesigen Bürgern der Vorschlag zu einer
Petition an den König gemacht worden, fand sich auch eine Anzahl
Studirender bei der zweiten Versammlung ein. Der Vorsitzende theilte
denselben mit daß ihn der Curator der hiesigen Universität kurz vor
der Versammlung darauf aufmerksam gemacht, wie eine Theilnahme
der Studirenden, eine Unterschrift derselben von Seiten der Gesetze
verboten und mit Strafandrohungen belegt sey. Um den gesetzlichen
Charakter jener Versammlung und Petition nicht im geringsten zu
beinträchtigen, erklärten die Studirenden mit richtigem Tacte augen-
blicklich, sich der Unterschrift enthalten zu wollen. Nicht weniger als
elf Punkte betraf die entworfene Petition, vor allem Vertretung des
deutschen Volkes durch ein Parlament, Freiheit der Rede und Schrift,
freies Associationsrecht, Repräsentativverfassung mit Erweiterung der
ständischen Befugnisse, Aufhebung der verhaßten Ausnahmgesetze na-
mentlich der Karlsbader Beschlüsse, ferner freie bürgerliche Berechti-
gung aller Confessionen ohne Unterschied, Enthaltung des Staates von
der Einmischung in die kirchlichen Angelegenheiten irgendeiner Con-
fession, freies Petitionsrecht, Vorlage eines Gesetzes zu Verbesserung
der Lage der Armen, ebenso der Fabrikarbeiter, endlich erneuerte
Vorlegung des Strafgesetzentwurfs an die Stände. Kann die Aus-
dehnung dieser Forderungen die Trennung mehrerer zusammengehöriger
Punkte Bedenken für den Erfolg erregen, so ist dagegen die von den
hiesigen ordentlichen Professoren berathene und, mit Ausnahme von
zwei derselben, von allen unterschriebene Zuschrift an Se. Majestät
desto allgemeiner gehalten. Sie soll einen berühmten Lehrer der Staats-
wissenschaften und Geschichte zum Verfasser haben, und bloß auf schleunige
Zusammenberufung der Stände und Erweiterung ihrer Befugnisse
dringen. Seltsam muß es erscheinen daß in solchen Zeiten freisin-
nigster Kundgebungen die ordentlichen Professoren der Universität es
verschmähten die außerordentlichen Professoren und Privatdocenten zur
Berathung zuzuziehen, vielmehr dieselben erst nachträglich durch den
Rector einladen ließen sich dieser Zuschrift anzuschließen. Natür-
lich war es daß beide Theile einmüthig ihre Unterschrift verweiger-
ten. Von einzelnen wurden jedoch auch andere Gründe in Bezug
auf den Jnhalt geltend gemacht. Eine dritte Petition welche der Stadt-
rath vorbereitet, wird wahrscheinlich die Mitte zwischen zu großer Aus-
dehnung und Beschränkung der auszusprechenden Wünsche halten.


Seit der Einführung der Oeffentlichkeit
der Stadtverordnetenversammlungen haben wir noch keine Sitzung er-
lebt gleich der heutigen, in welcher, wie ich Jhnen gemeldet, über eine
Sr. Majestät dem König zu überreichende Adresse berathen werden
sollte. Der Anfang der Sitzung war um 9 Uhr morgens festgesetzt;
aber schon eine Stunde vorher waren Vorflur und Treppe gefüllt, so
daß ein langer Schweif sich bis auf die Straße hinaus gebildet hatte,
sehnsüchtig des Einlasses harrend. Dieser erfolgte denn endlich ein
Viertel vor neun Uhr, und im Augenblick hatte sich der ganze Zuschauer-
raum mit Menschen gefüllt. Die ersten Anregungen zu der Adresse
durch eine Eingabe hiesiger Bürger an die Stadtverordnetenversamm-
lung sind Jhnen bekannt, so wie Jhnen auch schon die in der vorigen
Sitzung der Stadtverordneten zur Vorprüfung dieser Eingabe nieder-
gesetzte Deputation gemeldet ist. Diese Deputation hatte gestern Nach-
mittag von 3--11 Uhr Sitzung gehalten und nach schweren Kämpfen
sich endlich über eine Adresse vereinigt, in welcher folgende Wünsche
ausgesprochen waren: 1) so fortige Einberufung des Vereinig-
[Spaltenumbruch] ten Landtags; 2) Gewährung der Preßfreiheit mit einem nur
wirkliche Preßvergehen strafenden Preßgesetz; 3) angemessenere Reprä-
sentation des Volks beim Vereinigten Landtag mit beschließender
Stimme durch ein fache Stimmenmehrheit für die Vertreter; 4)
staatsbürgerliche Gleichheit aller Unterthanen ohne Unterschied
des religiösen Bekenntnisses;
5) Einführung von Geschwor-
nengerichten;
6) Vertretung der deutschen Nation beim
Bunde
durch Abgeordnete aller deutschen Ständeversammlungen. Die
Adresse in welcher diese Wünsche ausgesprochen sind, ist ziemlich lang,
jedoch, soviel wir bei einmaligem etwas undeutlichem Vorlesen ver-
nahmen, nicht ohne Wärme des Gefühls und Klarheit des Ausdrucks
abgefaßt. Sie weist darauf hin wie die ernsten Ereignisse der Zeit zu
Einheit der deutschen Völker mit ihren Regierungen auffordern, wie
diese Einheit aber nur durch eine Wiedergeburt Deutschlands bewirkt
werden könne. Das deutsche Volk sey reif und mündig mitzusitzen
im Rathe seiner Fürsten. Der König selbst habe dieß bereits einge-
sehen, und Stein an Stein zum Bau der neuen Verfassung gefügt.
Noch am 8 März habe Se. Majestät eine Verfügung erlassen in wel-
cher die Stadtverordnetenversammlung mit froher Hoffnung die ver-
heißene Preßfreiheit begrüße. (Sie finden diese Verfügung in der
heutigen Allg. Pr. Ztg.) Aber die Ereignisse drängten; vielleicht
komme bald die Stunde der Noth und der Gefahr, und darum sey
vor allem die schleunige Einberufung des Vereinigten Landtags zu
erbitten. "Jm Namen unserer Mitbürger -- heißt es hier -- aus
tiefbewegter Seele beschwören wir darum Ew. Majestät." Alsdann
folgen die übrigen Wünsche, an deren Schluß es heißt: wenn Preußens
Monarch in dieser Weise fortschreitet, dann würden weder die geistigen
noch die materiellen Jnteressen des Vaterlandes gefährdet seyn, es würde
zur höchsten Bedeutung emporsteigen. Habe Deutschland diese Stelle
bisher nicht eingenommen, so liege es in dem Mangel einer Bundes-
verfassung. Darum vorwärts mit vereinter Kraft; nur innerer Zwie-
spalt könne den deutschen Stämmen Gefahr bringen. Die Debatten
waren stürmischer als wir irgendwelche gehört zu haben uns entsin-
nen; besonders durch die fortwährenden Einmischungen von Seiten
des Publikums mit Händen, Mund und Füßen. Der Stadtverordneten-
vorsteher drohte zwar wiederholt die Tribüne räumen zu lassen; indeß
stellte das nur auf Augenblicke die Ruhe wieder her. Einzelne Aus-
drücke der Redner fanden den donnerndsten Beifall oder erregten to-
sendes Getrommel. Es wurde alsdann zunächst über die Frage berathen
und abgestimmt, ob die Vertreter einer Commune sich dazu competent
erachten könnten, in politischen Dingen eine Adresse an den Thron
zu richten? Das Bedenken mochte um so gerechtfertigter seyn, als
der Magistrat, dessen Mitwirkung, wie wir früher meldeten, in An-
spruch genommen war, mit 18 gegen 9 Stimmen sich dagegen erklärt
und demgemäß sich jeder Theilnahme enthalten, auch zu der Sitzung
keine Commission abgeordnet hatte. (Die Namen der Votanten circu-
lirten abschriftlich in der Versammlung.) Nach anderthalbstündiger
Berathung, worin das Recht der Commune auf das lebhafteste gewahrt
und namentlich gegen zwei Staaten protestirt war -- Sachsen und
Hannover -- welche dasselbe ihren Städten abgesprochen hatten, wurde
die Frage einstimmig bejaht. Die zweite Frage war nun: ob die
vorgelegte Adresse angenommen werde? Hierüber war die Debatte
kürzer aber noch leidenschaftlicher, namentlich als der Stadtverordnete
Dr. Nauwerk gegen den Passus über die neueste die Presse angehende
Verfügung protestirte und vielmehr einen Ausdruck des Bedauerns
in die Adresse aufgenommen wissen wollte daß die Preßfreiheit
noch immer nicht erfolgt sey. Das Publicum stimmt mit lebhaftem Jubel
bei, da diese Verfügung, welche statt der allgemein gehofften Preßfreiheit
aufs neue sehr ungewisse Vertröstungen bringt, in der Stadt einen durchweg
ungünstigen Eindruck gemacht hat; aber ebenso lebhaft erhob sich die
Versammlung dagegen, welche bei ihrer conservativen Gestaltung die
Adresse ganz angemessen fand. Dieselbe wurde denn auch von allen
gegen zwei Stimmen unverändert angenommen, und soll Sr. Maj. dem
Könige am Montag durch den Vorstand der Stadtverordneten, falls der
Magistrat auch hierzu seine Mitwirkung versagt, allein überbracht wer-
den. Hierauf wurde eine andere Adresse vorgelegt, welche von einer
vorgestern abgehaltenen Volksversammlung an Se. Maj. gerichtet und
den Stadtverordneten mit der Bitte übergeben war dieselbe dem Könige
mit zu überreichen. Die Stadtverordneten fanden sich indeß nicht ge-
neigt darauf einzugehen, da sie einerseits mit den einzelnen Punkten jener
Adresse nicht einverstanden seyen, auch nicht der Briefträger jener Volks-

[Spaltenumbruch] ſteigt hier mit jedem Tag höher; die Abſchiedsworte an den Aus-
ſchuß waren nicht geeignet ſie zu vermindern; die Stimmung iſt aller-
orten deutſch und conſtitutionell-liberal.


Der neuliche Tumult in Köln, der von
einigen communiſtiſchen Sprechern angeſtiftet worden, hat wie in der
ganzen Rheinprovinz ſo hier die entſchiedenſte Mißbilligung aller Ver-
nünftigen gefunden. Dieſe Mißbilligung hat ſich auch in hieſiger
Stadt thatſächlich dadurch ausgeſprochen daß der Vorſchlag des Ober-
bürgermeiſters Regierungsraths Oppenhoff eine Bürgergarde zum
Schutze des Eigenthums gegen etwa vorkommende Exceſſe, für den Fall
der Verlegung des hier befindlichen Uhlanenregimentes, zu bilden
allgemeinen Anklang gefunden hat. Dieſem Vorſchlage haben ſich
die hier wohnhaften Engländer und ein großer Theil der Studiren-
den bereitwillig angeſchloſſen, während letztere das Anſuchen des
akademiſchen Senates ablehnten unter Leitung ordentlicher Pro-
feſſoren für jenen Fall beſondere Corps zu bilden. Auch bei einer
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bewährt. Als von vielen hieſigen Bürgern der Vorſchlag zu einer
Petition an den König gemacht worden, fand ſich auch eine Anzahl
Studirender bei der zweiten Verſammlung ein. Der Vorſitzende theilte
denſelben mit daß ihn der Curator der hieſigen Univerſität kurz vor
der Verſammlung darauf aufmerkſam gemacht, wie eine Theilnahme
der Studirenden, eine Unterſchrift derſelben von Seiten der Geſetze
verboten und mit Strafandrohungen belegt ſey. Um den geſetzlichen
Charakter jener Verſammlung und Petition nicht im geringſten zu
beinträchtigen, erklärten die Studirenden mit richtigem Tacte augen-
blicklich, ſich der Unterſchrift enthalten zu wollen. Nicht weniger als
elf Punkte betraf die entworfene Petition, vor allem Vertretung des
deutſchen Volkes durch ein Parlament, Freiheit der Rede und Schrift,
freies Aſſociationsrecht, Repräſentativverfaſſung mit Erweiterung der
ſtändiſchen Befugniſſe, Aufhebung der verhaßten Ausnahmgeſetze na-
mentlich der Karlsbader Beſchlüſſe, ferner freie bürgerliche Berechti-
gung aller Confeſſionen ohne Unterſchied, Enthaltung des Staates von
der Einmiſchung in die kirchlichen Angelegenheiten irgendeiner Con-
feſſion, freies Petitionsrecht, Vorlage eines Geſetzes zu Verbeſſerung
der Lage der Armen, ebenſo der Fabrikarbeiter, endlich erneuerte
Vorlegung des Strafgeſetzentwurfs an die Stände. Kann die Aus-
dehnung dieſer Forderungen die Trennung mehrerer zuſammengehöriger
Punkte Bedenken für den Erfolg erregen, ſo iſt dagegen die von den
hieſigen ordentlichen Profeſſoren berathene und, mit Ausnahme von
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deſto allgemeiner gehalten. Sie ſoll einen berühmten Lehrer der Staats-
wiſſenſchaften und Geſchichte zum Verfaſſer haben, und bloß auf ſchleunige
Zuſammenberufung der Stände und Erweiterung ihrer Befugniſſe
dringen. Seltſam muß es erſcheinen daß in ſolchen Zeiten freiſin-
nigſter Kundgebungen die ordentlichen Profeſſoren der Univerſität es
verſchmähten die außerordentlichen Profeſſoren und Privatdocenten zur
Berathung zuzuziehen, vielmehr dieſelben erſt nachträglich durch den
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lich war es daß beide Theile einmüthig ihre Unterſchrift verweiger-
ten. Von einzelnen wurden jedoch auch andere Gründe in Bezug
auf den Jnhalt geltend gemacht. Eine dritte Petition welche der Stadt-
rath vorbereitet, wird wahrſcheinlich die Mitte zwiſchen zu großer Aus-
dehnung und Beſchränkung der auszuſprechenden Wünſche halten.


Seit der Einführung der Oeffentlichkeit
der Stadtverordnetenverſammlungen haben wir noch keine Sitzung er-
lebt gleich der heutigen, in welcher, wie ich Jhnen gemeldet, über eine
Sr. Majeſtät dem König zu überreichende Adreſſe berathen werden
ſollte. Der Anfang der Sitzung war um 9 Uhr morgens feſtgeſetzt;
aber ſchon eine Stunde vorher waren Vorflur und Treppe gefüllt, ſo
daß ein langer Schweif ſich bis auf die Straße hinaus gebildet hatte,
ſehnſüchtig des Einlaſſes harrend. Dieſer erfolgte denn endlich ein
Viertel vor neun Uhr, und im Augenblick hatte ſich der ganze Zuſchauer-
raum mit Menſchen gefüllt. Die erſten Anregungen zu der Adreſſe
durch eine Eingabe hieſiger Bürger an die Stadtverordnetenverſamm-
lung ſind Jhnen bekannt, ſo wie Jhnen auch ſchon die in der vorigen
Sitzung der Stadtverordneten zur Vorprüfung dieſer Eingabe nieder-
geſetzte Deputation gemeldet iſt. Dieſe Deputation hatte geſtern Nach-
mittag von 3—11 Uhr Sitzung gehalten und nach ſchweren Kämpfen
ſich endlich über eine Adreſſe vereinigt, in welcher folgende Wünſche
ausgeſprochen waren: 1) ſo fortige Einberufung des Vereinig-
[Spaltenumbruch] ten Landtags; 2) Gewährung der Preßfreiheit mit einem nur
wirkliche Preßvergehen ſtrafenden Preßgeſetz; 3) angemeſſenere Reprä-
ſentation des Volks beim Vereinigten Landtag mit beſchließender
Stimme durch ein fache Stimmenmehrheit für die Vertreter; 4)
ſtaatsbürgerliche Gleichheit aller Unterthanen ohne Unterſchied
des religiöſen Bekenntniſſes;
5) Einführung von Geſchwor-
nengerichten;
6) Vertretung der deutſchen Nation beim
Bunde
durch Abgeordnete aller deutſchen Ständeverſammlungen. Die
Adreſſe in welcher dieſe Wünſche ausgeſprochen ſind, iſt ziemlich lang,
jedoch, ſoviel wir bei einmaligem etwas undeutlichem Vorleſen ver-
nahmen, nicht ohne Wärme des Gefühls und Klarheit des Ausdrucks
abgefaßt. Sie weist darauf hin wie die ernſten Ereigniſſe der Zeit zu
Einheit der deutſchen Völker mit ihren Regierungen auffordern, wie
dieſe Einheit aber nur durch eine Wiedergeburt Deutſchlands bewirkt
werden könne. Das deutſche Volk ſey reif und mündig mitzuſitzen
im Rathe ſeiner Fürſten. Der König ſelbſt habe dieß bereits einge-
ſehen, und Stein an Stein zum Bau der neuen Verfaſſung gefügt.
Noch am 8 März habe Se. Majeſtät eine Verfügung erlaſſen in wel-
cher die Stadtverordnetenverſammlung mit froher Hoffnung die ver-
heißene Preßfreiheit begrüße. (Sie finden dieſe Verfügung in der
heutigen Allg. Pr. Ztg.) Aber die Ereigniſſe drängten; vielleicht
komme bald die Stunde der Noth und der Gefahr, und darum ſey
vor allem die ſchleunige Einberufung des Vereinigten Landtags zu
erbitten. „Jm Namen unſerer Mitbürger — heißt es hier — aus
tiefbewegter Seele beſchwören wir darum Ew. Majeſtät.“ Alsdann
folgen die übrigen Wünſche, an deren Schluß es heißt: wenn Preußens
Monarch in dieſer Weiſe fortſchreitet, dann würden weder die geiſtigen
noch die materiellen Jntereſſen des Vaterlandes gefährdet ſeyn, es würde
zur höchſten Bedeutung emporſteigen. Habe Deutſchland dieſe Stelle
bisher nicht eingenommen, ſo liege es in dem Mangel einer Bundes-
verfaſſung. Darum vorwärts mit vereinter Kraft; nur innerer Zwie-
ſpalt könne den deutſchen Stämmen Gefahr bringen. Die Debatten
waren ſtürmiſcher als wir irgendwelche gehört zu haben uns entſin-
nen; beſonders durch die fortwährenden Einmiſchungen von Seiten
des Publikums mit Händen, Mund und Füßen. Der Stadtverordneten-
vorſteher drohte zwar wiederholt die Tribüne räumen zu laſſen; indeß
ſtellte das nur auf Augenblicke die Ruhe wieder her. Einzelne Aus-
drücke der Redner fanden den donnerndſten Beifall oder erregten to-
ſendes Getrommel. Es wurde alsdann zunächſt über die Frage berathen
und abgeſtimmt, ob die Vertreter einer Commune ſich dazu competent
erachten könnten, in politiſchen Dingen eine Adreſſe an den Thron
zu richten? Das Bedenken mochte um ſo gerechtfertigter ſeyn, als
der Magiſtrat, deſſen Mitwirkung, wie wir früher meldeten, in An-
ſpruch genommen war, mit 18 gegen 9 Stimmen ſich dagegen erklärt
und demgemäß ſich jeder Theilnahme enthalten, auch zu der Sitzung
keine Commiſſion abgeordnet hatte. (Die Namen der Votanten circu-
lirten abſchriftlich in der Verſammlung.) Nach anderthalbſtündiger
Berathung, worin das Recht der Commune auf das lebhafteſte gewahrt
und namentlich gegen zwei Staaten proteſtirt war — Sachſen und
Hannover — welche dasſelbe ihren Städten abgeſprochen hatten, wurde
die Frage einſtimmig bejaht. Die zweite Frage war nun: ob die
vorgelegte Adreſſe angenommen werde? Hierüber war die Debatte
kürzer aber noch leidenſchaftlicher, namentlich als der Stadtverordnete
Dr. Nauwerk gegen den Paſſus über die neueſte die Preſſe angehende
Verfügung proteſtirte und vielmehr einen Ausdruck des Bedauerns
in die Adreſſe aufgenommen wiſſen wollte daß die Preßfreiheit
noch immer nicht erfolgt ſey. Das Publicum ſtimmt mit lebhaftem Jubel
bei, da dieſe Verfügung, welche ſtatt der allgemein gehofften Preßfreiheit
aufs neue ſehr ungewiſſe Vertröſtungen bringt, in der Stadt einen durchweg
ungünſtigen Eindruck gemacht hat; aber ebenſo lebhaft erhob ſich die
Verſammlung dagegen, welche bei ihrer conſervativen Geſtaltung die
Adreſſe ganz angemeſſen fand. Dieſelbe wurde denn auch von allen
gegen zwei Stimmen unverändert angenommen, und ſoll Sr. Maj. dem
Könige am Montag durch den Vorſtand der Stadtverordneten, falls der
Magiſtrat auch hierzu ſeine Mitwirkung verſagt, allein überbracht wer-
den. Hierauf wurde eine andere Adreſſe vorgelegt, welche von einer
vorgeſtern abgehaltenen Volksverſammlung an Se. Maj. gerichtet und
den Stadtverordneten mit der Bitte übergeben war dieſelbe dem Könige
mit zu überreichen. Die Stadtverordneten fanden ſich indeß nicht ge-
neigt darauf einzugehen, da ſie einerſeits mit den einzelnen Punkten jener
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[1189/0005] ſteigt hier mit jedem Tag höher; die Abſchiedsworte an den Aus- ſchuß waren nicht geeignet ſie zu vermindern; die Stimmung iſt aller- orten deutſch und conſtitutionell-liberal. ⧖ Bonn, 11 März. Der neuliche Tumult in Köln, der von einigen communiſtiſchen Sprechern angeſtiftet worden, hat wie in der ganzen Rheinprovinz ſo hier die entſchiedenſte Mißbilligung aller Ver- nünftigen gefunden. Dieſe Mißbilligung hat ſich auch in hieſiger Stadt thatſächlich dadurch ausgeſprochen daß der Vorſchlag des Ober- bürgermeiſters Regierungsraths Oppenhoff eine Bürgergarde zum Schutze des Eigenthums gegen etwa vorkommende Exceſſe, für den Fall der Verlegung des hier befindlichen Uhlanenregimentes, zu bilden allgemeinen Anklang gefunden hat. Dieſem Vorſchlage haben ſich die hier wohnhaften Engländer und ein großer Theil der Studiren- den bereitwillig angeſchloſſen, während letztere das Anſuchen des akademiſchen Senates ablehnten unter Leitung ordentlicher Pro- feſſoren für jenen Fall beſondere Corps zu bilden. Auch bei einer andern Gelegenheit haben die Studirenden dieſen geſetzlichen Sinn bewährt. Als von vielen hieſigen Bürgern der Vorſchlag zu einer Petition an den König gemacht worden, fand ſich auch eine Anzahl Studirender bei der zweiten Verſammlung ein. Der Vorſitzende theilte denſelben mit daß ihn der Curator der hieſigen Univerſität kurz vor der Verſammlung darauf aufmerkſam gemacht, wie eine Theilnahme der Studirenden, eine Unterſchrift derſelben von Seiten der Geſetze verboten und mit Strafandrohungen belegt ſey. Um den geſetzlichen Charakter jener Verſammlung und Petition nicht im geringſten zu beinträchtigen, erklärten die Studirenden mit richtigem Tacte augen- blicklich, ſich der Unterſchrift enthalten zu wollen. Nicht weniger als elf Punkte betraf die entworfene Petition, vor allem Vertretung des deutſchen Volkes durch ein Parlament, Freiheit der Rede und Schrift, freies Aſſociationsrecht, Repräſentativverfaſſung mit Erweiterung der ſtändiſchen Befugniſſe, Aufhebung der verhaßten Ausnahmgeſetze na- mentlich der Karlsbader Beſchlüſſe, ferner freie bürgerliche Berechti- gung aller Confeſſionen ohne Unterſchied, Enthaltung des Staates von der Einmiſchung in die kirchlichen Angelegenheiten irgendeiner Con- feſſion, freies Petitionsrecht, Vorlage eines Geſetzes zu Verbeſſerung der Lage der Armen, ebenſo der Fabrikarbeiter, endlich erneuerte Vorlegung des Strafgeſetzentwurfs an die Stände. Kann die Aus- dehnung dieſer Forderungen die Trennung mehrerer zuſammengehöriger Punkte Bedenken für den Erfolg erregen, ſo iſt dagegen die von den hieſigen ordentlichen Profeſſoren berathene und, mit Ausnahme von zwei derſelben, von allen unterſchriebene Zuſchrift an Se. Majeſtät deſto allgemeiner gehalten. Sie ſoll einen berühmten Lehrer der Staats- wiſſenſchaften und Geſchichte zum Verfaſſer haben, und bloß auf ſchleunige Zuſammenberufung der Stände und Erweiterung ihrer Befugniſſe dringen. Seltſam muß es erſcheinen daß in ſolchen Zeiten freiſin- nigſter Kundgebungen die ordentlichen Profeſſoren der Univerſität es verſchmähten die außerordentlichen Profeſſoren und Privatdocenten zur Berathung zuzuziehen, vielmehr dieſelben erſt nachträglich durch den Rector einladen ließen ſich dieſer Zuſchrift anzuſchließen. Natür- lich war es daß beide Theile einmüthig ihre Unterſchrift verweiger- ten. Von einzelnen wurden jedoch auch andere Gründe in Bezug auf den Jnhalt geltend gemacht. Eine dritte Petition welche der Stadt- rath vorbereitet, wird wahrſcheinlich die Mitte zwiſchen zu großer Aus- dehnung und Beſchränkung der auszuſprechenden Wünſche halten. ☓ Berlin, 11 März. Seit der Einführung der Oeffentlichkeit der Stadtverordnetenverſammlungen haben wir noch keine Sitzung er- lebt gleich der heutigen, in welcher, wie ich Jhnen gemeldet, über eine Sr. Majeſtät dem König zu überreichende Adreſſe berathen werden ſollte. Der Anfang der Sitzung war um 9 Uhr morgens feſtgeſetzt; aber ſchon eine Stunde vorher waren Vorflur und Treppe gefüllt, ſo daß ein langer Schweif ſich bis auf die Straße hinaus gebildet hatte, ſehnſüchtig des Einlaſſes harrend. Dieſer erfolgte denn endlich ein Viertel vor neun Uhr, und im Augenblick hatte ſich der ganze Zuſchauer- raum mit Menſchen gefüllt. Die erſten Anregungen zu der Adreſſe durch eine Eingabe hieſiger Bürger an die Stadtverordnetenverſamm- lung ſind Jhnen bekannt, ſo wie Jhnen auch ſchon die in der vorigen Sitzung der Stadtverordneten zur Vorprüfung dieſer Eingabe nieder- geſetzte Deputation gemeldet iſt. Dieſe Deputation hatte geſtern Nach- mittag von 3—11 Uhr Sitzung gehalten und nach ſchweren Kämpfen ſich endlich über eine Adreſſe vereinigt, in welcher folgende Wünſche ausgeſprochen waren: 1) ſo fortige Einberufung des Vereinig- ten Landtags; 2) Gewährung der Preßfreiheit mit einem nur wirkliche Preßvergehen ſtrafenden Preßgeſetz; 3) angemeſſenere Reprä- ſentation des Volks beim Vereinigten Landtag mit beſchließender Stimme durch ein fache Stimmenmehrheit für die Vertreter; 4) ſtaatsbürgerliche Gleichheit aller Unterthanen ohne Unterſchied des religiöſen Bekenntniſſes; 5) Einführung von Geſchwor- nengerichten; 6) Vertretung der deutſchen Nation beim Bunde durch Abgeordnete aller deutſchen Ständeverſammlungen. Die Adreſſe in welcher dieſe Wünſche ausgeſprochen ſind, iſt ziemlich lang, jedoch, ſoviel wir bei einmaligem etwas undeutlichem Vorleſen ver- nahmen, nicht ohne Wärme des Gefühls und Klarheit des Ausdrucks abgefaßt. Sie weist darauf hin wie die ernſten Ereigniſſe der Zeit zu Einheit der deutſchen Völker mit ihren Regierungen auffordern, wie dieſe Einheit aber nur durch eine Wiedergeburt Deutſchlands bewirkt werden könne. Das deutſche Volk ſey reif und mündig mitzuſitzen im Rathe ſeiner Fürſten. Der König ſelbſt habe dieß bereits einge- ſehen, und Stein an Stein zum Bau der neuen Verfaſſung gefügt. Noch am 8 März habe Se. Majeſtät eine Verfügung erlaſſen in wel- cher die Stadtverordnetenverſammlung mit froher Hoffnung die ver- heißene Preßfreiheit begrüße. (Sie finden dieſe Verfügung in der heutigen Allg. Pr. Ztg.) Aber die Ereigniſſe drängten; vielleicht komme bald die Stunde der Noth und der Gefahr, und darum ſey vor allem die ſchleunige Einberufung des Vereinigten Landtags zu erbitten. „Jm Namen unſerer Mitbürger — heißt es hier — aus tiefbewegter Seele beſchwören wir darum Ew. Majeſtät.“ Alsdann folgen die übrigen Wünſche, an deren Schluß es heißt: wenn Preußens Monarch in dieſer Weiſe fortſchreitet, dann würden weder die geiſtigen noch die materiellen Jntereſſen des Vaterlandes gefährdet ſeyn, es würde zur höchſten Bedeutung emporſteigen. Habe Deutſchland dieſe Stelle bisher nicht eingenommen, ſo liege es in dem Mangel einer Bundes- verfaſſung. Darum vorwärts mit vereinter Kraft; nur innerer Zwie- ſpalt könne den deutſchen Stämmen Gefahr bringen. Die Debatten waren ſtürmiſcher als wir irgendwelche gehört zu haben uns entſin- nen; beſonders durch die fortwährenden Einmiſchungen von Seiten des Publikums mit Händen, Mund und Füßen. Der Stadtverordneten- vorſteher drohte zwar wiederholt die Tribüne räumen zu laſſen; indeß ſtellte das nur auf Augenblicke die Ruhe wieder her. Einzelne Aus- drücke der Redner fanden den donnerndſten Beifall oder erregten to- ſendes Getrommel. Es wurde alsdann zunächſt über die Frage berathen und abgeſtimmt, ob die Vertreter einer Commune ſich dazu competent erachten könnten, in politiſchen Dingen eine Adreſſe an den Thron zu richten? Das Bedenken mochte um ſo gerechtfertigter ſeyn, als der Magiſtrat, deſſen Mitwirkung, wie wir früher meldeten, in An- ſpruch genommen war, mit 18 gegen 9 Stimmen ſich dagegen erklärt und demgemäß ſich jeder Theilnahme enthalten, auch zu der Sitzung keine Commiſſion abgeordnet hatte. (Die Namen der Votanten circu- lirten abſchriftlich in der Verſammlung.) Nach anderthalbſtündiger Berathung, worin das Recht der Commune auf das lebhafteſte gewahrt und namentlich gegen zwei Staaten proteſtirt war — Sachſen und Hannover — welche dasſelbe ihren Städten abgeſprochen hatten, wurde die Frage einſtimmig bejaht. Die zweite Frage war nun: ob die vorgelegte Adreſſe angenommen werde? Hierüber war die Debatte kürzer aber noch leidenſchaftlicher, namentlich als der Stadtverordnete Dr. Nauwerk gegen den Paſſus über die neueſte die Preſſe angehende Verfügung proteſtirte und vielmehr einen Ausdruck des Bedauerns in die Adreſſe aufgenommen wiſſen wollte daß die Preßfreiheit noch immer nicht erfolgt ſey. Das Publicum ſtimmt mit lebhaftem Jubel bei, da dieſe Verfügung, welche ſtatt der allgemein gehofften Preßfreiheit aufs neue ſehr ungewiſſe Vertröſtungen bringt, in der Stadt einen durchweg ungünſtigen Eindruck gemacht hat; aber ebenſo lebhaft erhob ſich die Verſammlung dagegen, welche bei ihrer conſervativen Geſtaltung die Adreſſe ganz angemeſſen fand. Dieſelbe wurde denn auch von allen gegen zwei Stimmen unverändert angenommen, und ſoll Sr. Maj. dem Könige am Montag durch den Vorſtand der Stadtverordneten, falls der Magiſtrat auch hierzu ſeine Mitwirkung verſagt, allein überbracht wer- den. Hierauf wurde eine andere Adreſſe vorgelegt, welche von einer vorgeſtern abgehaltenen Volksverſammlung an Se. Maj. gerichtet und den Stadtverordneten mit der Bitte übergeben war dieſelbe dem Könige mit zu überreichen. Die Stadtverordneten fanden ſich indeß nicht ge- neigt darauf einzugehen, da ſie einerſeits mit den einzelnen Punkten jener Adreſſe nicht einverſtanden ſeyen, auch nicht der Briefträger jener Volks-

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 75, 15. März 1848, S. 1189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine75_1848/5>, abgerufen am 24.11.2024.