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Allgemeine Zeitung, Nr. 76, 16. März 1848.

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[Spaltenumbruch] stand gekommen, selbst rückgängig geworden. Der Völkerverkehr,
der zu allen Zeiten des Friedens bedarf um sicher zu gedeihen, kann
vollends heutzutage keine politische Störung vertragen. Die Sicherheit
eines mehr als dreißigjährigen Friedens und die allgemeine Concurrenz
haben allmählich den Prosit so sehr geschmälert, daß es oft nur geringster
Steigerung in den Transportkosten bedarf um alle Geschäfte zu verhin-
dern. So hat denn auch jetzt die Ankündigung der Assecuranzanstalten,
daß sie ohne eine erhöhte Prämie nicht gegen Kriegsgefahren verant-
wortlich seyn wollen, sogleich vielseitige Abbestellungen veranlaßt, und
zwar schon am Anfang der vorigen Woche. Seitdem ist freilich vieles
geschehen was geeignet ist die Gemüther zu beruhigen: z. B. die Erklä-
rung sowohl unserer Regierung als der preußischen daß sie sich in die
innern Angelegenheiten Frankreichs nicht zu mischen meinen, als auch
der provisorischen Regierung dieses Landes daß sie friedlich zu bleiben
wünscht, besonders aber die schnelle Rückkehr zur Ordnung und die Ein-
stimmigkeit unter den Franzosen. Doch hat sich auch vieles ereignet was
heftige Besorgnisse für die Zukunft erregt, worunter namentlich die zu-
nehmende Gährung in der Lombardei. Aber auch selbst unter uns neh-
men die Verhältnisse eine trübere Gestalt an. Die Unruhen welche wir
vorgestern und zum Theil auch gestern hier gehabt, waren freilich unbe-
deutend, aber die zu Glasgow waren viel ernsthafter, und Irland macht
Miene die Verhältnisse zur Ertrotzung der Repeal benutzen zu wollen.
Das Schlimmste aber ist daß die Mittelclassen täglich schwieriger werden,
und es hoch empfinden daß die Regierung darauf besteht die Einkommen-
steuer für drei Jahre länger unverändert in ihrer Umlegung beizubehal-
ten. Die Nachgiebigkeit welche dieselbe gezeigt, indem sie so schnell den
Vorschlag zur Erhöhung der Steuer fallen ließ, ermuntert natürlich, be-
sonders unter den gegenwärtigen Verhältnissen, zu weiterer Widersetz-
lichkeit, und diese wird allmählich auf manche Vertreter wirken, welche
bisher die Regierung unterstützt haben. Das Unterhaus würde jedoch keinen
Anstand genommen haben die ministerielle Forderung von 5 Proc. für dieses
Jahr zu bewilligen, wenn die Minister nur hätten eine billigere Umlegung
für die Zukunft versprechen wollen. Denn denkende Männer aller Par-
teien sind der Ueberzeugung daß es in diesem Augenblick unverzeihlich
sey ein Deficit stehen zu lassen, oder solches in Friedenszeit durch eine An-
leihe decken zu wollen. Die wenigsten sind auch für irgendein Ersparniß
das die Vertheidigungsmittel vermindern würde. Man kämpft also der-
malen darum ob man die Steuer für drei Jahre bewilligen solle, oder
nur für eines. Peel ist für die drei Jahre, Bentinck aber für nur
eines. Da es jedoch ebenso ungewiß ist ob diesen beiden bei dieser Ange-
legenheit alle ihre sonstigen Anhänger in dieser Ansicht folgen werden, ganz
gewiß aber ein großer Theil von den Freunden des Ministeriums dieß-
mal gegen dasselbe votiren wird, so läßt sich durchaus nicht vorher be-
stimmen was das Resultat der Abstimmung seyn mag, welche wahr-
scheinlich nächsten Freitag stattfinden wird. Uebrigens stimmten jene
beiden Männer vollkommen mit den Ministern in ihrer erklärten Politik
gegen Frankreich ein; und während letzterer sich im wärmsten Lob der
Franzosen erschöpfte, warnte jener: man solle ja keinen Versuch in Eng-
land dulden die jetzige Ordnung der Dinge in Frankreich durch Jntriguen
umzustoßen. Was man hierin gegen Monarchien beobachtet habe, sey
man auch einer Republik schuldig. Die Bewegungen in Deutschland er-
regen hier sehr große Aufmerksamkeit, und man findet es lehrreich
wie die sonst so unruhigen Belgen sich den Begebenheiten an ihrer Gränze
gegenüber so viel ruhiger und loyaler verhalten als unsere sonst so fried-
fertigen und "etwas langsamen" Landsleute.*) Natürlich schreibt man
den Unterschied dem Umstande dazu daß die Belgen im vollen Genuß von
Sta atseinrichtungen sind nach denen man in Deutschland erst strebt.
Die hiesigen Unruhen waren nicht einen Augenblick ernsthaft. Cochrane,
der die Versammlung berufen, hatte nicht Zeit genug das Zusamenströ-
men einiger tausend Menschen zu verhindern, als er sich entschloß die
Versammlung nicht zu halten. Es traten also andere Redner auf, wel-
chen der müßige Pöbel zuhörte. So heftig dieselben aber auch gespro-
chen haben mochten, so schienen sie doch keine Aufregung zu verursachen.
Die welche mit der Polizei anbanden, schienen theils gemeine Diebe,
theils müßige Burschen zu seyn, die sich durch eine Rauferei einen Spaß
machen wollten. Die Anzahl wurde durch Neugierige vermehrt die den
Spaß mitanzusehen gedachten, unter welchen aber die Diebe ihre Ernte
hielten, indem bei mehreren von den Verhafteten 6 bis 7 Taschentücher
[Spaltenumbruch] gefunden worden seyn wollen. Auch wurde so wenig an ernstlichen Wi-
derstand gedacht daß nicht selten ein einziger Polizeidiener, bloß mit sei-
nem kurzen Stab bewaffnet, sich unter die Menge stürzte, einen der
trotzigsten beim Kragen faßte und gefangen davonschleppen durfte. Weis-
lich wurden jedoch die gestrigen Anstalten so ernstlich getroffen, daß jeder
Versuch zu einer Zusammenrottung leicht vereitelt werden konnte. Nach-
schrift
. Alles ist hier ruhig, und auch in Glasgow soll die Ruhe wie-
derhergestellt seyn, wenn auch nicht ohne Blutvergießen. Doch ist die
Gefahr noch nicht vorüber, wenn auch der Staat nichts davon zu fürch-
ten hat. Unsere Städte sind voll brodloser Menschen und Diebsgesindel,
welches wohl die Gährung benutzen könnte um zu plündern. Jm Noth-
fall jedoch werden sich die Mittelclassen selbst helfen. Wie sich schon in
zwei der bedrohtesten Kirchspiele in London ein Corps von 8 bis 900
Special-Constabler gebildet hat, so dürfte sich leicht die Polizeimannschaft
ganz Englands organistren, wenn es seyn müßte auch mit Flinten statt
der kurzen Stäbe.

Frankreich.

Das Tagesereigniß ist die Bildung einer polnischen Legion. Der
Moniteur bringt den unterm 10 d. M. gefaßten Regierungsbeschluß
der jedenfalls als kein Friedenssymptom anzusehen ist, wiewohl eine
mitbewegende Ursache gewesen seyn mag daß man auf diese Art ein
Element der Gährung aus dem Schooß der Gesellschaft entfernen und
ihm eine nützliche Verwendung geben wollte. Bis jetzt hat Frankreich
Unterstützungsgelder an die polnischen Flüchtlinge bezahlt, künftig wird
es dieser Ausgabe überhoben seyn. Wenn die frühere Regierung nach
der Revolution sich genöthigt sah eine Fremdenlegion zu bilden, so ist
der wesentliche Unterschied daß diese, um alle propagandistischen
Besorgnisse zu beseitigen, gleich zum auswärtigen Dienst, d. i.
nach Algerien bestimmt war. Die polnische Legion ist eine politische
Demonstration. Das Decret lautet:

"Jn Betracht daß die polnischen
Flüchtlinge, vom Verlangen beseelt ihre Erkenntlichkeit und Hingebung
für Frankreich, ihr zweites Vaterland, zu beweisen, bitten in eine Le-
gion vereinigt zu werden um zusammen mit den Franzosen der Sache
der Ordnung und der Freiheit zu dienen; in Betracht daß ein solches
Anerbieten im Namen eines Volks das Frankreich schon so viele treue
Waffen- und Ruhmesgefährten geliefert hat, mit Bereitwilligkeit auf-
genommen werden muß von einer Regierung die auf die nationalen
Sympathien, die stets so lebhaft für Polen sind, gegründet und ent-
schlossen ist sich stets auf dieselben zu stützen, verordnet die provisorische
Regierung: Es wird unverzüglich eine polnische Legion gebildet die
unter die Befehle des Kriegsministers gestellt wird. Der Kriegsminister
ist mit Vollziehung gegenwärtigen Decrets beauftragt."

Als eine der
nächstbevorstehenden Regierungsmaßregeln wird nun vom National
die Verminderung der Zahl der Angestellten, die Herabsetzung der großen
Gehalte angekündigt.


Die gestrigen Finanzdecrete wirken immer
tiefer und nachtheiliger, besonders das über die Sparcassen. Die Leute
die baares Geld einlegten, wollen auch baares Geld zurückerhalten, nicht
Papier, am allerwenigsten dieses zu einem Preise den es in der That
jetzt nicht hat. Der Glaube ist allgemein daß die Regierung dieses De-
cret werde schleunigst zurücknehmen müssen. Der angeordnete Verkauf
der Domanialgüter der Civilliste und der Staatswaldungen wird heute
von einem Blatt geradezu als ein schreiender Eingriff in die Rechte der
Nationalversammlung und als der erste Schritt zum Ruin des Staats-
und Privatvermögens bezeichnet. Allerdings ist zu fürchten daß, wenn
man so die Staatswaldungen zersplittert verkauft -- vorausgesetzt
daß sich jetzt überhaupt Käufer finden -- dieselben das nämliche Schick-
sal haben wie anfangs die Klostergüter in Spanien, verschleudert zu
werden ohne wirklichen Vortheil für den Schatz. Daß schon die An-
kündigung dieses beabsichtigten Verkaufs hinreichte den Güterwerth zu
drücken, wird kein Einsichtiger bestreiten wollen. Wie also diese Maß-
regeln auf den Credit im allgemeinen zurückwirken müssen, bedarf keiner
langen Auseinandersetzung. Schon kündet man neue Unfälle in der
Handelswelt an. Das Bankierhaus Ch. Laffitte, Blouet u. Comp. hat
seine Geschäfte eingestellt; zweierlei Angaben laufen um, nach der einen
handelt es sich bloß um eine freiwillige nicht durch Berlegenheiten abge-
drungene Liquidirung, nach der andern aber um eine förmliche Einstel-
lung der Zahlungen, also um den Sturz des Hauses. Deßgleichen ver-

*) Byron spricht im Don Juan von Deutschlands "somevvhat tardy
millions".

[Spaltenumbruch] ſtand gekommen, ſelbſt rückgängig geworden. Der Völkerverkehr,
der zu allen Zeiten des Friedens bedarf um ſicher zu gedeihen, kann
vollends heutzutage keine politiſche Störung vertragen. Die Sicherheit
eines mehr als dreißigjährigen Friedens und die allgemeine Concurrenz
haben allmählich den Proſit ſo ſehr geſchmälert, daß es oft nur geringſter
Steigerung in den Transportkoſten bedarf um alle Geſchäfte zu verhin-
dern. So hat denn auch jetzt die Ankündigung der Aſſecuranzanſtalten,
daß ſie ohne eine erhöhte Prämie nicht gegen Kriegsgefahren verant-
wortlich ſeyn wollen, ſogleich vielſeitige Abbeſtellungen veranlaßt, und
zwar ſchon am Anfang der vorigen Woche. Seitdem iſt freilich vieles
geſchehen was geeignet iſt die Gemüther zu beruhigen: z. B. die Erklä-
rung ſowohl unſerer Regierung als der preußiſchen daß ſie ſich in die
innern Angelegenheiten Frankreichs nicht zu miſchen meinen, als auch
der proviſoriſchen Regierung dieſes Landes daß ſie friedlich zu bleiben
wünſcht, beſonders aber die ſchnelle Rückkehr zur Ordnung und die Ein-
ſtimmigkeit unter den Franzoſen. Doch hat ſich auch vieles ereignet was
heftige Beſorgniſſe für die Zukunft erregt, worunter namentlich die zu-
nehmende Gährung in der Lombardei. Aber auch ſelbſt unter uns neh-
men die Verhältniſſe eine trübere Geſtalt an. Die Unruhen welche wir
vorgeſtern und zum Theil auch geſtern hier gehabt, waren freilich unbe-
deutend, aber die zu Glaſgow waren viel ernſthafter, und Irland macht
Miene die Verhältniſſe zur Ertrotzung der Repeal benutzen zu wollen.
Das Schlimmſte aber iſt daß die Mittelclaſſen täglich ſchwieriger werden,
und es hoch empfinden daß die Regierung darauf beſteht die Einkommen-
ſteuer für drei Jahre länger unverändert in ihrer Umlegung beizubehal-
ten. Die Nachgiebigkeit welche dieſelbe gezeigt, indem ſie ſo ſchnell den
Vorſchlag zur Erhöhung der Steuer fallen ließ, ermuntert natürlich, be-
ſonders unter den gegenwärtigen Verhältniſſen, zu weiterer Widerſetz-
lichkeit, und dieſe wird allmählich auf manche Vertreter wirken, welche
bisher die Regierung unterſtützt haben. Das Unterhaus würde jedoch keinen
Anſtand genommen haben die miniſterielle Forderung von 5 Proc. für dieſes
Jahr zu bewilligen, wenn die Miniſter nur hätten eine billigere Umlegung
für die Zukunft verſprechen wollen. Denn denkende Männer aller Par-
teien ſind der Ueberzeugung daß es in dieſem Augenblick unverzeihlich
ſey ein Deficit ſtehen zu laſſen, oder ſolches in Friedenszeit durch eine An-
leihe decken zu wollen. Die wenigſten ſind auch für irgendein Erſparniß
das die Vertheidigungsmittel vermindern würde. Man kämpft alſo der-
malen darum ob man die Steuer für drei Jahre bewilligen ſolle, oder
nur für eines. Peel iſt für die drei Jahre, Bentinck aber für nur
eines. Da es jedoch ebenſo ungewiß iſt ob dieſen beiden bei dieſer Ange-
legenheit alle ihre ſonſtigen Anhänger in dieſer Anſicht folgen werden, ganz
gewiß aber ein großer Theil von den Freunden des Miniſteriums dieß-
mal gegen dasſelbe votiren wird, ſo läßt ſich durchaus nicht vorher be-
ſtimmen was das Reſultat der Abſtimmung ſeyn mag, welche wahr-
ſcheinlich nächſten Freitag ſtattfinden wird. Uebrigens ſtimmten jene
beiden Männer vollkommen mit den Miniſtern in ihrer erklärten Politik
gegen Frankreich ein; und während letzterer ſich im wärmſten Lob der
Franzoſen erſchöpfte, warnte jener: man ſolle ja keinen Verſuch in Eng-
land dulden die jetzige Ordnung der Dinge in Frankreich durch Jntriguen
umzuſtoßen. Was man hierin gegen Monarchien beobachtet habe, ſey
man auch einer Republik ſchuldig. Die Bewegungen in Deutſchland er-
regen hier ſehr große Aufmerkſamkeit, und man findet es lehrreich
wie die ſonſt ſo unruhigen Belgen ſich den Begebenheiten an ihrer Gränze
gegenüber ſo viel ruhiger und loyaler verhalten als unſere ſonſt ſo fried-
fertigen und „etwas langſamen“ Landsleute.*) Natürlich ſchreibt man
den Unterſchied dem Umſtande dazu daß die Belgen im vollen Genuß von
Sta atseinrichtungen ſind nach denen man in Deutſchland erſt ſtrebt.
Die hieſigen Unruhen waren nicht einen Augenblick ernſthaft. Cochrane,
der die Verſammlung berufen, hatte nicht Zeit genug das Zuſamenſtrö-
men einiger tauſend Menſchen zu verhindern, als er ſich entſchloß die
Verſammlung nicht zu halten. Es traten alſo andere Redner auf, wel-
chen der müßige Pöbel zuhörte. So heftig dieſelben aber auch geſpro-
chen haben mochten, ſo ſchienen ſie doch keine Aufregung zu verurſachen.
Die welche mit der Polizei anbanden, ſchienen theils gemeine Diebe,
theils müßige Burſchen zu ſeyn, die ſich durch eine Rauferei einen Spaß
machen wollten. Die Anzahl wurde durch Neugierige vermehrt die den
Spaß mitanzuſehen gedachten, unter welchen aber die Diebe ihre Ernte
hielten, indem bei mehreren von den Verhafteten 6 bis 7 Taſchentücher
[Spaltenumbruch] gefunden worden ſeyn wollen. Auch wurde ſo wenig an ernſtlichen Wi-
derſtand gedacht daß nicht ſelten ein einziger Polizeidiener, bloß mit ſei-
nem kurzen Stab bewaffnet, ſich unter die Menge ſtürzte, einen der
trotzigſten beim Kragen faßte und gefangen davonſchleppen durfte. Weis-
lich wurden jedoch die geſtrigen Anſtalten ſo ernſtlich getroffen, daß jeder
Verſuch zu einer Zuſammenrottung leicht vereitelt werden konnte. Nach-
ſchrift
. Alles iſt hier ruhig, und auch in Glasgow ſoll die Ruhe wie-
derhergeſtellt ſeyn, wenn auch nicht ohne Blutvergießen. Doch iſt die
Gefahr noch nicht vorüber, wenn auch der Staat nichts davon zu fürch-
ten hat. Unſere Städte ſind voll brodloſer Menſchen und Diebsgeſindel,
welches wohl die Gährung benutzen könnte um zu plündern. Jm Noth-
fall jedoch werden ſich die Mittelclaſſen ſelbſt helfen. Wie ſich ſchon in
zwei der bedrohteſten Kirchſpiele in London ein Corps von 8 bis 900
Special-Conſtabler gebildet hat, ſo dürfte ſich leicht die Polizeimannſchaft
ganz Englands organiſtren, wenn eſ ſeyn müßte auch mit Flinten ſtatt
der kurzen Stäbe.

Frankreich.

Das Tagesereigniß iſt die Bildung einer polniſchen Legion. Der
Moniteur bringt den unterm 10 d. M. gefaßten Regierungsbeſchluß
der jedenfalls als kein Friedensſymptom anzuſehen iſt, wiewohl eine
mitbewegende Urſache geweſen ſeyn mag daß man auf dieſe Art ein
Element der Gährung aus dem Schooß der Geſellſchaft entfernen und
ihm eine nützliche Verwendung geben wollte. Bis jetzt hat Frankreich
Unterſtützungsgelder an die polniſchen Flüchtlinge bezahlt, künftig wird
es dieſer Ausgabe überhoben ſeyn. Wenn die frühere Regierung nach
der Revolution ſich genöthigt ſah eine Fremdenlegion zu bilden, ſo iſt
der weſentliche Unterſchied daß dieſe, um alle propagandiſtiſchen
Beſorgniſſe zu beſeitigen, gleich zum auswärtigen Dienſt, d. i.
nach Algerien beſtimmt war. Die polniſche Legion iſt eine politiſche
Demonſtration. Das Decret lautet:

„Jn Betracht daß die polniſchen
Flüchtlinge, vom Verlangen beſeelt ihre Erkenntlichkeit und Hingebung
für Frankreich, ihr zweites Vaterland, zu beweiſen, bitten in eine Le-
gion vereinigt zu werden um zuſammen mit den Franzoſen der Sache
der Ordnung und der Freiheit zu dienen; in Betracht daß ein ſolches
Anerbieten im Namen eines Volks das Frankreich ſchon ſo viele treue
Waffen- und Ruhmesgefährten geliefert hat, mit Bereitwilligkeit auf-
genommen werden muß von einer Regierung die auf die nationalen
Sympathien, die ſtets ſo lebhaft für Polen ſind, gegründet und ent-
ſchloſſen iſt ſich ſtets auf dieſelben zu ſtützen, verordnet die proviſoriſche
Regierung: Es wird unverzüglich eine polniſche Legion gebildet die
unter die Befehle des Kriegsminiſters geſtellt wird. Der Kriegsminiſter
iſt mit Vollziehung gegenwärtigen Decrets beauftragt.“

Als eine der
nächſtbevorſtehenden Regierungsmaßregeln wird nun vom National
die Verminderung der Zahl der Angeſtellten, die Herabſetzung der großen
Gehalte angekündigt.


Die geſtrigen Finanzdecrete wirken immer
tiefer und nachtheiliger, beſonders das über die Sparcaſſen. Die Leute
die baares Geld einlegten, wollen auch baares Geld zurückerhalten, nicht
Papier, am allerwenigſten dieſes zu einem Preiſe den es in der That
jetzt nicht hat. Der Glaube iſt allgemein daß die Regierung dieſes De-
cret werde ſchleunigſt zurücknehmen müſſen. Der angeordnete Verkauf
der Domanialgüter der Civilliſte und der Staatswaldungen wird heute
von einem Blatt geradezu als ein ſchreiender Eingriff in die Rechte der
Nationalverſammlung und als der erſte Schritt zum Ruin des Staats-
und Privatvermögens bezeichnet. Allerdings iſt zu fürchten daß, wenn
man ſo die Staatswaldungen zerſplittert verkauft — vorausgeſetzt
daß ſich jetzt überhaupt Käufer finden — dieſelben das nämliche Schick-
ſal haben wie anfangs die Kloſtergüter in Spanien, verſchleudert zu
werden ohne wirklichen Vortheil für den Schatz. Daß ſchon die An-
kündigung dieſes beabſichtigten Verkaufs hinreichte den Güterwerth zu
drücken, wird kein Einſichtiger beſtreiten wollen. Wie alſo dieſe Maß-
regeln auf den Credit im allgemeinen zurückwirken müſſen, bedarf keiner
langen Auseinanderſetzung. Schon kündet man neue Unfälle in der
Handelswelt an. Das Bankierhaus Ch. Laffitte, Blouet u. Comp. hat
ſeine Geſchäfte eingeſtellt; zweierlei Angaben laufen um, nach der einen
handelt es ſich bloß um eine freiwillige nicht durch Berlegenheiten abge-
drungene Liquidirung, nach der andern aber um eine förmliche Einſtel-
lung der Zahlungen, alſo um den Sturz des Hauſes. Deßgleichen ver-

*) Byron ſpricht im Don Juan von Deutſchlands „ſomevvhat tardy
millions“.
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[1207/0007] ſtand gekommen, ſelbſt rückgängig geworden. Der Völkerverkehr, der zu allen Zeiten des Friedens bedarf um ſicher zu gedeihen, kann vollends heutzutage keine politiſche Störung vertragen. Die Sicherheit eines mehr als dreißigjährigen Friedens und die allgemeine Concurrenz haben allmählich den Proſit ſo ſehr geſchmälert, daß es oft nur geringſter Steigerung in den Transportkoſten bedarf um alle Geſchäfte zu verhin- dern. So hat denn auch jetzt die Ankündigung der Aſſecuranzanſtalten, daß ſie ohne eine erhöhte Prämie nicht gegen Kriegsgefahren verant- wortlich ſeyn wollen, ſogleich vielſeitige Abbeſtellungen veranlaßt, und zwar ſchon am Anfang der vorigen Woche. Seitdem iſt freilich vieles geſchehen was geeignet iſt die Gemüther zu beruhigen: z. B. die Erklä- rung ſowohl unſerer Regierung als der preußiſchen daß ſie ſich in die innern Angelegenheiten Frankreichs nicht zu miſchen meinen, als auch der proviſoriſchen Regierung dieſes Landes daß ſie friedlich zu bleiben wünſcht, beſonders aber die ſchnelle Rückkehr zur Ordnung und die Ein- ſtimmigkeit unter den Franzoſen. Doch hat ſich auch vieles ereignet was heftige Beſorgniſſe für die Zukunft erregt, worunter namentlich die zu- nehmende Gährung in der Lombardei. Aber auch ſelbſt unter uns neh- men die Verhältniſſe eine trübere Geſtalt an. Die Unruhen welche wir vorgeſtern und zum Theil auch geſtern hier gehabt, waren freilich unbe- deutend, aber die zu Glaſgow waren viel ernſthafter, und Irland macht Miene die Verhältniſſe zur Ertrotzung der Repeal benutzen zu wollen. Das Schlimmſte aber iſt daß die Mittelclaſſen täglich ſchwieriger werden, und es hoch empfinden daß die Regierung darauf beſteht die Einkommen- ſteuer für drei Jahre länger unverändert in ihrer Umlegung beizubehal- ten. Die Nachgiebigkeit welche dieſelbe gezeigt, indem ſie ſo ſchnell den Vorſchlag zur Erhöhung der Steuer fallen ließ, ermuntert natürlich, be- ſonders unter den gegenwärtigen Verhältniſſen, zu weiterer Widerſetz- lichkeit, und dieſe wird allmählich auf manche Vertreter wirken, welche bisher die Regierung unterſtützt haben. Das Unterhaus würde jedoch keinen Anſtand genommen haben die miniſterielle Forderung von 5 Proc. für dieſes Jahr zu bewilligen, wenn die Miniſter nur hätten eine billigere Umlegung für die Zukunft verſprechen wollen. Denn denkende Männer aller Par- teien ſind der Ueberzeugung daß es in dieſem Augenblick unverzeihlich ſey ein Deficit ſtehen zu laſſen, oder ſolches in Friedenszeit durch eine An- leihe decken zu wollen. Die wenigſten ſind auch für irgendein Erſparniß das die Vertheidigungsmittel vermindern würde. Man kämpft alſo der- malen darum ob man die Steuer für drei Jahre bewilligen ſolle, oder nur für eines. Peel iſt für die drei Jahre, Bentinck aber für nur eines. Da es jedoch ebenſo ungewiß iſt ob dieſen beiden bei dieſer Ange- legenheit alle ihre ſonſtigen Anhänger in dieſer Anſicht folgen werden, ganz gewiß aber ein großer Theil von den Freunden des Miniſteriums dieß- mal gegen dasſelbe votiren wird, ſo läßt ſich durchaus nicht vorher be- ſtimmen was das Reſultat der Abſtimmung ſeyn mag, welche wahr- ſcheinlich nächſten Freitag ſtattfinden wird. Uebrigens ſtimmten jene beiden Männer vollkommen mit den Miniſtern in ihrer erklärten Politik gegen Frankreich ein; und während letzterer ſich im wärmſten Lob der Franzoſen erſchöpfte, warnte jener: man ſolle ja keinen Verſuch in Eng- land dulden die jetzige Ordnung der Dinge in Frankreich durch Jntriguen umzuſtoßen. Was man hierin gegen Monarchien beobachtet habe, ſey man auch einer Republik ſchuldig. Die Bewegungen in Deutſchland er- regen hier ſehr große Aufmerkſamkeit, und man findet es lehrreich wie die ſonſt ſo unruhigen Belgen ſich den Begebenheiten an ihrer Gränze gegenüber ſo viel ruhiger und loyaler verhalten als unſere ſonſt ſo fried- fertigen und „etwas langſamen“ Landsleute. *) Natürlich ſchreibt man den Unterſchied dem Umſtande dazu daß die Belgen im vollen Genuß von Sta atseinrichtungen ſind nach denen man in Deutſchland erſt ſtrebt. Die hieſigen Unruhen waren nicht einen Augenblick ernſthaft. Cochrane, der die Verſammlung berufen, hatte nicht Zeit genug das Zuſamenſtrö- men einiger tauſend Menſchen zu verhindern, als er ſich entſchloß die Verſammlung nicht zu halten. Es traten alſo andere Redner auf, wel- chen der müßige Pöbel zuhörte. So heftig dieſelben aber auch geſpro- chen haben mochten, ſo ſchienen ſie doch keine Aufregung zu verurſachen. Die welche mit der Polizei anbanden, ſchienen theils gemeine Diebe, theils müßige Burſchen zu ſeyn, die ſich durch eine Rauferei einen Spaß machen wollten. Die Anzahl wurde durch Neugierige vermehrt die den Spaß mitanzuſehen gedachten, unter welchen aber die Diebe ihre Ernte hielten, indem bei mehreren von den Verhafteten 6 bis 7 Taſchentücher gefunden worden ſeyn wollen. Auch wurde ſo wenig an ernſtlichen Wi- derſtand gedacht daß nicht ſelten ein einziger Polizeidiener, bloß mit ſei- nem kurzen Stab bewaffnet, ſich unter die Menge ſtürzte, einen der trotzigſten beim Kragen faßte und gefangen davonſchleppen durfte. Weis- lich wurden jedoch die geſtrigen Anſtalten ſo ernſtlich getroffen, daß jeder Verſuch zu einer Zuſammenrottung leicht vereitelt werden konnte. Nach- ſchrift. Alles iſt hier ruhig, und auch in Glasgow ſoll die Ruhe wie- derhergeſtellt ſeyn, wenn auch nicht ohne Blutvergießen. Doch iſt die Gefahr noch nicht vorüber, wenn auch der Staat nichts davon zu fürch- ten hat. Unſere Städte ſind voll brodloſer Menſchen und Diebsgeſindel, welches wohl die Gährung benutzen könnte um zu plündern. Jm Noth- fall jedoch werden ſich die Mittelclaſſen ſelbſt helfen. Wie ſich ſchon in zwei der bedrohteſten Kirchſpiele in London ein Corps von 8 bis 900 Special-Conſtabler gebildet hat, ſo dürfte ſich leicht die Polizeimannſchaft ganz Englands organiſtren, wenn eſ ſeyn müßte auch mit Flinten ſtatt der kurzen Stäbe. Frankreich. Paris, 12 März. Das Tagesereigniß iſt die Bildung einer polniſchen Legion. Der Moniteur bringt den unterm 10 d. M. gefaßten Regierungsbeſchluß der jedenfalls als kein Friedensſymptom anzuſehen iſt, wiewohl eine mitbewegende Urſache geweſen ſeyn mag daß man auf dieſe Art ein Element der Gährung aus dem Schooß der Geſellſchaft entfernen und ihm eine nützliche Verwendung geben wollte. Bis jetzt hat Frankreich Unterſtützungsgelder an die polniſchen Flüchtlinge bezahlt, künftig wird es dieſer Ausgabe überhoben ſeyn. Wenn die frühere Regierung nach der Revolution ſich genöthigt ſah eine Fremdenlegion zu bilden, ſo iſt der weſentliche Unterſchied daß dieſe, um alle propagandiſtiſchen Beſorgniſſe zu beſeitigen, gleich zum auswärtigen Dienſt, d. i. nach Algerien beſtimmt war. Die polniſche Legion iſt eine politiſche Demonſtration. Das Decret lautet: „Jn Betracht daß die polniſchen Flüchtlinge, vom Verlangen beſeelt ihre Erkenntlichkeit und Hingebung für Frankreich, ihr zweites Vaterland, zu beweiſen, bitten in eine Le- gion vereinigt zu werden um zuſammen mit den Franzoſen der Sache der Ordnung und der Freiheit zu dienen; in Betracht daß ein ſolches Anerbieten im Namen eines Volks das Frankreich ſchon ſo viele treue Waffen- und Ruhmesgefährten geliefert hat, mit Bereitwilligkeit auf- genommen werden muß von einer Regierung die auf die nationalen Sympathien, die ſtets ſo lebhaft für Polen ſind, gegründet und ent- ſchloſſen iſt ſich ſtets auf dieſelben zu ſtützen, verordnet die proviſoriſche Regierung: Es wird unverzüglich eine polniſche Legion gebildet die unter die Befehle des Kriegsminiſters geſtellt wird. Der Kriegsminiſter iſt mit Vollziehung gegenwärtigen Decrets beauftragt.“ Als eine der nächſtbevorſtehenden Regierungsmaßregeln wird nun vom National die Verminderung der Zahl der Angeſtellten, die Herabſetzung der großen Gehalte angekündigt. # Paris, 11 März. Die geſtrigen Finanzdecrete wirken immer tiefer und nachtheiliger, beſonders das über die Sparcaſſen. Die Leute die baares Geld einlegten, wollen auch baares Geld zurückerhalten, nicht Papier, am allerwenigſten dieſes zu einem Preiſe den es in der That jetzt nicht hat. Der Glaube iſt allgemein daß die Regierung dieſes De- cret werde ſchleunigſt zurücknehmen müſſen. Der angeordnete Verkauf der Domanialgüter der Civilliſte und der Staatswaldungen wird heute von einem Blatt geradezu als ein ſchreiender Eingriff in die Rechte der Nationalverſammlung und als der erſte Schritt zum Ruin des Staats- und Privatvermögens bezeichnet. Allerdings iſt zu fürchten daß, wenn man ſo die Staatswaldungen zerſplittert verkauft — vorausgeſetzt daß ſich jetzt überhaupt Käufer finden — dieſelben das nämliche Schick- ſal haben wie anfangs die Kloſtergüter in Spanien, verſchleudert zu werden ohne wirklichen Vortheil für den Schatz. Daß ſchon die An- kündigung dieſes beabſichtigten Verkaufs hinreichte den Güterwerth zu drücken, wird kein Einſichtiger beſtreiten wollen. Wie alſo dieſe Maß- regeln auf den Credit im allgemeinen zurückwirken müſſen, bedarf keiner langen Auseinanderſetzung. Schon kündet man neue Unfälle in der Handelswelt an. Das Bankierhaus Ch. Laffitte, Blouet u. Comp. hat ſeine Geſchäfte eingeſtellt; zweierlei Angaben laufen um, nach der einen handelt es ſich bloß um eine freiwillige nicht durch Berlegenheiten abge- drungene Liquidirung, nach der andern aber um eine förmliche Einſtel- lung der Zahlungen, alſo um den Sturz des Hauſes. Deßgleichen ver- *) Byron ſpricht im Don Juan von Deutſchlands „ſomevvhat tardy millions“.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 76, 16. März 1848, S. 1207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine76_1848/7>, abgerufen am 03.12.2024.