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Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 20. März 1900.

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München, Dienstag Allgemeine Zeitung 20. März 1900. Nr. 77.
[Spaltenumbruch] übergetreten. Außer dem Schloß Olaszu in Ungarn wird
dem neuvermählten Paar eine gemiethete Villa in Kalksburg
zur Verfügung stehen, und in Budapest läßt Graf Lonyay sich
ein Palais erbauen, das wohl seinen eigentlichen Wohnsitz
bilden wird.

Großbritannien.
Die Kundgebungen gegen Prof. Dr. Tille.

Während das Ende des schotti-
schen Wintersemesters herannaht, werden neue Anstreng-
ungen
gemacht, Alexander Tille der Universität
Glasgow
zu erhalten, deren Studentenschaft in häßlichster
Weise gegen ihn demonstrirt hat. Die Presse versichert ihm,
er werde seinen Aufenthalt hier in Zukunft nicht weniger an-
genehm finden als in der Vergangenheit. Das University
Committee,
die Verwaltungsbehörde, in deren Händen die Er-
nennung der akademischen Lehrer liegt, hat, ganz gegen ihre
sonstige Gewohnheit, ihr lebhaftes Bedauern darüber aus-
gesprochen, daß er um Entlassung aus seinem Amt ein-
gekommen sei, und seine Zuhörer haben jetzt öffentlich eine
Adresse an ihn gerichtet, in der es folgendermaßen heißt:
"Wir, die Unterzeichneten, die wir die Zuhörer Ihrer sämmt-
lichen Vorlesungen darstellen, bedauern lebhaft, daß Sie ein
Gesuch um Entlassung aus Ihrem Lehramt an der Universität
Glasgow eingereicht haben. Wir sind schmerzlich von dem
tumultuarischen Verhalten einer kleinen Minderheit von
Studenten
(unter denen sich jedoch kein einziger Ihrer
Zuhörer befand
) gegen Sie berührt. Wir wünschen,
Ihnen unsre Hochachtung für Ihre Fähigkeiten als akademischer
Lehrer und Redner zum Ausdruck zu bringen und Ihnen
unsre ernstliche Bitte vorzutragen, daß Sie Ihre Verbindung
mit unsrer Universität nicht lösen möchten, an der Sie sich
die Liebe und Achtung Ihrer Studenten gewonnen haben."

St. Patricks-Tag.

Heute ist "St. Patricks Day".
Tempora mutantur.
Vor einem Jahre noch wurden irische
Soldaten mit Arrest bestraft, weil sie sich gestatteten, am Tage
des hl. Patricius "Shamrock" (irischen dreiblättrigen Klee)
zu tragen. Denn der dem nationalen Schutzheiligen Irlands
St. Patrick geweihte "Shamrock", das zierliche Kräutlein,
das Wiesen und Felsen mit seinem grünen Teppich überzieht,
gilt den Iren als das Sinnbild ihrer verloren gegangenen
und zurückerhofften nationalen Unabhängigkeit und erschien
daher den angelsächsischen Eroberern bisher als das äußere
Zeichen irischer Illoyalität, irischer Feindseligkeit und irischen
Umsturzgeistes. Die Königin hat vor wenigen Tagen
dieser angelsächsischen Auffassung mit einem Federstrich ein
Ende gemacht. Sie hat in Anerkennung der von den irischen
Regimentern in Südafrika bewiesenen Tapferkeit für alle
Zukunft gestattet, daß am Tage des hl. Patricius alle irischen
Soldaten sich mit "Shamrock" schmücken dürfen. Damit hat
die Herrscherin des vereinigten Königreichs von Groß-
britannien und Irland dem "Shamrock" den Stempel der
Legitimität aufgedrückt und hat plötzlich das irische Grün
zur fashionablen Farbe erhoben. Darum sieht man
heute nicht nur irische Soldaten und irische Bürger,
sondern auch Angelsachsen, aristokratische wie plebejische, zu
Ehren des hl. Patricius mit dem irischen Shamrock oder in
Ermangelung desselben mit gemeinem englischen Klee, mit
grünem Moos, mit grünen Schleifen und sogar mit grünen
Halsbinden geschmückt erscheinen. Khaki, das sich neuerdings
zu großer Popularität emporgeschwungen hat, ist für heute
völlig in den Hintergrund gedrängt. Irische Embleme sind
in Schauläden und anderswo entfaltet, und auf Anordnung
des kürzlich von der Königin zum Ritter geschlagenen Lord-
mayors von London weht über dem Mansion House -- zum
erstenmal in der Geschichte der City -- die grüne mit der
gelben Harfe verzierte Fahne der Smaragd-Insel. Von
Windsor aber kommt die Mittheilung, daß die Königin heute
zum Patricius-Tage die Glocken im Curfew-Thurm des
Schlosses läuten ließ und daß die Iren des 1. Garde-
Grenadier-Regiments mit dem Shamrock geschmückt auf Wache
zogen. Fast erscheint es als kein größeres Wunder, daß der
Zar die Marseillaise in seiner Gegenwart spielen ließ, als
daß die Königin von England sich unter den Schutz des
"Shamrock" begibt. Ob die überschwängliche Liebe, die man
augenblicklich den Iren bezeigt, lange vorhalten wird, ist aller-
dings die Frage. Politisch hören die Iren deßwegen nicht
auf, die Feinde der Angelsachsen zu bleiben.

Irische Kundgebungen.

Der übliche Umzug
durch die Straßen der Stadt aus Anlaß der Einführung
des Lordmayors hat gestern stattgefunden. Der Vor-
schlag des Lordmayors, der Königin bei ihrem demnäch-
stigen Besuche in Dublin eine Adresse zu überreichen, gab
Anlaß zu feindseligen Kundgebungen der Nationalisten.
Diese warfen Steine gegen den Wagen des Lordmayors und
zertrümmerten die Wagenfenster. Mehrere Verhaftungen
wurden vorgenommen.

Frankreich.
Frankreich und England.

Whist schreibt im "Figaro":
Das Foreign Office vollzieht in Europa eine Schwenkung,
die das große Publikum seltsam anmuthet. Als die Eng-
länder
uns Vorwürfe machten, wir ließen es nicht nur an
jeder Unparteilichkeit, sondern sogar an jeder Wohlanständig-
keit in Betreff des südafrikanischen Krieges fehlen, antworteten
wir ihnen: "Ihr seid ungerecht. Die Presse und die öffent-
liche Meinung sind bei uns allerdings der Sache der Buren
mehr als der eurigen günstig; aber wenn ab und zu Aus-
schreitungen vorkommen, die euch Grund zu Beschwerden
liefern, so verschwinden sie in der Haltung der großen Masse.
Warum heftet ihr denn eure Blicke hartnäckig nur auf
Frankreich? Warum lest ihr nicht etwas fleißiger die deut-
schen
Blätter und seht ihr euch die deutschen Karikaturen,
sowie die Postkarten an?" Man hat sich etwas spät darauf
verlegt, aber es ist geschehen und jetzt ist alle Welt jenseits
des Kanals überzeugt, daß die Deutschen in ihrem Eifer
gegen die Besieger der Buren weiter gegangen sind, als die
Franzosen. Die "Times", welche die Rolle des obersten
Gerichtsherren spielt, hat vorgestern auch dem Kaiser
Wilhelm
und Hrn. v. Bülow, ihre Meinung
gesagt
. Die Berliner Presse hat also ins Leere gehanen,
als sie uns beschuldigte, wir wollten die Dinge zwischen
Deutschland und England verderben, denn diese waren gründ-
lich verdorben seit der respektwidrigen, wenn nicht gesetzwidrigen
Behandlung, welche die Engländer der deutschen Flagge in
den Gewässern der Delagoa-Bai angedeihen ließen, und durch
den Ton, in dem das Berliner Kabinet in London Rechen-
schaft verlangte. Der deutsch-englische Streit wird nicht ewig
währen, aber er bricht plötzlich aus, gerade als sollte Kaiser
[Spaltenumbruch] Wilhelm dadurch vollends die Lust benommen werden, zu-
gunsten der Buren auf diplomatischem Wege einzuschreiten,
und als wollte England sich die unbeschränkteste Freiheit für
den Augenblick sichern, da sie sich in den Frieden ergeben
werden. Das Foreign Office hat auf jede Weise, durch
geheime Konferenzen und parlamentarische Mittheilungen den
Mächten, welche dagegen nichts einzuwenden fanden, zu ver-
stehen gegeben, daß es sich keinerlei Vermittelung oder gute
Dienste gefallen lassen wird. Dieser Punkt steht also fest.
Ungewißheit herrscht nur noch über die Frage, wie lange der
Krieg währen wird."



Beerdigung des Dr. Aub.

Gestern, am Sonntag,
Nachmittag, wurde auf dem östlichen Friedhof Hr. Kreis-
medizinalrath, Regierungsrath und Landtagsabgeordneter
Dr. Friedrich Ernst Aub zur letzten Ruhe bestattet. Um
3 Uhr wurde in dem Portikus der Leichenhalle der Sarg
auf einer Tragbahre aufgestellt, geschmückt mit den Beamten-
insignien des Verstorbenen und mit Kränzen, die von der
Kreisregierung von Oberbayern, der Nationalliberalen Partei
und dem Verlag der "M. N. N." übersandt worden waren.
Um den Sarg stand in Trauer eine nach Hunderten zählende
Menge persönlicher und politischer Freunde des Verstorbenen
und Vertreter der Beamtenkreise und Körperschaften, in denen
der Dahingegangene gewirkt hatte. Außer vielen anderen
hervorragenden Männern gaben dem Todten die letzte Ehre:
der Minister des Innern, Dr. Frhr. v. Feilitzsch, der
Kultusminister Dr. v. Landmann, der Regierungspräsident
v. Auer mit den höheren Beamten der Kreisregierung, die
beiden Bürgermeister v. Borscht und v. Brunner, Regie-
rungs- und Polizeidirektor Meixner, der Vorstand des
Gemeindekollegiums, Kommerzienrath Seyboth, das Direkto-
rium der Abgeordnetenkammer mit den HH. Vizepräsidenten
Ludwig v. Keller und den Schriftführern Aichbichler
und Karl Schmitt, in corpore die liberale Fraktion der
Abgeordnetenkammer, die Vertreter ärztlicher Vereine und die
Burschenschaft "Germania" Erlangen, deren Philisterband der
Verstorbene hatte. Der amtirende protestantische Geistliche, Stadt-
pfarrer Nägelsbach, hatte die kirchliche Einsegnung über-
nommen. Vom Leichenhause nahm der Zug seinen Weg nach dem
Grabe, das von einem Blumengarten umgeben und mit vielen
Kränzen geschmückt war. Der Hosopernchor sang dort das
Lied: "Ueber den Sternen waltet Gottes Frieden."

Stadtpfarrer Nägelsbach wandte sich dann an die Trauer-
versammlung: "Der Mann, an dessen Grab wir hier
stehen, stand in dem privaten Leben einsam und hinter-
ließ keine Familienglieder, die sein Grab, um ihn
weinend, umgäben. Aber nicht unbeachtet und unbetrauert
ist er aus dem Leben geschieden. Das große Trauergefolge,
das aus unserm engeren Vaterlande und darüber hinaus
hieher gekommen ist, bezeugt, daß er eine hervorragende
Stellung eingenommen. Die Art aber, wie er diese Stellung
errungen, hat ihren Fußpunkt in der Treue, die vor Gott
und Menschen zu Ehren führt, und die den, der sie übt, in
seinen Werken segnet, wie das Lebensbild des hier Ruhenden
am besten zeigt. Dr. Friedrich Ernst Aub wurde am 30. August
1837 als der Sohn eines Kaufmanns in Fürth geboren.
Seine medizinischen Studien betrieb er in Erlangen und ver-
vollkommnete sie auch im Auslande. Er wirkte zuerst als
Assistent am Krankenhause seiner Vaterstadt Fürth, dann selb-
ständig in der Nähe von Wassertrüdingen, später als Bezirks-
arzt in Feuchtwangen und in gleicher Stellung hierauf in
München, wo er zuletzt den Rang eines Kreismedizinalraths
erlangte. Diese wenigen Daten schließen ein großes Maß
von Berufsarbeit in sich. Dem Entschlafenen war vieles
anvertraut, Tausende von Menschen haben ihm Leben und
Gesundheit, die kgl. Staatsregierung hat ihm die Sorge für
die Hauptstadt und einen großen Theil des bayerischen Landes
in hygienischer Beziehung anvertraut. Daß das Vertrauen
gerechtfertigt war, zeigen die Tausende, die seine Hülfe suchten,
und auch die Annalen Münchens zeigen es, besonders die des
Jahres 1892, als die Cholera die Stadt zu besuchen drohte.
Aber auch auf zwei anderen Gebieten hat Dr. Aub die Treue
öffentlich bewährt. An den Vereinigungen seiner Standes-
genossen hat er lebhaften Antheil genommen. Er wurde zum
ersten Vorsitzenden im Ausschuß des Deutschen Aerztevereins-
bundes gewählt und hat dreimal die Verhandlungen
des Deutschen Aerztetages geleitet. Wer die Geschichte
des ärztlichen Standes schreiben wird, der wird den
Namen Dr. Aub unter den ersten nennen müssen.
Aber auch in der Geschichte des bayerischen Vaterlandes
hat der Name Aub einen guten Klang. Dem Land-
tage hat er 29 Jahre lang angehört. Jede Wiederwahl war
ein neues Zeichen des in ihn gesetzten Vertrauens. Im Land-
tage selbst ist von berufener Stelle ausgesprochen worden, wie
hoch man ihn schätzte. In der reichen Anerkennung seiner
Werke zeigt sich deren Segen, ob nun die Anerkennung laut
ausgesprochen wird, oder in den Herzen derer sich birgt, denen
seine Arbeit gegolten. Auch in der Brust konnte der Ver-
storbene das Bewußtsein tragen, daß er Segen verbreitet und
das Rechte stets gewollt und gewirkt hat. Wollen wir Gott
danken, daß er diesen Mann uns gegeben und so lange erhalten
hat. Wollen wir dem Beispiel des Verstorbenen folgen, in
Treue das Unsre thun und bedenken, daß die unendlich
vielen drückenden, aufregenden und verwirrenden Fragen unsrer
Zeit bald gelöst wären, wenn Jeder an seinem Platz, wie der
Entschlafene, ein treuer Mann wäre."

Landtagsabgeordneter Joseph Wagner trat hierauf
mit folgenden Worten an das Grab: "Im Namen und Auf-
trag der liberalen Vereinigung der bayerischen Kammer der
Abgeordneten lege ich diesen Ehrenkranz am Grabe unsres
unvergeßlichen Freundes und Führers nieder. Wenig Wochen
erst sind verflossen, seit er einem der bewährtesten Mitglieder
unsrer Fraktion an dessen letzter Ruhestätte die gleiche Ehre
erwiesen hat. Nun ist auch er uns entrissen, einer
der Wenigen aus jener Zeit, als die großen Ereignisse ein-
traten, die die Wiedergeburt des großen einigen deutschen
Reiches vorbereiteten. Ihm war es vergönnt, in die bayerische
Abgeordnetenkammer einzutreten gerade, als die Sehnsucht
seiner Jugend nach einem geeinten Deutschland, dem Deut-
schen Reiche, sich erfüllte. Ununterbrochen hat er seitdem der
Kammer als Mitglied angehört. Franke von Geburt, war
er immer für das Wohl seines ihm angestammten Kreises
besorgt. Unentwegt immer für das Wohl des geliebten
Bayernlandes eintretend, war er aber auch ein begeisterter
Verehrer des Deutschen Reiches und seines großen Bau-
meisters, und er stellte seinen Mann, wenn es galt, Angriffe
auf das Reich und dessen Macht und Größe abzuwehren.
Für alles Schöne und Gute glühte sein Sinn, und dessen
Verwirklichung galt sein Streben, Dichten und Trachten.
[Spaltenumbruch] Doch vergaß er niemals die goldenen Worte, daß Maß zu
halten in allen Dingen gut sei, und daß alle Widerstreitig-
keiten auf einer mittleren Linie ruhen müssen. In seinem
Beruf als Arzt fand er früh Gelegenheit, Licht und Schatten-
seiten unsrer Zeit kennen zu lernen, fand er ferner die Er-
kenntniß, daß gegen das eherne Gesetz der Natur nicht anzu-
kämpfen ist und nur Gerechtigkeit gegen alle Schichten der
Bevölkerung die sozialen Schäden zu heilen oder doch wenigstens
zu lindern imstande ist. Wohl brauste er vielleicht auch
einmal auf, wenn er glaubte, daß Freund oder Gegner
auf irrigen Pfaden wandelten, aber ruhig im Urtheil
und von Natur aus scharf von Verstand und an Kennt-
nissen reich, verlor er nie den klaren Blick dafür, was
der Augenblick erforderte. Die Erfüllung der Pflichten
seines Berufes hinderte ihn nicht an der Erfüllung der
Pflichten des Abgeordneten, und seine ungeheure Schlag-
fertigkeit, verbunden mit seinem vielseitigen Wissen, ließen ihn
nach des unvergeßlichen Schauß' Tode als den Geeignetsten
erscheinen, die erste Führerrolle zu übernehmen. Mit großer
Energie und Emsigkeit hat er denn auch in den vielfach
schwierigen Zeiten die Partei geleitet. Und wenn er nicht
immer den gewünschten Erfolg hatte, so war das nicht seine
Schuld. Nun du so jäh von uns geschieden, nimm unsern
wärmsten Dank mit hinüber in die glücklichen Auen der Ruhe,
die du hier nicht fandest! Wir werden dein nicht vergessen
und dir immer die Treue bewahren!" -- Landtagsabgeordneter
Stöcker wandte sich an die Trauerversammlung mit
folgenden Worten: "Im Namen des Landesausschusses der
nationalliberalen Partei bin ich beauftragt, diesen Lorber-
kranz hier niederzulegen. Dr. Aub war ein langjähriges,
hochverdientes und treues Mitglied des Landesausschusses.
Er hat seine ganze Kraft stets in den Dienst der Partei ge-
stellt. Nur eines stand ihm höher, die Liebe zum engeren
und weiteren Vaterland. Unser unauslöschlicher Dank und
unsre Anerkennung werden ihm ewig bleiben." -- Rechtsrath
Wolfram legte im Namen der "Nationalliberalen Partei
München" einen Kranz auf das Grab des langjährigen
Führers und 1. Vorstandes der Partei: "Ein Menschen-
alter hindurch hat Dr. Aub seine Kraft in den Dienst
unsrer Sache gestellt. Nun ist der Mund, der so beredt
für die liberale Sache eingetreten ist, und so guten Rath zu
ertheilen wußte, verstummt. Wir müssen von dir scheiden,
theurer Freund. Ruhe in Frieden!" -- Gemeindebevollmächtigter
Schön widmete als Vertreter des liberalen Wahlvereins München
einen Kranz dem verstorbenen Führer des Vereins: "Im
Namen des Vereins der liberalen Wähler Münchens lege ich
als Zeichen der Verehrung und Dankbarkeit unserm unver-
geßlichen Führer Dr. Aub diesen Kranz auf seinen Grabes-
hügel. Am gleichen Tage, als ihn das ernste Unwohlsein be-
fiel, sagte er mir im vertraulichen Gespräch: "Sie glauben
nicht, wie müde ich bin, wie gern ich mich zurückziehen
werde, um endlich ausruhen zu können." Daß er schon am
anderen Tag die ewige Ruhe finden solle, das ahnte er wohl
auch nicht als Arzt noch weniger wir, die wir trauernd an
seinem Grabe stehen. Mit Treue und Hingebung hat er seine
Kraft in den Dienst der liberalen Sache in München gestellt,
es ist ein Mann von uns geschieden, der in seltenem Maß
politische Klugheit und Mäßigung vereinte, der es aber auch
verstand, in beredter Weise dem liberalen Gedanken Ausdruck
zu verleihen. Vaterlandsliebe und Gesinnungstüchtigkeit waren
mit seine Mannestugenden, er war uns Allen ein treuer,
wohlwollender Freund und Berather und niemals wird sein
Andenken in unserm Herzen erlöschen. Schlafe wohl, hoch-
verehrter, von den Gegnern hochgeachteter liberaler Führer,
persönlich mein väterlicher Freund und Gönner, ruhe sauft!"
Kommerzienrath -- Friedrich Seyboth widmete dem Ver-
storbenen als dem unvergeßlichen Freund und Mitarbeiter
des "Freisinnigen Vereins München" eine Blumenspende.
Für den Aerztlichen Bezirksverein München legte Hofrath
Dr. Näher einen Lorberkranz auf dem Grab nieder: "Als
Dr. Aub nach München kam, war er schon im vollen Besitz
des Vertrauens der Münchener und der bayerischen Aerzte.
Vierzehn Jahre hindurch war er der Vorstand des ärztlichen
Bezirksvereins, der ihn auch stets in die Aerztekammer und
den Medizinalausschuß delegirte. Er hatte ja auch alle Eigen-
schaften eines Führers in hervorragendem Maß: ein vor-
nehmes Standesgefühl, Klarheit und Schärfe des Verstandes,
große parlamentarische Gewandtheit, Beredsamkeit und Schlag-
fertigkeit. Er verfügte über scharfe Waffen zur Vertheidigung
dessen, was er als recht erkannte, aber innerlich hatte er ein
weiches Gemüth und ein warmes Mitgefühl mit des Nächsten
Noth. Mit welcher Herzensgüte sorgte er für die un-
bemittelten Invaliden und Relikten seines Standes, und wie
arbeitete er für die Kräftigung des Invalidenvereins. Nun
wird er uns just in dem Augenblick entrissen, da
wir ihn im Parlament brauchten, wo er, wie wir er-
warten durften, die Vorlage betreffend die ärztliche
Standesordnung, gewiß gut vertreten und uns die
Stellung verschafft und erhalten hätte, die den Aerzten
gebührt. Sein Tod mahnt uns, nun selbst zusammenzustehen
zur Wahrung unsrer Interessen. Unter diesem Gedanken lege
ich den Lorber auf das uns ewig theure Grab nieder." Hof-
rath Dr. Wohlmuth widmete einen Kranz namens des
"Aerztlichen Vereins München". -- Landtagsabgeordneter
Karl Schmitt legte einen Kranz auf das Grab im
Namen und Auftrag der liberalen Fraktion des Reichstages,
die den wärmsten Antheil an dem Tode des bewährten
Führers der liberalen Sache in Bayern nehme und
die tiefe Trauer der bayerischen liberalen Partei theile.
Weitere Kränze wurden sodann noch gespendet von dem
"Verein zur Unterstützung invalider Aerzte", von
der Burschenschaft Germania-Erlangen, deren Wahl-
spruch: "Freiheit, Ehre, Vaterland" auch des Verstorbenen
Richtschnur des Lebens gewesen, von den Münchener Phi-
listern der Burschenschaft Germania
, vom Apo-
thekergremium
, dessen Referent, Leiter der Generalversamm-
lungen und Vorsitzender der Prüfungskommission der Ver-
storbene war, von der "Freiwilligen Sanitätshaupt-
kolonne
", vom "Aerztlichen Bezirksverein Traun-
stein-Reichenhall
", von den Aerzten und Beamten
der Kreisirrenanstalt
, vom Aerztlichen Bezirks-
verein Freising-Moosburg
, von der Stadtgemeinde
Feuchtwangen, von den Stadtgemeinden Dinkelsbühl
und Rothenburg, deren Vertreter im Landtag der Ver-
storbene war, und von der Aerztekammer von Nieder-
bayern
.

Vor dem Leichenbegängnisse hatten schon die Kammer
der Abgeordneten
des bayerischen Landtags, die Stadt-
gemeinde München
, der Münchener Bezirks-
lehrerverein
, der Kindergartenverein und zahl-
reiche weitere Körperschaften und Private Kränze für den
Verblichenen zum Grabschmucke geschickt.



München, Dienſtag Allgemeine Zeitung 20. März 1900. Nr. 77.
[Spaltenumbruch] übergetreten. Außer dem Schloß Olaszu in Ungarn wird
dem neuvermählten Paar eine gemiethete Villa in Kalksburg
zur Verfügung ſtehen, und in Budapeſt läßt Graf Lonyay ſich
ein Palais erbauen, das wohl ſeinen eigentlichen Wohnſitz
bilden wird.

Großbritannien.
Die Kundgebungen gegen Prof. Dr. Tille.

Während das Ende des ſchotti-
ſchen Winterſemeſters herannaht, werden neue Anſtreng-
ungen
gemacht, Alexander Tille der Univerſität
Glasgow
zu erhalten, deren Studentenſchaft in häßlichſter
Weiſe gegen ihn demonſtrirt hat. Die Preſſe verſichert ihm,
er werde ſeinen Aufenthalt hier in Zukunft nicht weniger an-
genehm finden als in der Vergangenheit. Das University
Committee,
die Verwaltungsbehörde, in deren Händen die Er-
nennung der akademiſchen Lehrer liegt, hat, ganz gegen ihre
ſonſtige Gewohnheit, ihr lebhaftes Bedauern darüber aus-
geſprochen, daß er um Entlaſſung aus ſeinem Amt ein-
gekommen ſei, und ſeine Zuhörer haben jetzt öffentlich eine
Adreſſe an ihn gerichtet, in der es folgendermaßen heißt:
„Wir, die Unterzeichneten, die wir die Zuhörer Ihrer ſämmt-
lichen Vorleſungen darſtellen, bedauern lebhaft, daß Sie ein
Geſuch um Entlaſſung aus Ihrem Lehramt an der Univerſität
Glasgow eingereicht haben. Wir ſind ſchmerzlich von dem
tumultuariſchen Verhalten einer kleinen Minderheit von
Studenten
(unter denen ſich jedoch kein einziger Ihrer
Zuhörer befand
) gegen Sie berührt. Wir wünſchen,
Ihnen unſre Hochachtung für Ihre Fähigkeiten als akademiſcher
Lehrer und Redner zum Ausdruck zu bringen und Ihnen
unſre ernſtliche Bitte vorzutragen, daß Sie Ihre Verbindung
mit unſrer Univerſität nicht löſen möchten, an der Sie ſich
die Liebe und Achtung Ihrer Studenten gewonnen haben.“

St. Patricks-Tag.

Heute iſt „St. Patricks Day“.
Tempora mutantur.
Vor einem Jahre noch wurden iriſche
Soldaten mit Arreſt beſtraft, weil ſie ſich geſtatteten, am Tage
des hl. Patricius „Shamrock“ (iriſchen dreiblättrigen Klee)
zu tragen. Denn der dem nationalen Schutzheiligen Irlands
St. Patrick geweihte „Shamrock“, das zierliche Kräutlein,
das Wieſen und Felſen mit ſeinem grünen Teppich überzieht,
gilt den Iren als das Sinnbild ihrer verloren gegangenen
und zurückerhofften nationalen Unabhängigkeit und erſchien
daher den angelſächſiſchen Eroberern bisher als das äußere
Zeichen iriſcher Illoyalität, iriſcher Feindſeligkeit und iriſchen
Umſturzgeiſtes. Die Königin hat vor wenigen Tagen
dieſer angelſächſiſchen Auffaſſung mit einem Federſtrich ein
Ende gemacht. Sie hat in Anerkennung der von den iriſchen
Regimentern in Südafrika bewieſenen Tapferkeit für alle
Zukunft geſtattet, daß am Tage des hl. Patricius alle iriſchen
Soldaten ſich mit „Shamrock“ ſchmücken dürfen. Damit hat
die Herrſcherin des vereinigten Königreichs von Groß-
britannien und Irland dem „Shamrock“ den Stempel der
Legitimität aufgedrückt und hat plötzlich das iriſche Grün
zur faſhionablen Farbe erhoben. Darum ſieht man
heute nicht nur iriſche Soldaten und iriſche Bürger,
ſondern auch Angelſachſen, ariſtokratiſche wie plebejiſche, zu
Ehren des hl. Patricius mit dem iriſchen Shamrock oder in
Ermangelung desſelben mit gemeinem engliſchen Klee, mit
grünem Moos, mit grünen Schleifen und ſogar mit grünen
Halsbinden geſchmückt erſcheinen. Khaki, das ſich neuerdings
zu großer Popularität emporgeſchwungen hat, iſt für heute
völlig in den Hintergrund gedrängt. Iriſche Embleme ſind
in Schauläden und anderswo entfaltet, und auf Anordnung
des kürzlich von der Königin zum Ritter geſchlagenen Lord-
mayors von London weht über dem Manſion Houſe — zum
erſtenmal in der Geſchichte der City — die grüne mit der
gelben Harfe verzierte Fahne der Smaragd-Inſel. Von
Windſor aber kommt die Mittheilung, daß die Königin heute
zum Patricius-Tage die Glocken im Curfew-Thurm des
Schloſſes läuten ließ und daß die Iren des 1. Garde-
Grenadier-Regiments mit dem Shamrock geſchmückt auf Wache
zogen. Faſt erſcheint es als kein größeres Wunder, daß der
Zar die Marſeillaiſe in ſeiner Gegenwart ſpielen ließ, als
daß die Königin von England ſich unter den Schutz des
„Shamrock“ begibt. Ob die überſchwängliche Liebe, die man
augenblicklich den Iren bezeigt, lange vorhalten wird, iſt aller-
dings die Frage. Politiſch hören die Iren deßwegen nicht
auf, die Feinde der Angelſachſen zu bleiben.

Iriſche Kundgebungen.

Der übliche Umzug
durch die Straßen der Stadt aus Anlaß der Einführung
des Lordmayors hat geſtern ſtattgefunden. Der Vor-
ſchlag des Lordmayors, der Königin bei ihrem demnäch-
ſtigen Beſuche in Dublin eine Adreſſe zu überreichen, gab
Anlaß zu feindſeligen Kundgebungen der Nationaliſten.
Dieſe warfen Steine gegen den Wagen des Lordmayors und
zertrümmerten die Wagenfenſter. Mehrere Verhaftungen
wurden vorgenommen.

Frankreich.
Frankreich und England.

Whiſt ſchreibt im „Figaro“:
Das Foreign Office vollzieht in Europa eine Schwenkung,
die das große Publikum ſeltſam anmuthet. Als die Eng-
länder
uns Vorwürfe machten, wir ließen es nicht nur an
jeder Unparteilichkeit, ſondern ſogar an jeder Wohlanſtändig-
keit in Betreff des ſüdafrikaniſchen Krieges fehlen, antworteten
wir ihnen: „Ihr ſeid ungerecht. Die Preſſe und die öffent-
liche Meinung ſind bei uns allerdings der Sache der Buren
mehr als der eurigen günſtig; aber wenn ab und zu Aus-
ſchreitungen vorkommen, die euch Grund zu Beſchwerden
liefern, ſo verſchwinden ſie in der Haltung der großen Maſſe.
Warum heftet ihr denn eure Blicke hartnäckig nur auf
Frankreich? Warum lest ihr nicht etwas fleißiger die deut-
ſchen
Blätter und ſeht ihr euch die deutſchen Karikaturen,
ſowie die Poſtkarten an?“ Man hat ſich etwas ſpät darauf
verlegt, aber es iſt geſchehen und jetzt iſt alle Welt jenſeits
des Kanals überzeugt, daß die Deutſchen in ihrem Eifer
gegen die Beſieger der Buren weiter gegangen ſind, als die
Franzoſen. Die „Times“, welche die Rolle des oberſten
Gerichtsherren ſpielt, hat vorgeſtern auch dem Kaiſer
Wilhelm
und Hrn. v. Bülow, ihre Meinung
geſagt
. Die Berliner Preſſe hat alſo ins Leere gehanen,
als ſie uns beſchuldigte, wir wollten die Dinge zwiſchen
Deutſchland und England verderben, denn dieſe waren gründ-
lich verdorben ſeit der reſpektwidrigen, wenn nicht geſetzwidrigen
Behandlung, welche die Engländer der deutſchen Flagge in
den Gewäſſern der Delagoa-Bai angedeihen ließen, und durch
den Ton, in dem das Berliner Kabinet in London Rechen-
ſchaft verlangte. Der deutſch-engliſche Streit wird nicht ewig
währen, aber er bricht plötzlich aus, gerade als ſollte Kaiſer
[Spaltenumbruch] Wilhelm dadurch vollends die Luſt benommen werden, zu-
gunſten der Buren auf diplomatiſchem Wege einzuſchreiten,
und als wollte England ſich die unbeſchränkteſte Freiheit für
den Augenblick ſichern, da ſie ſich in den Frieden ergeben
werden. Das Foreign Office hat auf jede Weiſe, durch
geheime Konferenzen und parlamentariſche Mittheilungen den
Mächten, welche dagegen nichts einzuwenden fanden, zu ver-
ſtehen gegeben, daß es ſich keinerlei Vermittelung oder gute
Dienſte gefallen laſſen wird. Dieſer Punkt ſteht alſo feſt.
Ungewißheit herrſcht nur noch über die Frage, wie lange der
Krieg währen wird.“



Beerdigung des Dr. Aub.

Geſtern, am Sonntag,
Nachmittag, wurde auf dem öſtlichen Friedhof Hr. Kreis-
medizinalrath, Regierungsrath und Landtagsabgeordneter
Dr. Friedrich Ernſt Aub zur letzten Ruhe beſtattet. Um
3 Uhr wurde in dem Portikus der Leichenhalle der Sarg
auf einer Tragbahre aufgeſtellt, geſchmückt mit den Beamten-
inſignien des Verſtorbenen und mit Kränzen, die von der
Kreisregierung von Oberbayern, der Nationalliberalen Partei
und dem Verlag der „M. N. N.“ überſandt worden waren.
Um den Sarg ſtand in Trauer eine nach Hunderten zählende
Menge perſönlicher und politiſcher Freunde des Verſtorbenen
und Vertreter der Beamtenkreiſe und Körperſchaften, in denen
der Dahingegangene gewirkt hatte. Außer vielen anderen
hervorragenden Männern gaben dem Todten die letzte Ehre:
der Miniſter des Innern, Dr. Frhr. v. Feilitzſch, der
Kultusminiſter Dr. v. Landmann, der Regierungspräſident
v. Auer mit den höheren Beamten der Kreisregierung, die
beiden Bürgermeiſter v. Borſcht und v. Brunner, Regie-
rungs- und Polizeidirektor Meixner, der Vorſtand des
Gemeindekollegiums, Kommerzienrath Seyboth, das Direkto-
rium der Abgeordnetenkammer mit den HH. Vizepräſidenten
Ludwig v. Keller und den Schriftführern Aichbichler
und Karl Schmitt, in corpore die liberale Fraktion der
Abgeordnetenkammer, die Vertreter ärztlicher Vereine und die
Burſchenſchaft „Germania“ Erlangen, deren Philiſterband der
Verſtorbene hatte. Der amtirende proteſtantiſche Geiſtliche, Stadt-
pfarrer Nägelsbach, hatte die kirchliche Einſegnung über-
nommen. Vom Leichenhauſe nahm der Zug ſeinen Weg nach dem
Grabe, das von einem Blumengarten umgeben und mit vielen
Kränzen geſchmückt war. Der Hoſopernchor ſang dort das
Lied: „Ueber den Sternen waltet Gottes Frieden.“

Stadtpfarrer Nägelsbach wandte ſich dann an die Trauer-
verſammlung: „Der Mann, an deſſen Grab wir hier
ſtehen, ſtand in dem privaten Leben einſam und hinter-
ließ keine Familienglieder, die ſein Grab, um ihn
weinend, umgäben. Aber nicht unbeachtet und unbetrauert
iſt er aus dem Leben geſchieden. Das große Trauergefolge,
das aus unſerm engeren Vaterlande und darüber hinaus
hieher gekommen iſt, bezeugt, daß er eine hervorragende
Stellung eingenommen. Die Art aber, wie er dieſe Stellung
errungen, hat ihren Fußpunkt in der Treue, die vor Gott
und Menſchen zu Ehren führt, und die den, der ſie übt, in
ſeinen Werken ſegnet, wie das Lebensbild des hier Ruhenden
am beſten zeigt. Dr. Friedrich Ernſt Aub wurde am 30. Auguſt
1837 als der Sohn eines Kaufmanns in Fürth geboren.
Seine mediziniſchen Studien betrieb er in Erlangen und ver-
vollkommnete ſie auch im Auslande. Er wirkte zuerſt als
Aſſiſtent am Krankenhauſe ſeiner Vaterſtadt Fürth, dann ſelb-
ſtändig in der Nähe von Waſſertrüdingen, ſpäter als Bezirks-
arzt in Feuchtwangen und in gleicher Stellung hierauf in
München, wo er zuletzt den Rang eines Kreismedizinalraths
erlangte. Dieſe wenigen Daten ſchließen ein großes Maß
von Berufsarbeit in ſich. Dem Entſchlafenen war vieles
anvertraut, Tauſende von Menſchen haben ihm Leben und
Geſundheit, die kgl. Staatsregierung hat ihm die Sorge für
die Hauptſtadt und einen großen Theil des bayeriſchen Landes
in hygieniſcher Beziehung anvertraut. Daß das Vertrauen
gerechtfertigt war, zeigen die Tauſende, die ſeine Hülfe ſuchten,
und auch die Annalen Münchens zeigen es, beſonders die des
Jahres 1892, als die Cholera die Stadt zu beſuchen drohte.
Aber auch auf zwei anderen Gebieten hat Dr. Aub die Treue
öffentlich bewährt. An den Vereinigungen ſeiner Standes-
genoſſen hat er lebhaften Antheil genommen. Er wurde zum
erſten Vorſitzenden im Ausſchuß des Deutſchen Aerztevereins-
bundes gewählt und hat dreimal die Verhandlungen
des Deutſchen Aerztetages geleitet. Wer die Geſchichte
des ärztlichen Standes ſchreiben wird, der wird den
Namen Dr. Aub unter den erſten nennen müſſen.
Aber auch in der Geſchichte des bayeriſchen Vaterlandes
hat der Name Aub einen guten Klang. Dem Land-
tage hat er 29 Jahre lang angehört. Jede Wiederwahl war
ein neues Zeichen des in ihn geſetzten Vertrauens. Im Land-
tage ſelbſt iſt von berufener Stelle ausgeſprochen worden, wie
hoch man ihn ſchätzte. In der reichen Anerkennung ſeiner
Werke zeigt ſich deren Segen, ob nun die Anerkennung laut
ausgeſprochen wird, oder in den Herzen derer ſich birgt, denen
ſeine Arbeit gegolten. Auch in der Bruſt konnte der Ver-
ſtorbene das Bewußtſein tragen, daß er Segen verbreitet und
das Rechte ſtets gewollt und gewirkt hat. Wollen wir Gott
danken, daß er dieſen Mann uns gegeben und ſo lange erhalten
hat. Wollen wir dem Beiſpiel des Verſtorbenen folgen, in
Treue das Unſre thun und bedenken, daß die unendlich
vielen drückenden, aufregenden und verwirrenden Fragen unſrer
Zeit bald gelöst wären, wenn Jeder an ſeinem Platz, wie der
Entſchlafene, ein treuer Mann wäre.“

Landtagsabgeordneter Joſeph Wagner trat hierauf
mit folgenden Worten an das Grab: „Im Namen und Auf-
trag der liberalen Vereinigung der bayeriſchen Kammer der
Abgeordneten lege ich dieſen Ehrenkranz am Grabe unſres
unvergeßlichen Freundes und Führers nieder. Wenig Wochen
erſt ſind verfloſſen, ſeit er einem der bewährteſten Mitglieder
unſrer Fraktion an deſſen letzter Ruheſtätte die gleiche Ehre
erwieſen hat. Nun iſt auch er uns entriſſen, einer
der Wenigen aus jener Zeit, als die großen Ereigniſſe ein-
traten, die die Wiedergeburt des großen einigen deutſchen
Reiches vorbereiteten. Ihm war es vergönnt, in die bayeriſche
Abgeordnetenkammer einzutreten gerade, als die Sehnſucht
ſeiner Jugend nach einem geeinten Deutſchland, dem Deut-
ſchen Reiche, ſich erfüllte. Ununterbrochen hat er ſeitdem der
Kammer als Mitglied angehört. Franke von Geburt, war
er immer für das Wohl ſeines ihm angeſtammten Kreiſes
beſorgt. Unentwegt immer für das Wohl des geliebten
Bayernlandes eintretend, war er aber auch ein begeiſterter
Verehrer des Deutſchen Reiches und ſeines großen Bau-
meiſters, und er ſtellte ſeinen Mann, wenn es galt, Angriffe
auf das Reich und deſſen Macht und Größe abzuwehren.
Für alles Schöne und Gute glühte ſein Sinn, und deſſen
Verwirklichung galt ſein Streben, Dichten und Trachten.
[Spaltenumbruch] Doch vergaß er niemals die goldenen Worte, daß Maß zu
halten in allen Dingen gut ſei, und daß alle Widerſtreitig-
keiten auf einer mittleren Linie ruhen müſſen. In ſeinem
Beruf als Arzt fand er früh Gelegenheit, Licht und Schatten-
ſeiten unſrer Zeit kennen zu lernen, fand er ferner die Er-
kenntniß, daß gegen das eherne Geſetz der Natur nicht anzu-
kämpfen iſt und nur Gerechtigkeit gegen alle Schichten der
Bevölkerung die ſozialen Schäden zu heilen oder doch wenigſtens
zu lindern imſtande iſt. Wohl brauste er vielleicht auch
einmal auf, wenn er glaubte, daß Freund oder Gegner
auf irrigen Pfaden wandelten, aber ruhig im Urtheil
und von Natur aus ſcharf von Verſtand und an Kennt-
niſſen reich, verlor er nie den klaren Blick dafür, was
der Augenblick erforderte. Die Erfüllung der Pflichten
ſeines Berufes hinderte ihn nicht an der Erfüllung der
Pflichten des Abgeordneten, und ſeine ungeheure Schlag-
fertigkeit, verbunden mit ſeinem vielſeitigen Wiſſen, ließen ihn
nach des unvergeßlichen Schauß’ Tode als den Geeignetſten
erſcheinen, die erſte Führerrolle zu übernehmen. Mit großer
Energie und Emſigkeit hat er denn auch in den vielfach
ſchwierigen Zeiten die Partei geleitet. Und wenn er nicht
immer den gewünſchten Erfolg hatte, ſo war das nicht ſeine
Schuld. Nun du ſo jäh von uns geſchieden, nimm unſern
wärmſten Dank mit hinüber in die glücklichen Auen der Ruhe,
die du hier nicht fandeſt! Wir werden dein nicht vergeſſen
und dir immer die Treue bewahren!“ — Landtagsabgeordneter
Stöcker wandte ſich an die Trauerverſammlung mit
folgenden Worten: „Im Namen des Landesausſchuſſes der
nationalliberalen Partei bin ich beauftragt, dieſen Lorber-
kranz hier niederzulegen. Dr. Aub war ein langjähriges,
hochverdientes und treues Mitglied des Landesausſchuſſes.
Er hat ſeine ganze Kraft ſtets in den Dienſt der Partei ge-
ſtellt. Nur eines ſtand ihm höher, die Liebe zum engeren
und weiteren Vaterland. Unſer unauslöſchlicher Dank und
unſre Anerkennung werden ihm ewig bleiben.“ — Rechtsrath
Wolfram legte im Namen der „Nationalliberalen Partei
München“ einen Kranz auf das Grab des langjährigen
Führers und 1. Vorſtandes der Partei: „Ein Menſchen-
alter hindurch hat Dr. Aub ſeine Kraft in den Dienſt
unſrer Sache geſtellt. Nun iſt der Mund, der ſo beredt
für die liberale Sache eingetreten iſt, und ſo guten Rath zu
ertheilen wußte, verſtummt. Wir müſſen von dir ſcheiden,
theurer Freund. Ruhe in Frieden!“ — Gemeindebevollmächtigter
Schön widmete als Vertreter des liberalen Wahlvereins München
einen Kranz dem verſtorbenen Führer des Vereins: „Im
Namen des Vereins der liberalen Wähler Münchens lege ich
als Zeichen der Verehrung und Dankbarkeit unſerm unver-
geßlichen Führer Dr. Aub dieſen Kranz auf ſeinen Grabes-
hügel. Am gleichen Tage, als ihn das ernſte Unwohlſein be-
fiel, ſagte er mir im vertraulichen Geſpräch: „Sie glauben
nicht, wie müde ich bin, wie gern ich mich zurückziehen
werde, um endlich ausruhen zu können.“ Daß er ſchon am
anderen Tag die ewige Ruhe finden ſolle, das ahnte er wohl
auch nicht als Arzt noch weniger wir, die wir trauernd an
ſeinem Grabe ſtehen. Mit Treue und Hingebung hat er ſeine
Kraft in den Dienſt der liberalen Sache in München geſtellt,
es iſt ein Mann von uns geſchieden, der in ſeltenem Maß
politiſche Klugheit und Mäßigung vereinte, der es aber auch
verſtand, in beredter Weiſe dem liberalen Gedanken Ausdruck
zu verleihen. Vaterlandsliebe und Geſinnungstüchtigkeit waren
mit ſeine Mannestugenden, er war uns Allen ein treuer,
wohlwollender Freund und Berather und niemals wird ſein
Andenken in unſerm Herzen erlöſchen. Schlafe wohl, hoch-
verehrter, von den Gegnern hochgeachteter liberaler Führer,
perſönlich mein väterlicher Freund und Gönner, ruhe ſauft!“
Kommerzienrath — Friedrich Seyboth widmete dem Ver-
ſtorbenen als dem unvergeßlichen Freund und Mitarbeiter
des „Freiſinnigen Vereins München“ eine Blumenſpende.
Für den Aerztlichen Bezirksverein München legte Hofrath
Dr. Näher einen Lorberkranz auf dem Grab nieder: „Als
Dr. Aub nach München kam, war er ſchon im vollen Beſitz
des Vertrauens der Münchener und der bayeriſchen Aerzte.
Vierzehn Jahre hindurch war er der Vorſtand des ärztlichen
Bezirksvereins, der ihn auch ſtets in die Aerztekammer und
den Medizinalausſchuß delegirte. Er hatte ja auch alle Eigen-
ſchaften eines Führers in hervorragendem Maß: ein vor-
nehmes Standesgefühl, Klarheit und Schärfe des Verſtandes,
große parlamentariſche Gewandtheit, Beredſamkeit und Schlag-
fertigkeit. Er verfügte über ſcharfe Waffen zur Vertheidigung
deſſen, was er als recht erkannte, aber innerlich hatte er ein
weiches Gemüth und ein warmes Mitgefühl mit des Nächſten
Noth. Mit welcher Herzensgüte ſorgte er für die un-
bemittelten Invaliden und Relikten ſeines Standes, und wie
arbeitete er für die Kräftigung des Invalidenvereins. Nun
wird er uns juſt in dem Augenblick entriſſen, da
wir ihn im Parlament brauchten, wo er, wie wir er-
warten durften, die Vorlage betreffend die ärztliche
Standesordnung, gewiß gut vertreten und uns die
Stellung verſchafft und erhalten hätte, die den Aerzten
gebührt. Sein Tod mahnt uns, nun ſelbſt zuſammenzuſtehen
zur Wahrung unſrer Intereſſen. Unter dieſem Gedanken lege
ich den Lorber auf das uns ewig theure Grab nieder.“ Hof-
rath Dr. Wohlmuth widmete einen Kranz namens des
„Aerztlichen Vereins München“. — Landtagsabgeordneter
Karl Schmitt legte einen Kranz auf das Grab im
Namen und Auftrag der liberalen Fraktion des Reichstages,
die den wärmſten Antheil an dem Tode des bewährten
Führers der liberalen Sache in Bayern nehme und
die tiefe Trauer der bayeriſchen liberalen Partei theile.
Weitere Kränze wurden ſodann noch geſpendet von dem
Verein zur Unterſtützung invalider Aerzte“, von
der Burſchenſchaft Germania-Erlangen, deren Wahl-
ſpruch: „Freiheit, Ehre, Vaterland“ auch des Verſtorbenen
Richtſchnur des Lebens geweſen, von den Münchener Phi-
liſtern der Burſchenſchaft Germania
, vom Apo-
thekergremium
, deſſen Referent, Leiter der Generalverſamm-
lungen und Vorſitzender der Prüfungskommiſſion der Ver-
ſtorbene war, von der „Freiwilligen Sanitätshaupt-
kolonne
“, vom „Aerztlichen Bezirksverein Traun-
ſtein-Reichenhall
“, von den Aerzten und Beamten
der Kreisirrenanſtalt
, vom Aerztlichen Bezirks-
verein Freiſing-Moosburg
, von der Stadtgemeinde
Feuchtwangen, von den Stadtgemeinden Dinkelsbühl
und Rothenburg, deren Vertreter im Landtag der Ver-
ſtorbene war, und von der Aerztekammer von Nieder-
bayern
.

Vor dem Leichenbegängniſſe hatten ſchon die Kammer
der Abgeordneten
des bayeriſchen Landtags, die Stadt-
gemeinde München
, der Münchener Bezirks-
lehrerverein
, der Kindergartenverein und zahl-
reiche weitere Körperſchaften und Private Kränze für den
Verblichenen zum Grabſchmucke geſchickt.



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[10/0010] München, Dienſtag Allgemeine Zeitung 20. März 1900. Nr. 77. übergetreten. Außer dem Schloß Olaszu in Ungarn wird dem neuvermählten Paar eine gemiethete Villa in Kalksburg zur Verfügung ſtehen, und in Budapeſt läßt Graf Lonyay ſich ein Palais erbauen, das wohl ſeinen eigentlichen Wohnſitz bilden wird. Großbritannien. Die Kundgebungen gegen Prof. Dr. Tille. st. London, 18. März. Während das Ende des ſchotti- ſchen Winterſemeſters herannaht, werden neue Anſtreng- ungen gemacht, Alexander Tille der Univerſität Glasgow zu erhalten, deren Studentenſchaft in häßlichſter Weiſe gegen ihn demonſtrirt hat. Die Preſſe verſichert ihm, er werde ſeinen Aufenthalt hier in Zukunft nicht weniger an- genehm finden als in der Vergangenheit. Das University Committee, die Verwaltungsbehörde, in deren Händen die Er- nennung der akademiſchen Lehrer liegt, hat, ganz gegen ihre ſonſtige Gewohnheit, ihr lebhaftes Bedauern darüber aus- geſprochen, daß er um Entlaſſung aus ſeinem Amt ein- gekommen ſei, und ſeine Zuhörer haben jetzt öffentlich eine Adreſſe an ihn gerichtet, in der es folgendermaßen heißt: „Wir, die Unterzeichneten, die wir die Zuhörer Ihrer ſämmt- lichen Vorleſungen darſtellen, bedauern lebhaft, daß Sie ein Geſuch um Entlaſſung aus Ihrem Lehramt an der Univerſität Glasgow eingereicht haben. Wir ſind ſchmerzlich von dem tumultuariſchen Verhalten einer kleinen Minderheit von Studenten (unter denen ſich jedoch kein einziger Ihrer Zuhörer befand) gegen Sie berührt. Wir wünſchen, Ihnen unſre Hochachtung für Ihre Fähigkeiten als akademiſcher Lehrer und Redner zum Ausdruck zu bringen und Ihnen unſre ernſtliche Bitte vorzutragen, daß Sie Ihre Verbindung mit unſrer Univerſität nicht löſen möchten, an der Sie ſich die Liebe und Achtung Ihrer Studenten gewonnen haben.“ St. Patricks-Tag. # London, 17. März. Heute iſt „St. Patricks Day“. Tempora mutantur. Vor einem Jahre noch wurden iriſche Soldaten mit Arreſt beſtraft, weil ſie ſich geſtatteten, am Tage des hl. Patricius „Shamrock“ (iriſchen dreiblättrigen Klee) zu tragen. Denn der dem nationalen Schutzheiligen Irlands St. Patrick geweihte „Shamrock“, das zierliche Kräutlein, das Wieſen und Felſen mit ſeinem grünen Teppich überzieht, gilt den Iren als das Sinnbild ihrer verloren gegangenen und zurückerhofften nationalen Unabhängigkeit und erſchien daher den angelſächſiſchen Eroberern bisher als das äußere Zeichen iriſcher Illoyalität, iriſcher Feindſeligkeit und iriſchen Umſturzgeiſtes. Die Königin hat vor wenigen Tagen dieſer angelſächſiſchen Auffaſſung mit einem Federſtrich ein Ende gemacht. Sie hat in Anerkennung der von den iriſchen Regimentern in Südafrika bewieſenen Tapferkeit für alle Zukunft geſtattet, daß am Tage des hl. Patricius alle iriſchen Soldaten ſich mit „Shamrock“ ſchmücken dürfen. Damit hat die Herrſcherin des vereinigten Königreichs von Groß- britannien und Irland dem „Shamrock“ den Stempel der Legitimität aufgedrückt und hat plötzlich das iriſche Grün zur faſhionablen Farbe erhoben. Darum ſieht man heute nicht nur iriſche Soldaten und iriſche Bürger, ſondern auch Angelſachſen, ariſtokratiſche wie plebejiſche, zu Ehren des hl. Patricius mit dem iriſchen Shamrock oder in Ermangelung desſelben mit gemeinem engliſchen Klee, mit grünem Moos, mit grünen Schleifen und ſogar mit grünen Halsbinden geſchmückt erſcheinen. Khaki, das ſich neuerdings zu großer Popularität emporgeſchwungen hat, iſt für heute völlig in den Hintergrund gedrängt. Iriſche Embleme ſind in Schauläden und anderswo entfaltet, und auf Anordnung des kürzlich von der Königin zum Ritter geſchlagenen Lord- mayors von London weht über dem Manſion Houſe — zum erſtenmal in der Geſchichte der City — die grüne mit der gelben Harfe verzierte Fahne der Smaragd-Inſel. Von Windſor aber kommt die Mittheilung, daß die Königin heute zum Patricius-Tage die Glocken im Curfew-Thurm des Schloſſes läuten ließ und daß die Iren des 1. Garde- Grenadier-Regiments mit dem Shamrock geſchmückt auf Wache zogen. Faſt erſcheint es als kein größeres Wunder, daß der Zar die Marſeillaiſe in ſeiner Gegenwart ſpielen ließ, als daß die Königin von England ſich unter den Schutz des „Shamrock“ begibt. Ob die überſchwängliche Liebe, die man augenblicklich den Iren bezeigt, lange vorhalten wird, iſt aller- dings die Frage. Politiſch hören die Iren deßwegen nicht auf, die Feinde der Angelſachſen zu bleiben. Iriſche Kundgebungen. * Dublin, 19. März. Tel. Der übliche Umzug durch die Straßen der Stadt aus Anlaß der Einführung des Lordmayors hat geſtern ſtattgefunden. Der Vor- ſchlag des Lordmayors, der Königin bei ihrem demnäch- ſtigen Beſuche in Dublin eine Adreſſe zu überreichen, gab Anlaß zu feindſeligen Kundgebungen der Nationaliſten. Dieſe warfen Steine gegen den Wagen des Lordmayors und zertrümmerten die Wagenfenſter. Mehrere Verhaftungen wurden vorgenommen. Frankreich. Frankreich und England. * Paris, 18. März. Whiſt ſchreibt im „Figaro“: Das Foreign Office vollzieht in Europa eine Schwenkung, die das große Publikum ſeltſam anmuthet. Als die Eng- länder uns Vorwürfe machten, wir ließen es nicht nur an jeder Unparteilichkeit, ſondern ſogar an jeder Wohlanſtändig- keit in Betreff des ſüdafrikaniſchen Krieges fehlen, antworteten wir ihnen: „Ihr ſeid ungerecht. Die Preſſe und die öffent- liche Meinung ſind bei uns allerdings der Sache der Buren mehr als der eurigen günſtig; aber wenn ab und zu Aus- ſchreitungen vorkommen, die euch Grund zu Beſchwerden liefern, ſo verſchwinden ſie in der Haltung der großen Maſſe. Warum heftet ihr denn eure Blicke hartnäckig nur auf Frankreich? Warum lest ihr nicht etwas fleißiger die deut- ſchen Blätter und ſeht ihr euch die deutſchen Karikaturen, ſowie die Poſtkarten an?“ Man hat ſich etwas ſpät darauf verlegt, aber es iſt geſchehen und jetzt iſt alle Welt jenſeits des Kanals überzeugt, daß die Deutſchen in ihrem Eifer gegen die Beſieger der Buren weiter gegangen ſind, als die Franzoſen. Die „Times“, welche die Rolle des oberſten Gerichtsherren ſpielt, hat vorgeſtern auch dem Kaiſer Wilhelm und Hrn. v. Bülow, ihre Meinung geſagt. Die Berliner Preſſe hat alſo ins Leere gehanen, als ſie uns beſchuldigte, wir wollten die Dinge zwiſchen Deutſchland und England verderben, denn dieſe waren gründ- lich verdorben ſeit der reſpektwidrigen, wenn nicht geſetzwidrigen Behandlung, welche die Engländer der deutſchen Flagge in den Gewäſſern der Delagoa-Bai angedeihen ließen, und durch den Ton, in dem das Berliner Kabinet in London Rechen- ſchaft verlangte. Der deutſch-engliſche Streit wird nicht ewig währen, aber er bricht plötzlich aus, gerade als ſollte Kaiſer Wilhelm dadurch vollends die Luſt benommen werden, zu- gunſten der Buren auf diplomatiſchem Wege einzuſchreiten, und als wollte England ſich die unbeſchränkteſte Freiheit für den Augenblick ſichern, da ſie ſich in den Frieden ergeben werden. Das Foreign Office hat auf jede Weiſe, durch geheime Konferenzen und parlamentariſche Mittheilungen den Mächten, welche dagegen nichts einzuwenden fanden, zu ver- ſtehen gegeben, daß es ſich keinerlei Vermittelung oder gute Dienſte gefallen laſſen wird. Dieſer Punkt ſteht alſo feſt. Ungewißheit herrſcht nur noch über die Frage, wie lange der Krieg währen wird.“ Beerdigung des Dr. Aub. ui. München, 19. März. Geſtern, am Sonntag, Nachmittag, wurde auf dem öſtlichen Friedhof Hr. Kreis- medizinalrath, Regierungsrath und Landtagsabgeordneter Dr. Friedrich Ernſt Aub zur letzten Ruhe beſtattet. Um 3 Uhr wurde in dem Portikus der Leichenhalle der Sarg auf einer Tragbahre aufgeſtellt, geſchmückt mit den Beamten- inſignien des Verſtorbenen und mit Kränzen, die von der Kreisregierung von Oberbayern, der Nationalliberalen Partei und dem Verlag der „M. N. N.“ überſandt worden waren. Um den Sarg ſtand in Trauer eine nach Hunderten zählende Menge perſönlicher und politiſcher Freunde des Verſtorbenen und Vertreter der Beamtenkreiſe und Körperſchaften, in denen der Dahingegangene gewirkt hatte. Außer vielen anderen hervorragenden Männern gaben dem Todten die letzte Ehre: der Miniſter des Innern, Dr. Frhr. v. Feilitzſch, der Kultusminiſter Dr. v. Landmann, der Regierungspräſident v. Auer mit den höheren Beamten der Kreisregierung, die beiden Bürgermeiſter v. Borſcht und v. Brunner, Regie- rungs- und Polizeidirektor Meixner, der Vorſtand des Gemeindekollegiums, Kommerzienrath Seyboth, das Direkto- rium der Abgeordnetenkammer mit den HH. Vizepräſidenten Ludwig v. Keller und den Schriftführern Aichbichler und Karl Schmitt, in corpore die liberale Fraktion der Abgeordnetenkammer, die Vertreter ärztlicher Vereine und die Burſchenſchaft „Germania“ Erlangen, deren Philiſterband der Verſtorbene hatte. Der amtirende proteſtantiſche Geiſtliche, Stadt- pfarrer Nägelsbach, hatte die kirchliche Einſegnung über- nommen. Vom Leichenhauſe nahm der Zug ſeinen Weg nach dem Grabe, das von einem Blumengarten umgeben und mit vielen Kränzen geſchmückt war. Der Hoſopernchor ſang dort das Lied: „Ueber den Sternen waltet Gottes Frieden.“ Stadtpfarrer Nägelsbach wandte ſich dann an die Trauer- verſammlung: „Der Mann, an deſſen Grab wir hier ſtehen, ſtand in dem privaten Leben einſam und hinter- ließ keine Familienglieder, die ſein Grab, um ihn weinend, umgäben. Aber nicht unbeachtet und unbetrauert iſt er aus dem Leben geſchieden. Das große Trauergefolge, das aus unſerm engeren Vaterlande und darüber hinaus hieher gekommen iſt, bezeugt, daß er eine hervorragende Stellung eingenommen. Die Art aber, wie er dieſe Stellung errungen, hat ihren Fußpunkt in der Treue, die vor Gott und Menſchen zu Ehren führt, und die den, der ſie übt, in ſeinen Werken ſegnet, wie das Lebensbild des hier Ruhenden am beſten zeigt. Dr. Friedrich Ernſt Aub wurde am 30. Auguſt 1837 als der Sohn eines Kaufmanns in Fürth geboren. Seine mediziniſchen Studien betrieb er in Erlangen und ver- vollkommnete ſie auch im Auslande. Er wirkte zuerſt als Aſſiſtent am Krankenhauſe ſeiner Vaterſtadt Fürth, dann ſelb- ſtändig in der Nähe von Waſſertrüdingen, ſpäter als Bezirks- arzt in Feuchtwangen und in gleicher Stellung hierauf in München, wo er zuletzt den Rang eines Kreismedizinalraths erlangte. Dieſe wenigen Daten ſchließen ein großes Maß von Berufsarbeit in ſich. Dem Entſchlafenen war vieles anvertraut, Tauſende von Menſchen haben ihm Leben und Geſundheit, die kgl. Staatsregierung hat ihm die Sorge für die Hauptſtadt und einen großen Theil des bayeriſchen Landes in hygieniſcher Beziehung anvertraut. Daß das Vertrauen gerechtfertigt war, zeigen die Tauſende, die ſeine Hülfe ſuchten, und auch die Annalen Münchens zeigen es, beſonders die des Jahres 1892, als die Cholera die Stadt zu beſuchen drohte. Aber auch auf zwei anderen Gebieten hat Dr. Aub die Treue öffentlich bewährt. An den Vereinigungen ſeiner Standes- genoſſen hat er lebhaften Antheil genommen. Er wurde zum erſten Vorſitzenden im Ausſchuß des Deutſchen Aerztevereins- bundes gewählt und hat dreimal die Verhandlungen des Deutſchen Aerztetages geleitet. Wer die Geſchichte des ärztlichen Standes ſchreiben wird, der wird den Namen Dr. Aub unter den erſten nennen müſſen. Aber auch in der Geſchichte des bayeriſchen Vaterlandes hat der Name Aub einen guten Klang. Dem Land- tage hat er 29 Jahre lang angehört. Jede Wiederwahl war ein neues Zeichen des in ihn geſetzten Vertrauens. Im Land- tage ſelbſt iſt von berufener Stelle ausgeſprochen worden, wie hoch man ihn ſchätzte. In der reichen Anerkennung ſeiner Werke zeigt ſich deren Segen, ob nun die Anerkennung laut ausgeſprochen wird, oder in den Herzen derer ſich birgt, denen ſeine Arbeit gegolten. Auch in der Bruſt konnte der Ver- ſtorbene das Bewußtſein tragen, daß er Segen verbreitet und das Rechte ſtets gewollt und gewirkt hat. Wollen wir Gott danken, daß er dieſen Mann uns gegeben und ſo lange erhalten hat. Wollen wir dem Beiſpiel des Verſtorbenen folgen, in Treue das Unſre thun und bedenken, daß die unendlich vielen drückenden, aufregenden und verwirrenden Fragen unſrer Zeit bald gelöst wären, wenn Jeder an ſeinem Platz, wie der Entſchlafene, ein treuer Mann wäre.“ Landtagsabgeordneter Joſeph Wagner trat hierauf mit folgenden Worten an das Grab: „Im Namen und Auf- trag der liberalen Vereinigung der bayeriſchen Kammer der Abgeordneten lege ich dieſen Ehrenkranz am Grabe unſres unvergeßlichen Freundes und Führers nieder. Wenig Wochen erſt ſind verfloſſen, ſeit er einem der bewährteſten Mitglieder unſrer Fraktion an deſſen letzter Ruheſtätte die gleiche Ehre erwieſen hat. Nun iſt auch er uns entriſſen, einer der Wenigen aus jener Zeit, als die großen Ereigniſſe ein- traten, die die Wiedergeburt des großen einigen deutſchen Reiches vorbereiteten. Ihm war es vergönnt, in die bayeriſche Abgeordnetenkammer einzutreten gerade, als die Sehnſucht ſeiner Jugend nach einem geeinten Deutſchland, dem Deut- ſchen Reiche, ſich erfüllte. Ununterbrochen hat er ſeitdem der Kammer als Mitglied angehört. Franke von Geburt, war er immer für das Wohl ſeines ihm angeſtammten Kreiſes beſorgt. Unentwegt immer für das Wohl des geliebten Bayernlandes eintretend, war er aber auch ein begeiſterter Verehrer des Deutſchen Reiches und ſeines großen Bau- meiſters, und er ſtellte ſeinen Mann, wenn es galt, Angriffe auf das Reich und deſſen Macht und Größe abzuwehren. Für alles Schöne und Gute glühte ſein Sinn, und deſſen Verwirklichung galt ſein Streben, Dichten und Trachten. Doch vergaß er niemals die goldenen Worte, daß Maß zu halten in allen Dingen gut ſei, und daß alle Widerſtreitig- keiten auf einer mittleren Linie ruhen müſſen. In ſeinem Beruf als Arzt fand er früh Gelegenheit, Licht und Schatten- ſeiten unſrer Zeit kennen zu lernen, fand er ferner die Er- kenntniß, daß gegen das eherne Geſetz der Natur nicht anzu- kämpfen iſt und nur Gerechtigkeit gegen alle Schichten der Bevölkerung die ſozialen Schäden zu heilen oder doch wenigſtens zu lindern imſtande iſt. Wohl brauste er vielleicht auch einmal auf, wenn er glaubte, daß Freund oder Gegner auf irrigen Pfaden wandelten, aber ruhig im Urtheil und von Natur aus ſcharf von Verſtand und an Kennt- niſſen reich, verlor er nie den klaren Blick dafür, was der Augenblick erforderte. Die Erfüllung der Pflichten ſeines Berufes hinderte ihn nicht an der Erfüllung der Pflichten des Abgeordneten, und ſeine ungeheure Schlag- fertigkeit, verbunden mit ſeinem vielſeitigen Wiſſen, ließen ihn nach des unvergeßlichen Schauß’ Tode als den Geeignetſten erſcheinen, die erſte Führerrolle zu übernehmen. Mit großer Energie und Emſigkeit hat er denn auch in den vielfach ſchwierigen Zeiten die Partei geleitet. Und wenn er nicht immer den gewünſchten Erfolg hatte, ſo war das nicht ſeine Schuld. Nun du ſo jäh von uns geſchieden, nimm unſern wärmſten Dank mit hinüber in die glücklichen Auen der Ruhe, die du hier nicht fandeſt! Wir werden dein nicht vergeſſen und dir immer die Treue bewahren!“ — Landtagsabgeordneter Stöcker wandte ſich an die Trauerverſammlung mit folgenden Worten: „Im Namen des Landesausſchuſſes der nationalliberalen Partei bin ich beauftragt, dieſen Lorber- kranz hier niederzulegen. Dr. Aub war ein langjähriges, hochverdientes und treues Mitglied des Landesausſchuſſes. Er hat ſeine ganze Kraft ſtets in den Dienſt der Partei ge- ſtellt. Nur eines ſtand ihm höher, die Liebe zum engeren und weiteren Vaterland. Unſer unauslöſchlicher Dank und unſre Anerkennung werden ihm ewig bleiben.“ — Rechtsrath Wolfram legte im Namen der „Nationalliberalen Partei München“ einen Kranz auf das Grab des langjährigen Führers und 1. Vorſtandes der Partei: „Ein Menſchen- alter hindurch hat Dr. Aub ſeine Kraft in den Dienſt unſrer Sache geſtellt. Nun iſt der Mund, der ſo beredt für die liberale Sache eingetreten iſt, und ſo guten Rath zu ertheilen wußte, verſtummt. Wir müſſen von dir ſcheiden, theurer Freund. Ruhe in Frieden!“ — Gemeindebevollmächtigter Schön widmete als Vertreter des liberalen Wahlvereins München einen Kranz dem verſtorbenen Führer des Vereins: „Im Namen des Vereins der liberalen Wähler Münchens lege ich als Zeichen der Verehrung und Dankbarkeit unſerm unver- geßlichen Führer Dr. Aub dieſen Kranz auf ſeinen Grabes- hügel. Am gleichen Tage, als ihn das ernſte Unwohlſein be- fiel, ſagte er mir im vertraulichen Geſpräch: „Sie glauben nicht, wie müde ich bin, wie gern ich mich zurückziehen werde, um endlich ausruhen zu können.“ Daß er ſchon am anderen Tag die ewige Ruhe finden ſolle, das ahnte er wohl auch nicht als Arzt noch weniger wir, die wir trauernd an ſeinem Grabe ſtehen. Mit Treue und Hingebung hat er ſeine Kraft in den Dienſt der liberalen Sache in München geſtellt, es iſt ein Mann von uns geſchieden, der in ſeltenem Maß politiſche Klugheit und Mäßigung vereinte, der es aber auch verſtand, in beredter Weiſe dem liberalen Gedanken Ausdruck zu verleihen. Vaterlandsliebe und Geſinnungstüchtigkeit waren mit ſeine Mannestugenden, er war uns Allen ein treuer, wohlwollender Freund und Berather und niemals wird ſein Andenken in unſerm Herzen erlöſchen. Schlafe wohl, hoch- verehrter, von den Gegnern hochgeachteter liberaler Führer, perſönlich mein väterlicher Freund und Gönner, ruhe ſauft!“ Kommerzienrath — Friedrich Seyboth widmete dem Ver- ſtorbenen als dem unvergeßlichen Freund und Mitarbeiter des „Freiſinnigen Vereins München“ eine Blumenſpende. Für den Aerztlichen Bezirksverein München legte Hofrath Dr. Näher einen Lorberkranz auf dem Grab nieder: „Als Dr. Aub nach München kam, war er ſchon im vollen Beſitz des Vertrauens der Münchener und der bayeriſchen Aerzte. Vierzehn Jahre hindurch war er der Vorſtand des ärztlichen Bezirksvereins, der ihn auch ſtets in die Aerztekammer und den Medizinalausſchuß delegirte. Er hatte ja auch alle Eigen- ſchaften eines Führers in hervorragendem Maß: ein vor- nehmes Standesgefühl, Klarheit und Schärfe des Verſtandes, große parlamentariſche Gewandtheit, Beredſamkeit und Schlag- fertigkeit. Er verfügte über ſcharfe Waffen zur Vertheidigung deſſen, was er als recht erkannte, aber innerlich hatte er ein weiches Gemüth und ein warmes Mitgefühl mit des Nächſten Noth. Mit welcher Herzensgüte ſorgte er für die un- bemittelten Invaliden und Relikten ſeines Standes, und wie arbeitete er für die Kräftigung des Invalidenvereins. Nun wird er uns juſt in dem Augenblick entriſſen, da wir ihn im Parlament brauchten, wo er, wie wir er- warten durften, die Vorlage betreffend die ärztliche Standesordnung, gewiß gut vertreten und uns die Stellung verſchafft und erhalten hätte, die den Aerzten gebührt. Sein Tod mahnt uns, nun ſelbſt zuſammenzuſtehen zur Wahrung unſrer Intereſſen. Unter dieſem Gedanken lege ich den Lorber auf das uns ewig theure Grab nieder.“ Hof- rath Dr. Wohlmuth widmete einen Kranz namens des „Aerztlichen Vereins München“. — Landtagsabgeordneter Karl Schmitt legte einen Kranz auf das Grab im Namen und Auftrag der liberalen Fraktion des Reichstages, die den wärmſten Antheil an dem Tode des bewährten Führers der liberalen Sache in Bayern nehme und die tiefe Trauer der bayeriſchen liberalen Partei theile. Weitere Kränze wurden ſodann noch geſpendet von dem „Verein zur Unterſtützung invalider Aerzte“, von der Burſchenſchaft Germania-Erlangen, deren Wahl- ſpruch: „Freiheit, Ehre, Vaterland“ auch des Verſtorbenen Richtſchnur des Lebens geweſen, von den Münchener Phi- liſtern der Burſchenſchaft Germania, vom Apo- thekergremium, deſſen Referent, Leiter der Generalverſamm- lungen und Vorſitzender der Prüfungskommiſſion der Ver- ſtorbene war, von der „Freiwilligen Sanitätshaupt- kolonne“, vom „Aerztlichen Bezirksverein Traun- ſtein-Reichenhall“, von den Aerzten und Beamten der Kreisirrenanſtalt, vom Aerztlichen Bezirks- verein Freiſing-Moosburg, von der Stadtgemeinde Feuchtwangen, von den Stadtgemeinden Dinkelsbühl und Rothenburg, deren Vertreter im Landtag der Ver- ſtorbene war, und von der Aerztekammer von Nieder- bayern. Vor dem Leichenbegängniſſe hatten ſchon die Kammer der Abgeordneten des bayeriſchen Landtags, die Stadt- gemeinde München, der Münchener Bezirks- lehrerverein, der Kindergartenverein und zahl- reiche weitere Körperſchaften und Private Kränze für den Verblichenen zum Grabſchmucke geſchickt.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 77, 20. März 1900, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine77_1900/10>, abgerufen am 21.11.2024.