Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848.[Spaltenumbruch]
so an als ob die Liberalen ihre Macht über das Volk hätten prüfen V Rom, 9 März. Eine Deputation von Franzosen hat sich Türkei. Konstantinopel, 2 März. Vor einigen Tagen haben die Vereinigte Staaten von Nordamerika. Am 11 März Morgens traf das Dampfboot "Hi[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]rnia" mit einer [Spaltenumbruch]
ſo an als ob die Liberalen ihre Macht über das Volk hätten prüfen ▽ Rom, 9 März. Eine Deputation von Franzoſen hat ſich Türkei. Konſtantinopel, 2 März. Vor einigen Tagen haben die Vereinigte Staaten von Nordamerika. Am 11 März Morgens traf das Dampfboot „Hi[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]rnia“ mit einer <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jVarious" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <p><pb facs="#f0015" n="[1247]"/><cb/> ſo an als ob die Liberalen ihre Macht über das Volk hätten prüfen<lb/> wollen. Sey dem wie ihm ſey, alle ſtimmen darin überein daß es<lb/> beſſer geweſen ſeyn mag auf ſolche Weiſe jede Unordnung vermieden<lb/> zu haben. In jetzigen Zeiten neigt jeder zur Geſpenſterfurcht. Nur<lb/> mit ſolcher aber kann man vorderhand hier Symptome einer wahr-<lb/> haft bösartigen Wendung der Dinge entdecken. An der Anhänglich-<lb/> keit des Volks an den Papſt zweifelt niemand. Kömmt nicht ein allzu<lb/> erſchütternder Anſtoß von außen hinzu, ſo kann die Kriſts hier ruhi-<lb/> ger verlaufen als irgendanderswo. An Aufreizungen zur Störung<lb/> der Ruhe fehlt es freilich nicht. Man hatte alles verſucht die Mit-<lb/> glieder des franzöſiſchen Künſtlercaſino’s zu Demonſtrationen gegen den<lb/> Botſchafter Ludwig Philipps zu veranlaſſen, welche die Revolution<lb/> hier im kleinen dargeſtellt haben würden. Allen Ernſtes war davon<lb/> die Rede geweſen mit Fahnen vor dem Palaſt Colonna, der Reſidenz<lb/> des franzöſiſchen Botſchafters, zu ziehen, und daſelbſt nicht bloß das<lb/> Wappen herabzureißen, ſondern den Grafen Roſſi ſelbſt ſeiner Func-<lb/> tion zu entſetzen. Den Beſonnenern ſcheint es Mühe gekoſtet zu haben<lb/> einen ſolchen Straßenſcandal zu unterdrücken. Die Fremden ziehen in<lb/> Strömen hinweg. Die Bank Torlonia iſt von den Abreiſenden, die<lb/> Geld verlangen, umlagert. Die Curſe find natürlich ſtark gefallen<lb/> und baares Geld demnach ſehr theuer geworden. Von Gioberti wird<lb/> ein Brief an ſeinen Freund Maſſari <hi rendition="#aq">dd.</hi> Paris 25 Febr. vertheilt,<lb/> in welchem er die Italiener vor der Nachahmung der franzöſiſchen<lb/> Republik warnt und an den conſtitutionellen Formenſeſtzuhalten mahnt.<lb/> Jn dem gegenwärtigen Zuſtand Europa’s ſey eine Republik, wenn ſie<lb/> nicht ſo alt ſey wie die der Schweiz, oder ſo klein wie die von San<lb/> Marino, aus inneren Gründen etwas zu prekäres.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>▽ <hi rendition="#b">Rom,</hi> 9 März.</dateline><lb/> <p>Eine Deputation von Franzoſen hat ſich<lb/> vorgeſtern zum Botſchafter Grafen Roſſi begeben und ihn benachrich-<lb/> tigt daß Abends eine Demonſtration ſtattfinden werde, bei welcher man<lb/> das Wappen herabzureißen gedenke. Der Botſchafter erklärte officiell<lb/> noch keine Zeile aus Paris erhalten zu haben. Was die Abnahme<lb/> des Wappens betreffe, ſo könne er dieſe allein nicht vornehmen, da das<lb/> päpſtliche daneben hänge, und alſo die päpſtliche Regierung darum be-<lb/> fragt werden müſſe. Er fuhr darauf mit den beiden Deputirten zum<lb/> Cardinal-Staatsſecretär, ſtellte dem die Sache vor, und man kam über-<lb/> ein ſtatt des Wappens die tricolore Fahne auszuhängen, welche bei-<lb/> den Regierungen gemeinſam angehört. Fürſt Teano, welcher bei die-<lb/> ſer Gelegenheit auch um Rath oder Erlaubniß befragt worden ſeyn<lb/> ſoll, hat, wie auch gegen andere Autoritäten, erklärt er ſey nicht mehr<lb/> Polizeiminiſter, aber ſoviel könne er ihnen ſagen daß es in Rom in<lb/> dieſem Augenblick weder Gouvernement noch Polizei gebe, ſie möchten<lb/> thun was ſie wollten. Dieſen Morgen iſt in S. Luigi de’ Franceſi Trauer-<lb/> gottesdienſt zu Ehren der bei der Revolution Gefallenen.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Türkei.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline> <hi rendition="#b">Konſtantinopel,</hi> 2 März.</dateline><lb/> <p>Vor einigen Tagen haben die<lb/> Diebe auch der hieſigen Quarantäne einen Spuck geſpielt und — Kon-<lb/> ſtantinopel compromittirt. Am 26 Februar Morgens kam das Lloyd-<lb/> Dampfboot von Alerandria hier an. Eine an Bord befindliche, meh-<lb/> rere Pakete enthaltende verſchloſſene Kiſte wurde in die Quarantäne<lb/> gebracht und in einem verſchloſſenen Zimmer aufbewahrt. Als man<lb/> Mittags die Räucherung vornehmen wollte, fand man beſagtes Zim-<lb/> mer und Kiſte erbrochen und zwei Pakete entwendet. Man rief ſofort<lb/> den Sanitätsrath zuſammen. Er entſchied daß in Anſehung des jetzi-<lb/> gen Geſundheitszuſtandes von Alexandria Konſtantinopel nicht in<lb/> Quarantäne zu ſetzen, daß aber auf den hier auszuſtellenden Geſund-<lb/> heitspatenten das Vorgefallene zu bemerken ſey. Das war wohl auch<lb/> das Klügſte. Von der Verläſſigkeit und Wachſamkeit des bei der hie-<lb/> figen Quarantäne angeſtellten Perſonals legt dieſer Vorfall aber frei-<lb/> lich kein glänzendes Zeugniß ab. — Briefe aus Syrien melden daß auch<lb/> dort dieß Jahr der Winter ungewöhnlich ſtreng war. Von dem Ha-<lb/> rem eines Paſcha’s der am 24 Jan. von Damaskus nach Bayrut reiste, er-<lb/> froren mehrere Perſonen unterwegs. Am 17 Jan. zog unter den Freuden-<lb/> rufen der katholiſchen Bevölkerung, unter die ſich auch die Jſraeliten<lb/> gemiſcht hatten, Monſign. Valerga in Jeruſalem ein. Der Paſcha<lb/> hatte ihm ein prächtig geſatteltes Pferd entgegengeſchickt. Hier fährt<lb/> man fort dem päpſtlichen Nuncius große Aufmerkſamkeit zu erweiſen,<lb/> woran er ſeinerſeits es natürlich auch nicht fehlen läßt. So machte er<lb/> vor einigen Tagen dem als Fanatiker bekannten Kriegsminiſter Saïd<lb/> Paſcha, einem Schwager des Sultans, ſeinen Beſuch, obgleich dieſer<lb/><cb/> verſäumt hatte den Nuncius bei ſeiner Ankunft zu begrüßen. Wäh-<lb/> rend der Krankheit der Sultanin Mutter erkundigte ſich der Nuncius<lb/> im Serai nach dem Befinden derſelben. Vorigen Donnerſtag gab der<lb/> hieſige katholiſche armeniſche Patriarch in dem Hauſe eines in Pera<lb/> wohnenden Armeniers dem Nuncius ein Gaſtmahl, zu dem auch der<lb/> Miniſter des Aeußern, Ali Paſcha, Fuad Efendi, der Geſandtenein-<lb/> führer und mehrere andere türkiſche Würdenträger eingeladen waren,<lb/> ſowie mehrere Notable der katholiſch – armeniſchen Nation. Unter<lb/> letzteren befand ſich Hr. Carabet Duz, der Bankier der Sultanin Va-<lb/> lida, dem der Großherr am Morgen desſelben Tages das Muſchirni-<lb/> ſchan verliehen hatte, eine Auszeichnung, die meines Wiſſens nie zu-<lb/> vor einem Raja zu Theil geworden war. Daß dieſe Auszeichnung<lb/> gerade an jenem Tage erfolgte, berechtigt wohl zu der Annahme<lb/> daß man damit indirect auch dem Nuncius eine Aufmerkſamkeit habe<lb/> erweiſen wollen. Welche weitere Hoffnungen fich indeß etwa an alle<lb/> dieſe vom Beherrſcher der Gläubigen empfangenen Aufmerkſamkeiten<lb/> knüpfen laſſen dürften, möchte ſchwer zu ſagen ſeyn. Eine Wieder-<lb/> vereinigung der verſchiedenen ſchismatiſchen Kirchen des Orients mit<lb/> Rom z. B. möchte wohl ſchwer zu Stande zu bringen ſeyn. Pius <hi rendition="#aq">IX</hi><lb/> ſoll indeß wirklich dieſen Verſuch machen wollen. 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Befremden muß es aber wohl an ſolchen De-<lb/> monſtrationen oſt auch öſterreichiſche Unterthanen Theil nehmen zu<lb/> ſehen, die, noch mehr, ſelbſt Stellen oder Aemter bekleiden, die ſie dem<lb/> öſterreichiſchen Staat oder öſterreichiſchen Jnſtituten verdanken, und<lb/> die zudem als Nichtitaliener keineswegs ihre Abkunft als Grund ihres<lb/> ſeltſamen Benehmens vorſchützen können. Jn einem ſolchen Sprachen-<lb/> babylon wie hier mangelt es freilich am allerwenigſten an Leuten<lb/> die, Vielzüngige, auch in ihrem nationalen Charakter chamäleonartig<lb/> ſchillern, und bald dieſe bald jene Farbe tragen. Anders zeigt<lb/> ſich häufig die niedere Volksclaſſe. So ging kürzlich der Capi-<lb/> tän eines toscaniſchen Schiffes in ſeiner Nationalgardeuniform<lb/> mit einigen Freunden in Bujukdere ſingend und, wie es heißt,<lb/> Schmähungen gegen Oeſterreich und deſſen Regenten ausſtoſſend,<lb/> ſpazieren. Ein Slavonier hörte ihn und wollte es nicht leiden.<lb/> Es kam zum Streit. Andere Slavonier und öſterreichiſche Matroſen<lb/> geſellten ſich dazu, und ohne die Dazwiſchenkunft der öſterreichiſchen<lb/> Kanzlei hätten ſlavoniſche Fäuſte die toscaniſche Nationalgardeuni-<lb/> form am Bosporus wahrſcheinlich ein wenig übel zugerichtet. Jn<lb/> Galata geriethen ſardiniſche und öſterreichiſche Matroſen über die von<lb/> einem Orgelmann geſpielte Hymne Pius <hi rendition="#aq">IX</hi> an einander, und hatten<lb/> große Luſt noch nachträglich mit den Waffen in der Hand die Sache<lb/> weiter auszumachen, wenn die Kanzleien dieß nicht verhindert hätten.<lb/> Auch in den Kaffeehäuſern und im Theater kam es ſchon mehrmals faſt<lb/> zu Händeln; und da man’s an herausfordernden Anläſſen nicht feh-<lb/> len läßt, ſo kann leicht irgend ein Zufall unverſehens ſehr ernſtliche<lb/> Auftritte herbeiführen.</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Vereinigte Staaten von Nordamerika.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"><lb/> <p>Am 11 März Morgens traf das Dampfboot „Hi<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/>rnia“ mit einer<lb/><hi rendition="#g">New-Yorker</hi> Poſt vom 26 Febr., und 40,000 Pf. Species an<lb/> Bord, in Liverpool ein. Ungeachtet der neulichen Erklärung des Prä-<lb/> ſidenten an den Congreß daß er keine Vorſchläge zu einem Friedens-<lb/> vertrag mit Mexico erhalten habe, hielt man im Publicum die neulichen<lb/> Friedensgerüchte für wohlbegründet. Der von dem mexicaniſchen Gou-<lb/> vernement in Queretaro angenommene Antrag des Hrn. Triſt ſoll die<lb/> Hauptbedingungen des vorjährigen amerikaniſchen Vorſchlags enthalten:<lb/> Amerika zahlt 15,000,000 Doll. für die Abtretung von Ober-Californien,<lb/> und zwar 3 Mill. ſogleich bei der Ratification des Vertrags; die Ver-<lb/> ein. Staaten-Armee wird binnen drei Monaten aus Mexico zurück-<lb/> gezogen, doch ſoll die Hauptſtadt noch längere Zeit von 12,000 Mann<lb/> beſetzt bleiben. Dieſer Vertrag ſoll dem Senat in Waſhington bereits<lb/> vorgelegt ſeyn; aber die Geſchäfte des Congreſſes waren unterbrochen<lb/> durch ein trauriges Ereigniß. 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ſo an als ob die Liberalen ihre Macht über das Volk hätten prüfen
wollen. Sey dem wie ihm ſey, alle ſtimmen darin überein daß es
beſſer geweſen ſeyn mag auf ſolche Weiſe jede Unordnung vermieden
zu haben. In jetzigen Zeiten neigt jeder zur Geſpenſterfurcht. Nur
mit ſolcher aber kann man vorderhand hier Symptome einer wahr-
haft bösartigen Wendung der Dinge entdecken. An der Anhänglich-
keit des Volks an den Papſt zweifelt niemand. Kömmt nicht ein allzu
erſchütternder Anſtoß von außen hinzu, ſo kann die Kriſts hier ruhi-
ger verlaufen als irgendanderswo. An Aufreizungen zur Störung
der Ruhe fehlt es freilich nicht. Man hatte alles verſucht die Mit-
glieder des franzöſiſchen Künſtlercaſino’s zu Demonſtrationen gegen den
Botſchafter Ludwig Philipps zu veranlaſſen, welche die Revolution
hier im kleinen dargeſtellt haben würden. Allen Ernſtes war davon
die Rede geweſen mit Fahnen vor dem Palaſt Colonna, der Reſidenz
des franzöſiſchen Botſchafters, zu ziehen, und daſelbſt nicht bloß das
Wappen herabzureißen, ſondern den Grafen Roſſi ſelbſt ſeiner Func-
tion zu entſetzen. Den Beſonnenern ſcheint es Mühe gekoſtet zu haben
einen ſolchen Straßenſcandal zu unterdrücken. Die Fremden ziehen in
Strömen hinweg. Die Bank Torlonia iſt von den Abreiſenden, die
Geld verlangen, umlagert. Die Curſe find natürlich ſtark gefallen
und baares Geld demnach ſehr theuer geworden. Von Gioberti wird
ein Brief an ſeinen Freund Maſſari dd. Paris 25 Febr. vertheilt,
in welchem er die Italiener vor der Nachahmung der franzöſiſchen
Republik warnt und an den conſtitutionellen Formenſeſtzuhalten mahnt.
Jn dem gegenwärtigen Zuſtand Europa’s ſey eine Republik, wenn ſie
nicht ſo alt ſey wie die der Schweiz, oder ſo klein wie die von San
Marino, aus inneren Gründen etwas zu prekäres.
▽ Rom, 9 März.
Eine Deputation von Franzoſen hat ſich
vorgeſtern zum Botſchafter Grafen Roſſi begeben und ihn benachrich-
tigt daß Abends eine Demonſtration ſtattfinden werde, bei welcher man
das Wappen herabzureißen gedenke. Der Botſchafter erklärte officiell
noch keine Zeile aus Paris erhalten zu haben. Was die Abnahme
des Wappens betreffe, ſo könne er dieſe allein nicht vornehmen, da das
päpſtliche daneben hänge, und alſo die päpſtliche Regierung darum be-
fragt werden müſſe. Er fuhr darauf mit den beiden Deputirten zum
Cardinal-Staatsſecretär, ſtellte dem die Sache vor, und man kam über-
ein ſtatt des Wappens die tricolore Fahne auszuhängen, welche bei-
den Regierungen gemeinſam angehört. Fürſt Teano, welcher bei die-
ſer Gelegenheit auch um Rath oder Erlaubniß befragt worden ſeyn
ſoll, hat, wie auch gegen andere Autoritäten, erklärt er ſey nicht mehr
Polizeiminiſter, aber ſoviel könne er ihnen ſagen daß es in Rom in
dieſem Augenblick weder Gouvernement noch Polizei gebe, ſie möchten
thun was ſie wollten. Dieſen Morgen iſt in S. Luigi de’ Franceſi Trauer-
gottesdienſt zu Ehren der bei der Revolution Gefallenen.
Türkei.
Konſtantinopel, 2 März.
Vor einigen Tagen haben die
Diebe auch der hieſigen Quarantäne einen Spuck geſpielt und — Kon-
ſtantinopel compromittirt. Am 26 Februar Morgens kam das Lloyd-
Dampfboot von Alerandria hier an. Eine an Bord befindliche, meh-
rere Pakete enthaltende verſchloſſene Kiſte wurde in die Quarantäne
gebracht und in einem verſchloſſenen Zimmer aufbewahrt. Als man
Mittags die Räucherung vornehmen wollte, fand man beſagtes Zim-
mer und Kiſte erbrochen und zwei Pakete entwendet. Man rief ſofort
den Sanitätsrath zuſammen. Er entſchied daß in Anſehung des jetzi-
gen Geſundheitszuſtandes von Alexandria Konſtantinopel nicht in
Quarantäne zu ſetzen, daß aber auf den hier auszuſtellenden Geſund-
heitspatenten das Vorgefallene zu bemerken ſey. Das war wohl auch
das Klügſte. Von der Verläſſigkeit und Wachſamkeit des bei der hie-
figen Quarantäne angeſtellten Perſonals legt dieſer Vorfall aber frei-
lich kein glänzendes Zeugniß ab. — Briefe aus Syrien melden daß auch
dort dieß Jahr der Winter ungewöhnlich ſtreng war. Von dem Ha-
rem eines Paſcha’s der am 24 Jan. von Damaskus nach Bayrut reiste, er-
froren mehrere Perſonen unterwegs. Am 17 Jan. zog unter den Freuden-
rufen der katholiſchen Bevölkerung, unter die ſich auch die Jſraeliten
gemiſcht hatten, Monſign. Valerga in Jeruſalem ein. Der Paſcha
hatte ihm ein prächtig geſatteltes Pferd entgegengeſchickt. Hier fährt
man fort dem päpſtlichen Nuncius große Aufmerkſamkeit zu erweiſen,
woran er ſeinerſeits es natürlich auch nicht fehlen läßt. So machte er
vor einigen Tagen dem als Fanatiker bekannten Kriegsminiſter Saïd
Paſcha, einem Schwager des Sultans, ſeinen Beſuch, obgleich dieſer
verſäumt hatte den Nuncius bei ſeiner Ankunft zu begrüßen. Wäh-
rend der Krankheit der Sultanin Mutter erkundigte ſich der Nuncius
im Serai nach dem Befinden derſelben. Vorigen Donnerſtag gab der
hieſige katholiſche armeniſche Patriarch in dem Hauſe eines in Pera
wohnenden Armeniers dem Nuncius ein Gaſtmahl, zu dem auch der
Miniſter des Aeußern, Ali Paſcha, Fuad Efendi, der Geſandtenein-
führer und mehrere andere türkiſche Würdenträger eingeladen waren,
ſowie mehrere Notable der katholiſch – armeniſchen Nation. Unter
letzteren befand ſich Hr. Carabet Duz, der Bankier der Sultanin Va-
lida, dem der Großherr am Morgen desſelben Tages das Muſchirni-
ſchan verliehen hatte, eine Auszeichnung, die meines Wiſſens nie zu-
vor einem Raja zu Theil geworden war. Daß dieſe Auszeichnung
gerade an jenem Tage erfolgte, berechtigt wohl zu der Annahme
daß man damit indirect auch dem Nuncius eine Aufmerkſamkeit habe
erweiſen wollen. Welche weitere Hoffnungen fich indeß etwa an alle
dieſe vom Beherrſcher der Gläubigen empfangenen Aufmerkſamkeiten
knüpfen laſſen dürften, möchte ſchwer zu ſagen ſeyn. Eine Wieder-
vereinigung der verſchiedenen ſchismatiſchen Kirchen des Orients mit
Rom z. B. möchte wohl ſchwer zu Stande zu bringen ſeyn. Pius IX
ſoll indeß wirklich dieſen Verſuch machen wollen. Er hat, wie man
verſichert, an alle chriſtlichen Schismatiker des Morgenlandes ein ſehr
verſöhnliches Schreiben gerichtet und ſie eingeladen ſich wieder mit
Petri Stuhl zu vereinigen. — Der italieniſche Patriotismus trägt
nicht bloß ſeine Toaſte und Lieder und Hymnen, und Nationalfahne
und Cocarde, ſondern auch die Nationalgardeuniform ſelbſt hier auf den
Ufern des Bosporus zur Schau. Das dieſer Patriotismus ſich nirgends
zeigen, nicht den Mund aufthun zu können meint ohne einige Oeſter-
reich- und Deutſchenhaß athmende Phraſen zum beſten zu geben, iſt
man bereits gewohnt. Befremden muß es aber wohl an ſolchen De-
monſtrationen oſt auch öſterreichiſche Unterthanen Theil nehmen zu
ſehen, die, noch mehr, ſelbſt Stellen oder Aemter bekleiden, die ſie dem
öſterreichiſchen Staat oder öſterreichiſchen Jnſtituten verdanken, und
die zudem als Nichtitaliener keineswegs ihre Abkunft als Grund ihres
ſeltſamen Benehmens vorſchützen können. Jn einem ſolchen Sprachen-
babylon wie hier mangelt es freilich am allerwenigſten an Leuten
die, Vielzüngige, auch in ihrem nationalen Charakter chamäleonartig
ſchillern, und bald dieſe bald jene Farbe tragen. Anders zeigt
ſich häufig die niedere Volksclaſſe. So ging kürzlich der Capi-
tän eines toscaniſchen Schiffes in ſeiner Nationalgardeuniform
mit einigen Freunden in Bujukdere ſingend und, wie es heißt,
Schmähungen gegen Oeſterreich und deſſen Regenten ausſtoſſend,
ſpazieren. Ein Slavonier hörte ihn und wollte es nicht leiden.
Es kam zum Streit. Andere Slavonier und öſterreichiſche Matroſen
geſellten ſich dazu, und ohne die Dazwiſchenkunft der öſterreichiſchen
Kanzlei hätten ſlavoniſche Fäuſte die toscaniſche Nationalgardeuni-
form am Bosporus wahrſcheinlich ein wenig übel zugerichtet. Jn
Galata geriethen ſardiniſche und öſterreichiſche Matroſen über die von
einem Orgelmann geſpielte Hymne Pius IX an einander, und hatten
große Luſt noch nachträglich mit den Waffen in der Hand die Sache
weiter auszumachen, wenn die Kanzleien dieß nicht verhindert hätten.
Auch in den Kaffeehäuſern und im Theater kam es ſchon mehrmals faſt
zu Händeln; und da man’s an herausfordernden Anläſſen nicht feh-
len läßt, ſo kann leicht irgend ein Zufall unverſehens ſehr ernſtliche
Auftritte herbeiführen.
Vereinigte Staaten von Nordamerika.
Am 11 März Morgens traf das Dampfboot „Hi_rnia“ mit einer
New-Yorker Poſt vom 26 Febr., und 40,000 Pf. Species an
Bord, in Liverpool ein. Ungeachtet der neulichen Erklärung des Prä-
ſidenten an den Congreß daß er keine Vorſchläge zu einem Friedens-
vertrag mit Mexico erhalten habe, hielt man im Publicum die neulichen
Friedensgerüchte für wohlbegründet. Der von dem mexicaniſchen Gou-
vernement in Queretaro angenommene Antrag des Hrn. Triſt ſoll die
Hauptbedingungen des vorjährigen amerikaniſchen Vorſchlags enthalten:
Amerika zahlt 15,000,000 Doll. für die Abtretung von Ober-Californien,
und zwar 3 Mill. ſogleich bei der Ratification des Vertrags; die Ver-
ein. Staaten-Armee wird binnen drei Monaten aus Mexico zurück-
gezogen, doch ſoll die Hauptſtadt noch längere Zeit von 12,000 Mann
beſetzt bleiben. Dieſer Vertrag ſoll dem Senat in Waſhington bereits
vorgelegt ſeyn; aber die Geſchäfte des Congreſſes waren unterbrochen
durch ein trauriges Ereigniß. Am 17 Febr. wurde der alte ehrwürdige
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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