Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848.[Spaltenumbruch]
politanischen Officier. Nach ihm wurden am 14 und 15 Jan. 320 * Neapel, 4 März. Die gestrigen Nachrichten aus Messina lau- * Neapel, 5 März. Mit der Bildung eines neuen Ministeriums Rom, 8 März. Die Worte welche Pius IX der Deputa- Rom, 9 März. Der Carneval ist also wirklich im Dunkeln [Spaltenumbruch]
politaniſchen Officier. Nach ihm wurden am 14 und 15 Jan. 320 * Neapel, 4 März. Die geſtrigen Nachrichten aus Meſſina lau- * Neapel, 5 März. Mit der Bildung eines neuen Miniſteriums ∆ Rom, 8 März. Die Worte welche Pius IX der Deputa- ♀ Rom, 9 März. Der Carneval iſt alſo wirklich im Dunkeln <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0014" n="[1246]"/><cb/> politaniſchen Officier. Nach ihm wurden am 14 und 15 Jan. 320<lb/> Officiere, 6933 Soldaten, 20 Kanonen und 45 Dragoner und Gen-<lb/> darmen nach Palermo hinübergeſchifft. Deſauget unterſagte dem<lb/> Oberſt Groß das Bombenwerfen auf Befehl des Königs, und erließ<lb/> am 16 Jan. einen überaus milden Befehl zur Wiederherſtellung und<lb/> Ordnung in der „guten Stadt Palermo.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline><hi rendition="#b">* Neapel,</hi> 4 März.</dateline><lb/> <p>Die geſtrigen Nachrichten aus Meſſina lau-<lb/> ten daß die Sicilianer gleich nach der Rückkehr Pronio’s in die Citadelle<lb/> wieder angefangen Batterien (und zwar ſtärkere als die frühern welche<lb/> nach einer halbſtündigen Kanonade zerſtört wurden) zu errichten, daß<lb/> die Zahl der Streiter ſich vermehrt und daß man neuen Kämpfen ent-<lb/> gegenſehe. Der Portofranco brannte noch, als das Dampfſchiff geſtern<lb/> Meſſina verließ: 14 Waarenmagazine liegen in Aſche und die Be-<lb/> mühungen zu löſchen waren mit der Gefahr verknüpft von der Citadelle<lb/> aus niedergeſchoſſen zu werden. Nur die Sicilianer ſchafften ihre<lb/> Waaren fort, die Fremden weniger; letztere hoffen auf Erſatz und lie-<lb/> ßen getroſten Muthes Manufacturen verbrennen, welche ſie ſonſt<lb/> ſchwerlich verkauft haben würden. Die Rechnungen ſollen viele auch<lb/> ſchon vor der vorausgeſehenen Kanonade gemacht und eingericht ha-<lb/> ben. Die Bewohner Reggio’s legen die größte Sympathie für Meſ-<lb/> ſina und Sicilien an den Tag und in Calabrien iſt es keineswegs wie<lb/> in der Hauptſtadt, wo Sicilianer und Neapolitaner ſich als zwei fremde<lb/> Nationalitäten einander gegenüberſtellen. Wir erwähnten früher daß die<lb/> Expedition nach Palermo, ohne an Spitäler, Aerzte, Medicamente, Jn-<lb/> ſtrumente, ja ſelbſt ohne an Nahrungsmittel zu denken, abgeſegelt. Jetzt<lb/> ſucht man begangene Fehler wieder gut zu machen, und an Calabriens<lb/> Fußſpitze ein Lager, Arſenale, Magazine ꝛc. zu errichten. Die Schwie-<lb/> rigkeiten ſolcher Niederlaſſungen, die Widerſetzlichkeiten der Calabre-<lb/> ſen und die Symptome neue Gährungen daſelbſt zu ſchildern würde<lb/> zu weit führen. — Heute redet man von nichts anderm als von einem<lb/> geſtern angelangten und bereits dem König und dem Miniſterium mit-<lb/> getheilten Proteſt der Großmächte, nicht etwa gegen die Conſtitution<lb/> ſondern gegen die Möglichkeit einer Teritorialumgeſtaltung der im<lb/> Wiener Congreß ſtipulirten Länderverhältniſſe in Bezug auf Sicilien.</p> </div> </div> </div><lb/> <div type="jVarious" n="2"> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">* Neapel,</hi> 5 März.</dateline><lb/> <p>Mit der Bildung eines neuen Miniſteriums<lb/> hat es große Schwierigkeiten: es fürchtet natürlich jeder auf ſo ſchlüpfe-<lb/> rigem Boden auszugleiten. Der arme Fürſt von Cariati, welcher damit<lb/> beauftragt iſt, erſcheint bereits öffentlich als Caricatur, als Diogenes<lb/> mit der Laterne oder als ſpürender Jagdhund. Andererſeits find viele<lb/> tauſend Unterſchriften geſammelt um Bozzelli (nebſt Poërio und To-<lb/> fano) zu feſſeln, es find Deputationen an ihn und an den König abge-<lb/> ſchickt um ſeinen Austritt zu hindern. Serracapriola iſt unbeliebt, ſo-<lb/> wohl bei dem Adel als bei den Bürgern. Wenig Stimmen erheben ſich<lb/> für ihn. Er wird mit Guizot, Buſſierès, Monteſſuy und den Retrogra-<lb/> den auf eine Stufe geſetzt. Der junge Duca di Proto iſt einer der<lb/> Hauptleiter der Liberalen und vermittelndes Organ zwiſchen dieſen und<lb/> dem König. Das Café d’Europe iſt — ſo äußerte ſich der König —<lb/> die Pairskammer, das Café Buono die Deputirtenkammer. Der König<lb/> hat, aller Verwirrungen ungeachtet, dennoch ſeinen guten Humor nicht<lb/> ganz verloren. Er erſuchte am 30 Jan. den jungen Duca di Proto im<lb/> Theater nicht mit der Tricolorcocarde zu erſcheinen. Proto verſprach<lb/> gerührt alles, und meinte man wolle nur Evviva rufen. „Gut, lieber<lb/> Proto, ſagte der König, macht es ſo; dann rufe ich aus meiner Loge<lb/> Evviva Proto!“ — Die Königin kam geſtern Nachmittag mit einem<lb/> Prinzen nieder, welches Ereigniß mit den üblichen Kanonenſchüſſen, Eti-<lb/> kettefeierlichkeiten, Illuminationen u. ſ. w. gefeiert ward. (<hi rendition="#aq">Uns ano<lb/> e ben conformato Principe,</hi> heißt’s im Moniteur.) Die Erklärung der<lb/> austretenden Miniſter wird von vielen als eine „unpatriotiſche Hand-<lb/> lung“ angeſehen. Als ſolche mögen wir ſie nicht bezeichnen, obſchon es<lb/> gewiß beſſer geweſen wäre für die Neapolitaner, wenn ſie nicht von<lb/> gleichſam ſelbſt erwählten Leitern des „Deliriums der Leidenſchaften,<lb/> der Ungeduld, der ungezügelten Ruheſtörungen u. ſ. w.“ angeklagt wor-<lb/> den wären. Das Durchſchimmernlaſſen der Unfähigkeit des Königs „die<lb/> Integrität des Territoriums unverletzt aufrechtzuerhalten“ wird am hef-<lb/> tigſten angegriffen. Man findet darin eine Aufforderung an die Groß-<lb/> mächte doch ja recht bald zu interveniren und ſchiebt dieſen Paſſus, der<lb/> aus dem Wiener Tractat hervorgeholt zu ſeyn ſcheint, ganz und gar dem<lb/> Herzog von Serracapriola in die Schuhe, welcher mit Buſſierès, Monteſ-<lb/> ſuy und Guizot zum Nachtheil des Landes und um ſich heimlich an Eng-<lb/> land zu rächen, intriguirt. Es iſt Thatſache daß man einer Verſchwö-<lb/> rung von Retrograden d. h. abgeſetzten Beamten, Generalen, Gendar-<lb/><cb/> men, Geiſtlichen ꝛc. auf die Spur gekommen: man wollte Hausſuchungen<lb/> vornehmen laſſen und ſich mehrerer Papiere bemächtigen, aber der Kö-<lb/> nig wollte nicht und meinte dergleichen ſtände fortan nur den Kammern<lb/> zu. Auch Delcarretto und ſein langer ſonderbarer Aufenthalt im Laza-<lb/> reth wird mit in dieſe neue Verwirrung hineingezogen, ja einige nennen<lb/> D. einen heimlichen Abgeſandten an Guizot und Metternich. Höhniſch<lb/> klingt in der Miniſtererklärung der Ausdruck daß ſie unfähig feyen „neue<lb/> Mittel zur Löſung der ſiciliſchen Frage auszudenken“ u. ſ. w. Vor fünf<lb/> Tagen erklärten dieſelben Herren in der Staatszeitung daß ſie ein glück-<lb/> liches Reſultat hofften und geſtern reichen ſie in bittern, ja faſt beleidi-<lb/> genden Worten ihre Entlaſſung ein. Das find unſere Zuſtände! Die<lb/> ganze Familie Statella (Caſſaro, Spuccaforno) haben Aemter, Titel und<lb/> Orden zurückgegeben, und die Spannung zwiſchen Sicilianern und Nea-<lb/> politanern wird mit jedem Tage ſchlimmer. Rente 97¼. Eine An-<lb/> leihe iſt im Werke. Hr. della Valle ſoll von dem hiefigen Rothſchild,<lb/> welcher ſich zu compromittiren fürchtete, aber dennoch zu gewinnen hoffte,<lb/> an das Pariſer Haus gewieſen und dahin abgereist ſeyn. Fürſt<lb/> Schwarzenberg will Neapel verlaſſen. Jedermann geht ihm und den<lb/> Repräſentanten Rußlands, Frankreichs und leider auch Preußens (wel-<lb/> ches in Jtalien eine klägliche Rolle ſpielt) aus dem Wege. Buſſiéres<lb/> ſoll mit Serracapriola aufs engſte verbündet ſeyn. England über-<lb/> wacht alles.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>∆ <hi rendition="#b">Rom,</hi> 8 März.</dateline><lb/> <p>Die Worte welche Pius <hi rendition="#aq">IX</hi> der Deputa-<lb/> tion wegen Ertheilung der Repräſentativverfaſſung erwiedert hat, lau-<lb/> ten folgendermaßen: „Die Ereigniſſe welche, man kann nicht ſagen<lb/> einander folgen, ſondern über einander ſtürzen, rechtfertigen hinrei-<lb/> chend die Bitte welche Sie, Hr. Senator, im Namen des Magiſtrats<lb/> und des Raths an mich geſtellt haben. Jedermann weiß daß ich un-<lb/> ermüdlich beſchäftigt bin dem Gouvernement diejenige Form zu geben<lb/> die Sie, meine Herren, erbitten, und welche die Völker verlangen;<lb/> aber jedermann kennt auch die große Schwierigkeit auf welche man<lb/> ſtößt, da es zwei große Würden in fich vereinigt. Das was bei ei-<lb/> nem weltlichen Gouvernement in einer Nacht vollbracht werden kann,<lb/> kann beim päpſtlichen Gouvernement nicht ohne reifliche Prüfung zu<lb/> Stande kommen, indem es gar ſehr ſchwierig iſt genau jene Linie<lb/> zu ziehen welche eine Gewalt von der andern trennen ſoll. Nichts-<lb/> deſtoweniger ſchmeichle ich mir in einigen Tagen nach vollbrachter<lb/> Arbeit im Stande zu ſeyn die neue Form des Gouvernements zu ver-<lb/> künden, welche zur Zuſriedenheit der Commune und mehr noch des<lb/> Senats ſeyn wird, der die Umſtände und die Lage des Landes näher<lb/> kennt. Gott ſegne dieſen Wunſch, dieſe meine Arbeit; und wenn<lb/> daraus der Religion ein Vortheil erwachſen ſollte, ſo will ich mich<lb/> zu Füßen des Cruciſires ſtellen und ihm für alle Ereigniſſe danken<lb/> die er zugelaſſen hat, und die mich mehr noch wie als Fürſten, als<lb/> Oberhaupt der geſammten Kirche freuen werden, wenn ſie zur grö-<lb/> ßern Ehre Gottes ausfallen. <hi rendition="#g">Wenn die Völker heutzutage<lb/> in verſchiedenen Gegenden außerordentliche Verlan-<lb/> gen</hi> <hi rendition="#aq">(esigenze)</hi> <hi rendition="#g">zeigen; ſo iſt andererſeits auch wahr daß<lb/> zu Gunſten der Völker die väterlichen Sorgen vergeſ-<lb/> ſen worden ſind welche deren wahre Tugend hätten aus-<lb/> bilden ſollen, wenn daher die Folgen davon ſchlecht<lb/> ſeyn werden, ſo wird man nicht alle den Völkern zur<lb/> Laſt legen dürfen.“</hi> Dieſer letzte ſehr bedeutungsvolle Satz fehlt<lb/> in den Abdrücken dieſer kurzen Rede, welche in Umlauf geſetzt wor-<lb/> den ſind. Ueber deren Aechtheit habe ich keinen Zweifel. Sie tragen<lb/> ganz das Gepräge des aufrichtigen Kirchenfürſten, der ſeine wahrhaft<lb/> liberale Geſinnung bei keiner Gelegenheit zu verläugnen vermag.<lb/> Welchen Eindruck dieſe Schlußworte namentlich in dem gegenwärtigen<lb/> Augenblick gemacht haben, können Sie ſich vorſtellen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>♀ <hi rendition="#b">Rom,</hi> 9 März.</dateline><lb/> <p>Der Carneval iſt alſo wirklich im Dunkeln<lb/> begraben worden. Niemand ſcheint an die Ausführung dieſes Vor-<lb/> habens geglaubt zu haben. Dennoch hat keiner gewagt ein Licht an-<lb/> zuzünden, obwohl ſehr viele mit Wachsſtockbündeln verſehen waren.<lb/> Kleine Haufen junger Leute durchzogen den Corſo mit allerlei Vivat-<lb/> geſchrei. Die Civica, welche dieſen Tag in ſehr großer Anzahl ausge-<lb/> rückt war, blieb bis zum letzten Kanonenſchuß, mit welchem das<lb/> Straßenfeſt geſchloſſen wird, unter dem Gewehr. Von den gefürchte-<lb/> ten Unordnungen zeigte ſich nicht eine Spur. Verſchieden find die<lb/> Auslegungen welche dieſes charakterfeſte Benehmen des römiſchen<lb/> Volks erfahren hat. Die Aengſtlicheren, welche binnen vier Wochen<lb/> auch hier die Republik verkündigt zu ſehen fürchten, ſehen die Sache<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [[1246]/0014]
politaniſchen Officier. Nach ihm wurden am 14 und 15 Jan. 320
Officiere, 6933 Soldaten, 20 Kanonen und 45 Dragoner und Gen-
darmen nach Palermo hinübergeſchifft. Deſauget unterſagte dem
Oberſt Groß das Bombenwerfen auf Befehl des Königs, und erließ
am 16 Jan. einen überaus milden Befehl zur Wiederherſtellung und
Ordnung in der „guten Stadt Palermo.“
* Neapel, 4 März.
Die geſtrigen Nachrichten aus Meſſina lau-
ten daß die Sicilianer gleich nach der Rückkehr Pronio’s in die Citadelle
wieder angefangen Batterien (und zwar ſtärkere als die frühern welche
nach einer halbſtündigen Kanonade zerſtört wurden) zu errichten, daß
die Zahl der Streiter ſich vermehrt und daß man neuen Kämpfen ent-
gegenſehe. Der Portofranco brannte noch, als das Dampfſchiff geſtern
Meſſina verließ: 14 Waarenmagazine liegen in Aſche und die Be-
mühungen zu löſchen waren mit der Gefahr verknüpft von der Citadelle
aus niedergeſchoſſen zu werden. Nur die Sicilianer ſchafften ihre
Waaren fort, die Fremden weniger; letztere hoffen auf Erſatz und lie-
ßen getroſten Muthes Manufacturen verbrennen, welche ſie ſonſt
ſchwerlich verkauft haben würden. Die Rechnungen ſollen viele auch
ſchon vor der vorausgeſehenen Kanonade gemacht und eingericht ha-
ben. Die Bewohner Reggio’s legen die größte Sympathie für Meſ-
ſina und Sicilien an den Tag und in Calabrien iſt es keineswegs wie
in der Hauptſtadt, wo Sicilianer und Neapolitaner ſich als zwei fremde
Nationalitäten einander gegenüberſtellen. Wir erwähnten früher daß die
Expedition nach Palermo, ohne an Spitäler, Aerzte, Medicamente, Jn-
ſtrumente, ja ſelbſt ohne an Nahrungsmittel zu denken, abgeſegelt. Jetzt
ſucht man begangene Fehler wieder gut zu machen, und an Calabriens
Fußſpitze ein Lager, Arſenale, Magazine ꝛc. zu errichten. Die Schwie-
rigkeiten ſolcher Niederlaſſungen, die Widerſetzlichkeiten der Calabre-
ſen und die Symptome neue Gährungen daſelbſt zu ſchildern würde
zu weit führen. — Heute redet man von nichts anderm als von einem
geſtern angelangten und bereits dem König und dem Miniſterium mit-
getheilten Proteſt der Großmächte, nicht etwa gegen die Conſtitution
ſondern gegen die Möglichkeit einer Teritorialumgeſtaltung der im
Wiener Congreß ſtipulirten Länderverhältniſſe in Bezug auf Sicilien.
* Neapel, 5 März.
Mit der Bildung eines neuen Miniſteriums
hat es große Schwierigkeiten: es fürchtet natürlich jeder auf ſo ſchlüpfe-
rigem Boden auszugleiten. Der arme Fürſt von Cariati, welcher damit
beauftragt iſt, erſcheint bereits öffentlich als Caricatur, als Diogenes
mit der Laterne oder als ſpürender Jagdhund. Andererſeits find viele
tauſend Unterſchriften geſammelt um Bozzelli (nebſt Poërio und To-
fano) zu feſſeln, es find Deputationen an ihn und an den König abge-
ſchickt um ſeinen Austritt zu hindern. Serracapriola iſt unbeliebt, ſo-
wohl bei dem Adel als bei den Bürgern. Wenig Stimmen erheben ſich
für ihn. Er wird mit Guizot, Buſſierès, Monteſſuy und den Retrogra-
den auf eine Stufe geſetzt. Der junge Duca di Proto iſt einer der
Hauptleiter der Liberalen und vermittelndes Organ zwiſchen dieſen und
dem König. Das Café d’Europe iſt — ſo äußerte ſich der König —
die Pairskammer, das Café Buono die Deputirtenkammer. Der König
hat, aller Verwirrungen ungeachtet, dennoch ſeinen guten Humor nicht
ganz verloren. Er erſuchte am 30 Jan. den jungen Duca di Proto im
Theater nicht mit der Tricolorcocarde zu erſcheinen. Proto verſprach
gerührt alles, und meinte man wolle nur Evviva rufen. „Gut, lieber
Proto, ſagte der König, macht es ſo; dann rufe ich aus meiner Loge
Evviva Proto!“ — Die Königin kam geſtern Nachmittag mit einem
Prinzen nieder, welches Ereigniß mit den üblichen Kanonenſchüſſen, Eti-
kettefeierlichkeiten, Illuminationen u. ſ. w. gefeiert ward. (Uns ano
e ben conformato Principe, heißt’s im Moniteur.) Die Erklärung der
austretenden Miniſter wird von vielen als eine „unpatriotiſche Hand-
lung“ angeſehen. Als ſolche mögen wir ſie nicht bezeichnen, obſchon es
gewiß beſſer geweſen wäre für die Neapolitaner, wenn ſie nicht von
gleichſam ſelbſt erwählten Leitern des „Deliriums der Leidenſchaften,
der Ungeduld, der ungezügelten Ruheſtörungen u. ſ. w.“ angeklagt wor-
den wären. Das Durchſchimmernlaſſen der Unfähigkeit des Königs „die
Integrität des Territoriums unverletzt aufrechtzuerhalten“ wird am hef-
tigſten angegriffen. Man findet darin eine Aufforderung an die Groß-
mächte doch ja recht bald zu interveniren und ſchiebt dieſen Paſſus, der
aus dem Wiener Tractat hervorgeholt zu ſeyn ſcheint, ganz und gar dem
Herzog von Serracapriola in die Schuhe, welcher mit Buſſierès, Monteſ-
ſuy und Guizot zum Nachtheil des Landes und um ſich heimlich an Eng-
land zu rächen, intriguirt. Es iſt Thatſache daß man einer Verſchwö-
rung von Retrograden d. h. abgeſetzten Beamten, Generalen, Gendar-
men, Geiſtlichen ꝛc. auf die Spur gekommen: man wollte Hausſuchungen
vornehmen laſſen und ſich mehrerer Papiere bemächtigen, aber der Kö-
nig wollte nicht und meinte dergleichen ſtände fortan nur den Kammern
zu. Auch Delcarretto und ſein langer ſonderbarer Aufenthalt im Laza-
reth wird mit in dieſe neue Verwirrung hineingezogen, ja einige nennen
D. einen heimlichen Abgeſandten an Guizot und Metternich. Höhniſch
klingt in der Miniſtererklärung der Ausdruck daß ſie unfähig feyen „neue
Mittel zur Löſung der ſiciliſchen Frage auszudenken“ u. ſ. w. Vor fünf
Tagen erklärten dieſelben Herren in der Staatszeitung daß ſie ein glück-
liches Reſultat hofften und geſtern reichen ſie in bittern, ja faſt beleidi-
genden Worten ihre Entlaſſung ein. Das find unſere Zuſtände! Die
ganze Familie Statella (Caſſaro, Spuccaforno) haben Aemter, Titel und
Orden zurückgegeben, und die Spannung zwiſchen Sicilianern und Nea-
politanern wird mit jedem Tage ſchlimmer. Rente 97¼. Eine An-
leihe iſt im Werke. Hr. della Valle ſoll von dem hiefigen Rothſchild,
welcher ſich zu compromittiren fürchtete, aber dennoch zu gewinnen hoffte,
an das Pariſer Haus gewieſen und dahin abgereist ſeyn. Fürſt
Schwarzenberg will Neapel verlaſſen. Jedermann geht ihm und den
Repräſentanten Rußlands, Frankreichs und leider auch Preußens (wel-
ches in Jtalien eine klägliche Rolle ſpielt) aus dem Wege. Buſſiéres
ſoll mit Serracapriola aufs engſte verbündet ſeyn. England über-
wacht alles.
∆ Rom, 8 März.
Die Worte welche Pius IX der Deputa-
tion wegen Ertheilung der Repräſentativverfaſſung erwiedert hat, lau-
ten folgendermaßen: „Die Ereigniſſe welche, man kann nicht ſagen
einander folgen, ſondern über einander ſtürzen, rechtfertigen hinrei-
chend die Bitte welche Sie, Hr. Senator, im Namen des Magiſtrats
und des Raths an mich geſtellt haben. Jedermann weiß daß ich un-
ermüdlich beſchäftigt bin dem Gouvernement diejenige Form zu geben
die Sie, meine Herren, erbitten, und welche die Völker verlangen;
aber jedermann kennt auch die große Schwierigkeit auf welche man
ſtößt, da es zwei große Würden in fich vereinigt. Das was bei ei-
nem weltlichen Gouvernement in einer Nacht vollbracht werden kann,
kann beim päpſtlichen Gouvernement nicht ohne reifliche Prüfung zu
Stande kommen, indem es gar ſehr ſchwierig iſt genau jene Linie
zu ziehen welche eine Gewalt von der andern trennen ſoll. Nichts-
deſtoweniger ſchmeichle ich mir in einigen Tagen nach vollbrachter
Arbeit im Stande zu ſeyn die neue Form des Gouvernements zu ver-
künden, welche zur Zuſriedenheit der Commune und mehr noch des
Senats ſeyn wird, der die Umſtände und die Lage des Landes näher
kennt. Gott ſegne dieſen Wunſch, dieſe meine Arbeit; und wenn
daraus der Religion ein Vortheil erwachſen ſollte, ſo will ich mich
zu Füßen des Cruciſires ſtellen und ihm für alle Ereigniſſe danken
die er zugelaſſen hat, und die mich mehr noch wie als Fürſten, als
Oberhaupt der geſammten Kirche freuen werden, wenn ſie zur grö-
ßern Ehre Gottes ausfallen. Wenn die Völker heutzutage
in verſchiedenen Gegenden außerordentliche Verlan-
gen (esigenze) zeigen; ſo iſt andererſeits auch wahr daß
zu Gunſten der Völker die väterlichen Sorgen vergeſ-
ſen worden ſind welche deren wahre Tugend hätten aus-
bilden ſollen, wenn daher die Folgen davon ſchlecht
ſeyn werden, ſo wird man nicht alle den Völkern zur
Laſt legen dürfen.“ Dieſer letzte ſehr bedeutungsvolle Satz fehlt
in den Abdrücken dieſer kurzen Rede, welche in Umlauf geſetzt wor-
den ſind. Ueber deren Aechtheit habe ich keinen Zweifel. Sie tragen
ganz das Gepräge des aufrichtigen Kirchenfürſten, der ſeine wahrhaft
liberale Geſinnung bei keiner Gelegenheit zu verläugnen vermag.
Welchen Eindruck dieſe Schlußworte namentlich in dem gegenwärtigen
Augenblick gemacht haben, können Sie ſich vorſtellen.
♀ Rom, 9 März.
Der Carneval iſt alſo wirklich im Dunkeln
begraben worden. Niemand ſcheint an die Ausführung dieſes Vor-
habens geglaubt zu haben. Dennoch hat keiner gewagt ein Licht an-
zuzünden, obwohl ſehr viele mit Wachsſtockbündeln verſehen waren.
Kleine Haufen junger Leute durchzogen den Corſo mit allerlei Vivat-
geſchrei. Die Civica, welche dieſen Tag in ſehr großer Anzahl ausge-
rückt war, blieb bis zum letzten Kanonenſchuß, mit welchem das
Straßenfeſt geſchloſſen wird, unter dem Gewehr. Von den gefürchte-
ten Unordnungen zeigte ſich nicht eine Spur. Verſchieden find die
Auslegungen welche dieſes charakterfeſte Benehmen des römiſchen
Volks erfahren hat. Die Aengſtlicheren, welche binnen vier Wochen
auch hier die Republik verkündigt zu ſehen fürchten, ſehen die Sache
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |