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Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Heer zu den Volksmassen übergetreten sey, seine Haltung war eine
ernste, traurige, halb beschämte. Es ist auch nicht auseinander gegan-
gen, es steht noch ganz unter seinen Officieren, seinen Fahnen. Jn
dieser Lage ist die Stellung des Heeres keine natürliche; es möchte sich
Luft machen, viele Generale athmen Krieg; es hofft daß in baldigen
europäischen Kämpfen sie wieder zu Macht, Ansehen und moralischem
Uebergewicht gelangen könnte. Aber die persönliche Gesinnung des
Hrn. v. Lamartine ist eine Gesinnung des Friedens, der ganze sich um
ihn gruppirende Anhang wünscht den Frieden. La Presse sogar drängt
auf wunderbare Art daß Frankreich entwaffne, damit Europa entwaffne;
höchstens modificirt sie ihre Sprache dahin daß ein europäischer Con-
greß als Friedenscongreß aller Mächte zu allmählicher Entwaffnung
der Heere und der Marinen, zur Erleichterung der Finanzen und Erhe-
bung der Jndustriegeschäfte so rasch als möglich zusammenkommen
möge, und fordert Hrn. v. Lamartine auf dieses Project in Anregung
zu bringen. Der National ist nicht dieser Meinung; er will ein starkes
kriegbereites Heer, er dringt in den Kriegsminister die getrübte Stim-
mung des Heeres rasch zu heben; nicht als ob der National den Krieg
begehre, nein, das find seine politischen Jnteressen nicht, er stützt die
provisorische Regierung und ist kein Gegner des Hrn. v. Lamartine.
Es gibt aber andere Geister, von denen die einen ein revolutionäres
Jnteresse haben an dem Krieg, denn sie athmen einen republicanischen
Propagandismus; das Königthum in Belgien, das Königthum in
Piemont ist ihnen ein Dorn im Auge. Dann sollte es Wunder neh-
men wenn der aller seiner sanguinischen Hoffnungen so rein entsetzte
Hr. Thiers nicht bald einmal wieder auftauchen sollte. Wie aber kann
er dieß anders als daß er in die Kriegsflamme bläst, denn das allein
ist sein eigentliches Thema bei der französischen Revolution: Admini-
stration und Krieg. Er wird sich ganz gewiß über kurz oder lang dem
ehrgeizigsten Theil der Nation und den bedeutenden Generalen in seinem
Kriegsthema anschließen! Diese Parteien schieben sich hin und her in
in den sonderbarsten Zügen; wer aber sitzt am Brett?

Spanien.

Gestern und vorgestern dauerte im Con-
greß die Verhandlung über den Gesetzentwurf, wodurch die Regie-
rung ermächtigt werden soll die constitutionellen Bürgschaften zu sus-
pendiren, und nöthigenfalls eine Anleihe von 200 Millionen Realen
aufzunehmen. Die Neugier des Publicums war höchlich erregt, weil
man erwartete die Exaltados würden einen revolutionären Ton anstim-
men. Als aber zu Anfang der vorgestrigen Sitzung der Conseilspräsi-
dent die Hiobsposten aus Paris ablas, die bis zum 25 Febr. reichten,
und dazu einige kurzgedrängte Berichte aus Bayonne vom 28 v. M.,
und als diese Zeitungen in der ganzen Deputirtenkammer den tiefsten
Eindruck hervorbrachten, da verdüsterten sich die Gesichter der Exaltados
von der Coalition welche den Espartero gestürzt; denn diese Menschen
fürchten daß, wenn die Revolution über Spanien fortschritte, sie als
ihre ersten Opfer fallen würden. So kam es daß Cortina, der erste
Redner welcher gegen die Autorisation sprach, dieß in anständigem Tone
that. Die übrigen Oppositionsredner beflissen sich gleicher Mäßigung.
Die Moderados ihrerseits, und besonders Martinez de la Rosa, schil-
derten mit lebhaften Farben die verderblichen Folgen eines Umsturzes
und die Nothwendigkeit einen solchen mit aller Vorsicht zu vermeiden.
Der letztgenannte Redner nannte dabei die Pariser Umwälzungsmän-
ner Parriciden der Freiheit, und deutete den Abgrund an welchem der
Fortschritt von der Revolution zur Republik und von der Republik zum
Communismus nothwendig entgegenführe, sowie er auch bei der Hin-
neigung der Republik zur Propaganda den Krieg als in naher Zukunft
unvermeidlich betrachtete. Um 8 Uhr Abends war endlich der Gesetz-
entwurf in seiner Gesammtheit angenommen, und gestern ging man an
die Einzelberathung. Die Exaltados stellten mehrere Amendements.
Die Marquis v. Torreorgaz und v. Albaida, die lächerlichen Bestand-
theile der Partei, erhoben sich für Aufrechthaltung der constitutionellen
Garantien, eiferten dabei, von der Frage abschweifend, gegen die Hei-
rath der Herzogin v. Montpensier, verlangten die Bildung einer Natio-
nalmiliz u. s. w. Die Moderados hielten es für das beste sich in keinen
erbitternden Wortstreit einzulassen, und die Gegenanträge der Exalta-
dos wurden stillschweigend verworfen. Dann redete Escosura im Na-
men der Progressisten, und zwar in anständiger Weise; Pidal aber ant-
wortete ihm in einer eloquenten und nachdrücklichen Rede, welche die
[Spaltenumbruch] Frage entschied. Pidal bewies den Exaltados daß sie in sich zerspalten
seyen, was sie selbst einräumten; und er machte sie aufmerksam daß, im
Fall einer Revolution in Spanien, sie größere Gefahr laufen würden
als die Moderados. In der That herrscht in der Eraltadospartei die
größte Zwietracht. Die meisten ihrer Journale tadeln das Benehmen
ihrer Deputirten auf das bitterste, und in ihren Versammlungen schmäht
und bedroht man sich gegenseitig. Für die Lage, worin Spanien sich
befindet, war es ohne Zweifel ein Glück daß die Umwälzung in Frank-
reich schneller ausgebrochen ist als ihre Urheber wünschen oder glauben
mochten; denn diese Plötzlichkeit hat hier jedermann erschreckt und stutzig
gemacht. Die Folge davon ist die vergleichsweise Ruhe und Mäßigung
in unseren Cortes, worüber man wirklich staunen muß: die Exaltados
in ihrer Mehrzahl sprechen und votiren offenbar mehr im Sinn eines
Compromisses als ihrer Ueberzeugung gemäß, weil sie ihre eigene Par-
tei fürchten, und Thiers' und Odilon-Barrots Beispiel vor Augen ha-
ben. -- Uebrigens ist Spanien ruhig. Bereits haben wir Nachrichten
aus Catalonien und Aragonien seitdem die Pariser Ereignisse daselbst
bekannt geworden. Auch in diesen Provinzen hat, wie in Madrid, die
fürchterliche Nachricht eher beruhigend als aufregend gewirkt. Zwar
schlafen unsere Revolutionäre nicht, sondern sie haben Aussendlinge nach
Barcelona, Saragossa und andern Punkten geschickt um zu sondiren ob
sich etwas unternehmen ließe; indessen die Regierung ist wachsam, das
Heer wohldisciplinirt, und die öffentliche Meinung jeder Unordnung
entgegen. -- Die Königin und die königliche Familie find von der Pa-
riser Katastrophe tief erschüttert. Isabelle äußerte vorgestern: "in
welcher Gefahr würde mein Thron seyn, wenn Salamanca oder Esco-
sura jetzt im Ministerium säßen!" So wird die große Lehre für Spanien
nicht verloren gehen.*)

Italien.

Zu der Symptomatologie von diesem
Morgen füge ich noch die Verhaftung mehrerer Confetti-Verkäufer durch
den Polizeicommissär De Simone hinzu. Man will mehrere Rotoli
vergifteter Confetti gefunden haben; die Aussagen der Verhafteten ha-
ben bereits die Festnehmung mehrerer Gendarmen nach sich gezogen,
und sogar von einer Vergiftung des Brunnen- und Cisternenwassers ist
die Rede. Außerdem ist abermals auf nächsten Sonntag ein Blutbad
angesagt. Die Staatszeitung prunkt mit der Bestrafung eines Gen-
darmen welcher das Volk beleidigt; heute heißt es, ein Nationalgardist
habe einen lästernden und Evviva Delcarreto scheinenden Gendarmen
erschossen und dgl. mehr. Kurz, die Sirenenstadt fängt an ein sehr un-
angenehmer Aufenthalt zu werden. Ich bitte Sie die Erklärung der 7
Minister welche ich im Original beilege, übersetzen zu lassen: sie wirft
ein, freilich immer noch nicht genügendes Licht auf die sicilische Frage.
Man fürchtet daß König Ferdinand II des "sublime incarico" die
Integrität des Territoriums stets unverletzt zu erhalten, verlustig ge-
hen könnte. Der König nahm das Entlassungsgesuch seiner Minister an.
Daß das Ministerium Serracapriola nichts mit Sicilien ausrichten
konnte, ist in der That sehr zu bedauern. Minto und Napier geben sich
ganz das Ansehen als ob sie den Sicilianern zürnen: keiner von beiden
will hinüberreisen und helsen. Wenn die Sicilianer am ersten Januar,
wie sogar englische Blätter schreiben, wirklich noch bereit waren Con-
cessionen dritten Grades anzunehmen, so begreift man den enormen
Trotz in der That eben so wenig wie die sieben Minister. Die letzten
Ereignisse in Messina find nicht günstig für die Sicilianer. Pronio
machte aus der Citadelle einen Einfall in die Stadt und drehte die
Sachlage vollständig um. Er hielt Straßen und Plätze mit Kanonen
besetzt und die Sicilianer befanden sich wiederum außerhalb der Stadt,
dennoch erklärte er nicht angreifen zu wollen, sobald man ihn nicht
angreife, weil er auf Frieden und endliche Beilegung der Streitfrage
hoffe, und zog sich in die Citadelle zurück. Nach Reggio wurden
Truppen vom 5ten Regiment abgeschickt, um die Verproviantirung
der k. Truppen in und vor Messina zu bewerkstelligen, wogegen die
calabresischen Sympathien mit Messina sich bis jetzt gesträubt hatten.
Unsere Zustände haben also wieder das kriegerische Ansehen vom
September gewonnen. Das Journal: Il Tempo, bringt eine unbe-
fangene Darstellung des jüngsten sicilischen Feldzugs von einem nea-

*) Einem Madrider Brief in der Times zufolge schickt die Königin-
Mutter ganze Wagenladungen werthvoller Habseligkeiten nach Cadiz zu
allfälliger Einschiffung nach England.

[Spaltenumbruch] Heer zu den Volksmaſſen übergetreten ſey, ſeine Haltung war eine
ernſte, traurige, halb beſchämte. Es iſt auch nicht auseinander gegan-
gen, es ſteht noch ganz unter ſeinen Officieren, ſeinen Fahnen. Jn
dieſer Lage iſt die Stellung des Heeres keine natürliche; es möchte ſich
Luft machen, viele Generale athmen Krieg; es hofft daß in baldigen
europäiſchen Kämpfen ſie wieder zu Macht, Anſehen und moraliſchem
Uebergewicht gelangen könnte. Aber die perſönliche Geſinnung des
Hrn. v. Lamartine iſt eine Geſinnung des Friedens, der ganze ſich um
ihn gruppirende Anhang wünſcht den Frieden. La Preſſe ſogar drängt
auf wunderbare Art daß Frankreich entwaffne, damit Europa entwaffne;
höchſtens modificirt ſie ihre Sprache dahin daß ein europäiſcher Con-
greß als Friedenscongreß aller Mächte zu allmählicher Entwaffnung
der Heere und der Marinen, zur Erleichterung der Finanzen und Erhe-
bung der Jnduſtriegeſchäfte ſo raſch als möglich zuſammenkommen
möge, und fordert Hrn. v. Lamartine auf dieſes Project in Anregung
zu bringen. Der National iſt nicht dieſer Meinung; er will ein ſtarkes
kriegbereites Heer, er dringt in den Kriegsminiſter die getrübte Stim-
mung des Heeres raſch zu heben; nicht als ob der National den Krieg
begehre, nein, das find ſeine politiſchen Jntereſſen nicht, er ſtützt die
proviſoriſche Regierung und iſt kein Gegner des Hrn. v. Lamartine.
Es gibt aber andere Geiſter, von denen die einen ein revolutionäres
Jntereſſe haben an dem Krieg, denn ſie athmen einen republicaniſchen
Propagandismus; das Königthum in Belgien, das Königthum in
Piemont iſt ihnen ein Dorn im Auge. Dann ſollte es Wunder neh-
men wenn der aller ſeiner ſanguiniſchen Hoffnungen ſo rein entſetzte
Hr. Thiers nicht bald einmal wieder auftauchen ſollte. Wie aber kann
er dieß anders als daß er in die Kriegsflamme bläst, denn das allein
iſt ſein eigentliches Thema bei der franzöſiſchen Revolution: Admini-
ſtration und Krieg. Er wird ſich ganz gewiß über kurz oder lang dem
ehrgeizigſten Theil der Nation und den bedeutenden Generalen in ſeinem
Kriegsthema anſchließen! Dieſe Parteien ſchieben ſich hin und her in
in den ſonderbarſten Zügen; wer aber ſitzt am Brett?

Spanien.

Geſtern und vorgeſtern dauerte im Con-
greß die Verhandlung über den Geſetzentwurf, wodurch die Regie-
rung ermächtigt werden ſoll die conſtitutionellen Bürgſchaften zu ſus-
pendiren, und nöthigenfalls eine Anleihe von 200 Millionen Realen
aufzunehmen. Die Neugier des Publicums war höchlich erregt, weil
man erwartete die Exaltados würden einen revolutionären Ton anſtim-
men. Als aber zu Anfang der vorgeſtrigen Sitzung der Conſeilspräſi-
dent die Hiobspoſten aus Paris ablas, die bis zum 25 Febr. reichten,
und dazu einige kurzgedrängte Berichte aus Bayonne vom 28 v. M.,
und als dieſe Zeitungen in der ganzen Deputirtenkammer den tiefſten
Eindruck hervorbrachten, da verdüſterten ſich die Geſichter der Exaltados
von der Coalition welche den Eſpartero geſtürzt; denn dieſe Menſchen
fürchten daß, wenn die Revolution über Spanien fortſchritte, ſie als
ihre erſten Opfer fallen würden. So kam es daß Cortina, der erſte
Redner welcher gegen die Autoriſation ſprach, dieß in anſtändigem Tone
that. Die übrigen Oppoſitionsredner befliſſen ſich gleicher Mäßigung.
Die Moderados ihrerſeits, und beſonders Martinez de la Roſa, ſchil-
derten mit lebhaften Farben die verderblichen Folgen eines Umſturzes
und die Nothwendigkeit einen ſolchen mit aller Vorſicht zu vermeiden.
Der letztgenannte Redner nannte dabei die Pariſer Umwälzungsmän-
ner Parriciden der Freiheit, und deutete den Abgrund an welchem der
Fortſchritt von der Revolution zur Republik und von der Republik zum
Communismus nothwendig entgegenführe, ſowie er auch bei der Hin-
neigung der Republik zur Propaganda den Krieg als in naher Zukunft
unvermeidlich betrachtete. Um 8 Uhr Abends war endlich der Geſetz-
entwurf in ſeiner Geſammtheit angenommen, und geſtern ging man an
die Einzelberathung. Die Exaltados ſtellten mehrere Amendements.
Die Marquis v. Torreorgaz und v. Albaida, die lächerlichen Beſtand-
theile der Partei, erhoben ſich für Aufrechthaltung der conſtitutionellen
Garantien, eiferten dabei, von der Frage abſchweifend, gegen die Hei-
rath der Herzogin v. Montpenſier, verlangten die Bildung einer Natio-
nalmiliz u. ſ. w. Die Moderados hielten es für das beſte ſich in keinen
erbitternden Wortſtreit einzulaſſen, und die Gegenanträge der Exalta-
dos wurden ſtillſchweigend verworfen. Dann redete Eſcoſura im Na-
men der Progreſſiſten, und zwar in anſtändiger Weiſe; Pidal aber ant-
wortete ihm in einer eloquenten und nachdrücklichen Rede, welche die
[Spaltenumbruch] Frage entſchied. Pidal bewies den Exaltados daß ſie in ſich zerſpalten
ſeyen, was ſie ſelbſt einräumten; und er machte ſie aufmerkſam daß, im
Fall einer Revolution in Spanien, ſie größere Gefahr laufen würden
als die Moderados. In der That herrſcht in der Eraltadospartei die
größte Zwietracht. Die meiſten ihrer Journale tadeln das Benehmen
ihrer Deputirten auf das bitterſte, und in ihren Verſammlungen ſchmäht
und bedroht man ſich gegenſeitig. Für die Lage, worin Spanien ſich
befindet, war es ohne Zweifel ein Glück daß die Umwälzung in Frank-
reich ſchneller ausgebrochen iſt als ihre Urheber wünſchen oder glauben
mochten; denn dieſe Plötzlichkeit hat hier jedermann erſchreckt und ſtutzig
gemacht. Die Folge davon iſt die vergleichsweiſe Ruhe und Mäßigung
in unſeren Cortes, worüber man wirklich ſtaunen muß: die Exaltados
in ihrer Mehrzahl ſprechen und votiren offenbar mehr im Sinn eines
Compromiſſes als ihrer Ueberzeugung gemäß, weil ſie ihre eigene Par-
tei fürchten, und Thiers’ und Odilon-Barrots Beiſpiel vor Augen ha-
ben. — Uebrigens iſt Spanien ruhig. Bereits haben wir Nachrichten
aus Catalonien und Aragonien ſeitdem die Pariſer Ereigniſſe daſelbſt
bekannt geworden. Auch in dieſen Provinzen hat, wie in Madrid, die
fürchterliche Nachricht eher beruhigend als aufregend gewirkt. Zwar
ſchlafen unſere Revolutionäre nicht, ſondern ſie haben Ausſendlinge nach
Barcelona, Saragoſſa und andern Punkten geſchickt um zu ſondiren ob
ſich etwas unternehmen ließe; indeſſen die Regierung iſt wachſam, das
Heer wohldisciplinirt, und die öffentliche Meinung jeder Unordnung
entgegen. — Die Königin und die königliche Familie find von der Pa-
riſer Kataſtrophe tief erſchüttert. Iſabelle äußerte vorgeſtern: „in
welcher Gefahr würde mein Thron ſeyn, wenn Salamanca oder Eſco-
ſura jetzt im Miniſterium ſäßen!“ So wird die große Lehre für Spanien
nicht verloren gehen.*)

Italien.

Zu der Symptomatologie von dieſem
Morgen füge ich noch die Verhaftung mehrerer Confetti-Verkäufer durch
den Polizeicommiſſär De Simone hinzu. Man will mehrere Rotoli
vergifteter Confetti gefunden haben; die Ausſagen der Verhafteten ha-
ben bereits die Feſtnehmung mehrerer Gendarmen nach ſich gezogen,
und ſogar von einer Vergiftung des Brunnen- und Ciſternenwaſſers iſt
die Rede. Außerdem iſt abermals auf nächſten Sonntag ein Blutbad
angeſagt. Die Staatszeitung prunkt mit der Beſtrafung eines Gen-
darmen welcher das Volk beleidigt; heute heißt es, ein Nationalgardiſt
habe einen läſternden und Evviva Delcarreto ſcheinenden Gendarmen
erſchoſſen und dgl. mehr. Kurz, die Sirenenſtadt fängt an ein ſehr un-
angenehmer Aufenthalt zu werden. Ich bitte Sie die Erklärung der 7
Miniſter welche ich im Original beilege, überſetzen zu laſſen: ſie wirft
ein, freilich immer noch nicht genügendes Licht auf die ſiciliſche Frage.
Man fürchtet daß König Ferdinand II des „sublime incarico“ die
Integrität des Territoriums ſtets unverletzt zu erhalten, verluſtig ge-
hen könnte. Der König nahm das Entlaſſungsgeſuch ſeiner Miniſter an.
Daß das Miniſterium Serracapriola nichts mit Sicilien ausrichten
konnte, iſt in der That ſehr zu bedauern. Minto und Napier geben ſich
ganz das Anſehen als ob ſie den Sicilianern zürnen: keiner von beiden
will hinüberreiſen und helſen. Wenn die Sicilianer am erſten Januar,
wie ſogar engliſche Blätter ſchreiben, wirklich noch bereit waren Con-
ceſſionen dritten Grades anzunehmen, ſo begreift man den enormen
Trotz in der That eben ſo wenig wie die ſieben Miniſter. Die letzten
Ereigniſſe in Meſſina find nicht günſtig für die Sicilianer. Pronio
machte aus der Citadelle einen Einfall in die Stadt und drehte die
Sachlage vollſtändig um. Er hielt Straßen und Plätze mit Kanonen
beſetzt und die Sicilianer befanden ſich wiederum außerhalb der Stadt,
dennoch erklärte er nicht angreifen zu wollen, ſobald man ihn nicht
angreife, weil er auf Frieden und endliche Beilegung der Streitfrage
hoffe, und zog ſich in die Citadelle zurück. Nach Reggio wurden
Truppen vom 5ten Regiment abgeſchickt, um die Verproviantirung
der k. Truppen in und vor Meſſina zu bewerkſtelligen, wogegen die
calabreſiſchen Sympathien mit Meſſina ſich bis jetzt geſträubt hatten.
Unſere Zuſtände haben alſo wieder das kriegeriſche Anſehen vom
September gewonnen. Das Journal: Il Tempo, bringt eine unbe-
fangene Darſtellung des jüngſten ſiciliſchen Feldzugs von einem nea-

*) Einem Madrider Brief in der Times zufolge ſchickt die Königin-
Mutter ganze Wagenladungen werthvoller Habſeligkeiten nach Cadiz zu
allfälliger Einſchiffung nach England.
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[[1245]/0013] Heer zu den Volksmaſſen übergetreten ſey, ſeine Haltung war eine ernſte, traurige, halb beſchämte. Es iſt auch nicht auseinander gegan- gen, es ſteht noch ganz unter ſeinen Officieren, ſeinen Fahnen. Jn dieſer Lage iſt die Stellung des Heeres keine natürliche; es möchte ſich Luft machen, viele Generale athmen Krieg; es hofft daß in baldigen europäiſchen Kämpfen ſie wieder zu Macht, Anſehen und moraliſchem Uebergewicht gelangen könnte. Aber die perſönliche Geſinnung des Hrn. v. Lamartine iſt eine Geſinnung des Friedens, der ganze ſich um ihn gruppirende Anhang wünſcht den Frieden. La Preſſe ſogar drängt auf wunderbare Art daß Frankreich entwaffne, damit Europa entwaffne; höchſtens modificirt ſie ihre Sprache dahin daß ein europäiſcher Con- greß als Friedenscongreß aller Mächte zu allmählicher Entwaffnung der Heere und der Marinen, zur Erleichterung der Finanzen und Erhe- bung der Jnduſtriegeſchäfte ſo raſch als möglich zuſammenkommen möge, und fordert Hrn. v. 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Er wird ſich ganz gewiß über kurz oder lang dem ehrgeizigſten Theil der Nation und den bedeutenden Generalen in ſeinem Kriegsthema anſchließen! Dieſe Parteien ſchieben ſich hin und her in in den ſonderbarſten Zügen; wer aber ſitzt am Brett? Spanien. * Madrid, 3 März. Geſtern und vorgeſtern dauerte im Con- greß die Verhandlung über den Geſetzentwurf, wodurch die Regie- rung ermächtigt werden ſoll die conſtitutionellen Bürgſchaften zu ſus- pendiren, und nöthigenfalls eine Anleihe von 200 Millionen Realen aufzunehmen. Die Neugier des Publicums war höchlich erregt, weil man erwartete die Exaltados würden einen revolutionären Ton anſtim- men. Als aber zu Anfang der vorgeſtrigen Sitzung der Conſeilspräſi- dent die Hiobspoſten aus Paris ablas, die bis zum 25 Febr. reichten, und dazu einige kurzgedrängte Berichte aus Bayonne vom 28 v. M., und als dieſe Zeitungen in der ganzen Deputirtenkammer den tiefſten Eindruck hervorbrachten, da verdüſterten ſich die Geſichter der Exaltados von der Coalition welche den Eſpartero geſtürzt; denn dieſe Menſchen fürchten daß, wenn die Revolution über Spanien fortſchritte, ſie als ihre erſten Opfer fallen würden. So kam es daß Cortina, der erſte Redner welcher gegen die Autoriſation ſprach, dieß in anſtändigem Tone that. Die übrigen Oppoſitionsredner befliſſen ſich gleicher Mäßigung. Die Moderados ihrerſeits, und beſonders Martinez de la Roſa, ſchil- derten mit lebhaften Farben die verderblichen Folgen eines Umſturzes und die Nothwendigkeit einen ſolchen mit aller Vorſicht zu vermeiden. Der letztgenannte Redner nannte dabei die Pariſer Umwälzungsmän- ner Parriciden der Freiheit, und deutete den Abgrund an welchem der Fortſchritt von der Revolution zur Republik und von der Republik zum Communismus nothwendig entgegenführe, ſowie er auch bei der Hin- neigung der Republik zur Propaganda den Krieg als in naher Zukunft unvermeidlich betrachtete. Um 8 Uhr Abends war endlich der Geſetz- entwurf in ſeiner Geſammtheit angenommen, und geſtern ging man an die Einzelberathung. Die Exaltados ſtellten mehrere Amendements. Die Marquis v. Torreorgaz und v. Albaida, die lächerlichen Beſtand- theile der Partei, erhoben ſich für Aufrechthaltung der conſtitutionellen Garantien, eiferten dabei, von der Frage abſchweifend, gegen die Hei- rath der Herzogin v. Montpenſier, verlangten die Bildung einer Natio- nalmiliz u. ſ. w. Die Moderados hielten es für das beſte ſich in keinen erbitternden Wortſtreit einzulaſſen, und die Gegenanträge der Exalta- dos wurden ſtillſchweigend verworfen. Dann redete Eſcoſura im Na- men der Progreſſiſten, und zwar in anſtändiger Weiſe; Pidal aber ant- wortete ihm in einer eloquenten und nachdrücklichen Rede, welche die Frage entſchied. Pidal bewies den Exaltados daß ſie in ſich zerſpalten ſeyen, was ſie ſelbſt einräumten; und er machte ſie aufmerkſam daß, im Fall einer Revolution in Spanien, ſie größere Gefahr laufen würden als die Moderados. In der That herrſcht in der Eraltadospartei die größte Zwietracht. Die meiſten ihrer Journale tadeln das Benehmen ihrer Deputirten auf das bitterſte, und in ihren Verſammlungen ſchmäht und bedroht man ſich gegenſeitig. Für die Lage, worin Spanien ſich befindet, war es ohne Zweifel ein Glück daß die Umwälzung in Frank- reich ſchneller ausgebrochen iſt als ihre Urheber wünſchen oder glauben mochten; denn dieſe Plötzlichkeit hat hier jedermann erſchreckt und ſtutzig gemacht. Die Folge davon iſt die vergleichsweiſe Ruhe und Mäßigung in unſeren Cortes, worüber man wirklich ſtaunen muß: die Exaltados in ihrer Mehrzahl ſprechen und votiren offenbar mehr im Sinn eines Compromiſſes als ihrer Ueberzeugung gemäß, weil ſie ihre eigene Par- tei fürchten, und Thiers’ und Odilon-Barrots Beiſpiel vor Augen ha- ben. — Uebrigens iſt Spanien ruhig. Bereits haben wir Nachrichten aus Catalonien und Aragonien ſeitdem die Pariſer Ereigniſſe daſelbſt bekannt geworden. Auch in dieſen Provinzen hat, wie in Madrid, die fürchterliche Nachricht eher beruhigend als aufregend gewirkt. Zwar ſchlafen unſere Revolutionäre nicht, ſondern ſie haben Ausſendlinge nach Barcelona, Saragoſſa und andern Punkten geſchickt um zu ſondiren ob ſich etwas unternehmen ließe; indeſſen die Regierung iſt wachſam, das Heer wohldisciplinirt, und die öffentliche Meinung jeder Unordnung entgegen. — Die Königin und die königliche Familie find von der Pa- riſer Kataſtrophe tief erſchüttert. Iſabelle äußerte vorgeſtern: „in welcher Gefahr würde mein Thron ſeyn, wenn Salamanca oder Eſco- ſura jetzt im Miniſterium ſäßen!“ So wird die große Lehre für Spanien nicht verloren gehen. *) Italien. ** Neapel, 3 März. Abends. Zu der Symptomatologie von dieſem Morgen füge ich noch die Verhaftung mehrerer Confetti-Verkäufer durch den Polizeicommiſſär De Simone hinzu. Man will mehrere Rotoli vergifteter Confetti gefunden haben; die Ausſagen der Verhafteten ha- ben bereits die Feſtnehmung mehrerer Gendarmen nach ſich gezogen, und ſogar von einer Vergiftung des Brunnen- und Ciſternenwaſſers iſt die Rede. Außerdem iſt abermals auf nächſten Sonntag ein Blutbad angeſagt. Die Staatszeitung prunkt mit der Beſtrafung eines Gen- darmen welcher das Volk beleidigt; heute heißt es, ein Nationalgardiſt habe einen läſternden und Evviva Delcarreto ſcheinenden Gendarmen erſchoſſen und dgl. mehr. Kurz, die Sirenenſtadt fängt an ein ſehr un- angenehmer Aufenthalt zu werden. Ich bitte Sie die Erklärung der 7 Miniſter welche ich im Original beilege, überſetzen zu laſſen: ſie wirft ein, freilich immer noch nicht genügendes Licht auf die ſiciliſche Frage. Man fürchtet daß König Ferdinand II des „sublime incarico“ die Integrität des Territoriums ſtets unverletzt zu erhalten, verluſtig ge- hen könnte. Der König nahm das Entlaſſungsgeſuch ſeiner Miniſter an. Daß das Miniſterium Serracapriola nichts mit Sicilien ausrichten konnte, iſt in der That ſehr zu bedauern. Minto und Napier geben ſich ganz das Anſehen als ob ſie den Sicilianern zürnen: keiner von beiden will hinüberreiſen und helſen. Wenn die Sicilianer am erſten Januar, wie ſogar engliſche Blätter ſchreiben, wirklich noch bereit waren Con- ceſſionen dritten Grades anzunehmen, ſo begreift man den enormen Trotz in der That eben ſo wenig wie die ſieben Miniſter. Die letzten Ereigniſſe in Meſſina find nicht günſtig für die Sicilianer. Pronio machte aus der Citadelle einen Einfall in die Stadt und drehte die Sachlage vollſtändig um. Er hielt Straßen und Plätze mit Kanonen beſetzt und die Sicilianer befanden ſich wiederum außerhalb der Stadt, dennoch erklärte er nicht angreifen zu wollen, ſobald man ihn nicht angreife, weil er auf Frieden und endliche Beilegung der Streitfrage hoffe, und zog ſich in die Citadelle zurück. Nach Reggio wurden Truppen vom 5ten Regiment abgeſchickt, um die Verproviantirung der k. Truppen in und vor Meſſina zu bewerkſtelligen, wogegen die calabreſiſchen Sympathien mit Meſſina ſich bis jetzt geſträubt hatten. Unſere Zuſtände haben alſo wieder das kriegeriſche Anſehen vom September gewonnen. Das Journal: Il Tempo, bringt eine unbe- fangene Darſtellung des jüngſten ſiciliſchen Feldzugs von einem nea- *) Einem Madrider Brief in der Times zufolge ſchickt die Königin- Mutter ganze Wagenladungen werthvoller Habſeligkeiten nach Cadiz zu allfälliger Einſchiffung nach England.

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 78, 18. März 1848, S. [1245]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine78_1848/13>, abgerufen am 24.11.2024.