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Allgemeine Zeitung, Nr. 80, 20. März 1848.

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[Spaltenumbruch] vertriebenen Franzosenkönigs geschrieben wäre, so möchte in ihr stehen
daß diese neue Freundschaft zwischen Ost und West ein Bündniß zum
Verderben Deutschlands war, und möge jetzt Rußland noch so ent-
schieden die Republik principiell hassen -- der Tag wird schwerlich aus-
bleiben, da Republik und absolute Monarchie erst geheim, dann offen
gegen Deutschland wirken.



Die Stellung der Militärbeamten in Bayern.

||| Den Militärbeamten -- man bezeichnet mit dieser allgemeinen Be-
nennung zunächst das Justiz-, das ärztliche und das Verwaltungs-
personal unserer Armee -- ist eine Stellung angewiesen die an sich und
den Officieren der Linie gegenüber nicht mehr haltbar ist, die den An-
forderungen der Zeit nicht genügt, und die, wie so manches andere Pro-
blem, vielleicht schon in dem königlichen Geschenke vom 6 März eine
glückliche Lösung gefunden hat. Vor nicht gar langer Zeit öffentlich --
von gewissen Seiten sogar mit Erbitterung besprochen, dürfte die Sache
gleichwohl gerade jetzt noch einer kurzen Beleuchtung unterstellt werden,
gerade jetzt weil die allgemeine freudige Erregung keinen Raum für
Gehässigkeit läßt, und weil Spaltungen und eintrachtstörender Kasten-
geist nicht sorgfältig genug aus einer Armee entfernt werden können
die eben berufen seyn dürfte schlagfertig an der Gränze sich aufzustellen.
Schon ihr äußeres Erscheinen weist dem Militärbeamten eine secundäre
-- wir möchten fast sagen demüthigende Stellung an. Von den jüng-
sten Bestimmungen über Equipirung und Bewaffnung, von der Einfüh-
rung mehrfacher Neuerungen und Abänderungen der Uniformen wurden
sie, die Parias des Heeres, stillschweigend ausgeschlossen. Die Epau-
lette -- erst vor kurzem auch dem Junker bewilligt -- ist den Militär-
beamten aller Grade nicht gestattet, ihre Bewaffnung blieb dieselbe als
den Officieren neue zweckmäßige Säbel gegeben wurden, selbst den Grad-
auszeichnungen hat man mit ängstlicher Kleinlichkeit den Stempel der
Ausscheidung aufgedrückt. Warum aber dieses hartnäckige Festhalten
einer subtilen Ausscheidung zwischen Fechtenden und Nichtfechtenden?
Warum durch diese Ueberbleibsel aristokratischer Traditionen einen
Stand verletzen der ebenso wie der Officiersstand selbst hingewiesen ist
auf die Gesetze der Ehre? Wir glauben keineswegs daß der Militärbe-
amte auf äußere Prärogative um ihrer selbst willen einen Werth lege.
Allein in einem Stande wo eben das Aeußere so schwer in der Wagschale
liegt muß nothwendig die äußere Gleichstellung der innern, wesentlichern
vorangehen. Und diese Gleichstellung, ohne Opfer für den Staat wie
ohne Verletzung der Rechte Einzelner -- wir erwarten sie von der gegen-
wärtigen emancipirenden Epoche. Wir erwarten sie vor allem von der
freundlichen Gesinnung und der Weisheit unseres Königs, der nicht län-
ger eine ganze Classe seiner treuen Diener dieser drückenden, das Ehr-
gefühl ertödtenden Halbheit überlassen, der auch nach dieser Seite das
Vertrauen erwiedern, rechtfertigen wird.



Italien.

Die constitutionellen Vorarbeiten sind dem
heiligen Vater nach erfolgtem Abschluß vorgelegt worden, und er hat
bereits heute ein Consistorium zusammenberufen welches davon Einsicht
nehmen und nächsten Montag sich aufs neue versammeln soll. Un-
mittelbar darnach wird zur Veröffentlichung der Verfassung geschritten
werden, mit welcher nach Mons. Gazola die dritte und vielleicht glor-
reichste Epoche des Papstthums beginnen wird. Die zweite, deren
Anfang er mit Sixtus V ansetzt und welche mit Gregor XVI schließt,
steht er nicht an die am wenigsten glückliche zu nennen. -- D. Nero
Corsini, welcher als außerordentlicher Gesandter von dem Großherzog
von Toscana hierher gesandt war, ist unmittelbar nach seiner Audienz
bei Plus IX nach Neapel abgereist um den italienischen Fürstenbund
möglichst rasch zum Abschluß zu bringen. -- Der bisherige neapolita-
nische Gesandte am heiligen Stuhl Graf Ludolph ist von diesem Posten
abberufen worden. Sein Nachfolger ist mit Gewißheit noch nicht be-
kannt. -- Auch der Veröffentlichung des neuen Ministeriums steht man
mit Erwartung entgegen. Cardinal Bofondi wird wohl bleiben. Alles
was man ihm zur Last legt, besteht in dem von ihm ganz unab-
hängigen Umstand daß sein Diener ihn bei Eintreffen einer Staffette
nicht hat wecken wollen. Dagegen wird behauptet daß Mons. Mo-
richini von seinem Posten nicht weichen wolle. Vor vier Wochen habe
er seine Entlassung gefordert, damals habe man sie ihm nicht geben
[Spaltenumbruch] wollen, verlangen werde er sie jetzt nicht. Dieß aber ist die hier üb-
liche Form der Abberufung. -- Der Fürst D. Alessandro Torlonia hat zu
Errichtung einer Druckerei, welche die Verbreitung nützlicher Volks-
bücher zum Zwecke hat, für 8500 Scudi Actien genommen und auf
den ihm dadurch zustehenden Einfluß verzichtet. Er sammelt eben Kohlen
auf das Haupt seiner Mitbürger.


Das neue Ministerium ist nun endlich
zu Stande gekommen, und so ausgefallen wie die Reformpartei es
nur immer hat wünschen können. Mit Ausnahme des Cardinal-Staats-
secretärs sind nur zwei Geistliche in demselben geblieben: Cardinal
Mezzofanti behält den öffentlichen Unterricht, wogegen sich allerdings
schon gestern Stimmen haben vernehmen lassen, und Mons. Mori-
chini, der bisher Pro-Tesoriere war, ist nun definitiv zum Schatz-
meister ernannt worden. Letzteres hört man nur billigen, da er sich
mit vielen Opfern von Zeit und Mühe erst vor kurzem in diesen
Geschäftszweig eingearbeitet hat und überall nur Ernst und Eifer
hat blicken lassen um den Anforderungen der Zeit zu genügen. Zum
Staatssecretär nun ist jetzt Card. Antonelli, der bisherige Präsident
des Staats-Consulta, ernannt worden. Die Wahl findet vollkommenen
Veifall. Er ist ein ganzer, ein gewissenhafter und ein weiser Ge-
schäftsmann. Zum Minister des Innern ist Gaetano Recchi ernannt
worden. Sturbinetti, der bisher die öffentlichen Arbeiten unter sich
hatte, ist zum Ministerium der Gnade und Gerechtigkeit versetzt. An
seine Stelle tritt Marco Minghetti. Die Verwaltung des Polizei-
ministeriums ist dem Advocaten Galletti aus Bologna anvertraut wor-
den. Das Handelsministerium behält Pasolini bei, und die Kriegs-
verwaltung hat Prinz Aldobrandini, wie man sagt gegen seinen Willen
und trotz seiner Zaghaftigkeit, übernehmen müssen. Jetzt hat der
Fortschritt keine Entschuldigung mehr wenn es schlecht geht wie
bisher. Alle Mittel sich die Sache zeitgemäß herzurichten hat er
in die Hände bekommen. Einen fähigern und redlichern Staats-
mann wie Antonelli dürfte man schwerlich ausfindig oder namhaft
zu machen wissen. Alle andern, mit Ausnahme Mezzofanti's, dessen
Sprachgeläufigkeit allerdings keine Garantien für die Leitung des
öffentlichen Unterrichts darbietet, sind Männer des Tags und des
Vertrauens, oder wenigstens der Volksmeinung und den Volks-
wünschen zugänglich.


Nach-
richten von allen Theilen Toscana's die ich erhalte zeugen wieder von
der steigenden Aufregung gegen Deutsche. Barbarische Mißhandlungen
gegen einzelne Reisende die man für Oesterreicher hält kommen vor,
wie z. B. kürzlich in Pistoja. Seit der Publication des Standrechts
in der Lombardei entbrennt die Wuth gegen Oesterreich von neuem,
und jeder Augenblick kann die Bewegung in Toscana und in der
Romagna gegen Modena und Parma aggressiv machen. Die Profes-
soren in Pisa halten statt wissenschaftlicher politische Discurse. So liegt
eine einleitende Vorlesung von einem berühmten Professor der Physik
vor mir, in welcher geradezu ausgesprochen ist daß es besser sey ein
paar solche kleine Staaten (wie Parma und Modena) zu zerstören als
dieselben als Bollwerke für Oesterreichs Herrschaft stehen zu lassen.
Die fremden Deutschen haben sich von Pisa weg meist nach Florenz
gezogen, wo sie sich für sicherer halten, weniger durch den Schutz der
schwachen Regierung als durch die natürliche Gastlichkeit und Urbanität
der Bewohner. Höchst merkwürdig sind die mannichfachen religiösen
Fermente, die nothwendig auf den ganzen Zustand der katholischen Kirche
in Italien einwirken und eine allmähliche Zersetzung derselben bewirken
müssen. Ein protestantisches Consistorium hat sich constituirt und ist
vom Großherzog freundlich empfangen worden. Eine wenn auch nur
kleine, aber durch Jntelligenz ausgezeichnete Anzahl von Männern hat
sich der protestantischen Gemeinde angeschlossen und steht, was be-
sonders merkwürdig ist, auf kirchlich gläubigem Standpunkt. Die zahl-
reichen Engländer, die reformirten Schweizer haben hier seit Jahren
Proselyten gemacht, die nun frei mit ihren Bekenntnissen hervortreten.
Jch will die Namen nicht nennen, Sie würden sich aber wundern welche
aus dem ältesten florentinischen Adel und Verwandte der höchsten, selbst
jesuitisch gefinnter Würdenträger der katholischen Kirche darunter zu
finden. Seit Jahren schon bestehen in Livorno, Pisa, Florenz Ehen
zwischen katholischen Toscanern und deutschen und englischen Pro-
testantinnen, wenn auch in geringer Zahl. Als auffallendes Beispiel
der Toleranz kann Ihnen folgendes dienen. Ein Mönch der vor einigen

[Spaltenumbruch] vertriebenen Franzoſenkönigs geſchrieben wäre, ſo möchte in ihr ſtehen
daß dieſe neue Freundſchaft zwiſchen Oſt und Weſt ein Bündniß zum
Verderben Deutſchlands war, und möge jetzt Rußland noch ſo ent-
ſchieden die Republik principiell haſſen — der Tag wird ſchwerlich aus-
bleiben, da Republik und abſolute Monarchie erſt geheim, dann offen
gegen Deutſchland wirken.



Die Stellung der Militärbeamten in Bayern.

||| Den Militärbeamten — man bezeichnet mit dieſer allgemeinen Be-
nennung zunächſt das Juſtiz-, das ärztliche und das Verwaltungs-
perſonal unſerer Armee — iſt eine Stellung angewieſen die an ſich und
den Officieren der Linie gegenüber nicht mehr haltbar iſt, die den An-
forderungen der Zeit nicht genügt, und die, wie ſo manches andere Pro-
blem, vielleicht ſchon in dem königlichen Geſchenke vom 6 März eine
glückliche Löſung gefunden hat. Vor nicht gar langer Zeit öffentlich —
von gewiſſen Seiten ſogar mit Erbitterung beſprochen, dürfte die Sache
gleichwohl gerade jetzt noch einer kurzen Beleuchtung unterſtellt werden,
gerade jetzt weil die allgemeine freudige Erregung keinen Raum für
Gehäſſigkeit läßt, und weil Spaltungen und eintrachtſtörender Kaſten-
geiſt nicht ſorgfältig genug aus einer Armee entfernt werden können
die eben berufen ſeyn dürfte ſchlagfertig an der Gränze ſich aufzuſtellen.
Schon ihr äußeres Erſcheinen weist dem Militärbeamten eine ſecundäre
— wir möchten faſt ſagen demüthigende Stellung an. Von den jüng-
ſten Beſtimmungen über Equipirung und Bewaffnung, von der Einfüh-
rung mehrfacher Neuerungen und Abänderungen der Uniformen wurden
ſie, die Parias des Heeres, ſtillſchweigend ausgeſchloſſen. Die Epau-
lette — erſt vor kurzem auch dem Junker bewilligt — iſt den Militär-
beamten aller Grade nicht geſtattet, ihre Bewaffnung blieb dieſelbe als
den Officieren neue zweckmäßige Säbel gegeben wurden, ſelbſt den Grad-
auszeichnungen hat man mit ängſtlicher Kleinlichkeit den Stempel der
Ausſcheidung aufgedrückt. Warum aber dieſes hartnäckige Feſthalten
einer ſubtilen Ausſcheidung zwiſchen Fechtenden und Nichtfechtenden?
Warum durch dieſe Ueberbleibſel ariſtokratiſcher Traditionen einen
Stand verletzen der ebenſo wie der Officiersſtand ſelbſt hingewieſen iſt
auf die Geſetze der Ehre? Wir glauben keineswegs daß der Militärbe-
amte auf äußere Prärogative um ihrer ſelbſt willen einen Werth lege.
Allein in einem Stande wo eben das Aeußere ſo ſchwer in der Wagſchale
liegt muß nothwendig die äußere Gleichſtellung der innern, weſentlichern
vorangehen. Und dieſe Gleichſtellung, ohne Opfer für den Staat wie
ohne Verletzung der Rechte Einzelner — wir erwarten ſie von der gegen-
wärtigen emancipirenden Epoche. Wir erwarten ſie vor allem von der
freundlichen Geſinnung und der Weisheit unſeres Königs, der nicht län-
ger eine ganze Claſſe ſeiner treuen Diener dieſer drückenden, das Ehr-
gefühl ertödtenden Halbheit überlaſſen, der auch nach dieſer Seite das
Vertrauen erwiedern, rechtfertigen wird.



Italien.

Die conſtitutionellen Vorarbeiten ſind dem
heiligen Vater nach erfolgtem Abſchluß vorgelegt worden, und er hat
bereits heute ein Conſiſtorium zuſammenberufen welches davon Einſicht
nehmen und nächſten Montag ſich aufs neue verſammeln ſoll. Un-
mittelbar darnach wird zur Veröffentlichung der Verfaſſung geſchritten
werden, mit welcher nach Monſ. Gazola die dritte und vielleicht glor-
reichſte Epoche des Papſtthums beginnen wird. Die zweite, deren
Anfang er mit Sixtus V anſetzt und welche mit Gregor XVI ſchließt,
ſteht er nicht an die am wenigſten glückliche zu nennen. — D. Nero
Corſini, welcher als außerordentlicher Geſandter von dem Großherzog
von Toscana hierher geſandt war, iſt unmittelbar nach ſeiner Audienz
bei Plus IX nach Neapel abgereist um den italieniſchen Fürſtenbund
möglichſt raſch zum Abſchluß zu bringen. — Der bisherige neapolita-
niſche Geſandte am heiligen Stuhl Graf Ludolph iſt von dieſem Poſten
abberufen worden. Sein Nachfolger iſt mit Gewißheit noch nicht be-
kannt. — Auch der Veröffentlichung des neuen Miniſteriums ſteht man
mit Erwartung entgegen. Cardinal Bofondi wird wohl bleiben. Alles
was man ihm zur Laſt legt, beſteht in dem von ihm ganz unab-
hängigen Umſtand daß ſein Diener ihn bei Eintreffen einer Staffette
nicht hat wecken wollen. Dagegen wird behauptet daß Monſ. Mo-
richini von ſeinem Poſten nicht weichen wolle. Vor vier Wochen habe
er ſeine Entlaſſung gefordert, damals habe man ſie ihm nicht geben
[Spaltenumbruch] wollen, verlangen werde er ſie jetzt nicht. Dieß aber iſt die hier üb-
liche Form der Abberufung. — Der Fürſt D. Aleſſandro Torlonia hat zu
Errichtung einer Druckerei, welche die Verbreitung nützlicher Volks-
bücher zum Zwecke hat, für 8500 Scudi Actien genommen und auf
den ihm dadurch zuſtehenden Einfluß verzichtet. Er ſammelt eben Kohlen
auf das Haupt ſeiner Mitbürger.


Das neue Miniſterium iſt nun endlich
zu Stande gekommen, und ſo ausgefallen wie die Reformpartei es
nur immer hat wünſchen können. Mit Ausnahme des Cardinal-Staats-
ſecretärs ſind nur zwei Geiſtliche in demſelben geblieben: Cardinal
Mezzofanti behält den öffentlichen Unterricht, wogegen ſich allerdings
ſchon geſtern Stimmen haben vernehmen laſſen, und Monſ. Mori-
chini, der bisher Pro-Teſoriere war, iſt nun definitiv zum Schatz-
meiſter ernannt worden. Letzteres hört man nur billigen, da er ſich
mit vielen Opfern von Zeit und Mühe erſt vor kurzem in dieſen
Geſchäftszweig eingearbeitet hat und überall nur Ernſt und Eifer
hat blicken laſſen um den Anforderungen der Zeit zu genügen. Zum
Staatsſecretär nun iſt jetzt Card. Antonelli, der bisherige Präſident
des Staats-Conſulta, ernannt worden. Die Wahl findet vollkommenen
Veifall. Er iſt ein ganzer, ein gewiſſenhafter und ein weiſer Ge-
ſchäftsmann. Zum Miniſter des Innern iſt Gaetano Recchi ernannt
worden. Sturbinetti, der bisher die öffentlichen Arbeiten unter ſich
hatte, iſt zum Miniſterium der Gnade und Gerechtigkeit verſetzt. An
ſeine Stelle tritt Marco Minghetti. Die Verwaltung des Polizei-
miniſteriums iſt dem Advocaten Galletti aus Bologna anvertraut wor-
den. Das Handelsminiſterium behält Paſolini bei, und die Kriegs-
verwaltung hat Prinz Aldobrandini, wie man ſagt gegen ſeinen Willen
und trotz ſeiner Zaghaftigkeit, übernehmen müſſen. Jetzt hat der
Fortſchritt keine Entſchuldigung mehr wenn es ſchlecht geht wie
bisher. Alle Mittel ſich die Sache zeitgemäß herzurichten hat er
in die Hände bekommen. Einen fähigern und redlichern Staats-
mann wie Antonelli dürfte man ſchwerlich ausfindig oder namhaft
zu machen wiſſen. Alle andern, mit Ausnahme Mezzofanti’s, deſſen
Sprachgeläufigkeit allerdings keine Garantien für die Leitung des
öffentlichen Unterrichts darbietet, ſind Männer des Tags und des
Vertrauens, oder wenigſtens der Volksmeinung und den Volks-
wünſchen zugänglich.


Nach-
richten von allen Theilen Toscana’s die ich erhalte zeugen wieder von
der ſteigenden Aufregung gegen Deutſche. Barbariſche Mißhandlungen
gegen einzelne Reiſende die man für Oeſterreicher hält kommen vor,
wie z. B. kürzlich in Piſtoja. Seit der Publication des Standrechts
in der Lombardei entbrennt die Wuth gegen Oeſterreich von neuem,
und jeder Augenblick kann die Bewegung in Toscana und in der
Romagna gegen Modena und Parma aggreſſiv machen. Die Profeſ-
ſoren in Piſa halten ſtatt wiſſenſchaftlicher politiſche Discurſe. So liegt
eine einleitende Vorleſung von einem berühmten Profeſſor der Phyſik
vor mir, in welcher geradezu ausgeſprochen iſt daß es beſſer ſey ein
paar ſolche kleine Staaten (wie Parma und Modena) zu zerſtören als
dieſelben als Bollwerke für Oeſterreichs Herrſchaft ſtehen zu laſſen.
Die fremden Deutſchen haben ſich von Piſa weg meiſt nach Florenz
gezogen, wo ſie ſich für ſicherer halten, weniger durch den Schutz der
ſchwachen Regierung als durch die natürliche Gaſtlichkeit und Urbanität
der Bewohner. Höchſt merkwürdig ſind die mannichfachen religiöſen
Fermente, die nothwendig auf den ganzen Zuſtand der katholiſchen Kirche
in Italien einwirken und eine allmähliche Zerſetzung derſelben bewirken
müſſen. Ein proteſtantiſches Conſiſtorium hat ſich conſtituirt und iſt
vom Großherzog freundlich empfangen worden. Eine wenn auch nur
kleine, aber durch Jntelligenz ausgezeichnete Anzahl von Männern hat
ſich der proteſtantiſchen Gemeinde angeſchloſſen und ſteht, was be-
ſonders merkwürdig iſt, auf kirchlich gläubigem Standpunkt. Die zahl-
reichen Engländer, die reformirten Schweizer haben hier ſeit Jahren
Proſelyten gemacht, die nun frei mit ihren Bekenntniſſen hervortreten.
Jch will die Namen nicht nennen, Sie würden ſich aber wundern welche
aus dem älteſten florentiniſchen Adel und Verwandte der höchſten, ſelbſt
jeſuitiſch gefinnter Würdenträger der katholiſchen Kirche darunter zu
finden. Seit Jahren ſchon beſtehen in Livorno, Piſa, Florenz Ehen
zwiſchen katholiſchen Toscanern und deutſchen und engliſchen Pro-
teſtantinnen, wenn auch in geringer Zahl. Als auffallendes Beiſpiel
der Toleranz kann Ihnen folgendes dienen. Ein Mönch der vor einigen

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[1278/0014] vertriebenen Franzoſenkönigs geſchrieben wäre, ſo möchte in ihr ſtehen daß dieſe neue Freundſchaft zwiſchen Oſt und Weſt ein Bündniß zum Verderben Deutſchlands war, und möge jetzt Rußland noch ſo ent- ſchieden die Republik principiell haſſen — der Tag wird ſchwerlich aus- bleiben, da Republik und abſolute Monarchie erſt geheim, dann offen gegen Deutſchland wirken. Die Stellung der Militärbeamten in Bayern. ||| Den Militärbeamten — man bezeichnet mit dieſer allgemeinen Be- nennung zunächſt das Juſtiz-, das ärztliche und das Verwaltungs- perſonal unſerer Armee — iſt eine Stellung angewieſen die an ſich und den Officieren der Linie gegenüber nicht mehr haltbar iſt, die den An- forderungen der Zeit nicht genügt, und die, wie ſo manches andere Pro- blem, vielleicht ſchon in dem königlichen Geſchenke vom 6 März eine glückliche Löſung gefunden hat. Vor nicht gar langer Zeit öffentlich — von gewiſſen Seiten ſogar mit Erbitterung beſprochen, dürfte die Sache gleichwohl gerade jetzt noch einer kurzen Beleuchtung unterſtellt werden, gerade jetzt weil die allgemeine freudige Erregung keinen Raum für Gehäſſigkeit läßt, und weil Spaltungen und eintrachtſtörender Kaſten- geiſt nicht ſorgfältig genug aus einer Armee entfernt werden können die eben berufen ſeyn dürfte ſchlagfertig an der Gränze ſich aufzuſtellen. Schon ihr äußeres Erſcheinen weist dem Militärbeamten eine ſecundäre — wir möchten faſt ſagen demüthigende Stellung an. Von den jüng- ſten Beſtimmungen über Equipirung und Bewaffnung, von der Einfüh- rung mehrfacher Neuerungen und Abänderungen der Uniformen wurden ſie, die Parias des Heeres, ſtillſchweigend ausgeſchloſſen. Die Epau- lette — erſt vor kurzem auch dem Junker bewilligt — iſt den Militär- beamten aller Grade nicht geſtattet, ihre Bewaffnung blieb dieſelbe als den Officieren neue zweckmäßige Säbel gegeben wurden, ſelbſt den Grad- auszeichnungen hat man mit ängſtlicher Kleinlichkeit den Stempel der Ausſcheidung aufgedrückt. Warum aber dieſes hartnäckige Feſthalten einer ſubtilen Ausſcheidung zwiſchen Fechtenden und Nichtfechtenden? Warum durch dieſe Ueberbleibſel ariſtokratiſcher Traditionen einen Stand verletzen der ebenſo wie der Officiersſtand ſelbſt hingewieſen iſt auf die Geſetze der Ehre? Wir glauben keineswegs daß der Militärbe- amte auf äußere Prärogative um ihrer ſelbſt willen einen Werth lege. Allein in einem Stande wo eben das Aeußere ſo ſchwer in der Wagſchale liegt muß nothwendig die äußere Gleichſtellung der innern, weſentlichern vorangehen. Und dieſe Gleichſtellung, ohne Opfer für den Staat wie ohne Verletzung der Rechte Einzelner — wir erwarten ſie von der gegen- wärtigen emancipirenden Epoche. Wir erwarten ſie vor allem von der freundlichen Geſinnung und der Weisheit unſeres Königs, der nicht län- ger eine ganze Claſſe ſeiner treuen Diener dieſer drückenden, das Ehr- gefühl ertödtenden Halbheit überlaſſen, der auch nach dieſer Seite das Vertrauen erwiedern, rechtfertigen wird. Italien. ♀ Rom, 10 März. Die conſtitutionellen Vorarbeiten ſind dem heiligen Vater nach erfolgtem Abſchluß vorgelegt worden, und er hat bereits heute ein Conſiſtorium zuſammenberufen welches davon Einſicht nehmen und nächſten Montag ſich aufs neue verſammeln ſoll. Un- mittelbar darnach wird zur Veröffentlichung der Verfaſſung geſchritten werden, mit welcher nach Monſ. Gazola die dritte und vielleicht glor- reichſte Epoche des Papſtthums beginnen wird. Die zweite, deren Anfang er mit Sixtus V anſetzt und welche mit Gregor XVI ſchließt, ſteht er nicht an die am wenigſten glückliche zu nennen. — D. Nero Corſini, welcher als außerordentlicher Geſandter von dem Großherzog von Toscana hierher geſandt war, iſt unmittelbar nach ſeiner Audienz bei Plus IX nach Neapel abgereist um den italieniſchen Fürſtenbund möglichſt raſch zum Abſchluß zu bringen. — Der bisherige neapolita- niſche Geſandte am heiligen Stuhl Graf Ludolph iſt von dieſem Poſten abberufen worden. Sein Nachfolger iſt mit Gewißheit noch nicht be- kannt. — Auch der Veröffentlichung des neuen Miniſteriums ſteht man mit Erwartung entgegen. Cardinal Bofondi wird wohl bleiben. Alles was man ihm zur Laſt legt, beſteht in dem von ihm ganz unab- hängigen Umſtand daß ſein Diener ihn bei Eintreffen einer Staffette nicht hat wecken wollen. Dagegen wird behauptet daß Monſ. Mo- richini von ſeinem Poſten nicht weichen wolle. Vor vier Wochen habe er ſeine Entlaſſung gefordert, damals habe man ſie ihm nicht geben wollen, verlangen werde er ſie jetzt nicht. Dieß aber iſt die hier üb- liche Form der Abberufung. — Der Fürſt D. Aleſſandro Torlonia hat zu Errichtung einer Druckerei, welche die Verbreitung nützlicher Volks- bücher zum Zwecke hat, für 8500 Scudi Actien genommen und auf den ihm dadurch zuſtehenden Einfluß verzichtet. Er ſammelt eben Kohlen auf das Haupt ſeiner Mitbürger. Δ Rom, 11 März. Das neue Miniſterium iſt nun endlich zu Stande gekommen, und ſo ausgefallen wie die Reformpartei es nur immer hat wünſchen können. Mit Ausnahme des Cardinal-Staats- ſecretärs ſind nur zwei Geiſtliche in demſelben geblieben: Cardinal Mezzofanti behält den öffentlichen Unterricht, wogegen ſich allerdings ſchon geſtern Stimmen haben vernehmen laſſen, und Monſ. Mori- chini, der bisher Pro-Teſoriere war, iſt nun definitiv zum Schatz- meiſter ernannt worden. Letzteres hört man nur billigen, da er ſich mit vielen Opfern von Zeit und Mühe erſt vor kurzem in dieſen Geſchäftszweig eingearbeitet hat und überall nur Ernſt und Eifer hat blicken laſſen um den Anforderungen der Zeit zu genügen. Zum Staatsſecretär nun iſt jetzt Card. Antonelli, der bisherige Präſident des Staats-Conſulta, ernannt worden. Die Wahl findet vollkommenen Veifall. Er iſt ein ganzer, ein gewiſſenhafter und ein weiſer Ge- ſchäftsmann. Zum Miniſter des Innern iſt Gaetano Recchi ernannt worden. Sturbinetti, der bisher die öffentlichen Arbeiten unter ſich hatte, iſt zum Miniſterium der Gnade und Gerechtigkeit verſetzt. An ſeine Stelle tritt Marco Minghetti. Die Verwaltung des Polizei- miniſteriums iſt dem Advocaten Galletti aus Bologna anvertraut wor- den. Das Handelsminiſterium behält Paſolini bei, und die Kriegs- verwaltung hat Prinz Aldobrandini, wie man ſagt gegen ſeinen Willen und trotz ſeiner Zaghaftigkeit, übernehmen müſſen. Jetzt hat der Fortſchritt keine Entſchuldigung mehr wenn es ſchlecht geht wie bisher. Alle Mittel ſich die Sache zeitgemäß herzurichten hat er in die Hände bekommen. Einen fähigern und redlichern Staats- mann wie Antonelli dürfte man ſchwerlich ausfindig oder namhaft zu machen wiſſen. Alle andern, mit Ausnahme Mezzofanti’s, deſſen Sprachgeläufigkeit allerdings keine Garantien für die Leitung des öffentlichen Unterrichts darbietet, ſind Männer des Tags und des Vertrauens, oder wenigſtens der Volksmeinung und den Volks- wünſchen zugänglich. † Von der toscaniſchen Gränze, Anfangs März. Nach- richten von allen Theilen Toscana’s die ich erhalte zeugen wieder von der ſteigenden Aufregung gegen Deutſche. Barbariſche Mißhandlungen gegen einzelne Reiſende die man für Oeſterreicher hält kommen vor, wie z. B. kürzlich in Piſtoja. Seit der Publication des Standrechts in der Lombardei entbrennt die Wuth gegen Oeſterreich von neuem, und jeder Augenblick kann die Bewegung in Toscana und in der Romagna gegen Modena und Parma aggreſſiv machen. Die Profeſ- ſoren in Piſa halten ſtatt wiſſenſchaftlicher politiſche Discurſe. So liegt eine einleitende Vorleſung von einem berühmten Profeſſor der Phyſik vor mir, in welcher geradezu ausgeſprochen iſt daß es beſſer ſey ein paar ſolche kleine Staaten (wie Parma und Modena) zu zerſtören als dieſelben als Bollwerke für Oeſterreichs Herrſchaft ſtehen zu laſſen. Die fremden Deutſchen haben ſich von Piſa weg meiſt nach Florenz gezogen, wo ſie ſich für ſicherer halten, weniger durch den Schutz der ſchwachen Regierung als durch die natürliche Gaſtlichkeit und Urbanität der Bewohner. Höchſt merkwürdig ſind die mannichfachen religiöſen Fermente, die nothwendig auf den ganzen Zuſtand der katholiſchen Kirche in Italien einwirken und eine allmähliche Zerſetzung derſelben bewirken müſſen. Ein proteſtantiſches Conſiſtorium hat ſich conſtituirt und iſt vom Großherzog freundlich empfangen worden. Eine wenn auch nur kleine, aber durch Jntelligenz ausgezeichnete Anzahl von Männern hat ſich der proteſtantiſchen Gemeinde angeſchloſſen und ſteht, was be- ſonders merkwürdig iſt, auf kirchlich gläubigem Standpunkt. Die zahl- reichen Engländer, die reformirten Schweizer haben hier ſeit Jahren Proſelyten gemacht, die nun frei mit ihren Bekenntniſſen hervortreten. Jch will die Namen nicht nennen, Sie würden ſich aber wundern welche aus dem älteſten florentiniſchen Adel und Verwandte der höchſten, ſelbſt jeſuitiſch gefinnter Würdenträger der katholiſchen Kirche darunter zu finden. Seit Jahren ſchon beſtehen in Livorno, Piſa, Florenz Ehen zwiſchen katholiſchen Toscanern und deutſchen und engliſchen Pro- teſtantinnen, wenn auch in geringer Zahl. Als auffallendes Beiſpiel der Toleranz kann Ihnen folgendes dienen. Ein Mönch der vor einigen

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 80, 20. März 1848, S. 1278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine80_1848/14>, abgerufen am 24.11.2024.