Allgemeine Zeitung, Nr. 80, 20. März 1848.[Spaltenumbruch]
verhältnisse haben, nicht bei dem Wunsche der Mittheilung der Bank- [Spaltenumbruch]
verhältniſſe haben, nicht bei dem Wunſche der Mittheilung der Bank- <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0019"/><cb/> verhältniſſe haben, nicht bei dem Wunſche der Mittheilung der Bank-<lb/> ausweiſe ſtehen bleiben können, denn dieß iſt nur ein Detail, eine<lb/> Folge des Ganzen. Wir müſſen die Rechnungslage der ungariſchen<lb/> Staatseinnahmen und Bedürfniſſe und die verfaſſungsmäßige Gebah-<lb/> rung der Landesfinanzen, mit einem Worte, ein ſelbſtändiges, un-<lb/> gariſches Finanzminiſterium verlangen, weil ſonſt die ohne uns über<lb/> uns verfügende fremde Regierungsgewalt unſere Geldverhältniſſe in<lb/> endloſe Verwirrung ſtürzen kann. Wenn wir dagegen ein verant-<lb/> wortliches Finanzminiſterium haben, ſo können wir für den Glanz<lb/> des Thrones, die Bedürfniſſe des Vaterlandes und die Erfüllung aller<lb/> unſerer rechtlichen Verpflichtungen Sorge tragen und die Geldverhält-<lb/> niſſe unſerer Mitbürger gegen alle gefahrdrohenden Fluctuationen<lb/> ſicher ſtellen. In Hinſicht der Bankverhältniſſe will ich daher nicht<lb/> mehr ſagen als daß ich glaube wie die nöthigen Schritte zur<lb/> Beruhigung ſchon geſchehen ſind: der eine, daß das Publicum in<lb/> Hinſicht der Bankverhältniſſe officiell aufgeklärt werde, der andere,<lb/> daß in allen Theilen des Landes Vorkehrungen geſchehen, um die<lb/> Banknoten überall wo es nöthig einzulöſen; und wenn dazu die<lb/> Tendenz der Regierungspolitik klug geändert wird, ſo hoffe ich daß<lb/> das Vertrauen zurückkehrt, deſſen Rückführung nicht unſer eige-<lb/> nes Intereſſe, ſondern ſelbſt jenes der Dynaſtie nothwendig gebietet.<lb/> Darum muß ich zurückgehen zu der Quelle dieſes Uebels und der Be-<lb/> zeichnung der rettenden Mittel. Schon als ich beim Beginn des<lb/> Landtages die Adreſſe in Vorſchlag brachte, hielt ich es für meine<lb/> Pflicht mich in die Analyſe unſerer Verhältniſſe einzulaſſen, ſowohl<lb/> in Hinſicht unſerer innern Angelegenheiten als jener Verhältniſſe die<lb/> in Folge der pragmatiſchen Sanction zwiſchen uns und dem öſter-<lb/> reichiſchen Kaiſerſtaate beſteht. Ich ſprach meine Ueberzeugung aus,<lb/> wie die verfaſſungsmäßige Zukunft unſeres Vaterlandes erſt dann ge-<lb/> ſichert ſey, wenn unſern König in allen ſeinen Regierungsverhält-<lb/> niſſen conſtitutionelle Regierungsformen umgeben. Ich ſprach meine<lb/> Ueberzeugung aus, wie unſer Vaterland nicht einmal in Hinſicht der<lb/> von der Nation gewünſchten Reformen ſicher ſey, daß ihre Tendenz<lb/> conſtitutionell, ihr Reſultat der Freiheit der Nation günſtig ſeyn werde,<lb/> ſolange das Regierungsſyſtem der Monarchie, die mit uns denſelben<lb/> Fürſten zum Herrſcher hat, mit der Verfaſſungsmäßigkeit im directen<lb/> Gegenſatze ſteht; ſolange jener Staatsrath der die gemeinſamen Ver-<lb/> hältniſſe der Monarchie lenkt und auch auf die innere Verwaltung<lb/> unſeres Vaterlandes, wenn gleich ungeſetzlich, aber doch überwiegend<lb/> Einfluß nimmt, in ſeinen Elementen, ſeiner Zuſammenſetzung und ſei-<lb/> ner Tendenz anticonſtitutionell iſt. Ich ſprach meine Ueberzeugung<lb/> aus daß, wo ſich unſere und die Intereſſen der verbündeten Völker<lb/> der Monarchie treffen, dieſe ohne Gefährdung unſerer Selbſtändigkeit,<lb/> unſerer Freiheit und unſeres Wohlſeyns nur auf der Baſis gemeinſchaft-<lb/> licher Conſtitutionalität ausgleichen werden könne. Ich warf einen<lb/> ſchmerzlichen Blick auf den Urſprung und die Entwicklung des Wie-<lb/> ner bureaucratiſchen Regierungsſyſtems, ich erinnerte, wie es das Ge-<lb/> bäude ſeiner entnervten Gewalt auf den Trümmern der unterdrückten<lb/> Freiheit unſerer verbündeten Nachbarn erhoben hat, und indem ich die<lb/> gefahrvollen Folgen dieſes unglückſeligen Regierungsmechanismus her-<lb/> zählte und hineinblickte in das Buch des Lebens, in welchem die verhäng-<lb/> nißvolle Logik der Ereigniſſe die Offenbarung der Zukunft verkündet,<lb/> prophezeite ich in dem warmen Gefühle meiner wahren und treuen<lb/> Anhänglichkeit an das regierende Haus, daß <hi rendition="#g">der</hi> der zweite Gründer<lb/> des Hauſes Habsburg ſeyn werde der das Regierungsſyſtem der Mo-<lb/> narchie in conſtitutioneller Richtung reformiren und den Thron ſeines<lb/> erhabenen Hauſes auf die Freiheit ſeiner Völker ſtellen wird uner-<lb/> ſchütterlich. Seit dieſen Worten ſind berühmte, von Staatsklugheit<lb/> geſtützte Throne zuſammengeſtürzt und ihre Freiheit haben Völker zu-<lb/> rückgenommen, die eine ſo nahe Zukunft noch vor drei Monaten<lb/> nicht träumen konnten. Wir aber wälzen ſeit drei Monaten uner-<lb/> müdet den Stein des Siſyphus und der Schmerz der Unbeweglichkeit<lb/> umwölkt meine Seele mit verzehrender Sorge; mit blutendem Herzen<lb/> ſehe ich wie ſoviel edle Kraft, ſoviel treues Talent in undankbarer Ar-<lb/> beit ſich abmüht, die den Qualen der Tretmühle gleicht. Ja, löb-<lb/> liche Stände, der ſchwere Fluch eines erſtickenden Dampfes laſtet auf<lb/> uns, aus den Beinkammern des Wiener Regierungsſyſtems weht<lb/> ein auszehrender Wind uns an, der unſere Nerven erſtarren macht<lb/> und niederdrückend auf den Flug unſeres Geiſtes wirkt. Aber, wenn ich<lb/> bisher nur darum beſorgt war, weil unter dem Einfluſſe des Wiener<lb/> Syſtems ich unſere Entwickelung zum unwiederbringlichen Schaden des<lb/><cb/> Vaterlandes über alle Maßen aufgehalten ſah, weil ich ſehe daß die<lb/> conſtitutionelle Richtung unſeres Fortſchrittes nicht geſichert ſey, und<lb/> weil ich ſehe daß jene Divergenz die zwiſchen dem Abſolutismus<lb/> des Regierungsſyſtems der Monarchie und der conſtitutionellen Tendenz<lb/> der ungariſchen Nation ſeit drei Jahrhunderten beſteht, noch bis heute<lb/> nicht ausgeglichen ſey und ohne das Aufgeben des einen oder andern<lb/> Princips nicht ausgeglichen werden könne; ſo iſt jetzt nicht nur dieß<lb/> meine Beſorgniß, ſondern es drückt mich daß jene bureaukratiſche Poli-<lb/> tik der Unbeweglichkeit, welche im Wiener Staatsrathe verknöchert iſt,<lb/> die Monarchie zur Auflöſung führen, die Zukunft unſerer geliebten<lb/> Dynaſtie compromittiren, unſer Vaterland aber, das mit ſich und in ſich<lb/> ſo viel zu thun hat, das für das eigene Wohl jede ſeiner Kräfte und<lb/> jeden ſeiner Heller unumgänglich benöthigt, zu drückenden Opfern und<lb/> endloſen Uebeln führen kann. Ich ſehe die Dinge ſo, und weil ich die<lb/> Dinge ſo ſehe, halte ich es für meine unaufſchiebbare Pflicht die löbli-<lb/> chen Stände aufzurufen daß ſie ihre Aufmerkſamkeit auf dieſen Zuſtand<lb/> und auf die Verhütung der dem Vaterlande drohenden Uebel ausdehnen<lb/> wollen. Uns, denen die Nation die Miſſion gegeben hat daß wir ihre<lb/> Gegenwart beſchützen, ihre Zukunft ſicher ſtellen, uns iſt es nicht erlaubt<lb/> mit geſchloſſenen Augen zuzuwarten bis unſer Vaterland durch das<lb/> Meer der Uebel überfluthet wird. Dem Uebel zuvorzukommen das iſt<lb/> unſere Aufgabe, und ich bin überzeugt daß, wenn wir dieß verſäumen,<lb/> wir vor Gott, vor der Welt und vor unſerem eigenen Gewiſſen verant-<lb/> wortlich würden für jenes Unglück das aus der Verſäumniß erfolgen<lb/> wird. Wenn einmal wegen der Verkehrtheit der Politik die Zeit der<lb/> friedlichen Ausgleichung, der Beſchwörung des Verhängniſſes abgelau-<lb/> fen iſt, wenn die Würfel unwiderruflich gefallen ſind und wir es ver-<lb/> ſäumt haben zur Abwendung davon die frei erhobene loyale Stimme<lb/> der Vertreter dieſes Volkes in die Schale zu werfen, wenn die Ver-<lb/> wicklungen ſo weit gediehen ſind daß wir nur zwiſchen Verweigerung<lb/> und Opfern zu wählen haben deren Ende nur Gott ſteht, dann wird die<lb/> Reue zu ſpät ſeyn, und den in Unthätigkeit verſchwendeten Augenblick<lb/> kann ſelbſt der Allmächtige nicht wiedergeben. Ich wenigſtens, wenn ich<lb/> auch als Patriot an den Folgen dieſer ſpäten Reue werde theilnehmen<lb/> müſſen, ſo will ich als Abgeordneter an den Verantwortlichkeit keinen<lb/> Theil haben. Es mögen die löblichen Stände ſich an die Zeiten der<lb/> franzöſiſchen Kriege erinnern. Was hatten wir Ungarn mit den innern<lb/> Angelegenheiten des franzöſiſchen Volkes zu thun? Unſer Landtag<lb/> war im Jahr 1790 beiſammen, aber er dehnte ſeine Aufmerkſam-<lb/> keit auf die internationale Politik nicht aus, und was war die<lb/> Folge? Das — daß der Fluch des ohne uns, aber auf unſere Koſten<lb/> gemachten Fehlers mit den unendlichen Opfern von 25 ſchweren Jah-<lb/> ren, auf unſerem armen Vaterlande laſtete, das Blut des Volkes in<lb/> Strömen floß, ſein Vermögen, ſein Beſitz in den Strudel geworfen wurde.<lb/> Und unter dieſen ungeheuern Opfern ſahen unſere Väter das Königs-<lb/> haus auf rettender Flucht, die ſiegreichen Waffen des fernen Weſtens,<lb/> dieſe Stadt ſelbſt, den gewöhnlichen Sitz unſerer Geſetzgebung, in der<lb/> Gewalt des Siegers, die in Auflöſung begriffene Monarchie von der<lb/> Gnade des ſtolzen Triumphators abhängend, und thränenwerthe finan-<lb/> cielle Verwirrungen, welche mit dem furchtbaren Schlag von zwei Staats-<lb/> bankerotten unſer armes unſchuldiges Vaterland trafen. Bei dieſem<lb/> ungeheuren Unglück war uns ſelbſt jener Troſt genommen ſagen zu<lb/> können daß wir zur Abwendung der drohenden Gefahr alles gethan<lb/> hätten was wir thun konnten als noch Zeit dazu war. Wolle Gott<lb/> daß die Geſchichte nicht dasſelbe Urtheil fälle über <hi rendition="#g">dieſen</hi> Land-<lb/> tag. Wolle Gott nicht daß unſere Seele einſt jener Gedanke drücke,<lb/> wie wir die Gefahr nahen ſahen dem Throne unſeres Königs, nahen<lb/> unſerem Vaterland, und nicht auftraten mit männlicher Entſchloſſen-<lb/> heit um ſie abzuwenden. Wolle Gott daß wir wenigſtens unſer An-<lb/> denken vor der Anklage der verſäumten Pflicht retten. Jch rufe da-<lb/> her die löblichen Stände auf: erheben wir unſere Politik auf die Höhe<lb/> der Ereigniſſe, ſchöpfen wir Kraft aus dem Gefühle der Treue gegen<lb/> unſere Dynaſtie, ſchöpfen wir Kraft aus dem Gefühl der Verantwort-<lb/> lichkeit die auf uns laſtet, aus unſerer Bürgerpflicht, zu einer Ent-<lb/> ſchloſſenheit die ſo großartigen Umſtänden entſpricht. Ich will dieſe<lb/> Umſtände im Innern der Monarchie und im Auslande nicht ausma-<lb/> len, denn ſie ſind allgemein bekannt; aber ich ſpreche meine feſte<lb/> Ueberzeugung aus daß die wahre Quelle des Zerfalls der Ruhe in der<lb/> Monarchie und der daraus entſpringenden üblen Folgen im Wiener<lb/> Regierungs-Syſtem liegt, und mit Beſorgniß ſpreche ich meine Ueber-<lb/> zeugung aus daß das Feſthalten an dieſer verkehrten Politik, die den<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
verhältniſſe haben, nicht bei dem Wunſche der Mittheilung der Bank-
ausweiſe ſtehen bleiben können, denn dieß iſt nur ein Detail, eine
Folge des Ganzen. Wir müſſen die Rechnungslage der ungariſchen
Staatseinnahmen und Bedürfniſſe und die verfaſſungsmäßige Gebah-
rung der Landesfinanzen, mit einem Worte, ein ſelbſtändiges, un-
gariſches Finanzminiſterium verlangen, weil ſonſt die ohne uns über
uns verfügende fremde Regierungsgewalt unſere Geldverhältniſſe in
endloſe Verwirrung ſtürzen kann. Wenn wir dagegen ein verant-
wortliches Finanzminiſterium haben, ſo können wir für den Glanz
des Thrones, die Bedürfniſſe des Vaterlandes und die Erfüllung aller
unſerer rechtlichen Verpflichtungen Sorge tragen und die Geldverhält-
niſſe unſerer Mitbürger gegen alle gefahrdrohenden Fluctuationen
ſicher ſtellen. In Hinſicht der Bankverhältniſſe will ich daher nicht
mehr ſagen als daß ich glaube wie die nöthigen Schritte zur
Beruhigung ſchon geſchehen ſind: der eine, daß das Publicum in
Hinſicht der Bankverhältniſſe officiell aufgeklärt werde, der andere,
daß in allen Theilen des Landes Vorkehrungen geſchehen, um die
Banknoten überall wo es nöthig einzulöſen; und wenn dazu die
Tendenz der Regierungspolitik klug geändert wird, ſo hoffe ich daß
das Vertrauen zurückkehrt, deſſen Rückführung nicht unſer eige-
nes Intereſſe, ſondern ſelbſt jenes der Dynaſtie nothwendig gebietet.
Darum muß ich zurückgehen zu der Quelle dieſes Uebels und der Be-
zeichnung der rettenden Mittel. Schon als ich beim Beginn des
Landtages die Adreſſe in Vorſchlag brachte, hielt ich es für meine
Pflicht mich in die Analyſe unſerer Verhältniſſe einzulaſſen, ſowohl
in Hinſicht unſerer innern Angelegenheiten als jener Verhältniſſe die
in Folge der pragmatiſchen Sanction zwiſchen uns und dem öſter-
reichiſchen Kaiſerſtaate beſteht. Ich ſprach meine Ueberzeugung aus,
wie die verfaſſungsmäßige Zukunft unſeres Vaterlandes erſt dann ge-
ſichert ſey, wenn unſern König in allen ſeinen Regierungsverhält-
niſſen conſtitutionelle Regierungsformen umgeben. Ich ſprach meine
Ueberzeugung aus, wie unſer Vaterland nicht einmal in Hinſicht der
von der Nation gewünſchten Reformen ſicher ſey, daß ihre Tendenz
conſtitutionell, ihr Reſultat der Freiheit der Nation günſtig ſeyn werde,
ſolange das Regierungsſyſtem der Monarchie, die mit uns denſelben
Fürſten zum Herrſcher hat, mit der Verfaſſungsmäßigkeit im directen
Gegenſatze ſteht; ſolange jener Staatsrath der die gemeinſamen Ver-
hältniſſe der Monarchie lenkt und auch auf die innere Verwaltung
unſeres Vaterlandes, wenn gleich ungeſetzlich, aber doch überwiegend
Einfluß nimmt, in ſeinen Elementen, ſeiner Zuſammenſetzung und ſei-
ner Tendenz anticonſtitutionell iſt. Ich ſprach meine Ueberzeugung
aus daß, wo ſich unſere und die Intereſſen der verbündeten Völker
der Monarchie treffen, dieſe ohne Gefährdung unſerer Selbſtändigkeit,
unſerer Freiheit und unſeres Wohlſeyns nur auf der Baſis gemeinſchaft-
licher Conſtitutionalität ausgleichen werden könne. Ich warf einen
ſchmerzlichen Blick auf den Urſprung und die Entwicklung des Wie-
ner bureaucratiſchen Regierungsſyſtems, ich erinnerte, wie es das Ge-
bäude ſeiner entnervten Gewalt auf den Trümmern der unterdrückten
Freiheit unſerer verbündeten Nachbarn erhoben hat, und indem ich die
gefahrvollen Folgen dieſes unglückſeligen Regierungsmechanismus her-
zählte und hineinblickte in das Buch des Lebens, in welchem die verhäng-
nißvolle Logik der Ereigniſſe die Offenbarung der Zukunft verkündet,
prophezeite ich in dem warmen Gefühle meiner wahren und treuen
Anhänglichkeit an das regierende Haus, daß der der zweite Gründer
des Hauſes Habsburg ſeyn werde der das Regierungsſyſtem der Mo-
narchie in conſtitutioneller Richtung reformiren und den Thron ſeines
erhabenen Hauſes auf die Freiheit ſeiner Völker ſtellen wird uner-
ſchütterlich. Seit dieſen Worten ſind berühmte, von Staatsklugheit
geſtützte Throne zuſammengeſtürzt und ihre Freiheit haben Völker zu-
rückgenommen, die eine ſo nahe Zukunft noch vor drei Monaten
nicht träumen konnten. Wir aber wälzen ſeit drei Monaten uner-
müdet den Stein des Siſyphus und der Schmerz der Unbeweglichkeit
umwölkt meine Seele mit verzehrender Sorge; mit blutendem Herzen
ſehe ich wie ſoviel edle Kraft, ſoviel treues Talent in undankbarer Ar-
beit ſich abmüht, die den Qualen der Tretmühle gleicht. Ja, löb-
liche Stände, der ſchwere Fluch eines erſtickenden Dampfes laſtet auf
uns, aus den Beinkammern des Wiener Regierungsſyſtems weht
ein auszehrender Wind uns an, der unſere Nerven erſtarren macht
und niederdrückend auf den Flug unſeres Geiſtes wirkt. Aber, wenn ich
bisher nur darum beſorgt war, weil unter dem Einfluſſe des Wiener
Syſtems ich unſere Entwickelung zum unwiederbringlichen Schaden des
Vaterlandes über alle Maßen aufgehalten ſah, weil ich ſehe daß die
conſtitutionelle Richtung unſeres Fortſchrittes nicht geſichert ſey, und
weil ich ſehe daß jene Divergenz die zwiſchen dem Abſolutismus
des Regierungsſyſtems der Monarchie und der conſtitutionellen Tendenz
der ungariſchen Nation ſeit drei Jahrhunderten beſteht, noch bis heute
nicht ausgeglichen ſey und ohne das Aufgeben des einen oder andern
Princips nicht ausgeglichen werden könne; ſo iſt jetzt nicht nur dieß
meine Beſorgniß, ſondern es drückt mich daß jene bureaukratiſche Poli-
tik der Unbeweglichkeit, welche im Wiener Staatsrathe verknöchert iſt,
die Monarchie zur Auflöſung führen, die Zukunft unſerer geliebten
Dynaſtie compromittiren, unſer Vaterland aber, das mit ſich und in ſich
ſo viel zu thun hat, das für das eigene Wohl jede ſeiner Kräfte und
jeden ſeiner Heller unumgänglich benöthigt, zu drückenden Opfern und
endloſen Uebeln führen kann. Ich ſehe die Dinge ſo, und weil ich die
Dinge ſo ſehe, halte ich es für meine unaufſchiebbare Pflicht die löbli-
chen Stände aufzurufen daß ſie ihre Aufmerkſamkeit auf dieſen Zuſtand
und auf die Verhütung der dem Vaterlande drohenden Uebel ausdehnen
wollen. Uns, denen die Nation die Miſſion gegeben hat daß wir ihre
Gegenwart beſchützen, ihre Zukunft ſicher ſtellen, uns iſt es nicht erlaubt
mit geſchloſſenen Augen zuzuwarten bis unſer Vaterland durch das
Meer der Uebel überfluthet wird. Dem Uebel zuvorzukommen das iſt
unſere Aufgabe, und ich bin überzeugt daß, wenn wir dieß verſäumen,
wir vor Gott, vor der Welt und vor unſerem eigenen Gewiſſen verant-
wortlich würden für jenes Unglück das aus der Verſäumniß erfolgen
wird. Wenn einmal wegen der Verkehrtheit der Politik die Zeit der
friedlichen Ausgleichung, der Beſchwörung des Verhängniſſes abgelau-
fen iſt, wenn die Würfel unwiderruflich gefallen ſind und wir es ver-
ſäumt haben zur Abwendung davon die frei erhobene loyale Stimme
der Vertreter dieſes Volkes in die Schale zu werfen, wenn die Ver-
wicklungen ſo weit gediehen ſind daß wir nur zwiſchen Verweigerung
und Opfern zu wählen haben deren Ende nur Gott ſteht, dann wird die
Reue zu ſpät ſeyn, und den in Unthätigkeit verſchwendeten Augenblick
kann ſelbſt der Allmächtige nicht wiedergeben. Ich wenigſtens, wenn ich
auch als Patriot an den Folgen dieſer ſpäten Reue werde theilnehmen
müſſen, ſo will ich als Abgeordneter an den Verantwortlichkeit keinen
Theil haben. Es mögen die löblichen Stände ſich an die Zeiten der
franzöſiſchen Kriege erinnern. Was hatten wir Ungarn mit den innern
Angelegenheiten des franzöſiſchen Volkes zu thun? Unſer Landtag
war im Jahr 1790 beiſammen, aber er dehnte ſeine Aufmerkſam-
keit auf die internationale Politik nicht aus, und was war die
Folge? Das — daß der Fluch des ohne uns, aber auf unſere Koſten
gemachten Fehlers mit den unendlichen Opfern von 25 ſchweren Jah-
ren, auf unſerem armen Vaterlande laſtete, das Blut des Volkes in
Strömen floß, ſein Vermögen, ſein Beſitz in den Strudel geworfen wurde.
Und unter dieſen ungeheuern Opfern ſahen unſere Väter das Königs-
haus auf rettender Flucht, die ſiegreichen Waffen des fernen Weſtens,
dieſe Stadt ſelbſt, den gewöhnlichen Sitz unſerer Geſetzgebung, in der
Gewalt des Siegers, die in Auflöſung begriffene Monarchie von der
Gnade des ſtolzen Triumphators abhängend, und thränenwerthe finan-
cielle Verwirrungen, welche mit dem furchtbaren Schlag von zwei Staats-
bankerotten unſer armes unſchuldiges Vaterland trafen. Bei dieſem
ungeheuren Unglück war uns ſelbſt jener Troſt genommen ſagen zu
können daß wir zur Abwendung der drohenden Gefahr alles gethan
hätten was wir thun konnten als noch Zeit dazu war. Wolle Gott
daß die Geſchichte nicht dasſelbe Urtheil fälle über dieſen Land-
tag. Wolle Gott nicht daß unſere Seele einſt jener Gedanke drücke,
wie wir die Gefahr nahen ſahen dem Throne unſeres Königs, nahen
unſerem Vaterland, und nicht auftraten mit männlicher Entſchloſſen-
heit um ſie abzuwenden. Wolle Gott daß wir wenigſtens unſer An-
denken vor der Anklage der verſäumten Pflicht retten. Jch rufe da-
her die löblichen Stände auf: erheben wir unſere Politik auf die Höhe
der Ereigniſſe, ſchöpfen wir Kraft aus dem Gefühle der Treue gegen
unſere Dynaſtie, ſchöpfen wir Kraft aus dem Gefühl der Verantwort-
lichkeit die auf uns laſtet, aus unſerer Bürgerpflicht, zu einer Ent-
ſchloſſenheit die ſo großartigen Umſtänden entſpricht. Ich will dieſe
Umſtände im Innern der Monarchie und im Auslande nicht ausma-
len, denn ſie ſind allgemein bekannt; aber ich ſpreche meine feſte
Ueberzeugung aus daß die wahre Quelle des Zerfalls der Ruhe in der
Monarchie und der daraus entſpringenden üblen Folgen im Wiener
Regierungs-Syſtem liegt, und mit Beſorgniß ſpreche ich meine Ueber-
zeugung aus daß das Feſthalten an dieſer verkehrten Politik, die den
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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