Allgemeine Zeitung, Nr. 80, 20. März 1848.Nr. 80. [Spaltenumbruch]
Beilage zur Allgemeinen Zeitung. [Spaltenumbruch]
20 März 1848.[Spaltenumbruch]
Das deutsche Parlament. Nachdem die große Idee der innigeren Vereinigung der deut- Die Verfassung des nordamerikanischen Staatenvereins scheidet zu- Das oberste Organ der Vereinsgewalt ist aus dem Hause der Reprä- Merkwürdig für die vorzugsweise Bedeutung welche den einzelnen Wenden wir uns nun zu unsern deutschen Verhältnissen zurück, so Darf man annehmen daß in constitutionellen Staaten das Ministe- Nr. 80. [Spaltenumbruch]
Beilage zur Allgemeinen Zeitung. [Spaltenumbruch]
20 März 1848.[Spaltenumbruch]
Das deutſche Parlament. ꖌ Nachdem die große Idee der innigeren Vereinigung der deut- Die Verfaſſung des nordamerikaniſchen Staatenvereins ſcheidet zu- Das oberſte Organ der Vereinsgewalt iſt aus dem Hauſe der Reprä- Merkwürdig für die vorzugsweiſe Bedeutung welche den einzelnen Wenden wir uns nun zu unſern deutſchen Verhältniſſen zurück, ſo Darf man annehmen daß in conſtitutionellen Staaten das Miniſte- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0009"/> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="volume"> <hi rendition="#b">Nr. 80.</hi> </titlePart> <cb/> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Beilage zur Allgemeinen Zeitung.</hi> </titlePart> </docTitle> <cb/> <docImprint> <docDate> <hi rendition="#b">20 März 1848.</hi> </docDate> </docImprint> </titlePage> </front><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <body> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <head> <hi rendition="#b">Das deutſche Parlament.</hi> </head><lb/> <p>ꖌ Nachdem die große Idee der innigeren Vereinigung der deut-<lb/> ſchen Volksſtämme durch eine in der Bundesverfaſſung aufzunehmende<lb/> Volksvertretung dieſe Stämme mit einer Begeiſterungskraft durchdrun-<lb/> gen hat, welche — zumal bei dem hochherzigen Vorgang mehrerer deut-<lb/> ſchen Fürſten — die ſichere Ausſicht gewährt daß demnächſt an dieſes<lb/> für das Wohl Deutſchlands und aller einzelnen deutſchen Länder und<lb/> Völkerſchaften entſcheidende, zur Heilung vielhundertjähriger Schäden<lb/> und Gebrechen beſtimmte Werk die Hand werde gelegt werden, ſo<lb/> kommt es nun darauf an daß der Begeiſterung für die Sache ein klares<lb/> Verſtändniß über die Bedingungen einer glücklichen Durchführung der-<lb/> ſelben ſich beigeſelle. Wenn wir in dieſer Hinſicht den Blick derer die<lb/> an dem Werk zu arbeiten berufen ſind, auf die Verfaſſung des nord-<lb/> amerikaniſchen Staatenbundes zu lenken ſuchen, ſo ſind wir weit ent-<lb/> fernt ihn von unſerer eigenen Geſchichte und den aus. ihr entwickelten<lb/> Verhältniſſen ablenken zu wollen. Vielmehr leitet uns hiebei gerade<lb/> eine Aehnlichkeit der Verhältniſſe, in welcher bei allen ſonſtigen Ver-<lb/> ſchiedenheiten die beiden Nationen ſich begegnen. Dort wie hier ſehen<lb/> wir eine Mehrzahl ſelbſtändiger Staaten von außerordentlicher Ver-<lb/> ſchiedenheit des Umfangs, bei denen es ſich davon handelt die provin-<lb/> zielle Selbſtändigkeit mit einer kräftigen Nationaleinheit zu vereinigen.<lb/> Dieſes Problem, das Problem einer Staatseinrichtung welche eine<lb/> freie unabhängige Selbſtthätigkeit in den Angelegenheiten des Orts<lb/> und der Provinz mit dem lebendigſten Bewußtſeyn und der kräftigſten<lb/> Bethätigung der Nationaleinheit verbindet, iſt in der amerikaniſchen<lb/> Union anerkanntermaßen auf eine bewunderungswürdige, durch die Er-<lb/> fahrungen eines Zeitraums von 60 bewegten Jahren glänzend erprobte<lb/> Weiſe gelöst worden. Bei dem was das Weſen dieſes Problems aus-<lb/> macht, der Verbindung mehrerer ſelbſtändiger Staaten zu einer höhern<lb/> Staatseinheit, kommt es auf die monarchiſche oder republicaniſche Re-<lb/> gierungsform dieſer Staaten nicht an. Sehen wir uns daher immer-<lb/> hin bei dem neuen Bau welchen wir zu entwerfen haben nach dem um<lb/> was die durch Erfahrung und kaltblütige Ueberlegung geläuterte Staats-<lb/> klugheit unſerer Stammverwandten in Nordamerika mit einem weniger<lb/> als es bei uns der Fall iſt der Irreleitung durch tauſendfach ſich kreu-<lb/> zende Verhältniſſe und Rathſchläge ausgeſetzten Sinn geſchaffen hat.<lb/> Eine kurze Darlegung der Grundprincipien der Unionsverfaſſung, auf<lb/> welche wir uns hier beſchränkt ſehen, wird das Bemerkte unterſtützen.</p><lb/> <p>Die Verfaſſung des nordamerikaniſchen Staatenvereins ſcheidet zu-<lb/> vörderſt genau die Attributionen der Vereinsgewalt von denjenigen der ein-<lb/> zelnen Staaten nach dem Princip der allen Staaten oder der Nation gemein-<lb/> ſamen und der beſonderen örtlichen und provinziellen Verhältniſſe und In-<lb/> tereſſen. Zu den Attributionen des Staatenvereins (der Union) zählt ſie<lb/> namentlich die Verhältniſſe zum Auslande, die Wehreinrichtungen und<lb/> ſonach die Land- und Seemacht, das Recht des Kriegs und Friedens,<lb/> die Zoll- und Handelsgeſetzgebung, das Geldweſen, die Poſtanſtalt,<lb/> das Recht der Strafgeſetzgebung über Verbrechen gegen den Bund und<lb/> ſeine Einrichtungen. Für die Ausübung ihrer Attributionen gibt ſie<lb/> der Vereinsregierung ihre eigenen Organe und Mittel, namentlich auch<lb/> das Recht der unmittelbaren Beſteuerung, ſo daß dieſelbe in der Ver-<lb/> kündigung und Vollziehung ihrer Beſchlüſſe nicht an die Vermittlung<lb/> der Regierungen der einzelnen Staaten und ihrer Behörden gebunden<lb/> iſt, durch welche dieſe Verkündigung und Vollziehung ſo vielfach ge-<lb/> hemmt und entſtellt werden kann, ſondern daß die Vereinsregierung<lb/> innerhalb ihres Wirkungskreiſes in unmittelbarer Berührung mit der<lb/> Nation ſelbſt ſteht.</p><lb/> <p>Das oberſte Organ der Vereinsgewalt iſt aus dem Hauſe der Reprä-<lb/> ſentanten, dem Senat und dem Präſidenten zuſammengeſetzt. Dem<lb/> Präſidenten kommt zunächſt die vollziehende, den beiden Häuſern der<lb/> Repräſentanten und des Senats die geſetzgebende Gewalt zu. Aber<lb/> dieſe beiderlei Gewalten ſind nicht in abſolutem Sinn in ihren Organen<lb/> von einander geſondert, vielmehr iſt eine Ausgleichung der Gegenſätze<lb/> durch Wechſelwirkung und Zuſammenhandeln vielfach vorgeſehen. Der<lb/> Präſident nimmt an der Geſetzgebung theil, inſofern er die beiden<lb/> Häuſer zur Entwerfung von Geſetzen in beſtimmter Richtung auffor-<lb/> dern und gegen die von ihnen angenommenen Geſetze ein Veto ausüben<lb/> kann, das erſt unwirkſam wird wenn nach zweimaliger Ausübung des-<lb/><cb/> ſelben dasſelbe Geſetz nochmals von den Häuſern angenommen wird.<lb/> Die Häuſer üben mancherlei Attributionen aus welche, ſtreng genom-<lb/> men, zum Gebiet der vollziehenden Gewalt gehören, ſo iſt z. B. die<lb/> Verwilligung von Erfindungspatenten zunächſt Sache des Repräſen-<lb/> tantenhauſes, und der Senat nimmt an ſehr vielen wichtigen Acten der<lb/> Vollziehungsgewalt, z. B. an der Beſetzung der diplomatiſchen Poſten<lb/> und anderer Aemter, an der Abſchließung von Staatsverträgen ꝛc. in<lb/> der Art theil daß die deßhalb von dem Präſidenten zu machenden Vor-<lb/> ſchläge ſeiner Genehmigung unterliegen.</p><lb/> <p>Merkwürdig für die vorzugsweiſe Bedeutung welche den einzelnen<lb/> Organen der oberſten Bundesgewalt in dem Geſammtorganismus der-<lb/> ſelben zukommt, und zunächſt auch für die jetzt in Deutſchland vorlie-<lb/> gende Frage iſt die Art ihrer Beſtellung. Die Mitglieder des. Reprä-<lb/> ſentantenhauſes werden durch unmittelbare Volkswahl berufen, ihre<lb/> Erwählung iſt unter die Bevölkerung des Geſammtgebiets der Ver-<lb/> einigten Staaten nach einem von dieſer Bevölkerung hergenommenen<lb/> Maßſtab vertheilt. Jn dem gedachten Hauſe ſtellt ſich alſo zunächſt die<lb/> Einheit der Geſammtnation dar. Der Senat wird zuſammengeſetzt,<lb/> indem das oberſte Regierungsorgan eines jeden der in dem Verein be-<lb/> griffenen Einzelnſtaaten, unabhängig von der Gebietsgröße und Be-<lb/> völkerung der letztern, die gleiche Zahl, nämlich zwei Mitglieder, in<lb/> denſelben abordnet. Der Organismus der Einzelſtaaten, in welche<lb/> die Nation ſich theilt, iſt es daher zunächſt der in dem Senat ſich dar-<lb/> ſtellt. Bei der Wahl des Präſidenten vereinigen ſich die beiden in der<lb/> Beſtellung der geſetzgebenden Körper getrennten Principien, jeder Einzel-<lb/> ſtaat ſtellt eine der Zahl der ihm angehörigen Mitglieder der beiden ge-<lb/> ſetzgebenden Häuſer gleiche Zahl von Wählern. Ergibt ſich unter dieſen<lb/> keine abſolute Stimmenmehrheit für einen Candidaten, ſo wählt das<lb/> Haus der Repräſentanten aus den Candidaten zwiſchen welchen die<lb/> Stimmen ſich theilten den Präſidenten, indem ſeine Mitglieder hiebei<lb/> nach Staaten abſtimmen. Einen dritten weſentlichen Beſtandtheil der<lb/> Unionsverfaſſung bildet das oberſte Bundesgericht, das neben den ihm<lb/> als Appellationsinſtanz bei Rechtsſtreiten innerhalb der Sphäre der<lb/> Attributionen der Bundesgewalt zukommenden Befugniſſen über Con-<lb/> flicte zwiſchen den oberſten Organen dieſer Gewalt untereinander oder<lb/> zwiſchen der Bundesgewalt und derjenigen der Einzelſtaaten zu ent-<lb/> ſcheiden hat.</p><lb/> <p>Wenden wir uns nun zu unſern deutſchen Verhältniſſen zurück, ſo<lb/> finden wir ein Analogon des Senats der Vereinigten Staaten in der<lb/> beſtehenden Bundesverſammlung, und zunächſt dem engern Rath der-<lb/> ſelben bereits gegeben. Das Seitenſtück des Repräſentantenhauſes iſt<lb/> dasjenige was unſerer Bundesverfaſſung fehlt und deſſen Hervorbildung<lb/> als allgemeines Bedürfniß gefühlt wird. Die Staaten ſind in der von<lb/> den Regierungen beſetzten Bundesverſammlung vertreten, die Einheit<lb/> der Nation ſoll in der neuen Schöpfung repräſentirt werden. Iſt hie-<lb/> durch über die Art und Weiſe wie die Mitglieder des deutſchen Unter-<lb/> hauſes beſtellt werden ſollen nicht in der Hauptſache bereits entſchieden?<lb/> Seine Mitglieder können nicht wieder Abgeordnete der Staaten wie die<lb/> Mitglieder des Oberhauſes, ſie müſſen Abgeordnete des Volkes ſeyn.<lb/> Das letztere ſind ſie nicht wenn ſie, wie manche wohlmeinende, aber<lb/> offenbar nicht gehörig aufgeklärte Stimmen verlangen, von den Stände-<lb/> verſammlungen der einzelnen Staaten gewählt werden.</p><lb/> <p>Darf man annehmen daß in conſtitutionellen Staaten das Miniſte-<lb/> rium und die Mehrheit der Ständeverſammlung derſelben politiſchen Rich-<lb/> tung angehören, ſo beſteht zwiſchen der Wahl der Unterhausmitglieder,<lb/> wenn dieſe der Ständeverſammlung zukommt, und der Ernennung der<lb/> Repräſentanten der Staatsregierungen im Oberhaus kein principieller<lb/> Unterſchied, und während das Unterhaus die Einheit der Nation reprä-<lb/> ſentiren ſoll, findet in der Bildung der Wahlcollegien für ſeine Mitglieder<lb/> alle die Verſchiedenheit ſtatt welche die Einrichtung der Ständeverſamm-<lb/> lung in den einzelnen Bundesſtaaten zuläßt. Es iſt klar daß die Abge-<lb/> ordneten des Unterhauſes, wenn dieſes ſeiner Beſtimmung entſprechen<lb/> ſoll, aus Wahlcollegien hervorgehen müſſen die in allen deutſchen Staaten<lb/> nach demſelben Geſetz formirt ſind, und denen ein quantitativ gleicher<lb/> Antheil an der Bildung der Nationalvertretung zukommt. Würde auf<lb/> 60,000 Einwohner ein Wahlcollegium für einen Abgeordneten gerechnet,<lb/> ſo erhielte man bei einer Bundesbevölkerung von dreißig Millionen ein<lb/> Unterhaus von fünfhundert Mitgliedern. Uebrigens verlangen wir keine<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0009]
Nr. 80.
Beilage zur Allgemeinen Zeitung.
20 März 1848.
Das deutſche Parlament.
ꖌ Nachdem die große Idee der innigeren Vereinigung der deut-
ſchen Volksſtämme durch eine in der Bundesverfaſſung aufzunehmende
Volksvertretung dieſe Stämme mit einer Begeiſterungskraft durchdrun-
gen hat, welche — zumal bei dem hochherzigen Vorgang mehrerer deut-
ſchen Fürſten — die ſichere Ausſicht gewährt daß demnächſt an dieſes
für das Wohl Deutſchlands und aller einzelnen deutſchen Länder und
Völkerſchaften entſcheidende, zur Heilung vielhundertjähriger Schäden
und Gebrechen beſtimmte Werk die Hand werde gelegt werden, ſo
kommt es nun darauf an daß der Begeiſterung für die Sache ein klares
Verſtändniß über die Bedingungen einer glücklichen Durchführung der-
ſelben ſich beigeſelle. Wenn wir in dieſer Hinſicht den Blick derer die
an dem Werk zu arbeiten berufen ſind, auf die Verfaſſung des nord-
amerikaniſchen Staatenbundes zu lenken ſuchen, ſo ſind wir weit ent-
fernt ihn von unſerer eigenen Geſchichte und den aus. ihr entwickelten
Verhältniſſen ablenken zu wollen. Vielmehr leitet uns hiebei gerade
eine Aehnlichkeit der Verhältniſſe, in welcher bei allen ſonſtigen Ver-
ſchiedenheiten die beiden Nationen ſich begegnen. Dort wie hier ſehen
wir eine Mehrzahl ſelbſtändiger Staaten von außerordentlicher Ver-
ſchiedenheit des Umfangs, bei denen es ſich davon handelt die provin-
zielle Selbſtändigkeit mit einer kräftigen Nationaleinheit zu vereinigen.
Dieſes Problem, das Problem einer Staatseinrichtung welche eine
freie unabhängige Selbſtthätigkeit in den Angelegenheiten des Orts
und der Provinz mit dem lebendigſten Bewußtſeyn und der kräftigſten
Bethätigung der Nationaleinheit verbindet, iſt in der amerikaniſchen
Union anerkanntermaßen auf eine bewunderungswürdige, durch die Er-
fahrungen eines Zeitraums von 60 bewegten Jahren glänzend erprobte
Weiſe gelöst worden. Bei dem was das Weſen dieſes Problems aus-
macht, der Verbindung mehrerer ſelbſtändiger Staaten zu einer höhern
Staatseinheit, kommt es auf die monarchiſche oder republicaniſche Re-
gierungsform dieſer Staaten nicht an. Sehen wir uns daher immer-
hin bei dem neuen Bau welchen wir zu entwerfen haben nach dem um
was die durch Erfahrung und kaltblütige Ueberlegung geläuterte Staats-
klugheit unſerer Stammverwandten in Nordamerika mit einem weniger
als es bei uns der Fall iſt der Irreleitung durch tauſendfach ſich kreu-
zende Verhältniſſe und Rathſchläge ausgeſetzten Sinn geſchaffen hat.
Eine kurze Darlegung der Grundprincipien der Unionsverfaſſung, auf
welche wir uns hier beſchränkt ſehen, wird das Bemerkte unterſtützen.
Die Verfaſſung des nordamerikaniſchen Staatenvereins ſcheidet zu-
vörderſt genau die Attributionen der Vereinsgewalt von denjenigen der ein-
zelnen Staaten nach dem Princip der allen Staaten oder der Nation gemein-
ſamen und der beſonderen örtlichen und provinziellen Verhältniſſe und In-
tereſſen. Zu den Attributionen des Staatenvereins (der Union) zählt ſie
namentlich die Verhältniſſe zum Auslande, die Wehreinrichtungen und
ſonach die Land- und Seemacht, das Recht des Kriegs und Friedens,
die Zoll- und Handelsgeſetzgebung, das Geldweſen, die Poſtanſtalt,
das Recht der Strafgeſetzgebung über Verbrechen gegen den Bund und
ſeine Einrichtungen. Für die Ausübung ihrer Attributionen gibt ſie
der Vereinsregierung ihre eigenen Organe und Mittel, namentlich auch
das Recht der unmittelbaren Beſteuerung, ſo daß dieſelbe in der Ver-
kündigung und Vollziehung ihrer Beſchlüſſe nicht an die Vermittlung
der Regierungen der einzelnen Staaten und ihrer Behörden gebunden
iſt, durch welche dieſe Verkündigung und Vollziehung ſo vielfach ge-
hemmt und entſtellt werden kann, ſondern daß die Vereinsregierung
innerhalb ihres Wirkungskreiſes in unmittelbarer Berührung mit der
Nation ſelbſt ſteht.
Das oberſte Organ der Vereinsgewalt iſt aus dem Hauſe der Reprä-
ſentanten, dem Senat und dem Präſidenten zuſammengeſetzt. Dem
Präſidenten kommt zunächſt die vollziehende, den beiden Häuſern der
Repräſentanten und des Senats die geſetzgebende Gewalt zu. Aber
dieſe beiderlei Gewalten ſind nicht in abſolutem Sinn in ihren Organen
von einander geſondert, vielmehr iſt eine Ausgleichung der Gegenſätze
durch Wechſelwirkung und Zuſammenhandeln vielfach vorgeſehen. Der
Präſident nimmt an der Geſetzgebung theil, inſofern er die beiden
Häuſer zur Entwerfung von Geſetzen in beſtimmter Richtung auffor-
dern und gegen die von ihnen angenommenen Geſetze ein Veto ausüben
kann, das erſt unwirkſam wird wenn nach zweimaliger Ausübung des-
ſelben dasſelbe Geſetz nochmals von den Häuſern angenommen wird.
Die Häuſer üben mancherlei Attributionen aus welche, ſtreng genom-
men, zum Gebiet der vollziehenden Gewalt gehören, ſo iſt z. B. die
Verwilligung von Erfindungspatenten zunächſt Sache des Repräſen-
tantenhauſes, und der Senat nimmt an ſehr vielen wichtigen Acten der
Vollziehungsgewalt, z. B. an der Beſetzung der diplomatiſchen Poſten
und anderer Aemter, an der Abſchließung von Staatsverträgen ꝛc. in
der Art theil daß die deßhalb von dem Präſidenten zu machenden Vor-
ſchläge ſeiner Genehmigung unterliegen.
Merkwürdig für die vorzugsweiſe Bedeutung welche den einzelnen
Organen der oberſten Bundesgewalt in dem Geſammtorganismus der-
ſelben zukommt, und zunächſt auch für die jetzt in Deutſchland vorlie-
gende Frage iſt die Art ihrer Beſtellung. Die Mitglieder des. Reprä-
ſentantenhauſes werden durch unmittelbare Volkswahl berufen, ihre
Erwählung iſt unter die Bevölkerung des Geſammtgebiets der Ver-
einigten Staaten nach einem von dieſer Bevölkerung hergenommenen
Maßſtab vertheilt. Jn dem gedachten Hauſe ſtellt ſich alſo zunächſt die
Einheit der Geſammtnation dar. Der Senat wird zuſammengeſetzt,
indem das oberſte Regierungsorgan eines jeden der in dem Verein be-
griffenen Einzelnſtaaten, unabhängig von der Gebietsgröße und Be-
völkerung der letztern, die gleiche Zahl, nämlich zwei Mitglieder, in
denſelben abordnet. Der Organismus der Einzelſtaaten, in welche
die Nation ſich theilt, iſt es daher zunächſt der in dem Senat ſich dar-
ſtellt. Bei der Wahl des Präſidenten vereinigen ſich die beiden in der
Beſtellung der geſetzgebenden Körper getrennten Principien, jeder Einzel-
ſtaat ſtellt eine der Zahl der ihm angehörigen Mitglieder der beiden ge-
ſetzgebenden Häuſer gleiche Zahl von Wählern. Ergibt ſich unter dieſen
keine abſolute Stimmenmehrheit für einen Candidaten, ſo wählt das
Haus der Repräſentanten aus den Candidaten zwiſchen welchen die
Stimmen ſich theilten den Präſidenten, indem ſeine Mitglieder hiebei
nach Staaten abſtimmen. Einen dritten weſentlichen Beſtandtheil der
Unionsverfaſſung bildet das oberſte Bundesgericht, das neben den ihm
als Appellationsinſtanz bei Rechtsſtreiten innerhalb der Sphäre der
Attributionen der Bundesgewalt zukommenden Befugniſſen über Con-
flicte zwiſchen den oberſten Organen dieſer Gewalt untereinander oder
zwiſchen der Bundesgewalt und derjenigen der Einzelſtaaten zu ent-
ſcheiden hat.
Wenden wir uns nun zu unſern deutſchen Verhältniſſen zurück, ſo
finden wir ein Analogon des Senats der Vereinigten Staaten in der
beſtehenden Bundesverſammlung, und zunächſt dem engern Rath der-
ſelben bereits gegeben. Das Seitenſtück des Repräſentantenhauſes iſt
dasjenige was unſerer Bundesverfaſſung fehlt und deſſen Hervorbildung
als allgemeines Bedürfniß gefühlt wird. Die Staaten ſind in der von
den Regierungen beſetzten Bundesverſammlung vertreten, die Einheit
der Nation ſoll in der neuen Schöpfung repräſentirt werden. Iſt hie-
durch über die Art und Weiſe wie die Mitglieder des deutſchen Unter-
hauſes beſtellt werden ſollen nicht in der Hauptſache bereits entſchieden?
Seine Mitglieder können nicht wieder Abgeordnete der Staaten wie die
Mitglieder des Oberhauſes, ſie müſſen Abgeordnete des Volkes ſeyn.
Das letztere ſind ſie nicht wenn ſie, wie manche wohlmeinende, aber
offenbar nicht gehörig aufgeklärte Stimmen verlangen, von den Stände-
verſammlungen der einzelnen Staaten gewählt werden.
Darf man annehmen daß in conſtitutionellen Staaten das Miniſte-
rium und die Mehrheit der Ständeverſammlung derſelben politiſchen Rich-
tung angehören, ſo beſteht zwiſchen der Wahl der Unterhausmitglieder,
wenn dieſe der Ständeverſammlung zukommt, und der Ernennung der
Repräſentanten der Staatsregierungen im Oberhaus kein principieller
Unterſchied, und während das Unterhaus die Einheit der Nation reprä-
ſentiren ſoll, findet in der Bildung der Wahlcollegien für ſeine Mitglieder
alle die Verſchiedenheit ſtatt welche die Einrichtung der Ständeverſamm-
lung in den einzelnen Bundesſtaaten zuläßt. Es iſt klar daß die Abge-
ordneten des Unterhauſes, wenn dieſes ſeiner Beſtimmung entſprechen
ſoll, aus Wahlcollegien hervorgehen müſſen die in allen deutſchen Staaten
nach demſelben Geſetz formirt ſind, und denen ein quantitativ gleicher
Antheil an der Bildung der Nationalvertretung zukommt. Würde auf
60,000 Einwohner ein Wahlcollegium für einen Abgeordneten gerechnet,
ſo erhielte man bei einer Bundesbevölkerung von dreißig Millionen ein
Unterhaus von fünfhundert Mitgliedern. Uebrigens verlangen wir keine
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |