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Allgemeine Zeitung, Nr. 81, 21. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Opfer bringen zu sehen -- ist es zu viel verlangt daß auch von den
Fürsten einmal dasselbe geschehe? Daß zweiunddreißig Fürsten unter
Einem deutschen König oder Kaiser fortan auf dem Reichstag in einer
Art Oberhaus sitzen, Hand in Hand mit der Nation an dem Wieder-
aufbau Deutschlands arbeiten?

Wenn der Fürstentag in Dresden zusammentritt um solche Ent-
würfe auszuführen: dann Heil und Segen über ihn! Wenn er aber
vorhaben sollte im entgegengesetzten Sinne zu berathen und zu handeln,
so wird er das Vaterland in heillose Verwirrung stürzen, und was wird
er damit für sich selbst gewonnen haben?



Die Constitution des österreichischen Kaiserstaats.

Ein großes Weltereigniß hat stattge-
funden. Die alte absolute Monarchie ist nicht mehr; der Stein des
Anstoßes für das constitutionelle Europa ist hinweggeräumt, und
Oesterreich ist hinfort ein constitutioneller Staat. Möge die Constitu-
tion mit Weisheit aber mit vollständiger Beachtung aller der neuen
Regierungsform inwohnenden Bedingungen, mit Rücksicht was allge-
mein gültig, und was die Zusammensetzung der österreichischen Mon-
archie speciellerheischt, entworfen werden, und zu einem Baum emporwach-
sen in dessen Schatten die Enkel friedlich wohnen! Sie ist lange vorenthalten
worden -- zu lange. Früher gegeben würden ihre Geburtswehen
minder erschütternd gewesen seyn; eine ruhige Zeit hätte sie lang-
sam gereift und erstarken gemacht, ehe die Tage des Sturms einge-
treten. Nicht nur die ungeduldigen Naturen haben sie mit optimisti-
scher Leidenschaftlichkeit gefordert, auch solche Männer deren Jahre ju-
gendliches Auflodern nicht besorgen lassen, haben sie sehnsüchtig herbei-
gewünscht, in voller unerschütterlicher, und durch den Erfolg gerecht-
fertigter Ueberzeugung daß der gänzliche Umschwung der Ideen, den
die Geister in den letzten 30 Jahren genommen haben, an diesem Ziele
ankommen mußte, und daß alles daran gelegen sey daß diese Um-
gestaltung eine besonnene, vorbedachte sey. Diese Ueberzeugung, zu allen
Zeiten ausgesprochen, hat wenig Anklang, und noch weniger Beach-
tung unter den Staatsmännern der alten Schule gefunden, denen die
Erfolge eines halben Jahrhunderts eine andere Praxis räthlich mach-
ten. Man hätte großes Unrecht die Thatsachen die Ansichten
dieser Männer zu verurtheilen, ihre Intentionen zu verdächtigen.
Sie wollten gewiß das Beste des Vaterlandes, aber auf dem Wege
den sie für den einzig möglichen hielten, auf dem sicheren, gefahrlosen
der alten Landstraße; auf diesem aber wollte die heutige Zeit nicht
mehr reisen, die sich lieber der Gefahr der Locomotive aussetzt als
langsam wenig Weg macht! Wir fragen uns mit Verwunderung,
wie man die materielle Nothwendigkeit richtig erkannte und so gänzlich
blind für die unabweisliche Richtung der Geister geblieben ist. Wäre
diese besser erkannt und richtiger in Oesterreich gesehen worden als
durch die blöde Augen officieller Rapporte, man würde zwar nicht die
Lösung der Frage haben umgehen können, aber die gewaltsame Weise
in der sie stattfand, hätte man uns ersparen können. Nun der Ru-
bikon überschritten, ist die Aufgabe jedes wahren Patrioten zuerst die
Gemüther zu beruhigen und die Agitationen zu beschwichtigen, da-
mit der junge Baum der Freiheit geschützt werde und gedeihen
könne. Die Presse aber hat, nun sie frei, die besondere Verpflich-
tung die Regierung auf alle mögliche Weise zu unterstützen, und
ihr die ungeheure Arbeit einer völligen Umgestaltung ihres Systems, wie
der Constitutionelle sie bedarf, zu erleichtern. Wie wir die österreichischen
Schriftsteller kennen, wird sich keiner dieser Aufgabe entziehen; jeder wird
in seiner Brust den patriotischen Drang fühlen zu nützen, nicht zu blen-
den und irrezuleiten, und überall wird das Talent mit höherer Weihe
und heiligem Ernst an diese Arbeit schreiten. Man zeige vor allem
Vertrauen; kein blindes, aber ein offenes, redliches. War die Auf-
regung
bis heute nöthig, so ist es jetzt die Eintracht, die Eintracht
zwischen Krone und Volk, die Eintracht zwischen allen verschiedenen
Ländern des österreichischen Mutterstaates. Von der Weichsel bis zum
Po möge man sich die Hand reichen, nicht eine Nation, wohl aber
einen Staat bildend, in dessen gemeinschaftlichem zu Schutz und Trutz
geschlossenem Verbande jede dieser Nationen sich nach ihrer Eigenthüm-
lichkeit bewege. Die deutsche Sache aber ist das große Losungswort für
alle diese Theile, denn mit ihr steht und fällt Oesterreich, und mit dem
alten Mutterstaat jedes der verbundenen Reiche. Einmal der Constitu-
tion das Wort verpfändet, wird, wir wissen es, die Dynastie es redlich
und ohne Rückhalt einlösen. An diesem Worte mäkeln zu wollen wird
[Spaltenumbruch] sich auch der entschiedenste Freund des alten Systems nicht beikommen
lassen. Heil zu finden ist nur in der Wahrheit und Redlichkeit mit der
man der Krone auf dem neuen Wege zu Hülfe kommt. Aber laßt den
Menschen und den Dingen Zeit sich zusammenzufassen, und überstürzt
die Entscheide nicht die alle in nothwendiger Folge kommen müssen, und
in kurzem werden wir fest und sicher im Schutze neuer Institutionen
wandeln. Das Erdbeben das uns erschütterte, hat viel entwurzelt und
verschüttet, und wir werden lange zu thun haben um den Schutt wegzu-
räumen und die neue Saat zu bestellen.



Aus Paris.

Die Commission der Arbeit hat eine
zweite Gesammtsitzung gehalten. Hr. Louis Blanc war in dieser zweiten
Sitzung viel klarer und praktischer als in der ersten. Er sagte: "Die
Commission muß nach zwei verschiedenen Richtungen hin thätig seyn;
sie muß vorerst alle allgemeinen Fragen die sich auf die Organisa-
tion der Arbeit beziehen, studiren, um sie als Gesetzvorschläge zu
formuliren und der Nationalversammlung vorzulegen; sie muß dann,
neben diesen Studien, Maßregeln der unmittelbaren
Verbesserung
, geeignet der rechtmäßigen Ungeduld des Augenblicks zu
entsprechen, durchführen." Der Gegensatz tritt hier sehr klar hervor,
die "Theorie," die "Systeme" der Organisation der Arbeit sollen
studirt, unterdeß aber zugleich der Zustand der Arbeiter praktisch so
viel als möglich verbessert werden. Die Natur der Dinge lenkt die
Commission in diese letzte Bahn hinein, und wir freuen uns dessen
von Herzen, denn wir hoffen fast mehr von diesen praktischen Ver-
besserungen als von den theoretischen Studien der Commission. Die
erste thatsächliche Verbesserung aber sollen "vier Etablissements seyn,
jedes dazu bestimmt ungefähr 400 Arbeiterhaushaltungen in beson-
dern Familienwohnungen aufzunehmen." Hr. Louis Blanc setzt
hinzu: "Es ist gut zu bemerken daß ähnliche Etablissements schon
seit langer Zeit in mehrern Ländern bestehen," deßwegen freut es
um so mehr wenn nun auch welche in Frankreich errichtet werden.
Eine Bedingung zur Aufnahme in diese Arbeiterwohnung ist daß
der Arbeiter verheirathet ist, und zwar legitimer Weise. Wir sind
ein wenig erstaunt über diese Bedingung, aber wir freuen uns aber-
mals daß die Arbeitercommission sie gestellt hat. Sie stößt eben-
falls gegen viele schöne "Theorien" und "Systeme" an; aber es
wird nicht das letztemal seyn daß die Theorie in sich selbst zerfällt
wenn sie zur Anwendung gebracht werden soll. Die legitime Ehe ist
etwas das mit dem Eigenthum Schritt hält, und wir haben stets
die Ueberzeugung gehegt daß ohne eins und anderes keine Gesell-
schaft und kein Fortschritt möglich sind. Aber es ist gut daß die
französischen Socialisten und Quasisocialisten gleich bei dem ersten
Schritte, den sie zur Bethätigung ihrer Grundsätze und Ansichten
machen, gezwungen sind wieder auf so alte Wahrheiten zurückzu-
kommen. Ihre deutschen Nachbeter mögen daraus etwas lernen. Die
ganze Richtung der Arbeitercommission ist überhaupt schon heute
eine ziemlich naturgemäße. Die Theorie bleibt vorerst im Stadium
der Vorstudien, die That schließt sich an alte, anerkannte, und wie
Hr. Louis Blanc selbst sagt, in England und in Deutschland seit
langer Zeit versuchte und durchgeführte Verbesserungen an. Wir
hoffen mit ihm daß dieselben gegenwärtig in Frankreich häusiger
werden sollen, als sie bis jetzt in Deutschland und England waren,
was aber nicht verhindern wird daß wenigstens Deutschland sich auch
auf diesem Felde den Rang nicht ablaufen lassen wird. Das Glück
der neuen Errungenschaften besteht nicht in den Theorien einzelner
Leute, sondern in der allgemeinen Anerkennung des Grundsatzes wel-
cher der Gesellschaft die Pflicht auflegt zu verhindern daß die Arbeit
ausgesaugt werde und am Ende kümmerlich in Noth und Elend un-
tergehe. Der gesunde Menschenverstand wird die Verwirklichung die-
ses Grundsatzes schon finden, und daß die "Theoretiker" in Paris
selbst auf diese Bahn gelenkt wurden, ist für uns eine ganz andere
Bürgschaft für die thatsächliche Verbesserung der Lage der armen
Leute in Frankreich als alle Theorien die uns bis jetzt zu Gesicht
kamen. Ja diese Theorien haben uns mehr geschreckt als uns Hoff-
nungen gegeben, und erst seit wir die Theoretiker im Luxembourg
selbst gezwungen sehen bei den alten Erfahrungen zu borgen und
diese zu vervielfachen, schrecken uns die hohle Theorie und ihre Ver-
treter weniger als anfangs, wo wir sie halbwegs bereit sahen

[Spaltenumbruch] Opfer bringen zu ſehen — iſt es zu viel verlangt daß auch von den
Fürſten einmal dasſelbe geſchehe? Daß zweiunddreißig Fürſten unter
Einem deutſchen König oder Kaiſer fortan auf dem Reichstag in einer
Art Oberhaus ſitzen, Hand in Hand mit der Nation an dem Wieder-
aufbau Deutſchlands arbeiten?

Wenn der Fürſtentag in Dresden zuſammentritt um ſolche Ent-
würfe auszuführen: dann Heil und Segen über ihn! Wenn er aber
vorhaben ſollte im entgegengeſetzten Sinne zu berathen und zu handeln,
ſo wird er das Vaterland in heilloſe Verwirrung ſtürzen, und was wird
er damit für ſich ſelbſt gewonnen haben?



Die Conſtitution des öſterreichiſchen Kaiſerſtaats.

Ein großes Weltereigniß hat ſtattge-
funden. Die alte abſolute Monarchie iſt nicht mehr; der Stein des
Anſtoßes für das conſtitutionelle Europa iſt hinweggeräumt, und
Oeſterreich iſt hinfort ein conſtitutioneller Staat. Möge die Conſtitu-
tion mit Weisheit aber mit vollſtändiger Beachtung aller der neuen
Regierungsform inwohnenden Bedingungen, mit Rückſicht was allge-
mein gültig, und was die Zuſammenſetzung der öſterreichiſchen Mon-
archie ſpeciellerheiſcht, entworfen werden, und zu einem Baum emporwach-
ſen in deſſen Schatten die Enkel friedlich wohnen! Sie iſt lange vorenthalten
worden — zu lange. Früher gegeben würden ihre Geburtswehen
minder erſchütternd geweſen ſeyn; eine ruhige Zeit hätte ſie lang-
ſam gereift und erſtarken gemacht, ehe die Tage des Sturms einge-
treten. Nicht nur die ungeduldigen Naturen haben ſie mit optimiſti-
ſcher Leidenſchaftlichkeit gefordert, auch ſolche Männer deren Jahre ju-
gendliches Auflodern nicht beſorgen laſſen, haben ſie ſehnſüchtig herbei-
gewünſcht, in voller unerſchütterlicher, und durch den Erfolg gerecht-
fertigter Ueberzeugung daß der gänzliche Umſchwung der Ideen, den
die Geiſter in den letzten 30 Jahren genommen haben, an dieſem Ziele
ankommen mußte, und daß alles daran gelegen ſey daß dieſe Um-
geſtaltung eine beſonnene, vorbedachte ſey. Dieſe Ueberzeugung, zu allen
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tung unter den Staatsmännern der alten Schule gefunden, denen die
Erfolge eines halben Jahrhunderts eine andere Praxis räthlich mach-
ten. Man hätte großes Unrecht die Thatſachen die Anſichten
dieſer Männer zu verurtheilen, ihre Intentionen zu verdächtigen.
Sie wollten gewiß das Beſte des Vaterlandes, aber auf dem Wege
den ſie für den einzig möglichen hielten, auf dem ſicheren, gefahrloſen
der alten Landſtraße; auf dieſem aber wollte die heutige Zeit nicht
mehr reiſen, die ſich lieber der Gefahr der Locomotive ausſetzt als
langſam wenig Weg macht! Wir fragen uns mit Verwunderung,
wie man die materielle Nothwendigkeit richtig erkannte und ſo gänzlich
blind für die unabweisliche Richtung der Geiſter geblieben iſt. Wäre
dieſe beſſer erkannt und richtiger in Oeſterreich geſehen worden als
durch die blöde Augen officieller Rapporte, man würde zwar nicht die
Löſung der Frage haben umgehen können, aber die gewaltſame Weiſe
in der ſie ſtattfand, hätte man uns erſparen können. Nun der Ru-
bikon überſchritten, iſt die Aufgabe jedes wahren Patrioten zuerſt die
Gemüther zu beruhigen und die Agitationen zu beſchwichtigen, da-
mit der junge Baum der Freiheit geſchützt werde und gedeihen
könne. Die Preſſe aber hat, nun ſie frei, die beſondere Verpflich-
tung die Regierung auf alle mögliche Weiſe zu unterſtützen, und
ihr die ungeheure Arbeit einer völligen Umgeſtaltung ihres Syſtems, wie
der Conſtitutionelle ſie bedarf, zu erleichtern. Wie wir die öſterreichiſchen
Schriftſteller kennen, wird ſich keiner dieſer Aufgabe entziehen; jeder wird
in ſeiner Bruſt den patriotiſchen Drang fühlen zu nützen, nicht zu blen-
den und irrezuleiten, und überall wird das Talent mit höherer Weihe
und heiligem Ernſt an dieſe Arbeit ſchreiten. Man zeige vor allem
Vertrauen; kein blindes, aber ein offenes, redliches. War die Auf-
regung
bis heute nöthig, ſo iſt es jetzt die Eintracht, die Eintracht
zwiſchen Krone und Volk, die Eintracht zwiſchen allen verſchiedenen
Ländern des öſterreichiſchen Mutterſtaates. Von der Weichſel bis zum
Po möge man ſich die Hand reichen, nicht eine Nation, wohl aber
einen Staat bildend, in deſſen gemeinſchaftlichem zu Schutz und Trutz
geſchloſſenem Verbande jede dieſer Nationen ſich nach ihrer Eigenthüm-
lichkeit bewege. Die deutſche Sache aber iſt das große Loſungswort für
alle dieſe Theile, denn mit ihr ſteht und fällt Oeſterreich, und mit dem
alten Mutterſtaat jedes der verbundenen Reiche. Einmal der Conſtitu-
tion das Wort verpfändet, wird, wir wiſſen es, die Dynaſtie es redlich
und ohne Rückhalt einlöſen. An dieſem Worte mäkeln zu wollen wird
[Spaltenumbruch] ſich auch der entſchiedenſte Freund des alten Syſtems nicht beikommen
laſſen. Heil zu finden iſt nur in der Wahrheit und Redlichkeit mit der
man der Krone auf dem neuen Wege zu Hülfe kommt. Aber laßt den
Menſchen und den Dingen Zeit ſich zuſammenzufaſſen, und überſtürzt
die Entſcheide nicht die alle in nothwendiger Folge kommen müſſen, und
in kurzem werden wir feſt und ſicher im Schutze neuer Inſtitutionen
wandeln. Das Erdbeben das uns erſchütterte, hat viel entwurzelt und
verſchüttet, und wir werden lange zu thun haben um den Schutt wegzu-
räumen und die neue Saat zu beſtellen.



Aus Paris.

Die Commiſſion der Arbeit hat eine
zweite Geſammtſitzung gehalten. Hr. Louis Blanc war in dieſer zweiten
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Commiſſion muß nach zwei verſchiedenen Richtungen hin thätig ſeyn;
ſie muß vorerſt alle allgemeinen Fragen die ſich auf die Organiſa-
tion der Arbeit beziehen, ſtudiren, um ſie als Geſetzvorſchläge zu
formuliren und der Nationalverſammlung vorzulegen; ſie muß dann,
neben dieſen Studien, Maßregeln der unmittelbaren
Verbeſſerung
, geeignet der rechtmäßigen Ungeduld des Augenblicks zu
entſprechen, durchführen.“ Der Gegenſatz tritt hier ſehr klar hervor,
die „Theorie,“ die „Syſteme“ der Organiſation der Arbeit ſollen
ſtudirt, unterdeß aber zugleich der Zuſtand der Arbeiter praktiſch ſo
viel als möglich verbeſſert werden. Die Natur der Dinge lenkt die
Commiſſion in dieſe letzte Bahn hinein, und wir freuen uns deſſen
von Herzen, denn wir hoffen faſt mehr von dieſen praktiſchen Ver-
beſſerungen als von den theoretiſchen Studien der Commiſſion. Die
erſte thatſächliche Verbeſſerung aber ſollen „vier Etabliſſements ſeyn,
jedes dazu beſtimmt ungefähr 400 Arbeiterhaushaltungen in beſon-
dern Familienwohnungen aufzunehmen.“ Hr. Louis Blanc ſetzt
hinzu: „Es iſt gut zu bemerken daß ähnliche Etabliſſements ſchon
ſeit langer Zeit in mehrern Ländern beſtehen,“ deßwegen freut es
um ſo mehr wenn nun auch welche in Frankreich errichtet werden.
Eine Bedingung zur Aufnahme in dieſe Arbeiterwohnung iſt daß
der Arbeiter verheirathet iſt, und zwar legitimer Weiſe. Wir ſind
ein wenig erſtaunt über dieſe Bedingung, aber wir freuen uns aber-
mals daß die Arbeitercommiſſion ſie geſtellt hat. Sie ſtößt eben-
falls gegen viele ſchöne „Theorien“ und „Syſteme“ an; aber es
wird nicht das letztemal ſeyn daß die Theorie in ſich ſelbſt zerfällt
wenn ſie zur Anwendung gebracht werden ſoll. Die legitime Ehe iſt
etwas das mit dem Eigenthum Schritt hält, und wir haben ſtets
die Ueberzeugung gehegt daß ohne eins und anderes keine Geſell-
ſchaft und kein Fortſchritt möglich ſind. Aber es iſt gut daß die
franzöſiſchen Socialiſten und Quaſiſocialiſten gleich bei dem erſten
Schritte, den ſie zur Bethätigung ihrer Grundſätze und Anſichten
machen, gezwungen ſind wieder auf ſo alte Wahrheiten zurückzu-
kommen. Ihre deutſchen Nachbeter mögen daraus etwas lernen. Die
ganze Richtung der Arbeitercommiſſion iſt überhaupt ſchon heute
eine ziemlich naturgemäße. Die Theorie bleibt vorerſt im Stadium
der Vorſtudien, die That ſchließt ſich an alte, anerkannte, und wie
Hr. Louis Blanc ſelbſt ſagt, in England und in Deutſchland ſeit
langer Zeit verſuchte und durchgeführte Verbeſſerungen an. Wir
hoffen mit ihm daß dieſelben gegenwärtig in Frankreich häuſiger
werden ſollen, als ſie bis jetzt in Deutſchland und England waren,
was aber nicht verhindern wird daß wenigſtens Deutſchland ſich auch
auf dieſem Felde den Rang nicht ablaufen laſſen wird. Das Glück
der neuen Errungenſchaften beſteht nicht in den Theorien einzelner
Leute, ſondern in der allgemeinen Anerkennung des Grundſatzes wel-
cher der Geſellſchaft die Pflicht auflegt zu verhindern daß die Arbeit
ausgeſaugt werde und am Ende kümmerlich in Noth und Elend un-
tergehe. Der geſunde Menſchenverſtand wird die Verwirklichung die-
ſes Grundſatzes ſchon finden, und daß die „Theoretiker“ in Paris
ſelbſt auf dieſe Bahn gelenkt wurden, iſt für uns eine ganz andere
Bürgſchaft für die thatſächliche Verbeſſerung der Lage der armen
Leute in Frankreich als alle Theorien die uns bis jetzt zu Geſicht
kamen. Ja dieſe Theorien haben uns mehr geſchreckt als uns Hoff-
nungen gegeben, und erſt ſeit wir die Theoretiker im Luxembourg
ſelbſt gezwungen ſehen bei den alten Erfahrungen zu borgen und
dieſe zu vervielfachen, ſchrecken uns die hohle Theorie und ihre Ver-
treter weniger als anfangs, wo wir ſie halbwegs bereit ſahen

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[0010] Opfer bringen zu ſehen — iſt es zu viel verlangt daß auch von den Fürſten einmal dasſelbe geſchehe? Daß zweiunddreißig Fürſten unter Einem deutſchen König oder Kaiſer fortan auf dem Reichstag in einer Art Oberhaus ſitzen, Hand in Hand mit der Nation an dem Wieder- aufbau Deutſchlands arbeiten? Wenn der Fürſtentag in Dresden zuſammentritt um ſolche Ent- würfe auszuführen: dann Heil und Segen über ihn! Wenn er aber vorhaben ſollte im entgegengeſetzten Sinne zu berathen und zu handeln, ſo wird er das Vaterland in heilloſe Verwirrung ſtürzen, und was wird er damit für ſich ſelbſt gewonnen haben? Die Conſtitution des öſterreichiſchen Kaiſerſtaats. = Wien, 16 März. Ein großes Weltereigniß hat ſtattge- funden. Die alte abſolute Monarchie iſt nicht mehr; der Stein des Anſtoßes für das conſtitutionelle Europa iſt hinweggeräumt, und Oeſterreich iſt hinfort ein conſtitutioneller Staat. Möge die Conſtitu- tion mit Weisheit aber mit vollſtändiger Beachtung aller der neuen Regierungsform inwohnenden Bedingungen, mit Rückſicht was allge- mein gültig, und was die Zuſammenſetzung der öſterreichiſchen Mon- archie ſpeciellerheiſcht, entworfen werden, und zu einem Baum emporwach- ſen in deſſen Schatten die Enkel friedlich wohnen! Sie iſt lange vorenthalten worden — zu lange. Früher gegeben würden ihre Geburtswehen minder erſchütternd geweſen ſeyn; eine ruhige Zeit hätte ſie lang- ſam gereift und erſtarken gemacht, ehe die Tage des Sturms einge- treten. Nicht nur die ungeduldigen Naturen haben ſie mit optimiſti- ſcher Leidenſchaftlichkeit gefordert, auch ſolche Männer deren Jahre ju- gendliches Auflodern nicht beſorgen laſſen, haben ſie ſehnſüchtig herbei- gewünſcht, in voller unerſchütterlicher, und durch den Erfolg gerecht- fertigter Ueberzeugung daß der gänzliche Umſchwung der Ideen, den die Geiſter in den letzten 30 Jahren genommen haben, an dieſem Ziele ankommen mußte, und daß alles daran gelegen ſey daß dieſe Um- geſtaltung eine beſonnene, vorbedachte ſey. Dieſe Ueberzeugung, zu allen Zeiten ausgeſprochen, hat wenig Anklang, und noch weniger Beach- tung unter den Staatsmännern der alten Schule gefunden, denen die Erfolge eines halben Jahrhunderts eine andere Praxis räthlich mach- ten. Man hätte großes Unrecht die Thatſachen die Anſichten dieſer Männer zu verurtheilen, ihre Intentionen zu verdächtigen. Sie wollten gewiß das Beſte des Vaterlandes, aber auf dem Wege den ſie für den einzig möglichen hielten, auf dem ſicheren, gefahrloſen der alten Landſtraße; auf dieſem aber wollte die heutige Zeit nicht mehr reiſen, die ſich lieber der Gefahr der Locomotive ausſetzt als langſam wenig Weg macht! Wir fragen uns mit Verwunderung, wie man die materielle Nothwendigkeit richtig erkannte und ſo gänzlich blind für die unabweisliche Richtung der Geiſter geblieben iſt. Wäre dieſe beſſer erkannt und richtiger in Oeſterreich geſehen worden als durch die blöde Augen officieller Rapporte, man würde zwar nicht die Löſung der Frage haben umgehen können, aber die gewaltſame Weiſe in der ſie ſtattfand, hätte man uns erſparen können. Nun der Ru- bikon überſchritten, iſt die Aufgabe jedes wahren Patrioten zuerſt die Gemüther zu beruhigen und die Agitationen zu beſchwichtigen, da- mit der junge Baum der Freiheit geſchützt werde und gedeihen könne. Die Preſſe aber hat, nun ſie frei, die beſondere Verpflich- tung die Regierung auf alle mögliche Weiſe zu unterſtützen, und ihr die ungeheure Arbeit einer völligen Umgeſtaltung ihres Syſtems, wie der Conſtitutionelle ſie bedarf, zu erleichtern. Wie wir die öſterreichiſchen Schriftſteller kennen, wird ſich keiner dieſer Aufgabe entziehen; jeder wird in ſeiner Bruſt den patriotiſchen Drang fühlen zu nützen, nicht zu blen- den und irrezuleiten, und überall wird das Talent mit höherer Weihe und heiligem Ernſt an dieſe Arbeit ſchreiten. Man zeige vor allem Vertrauen; kein blindes, aber ein offenes, redliches. War die Auf- regung bis heute nöthig, ſo iſt es jetzt die Eintracht, die Eintracht zwiſchen Krone und Volk, die Eintracht zwiſchen allen verſchiedenen Ländern des öſterreichiſchen Mutterſtaates. Von der Weichſel bis zum Po möge man ſich die Hand reichen, nicht eine Nation, wohl aber einen Staat bildend, in deſſen gemeinſchaftlichem zu Schutz und Trutz geſchloſſenem Verbande jede dieſer Nationen ſich nach ihrer Eigenthüm- lichkeit bewege. Die deutſche Sache aber iſt das große Loſungswort für alle dieſe Theile, denn mit ihr ſteht und fällt Oeſterreich, und mit dem alten Mutterſtaat jedes der verbundenen Reiche. Einmal der Conſtitu- tion das Wort verpfändet, wird, wir wiſſen es, die Dynaſtie es redlich und ohne Rückhalt einlöſen. An dieſem Worte mäkeln zu wollen wird ſich auch der entſchiedenſte Freund des alten Syſtems nicht beikommen laſſen. Heil zu finden iſt nur in der Wahrheit und Redlichkeit mit der man der Krone auf dem neuen Wege zu Hülfe kommt. Aber laßt den Menſchen und den Dingen Zeit ſich zuſammenzufaſſen, und überſtürzt die Entſcheide nicht die alle in nothwendiger Folge kommen müſſen, und in kurzem werden wir feſt und ſicher im Schutze neuer Inſtitutionen wandeln. Das Erdbeben das uns erſchütterte, hat viel entwurzelt und verſchüttet, und wir werden lange zu thun haben um den Schutt wegzu- räumen und die neue Saat zu beſtellen. Aus Paris. △ Paris, 15 März. Die Commiſſion der Arbeit hat eine zweite Geſammtſitzung gehalten. Hr. Louis Blanc war in dieſer zweiten Sitzung viel klarer und praktiſcher als in der erſten. Er ſagte: „Die Commiſſion muß nach zwei verſchiedenen Richtungen hin thätig ſeyn; ſie muß vorerſt alle allgemeinen Fragen die ſich auf die Organiſa- tion der Arbeit beziehen, ſtudiren, um ſie als Geſetzvorſchläge zu formuliren und der Nationalverſammlung vorzulegen; ſie muß dann, neben dieſen Studien, Maßregeln der unmittelbaren Verbeſſerung, geeignet der rechtmäßigen Ungeduld des Augenblicks zu entſprechen, durchführen.“ Der Gegenſatz tritt hier ſehr klar hervor, die „Theorie,“ die „Syſteme“ der Organiſation der Arbeit ſollen ſtudirt, unterdeß aber zugleich der Zuſtand der Arbeiter praktiſch ſo viel als möglich verbeſſert werden. Die Natur der Dinge lenkt die Commiſſion in dieſe letzte Bahn hinein, und wir freuen uns deſſen von Herzen, denn wir hoffen faſt mehr von dieſen praktiſchen Ver- beſſerungen als von den theoretiſchen Studien der Commiſſion. Die erſte thatſächliche Verbeſſerung aber ſollen „vier Etabliſſements ſeyn, jedes dazu beſtimmt ungefähr 400 Arbeiterhaushaltungen in beſon- dern Familienwohnungen aufzunehmen.“ Hr. Louis Blanc ſetzt hinzu: „Es iſt gut zu bemerken daß ähnliche Etabliſſements ſchon ſeit langer Zeit in mehrern Ländern beſtehen,“ deßwegen freut es um ſo mehr wenn nun auch welche in Frankreich errichtet werden. Eine Bedingung zur Aufnahme in dieſe Arbeiterwohnung iſt daß der Arbeiter verheirathet iſt, und zwar legitimer Weiſe. Wir ſind ein wenig erſtaunt über dieſe Bedingung, aber wir freuen uns aber- mals daß die Arbeitercommiſſion ſie geſtellt hat. Sie ſtößt eben- falls gegen viele ſchöne „Theorien“ und „Syſteme“ an; aber es wird nicht das letztemal ſeyn daß die Theorie in ſich ſelbſt zerfällt wenn ſie zur Anwendung gebracht werden ſoll. Die legitime Ehe iſt etwas das mit dem Eigenthum Schritt hält, und wir haben ſtets die Ueberzeugung gehegt daß ohne eins und anderes keine Geſell- ſchaft und kein Fortſchritt möglich ſind. Aber es iſt gut daß die franzöſiſchen Socialiſten und Quaſiſocialiſten gleich bei dem erſten Schritte, den ſie zur Bethätigung ihrer Grundſätze und Anſichten machen, gezwungen ſind wieder auf ſo alte Wahrheiten zurückzu- kommen. Ihre deutſchen Nachbeter mögen daraus etwas lernen. Die ganze Richtung der Arbeitercommiſſion iſt überhaupt ſchon heute eine ziemlich naturgemäße. Die Theorie bleibt vorerſt im Stadium der Vorſtudien, die That ſchließt ſich an alte, anerkannte, und wie Hr. Louis Blanc ſelbſt ſagt, in England und in Deutſchland ſeit langer Zeit verſuchte und durchgeführte Verbeſſerungen an. Wir hoffen mit ihm daß dieſelben gegenwärtig in Frankreich häuſiger werden ſollen, als ſie bis jetzt in Deutſchland und England waren, was aber nicht verhindern wird daß wenigſtens Deutſchland ſich auch auf dieſem Felde den Rang nicht ablaufen laſſen wird. Das Glück der neuen Errungenſchaften beſteht nicht in den Theorien einzelner Leute, ſondern in der allgemeinen Anerkennung des Grundſatzes wel- cher der Geſellſchaft die Pflicht auflegt zu verhindern daß die Arbeit ausgeſaugt werde und am Ende kümmerlich in Noth und Elend un- tergehe. Der geſunde Menſchenverſtand wird die Verwirklichung die- ſes Grundſatzes ſchon finden, und daß die „Theoretiker“ in Paris ſelbſt auf dieſe Bahn gelenkt wurden, iſt für uns eine ganz andere Bürgſchaft für die thatſächliche Verbeſſerung der Lage der armen Leute in Frankreich als alle Theorien die uns bis jetzt zu Geſicht kamen. Ja dieſe Theorien haben uns mehr geſchreckt als uns Hoff- nungen gegeben, und erſt ſeit wir die Theoretiker im Luxembourg ſelbſt gezwungen ſehen bei den alten Erfahrungen zu borgen und dieſe zu vervielfachen, ſchrecken uns die hohle Theorie und ihre Ver- treter weniger als anfangs, wo wir ſie halbwegs bereit ſahen

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 81, 21. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine81_1848/10>, abgerufen am 01.06.2024.