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Allgemeine Zeitung, Nr. 81, 21. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Hand ans Werk zu legen, der Fall war. Glück auf ihr Herren, der
Grundsatz und die Nothwendigkeit werden retten -- trotz Eurer
"Systeme."


Glauben Sie nicht den Zeitungen welche
von dem republicanischen Jubel unserer Stadt reden. Jeder der von der
Lage unserer Handelsstadt einen Begriff hat, wird ganz gewiß von dem
Gegentheile überzeugt seyn. Man hat die Republik allgemein hier an-
genommen (was konnte man anders thun?), man zollt den Mitgliedern
der provisorischen Regierung alle Achtung welche ihren Talenten und
guten Absichten der Republik wie sie seyn sollte, zum Wohle Frankreichs
Bestand zu verschaffen gebührt; aber welcher vernünftige Mensch steht
nicht die unendlichen, ja unübersteigbaren Hindernisse ein, welche nun
mit Riesenschritten herannahen werden das kaum begonnene Werk viel-
leicht zu zertrümmern? Nicht allein in Paris, nein, in allen Theilen
Frankreichs sind das drohendste Symptom die immer greller sich zeichnen-
den Stellungen der Arbeiter, besonders der Handwerker. Man zollte im
Anfang diesen Leuten die größte Bewunderung ihrer Haltung, schmei-
chelte ihnen, aber mit schönen Worten ist ihnen nicht gedient, das war
vorauszusehen. Hier macht sich kein Mensch Illusionen, denn wir sind
tägliche Augenzeugen von den vorschreitenden Bewegungen der Hand-
werker, Fabrik-, Eisenbahn- und Canalarbeiter, jeder Tag bringt
uns einen Krawall, wo Tausende von solchem Volk mit Fahnenträgern
an der Spitze fingend durch die Straßen ziehen, die Verjagung der aus-
ländischen Arbeiter verlangen, und dabei die Republik leben lassen. Man
gibt nun den brodlosen Arbeitern tägliche Unterstützung von 35 Sous,
was allgemein getadelt wird, denn unsere Hafen-, Canal- und Eisenbahn-
arbeiten sind noch lange nicht beendigt, und es fehlt dort überall noch an
arbeitenden Händen. Und was vorauszusehen war ist eingetroffen: diese
Bezahlung ist den Leuten zu gering, sie begehren das Doppelte, arbei-
ten nicht, rotten sich dann zusammen und beunruhigen mit ihren lärmen-
den Demonstrationen die friedliche Bevölkerung. Die Nationalgarde
und die Linientruppen sind fortwährend auf den Beinen. Unterdessen
nimmt der sonst so glänzende Gang unserer Geschäfte jeden Tag eine
stillere Wendung. Man läßt dem jungen Commissär der provisorischen
Regierung alle Gerechtigkeit widerfahren, die neue Municipalität, bei-
nahe ganz aus Republicanern zusammengesetzt, trifft die lobenswerthe-
sten Maßregeln zur Aufrechthaltung der Ruhe, und doch flößt die jetzige
Lage der Dinge kein Zutrauen ein. Das Drängen an der Sparcasse
will nicht nachlassen, und bald wird sie den letzten Sous ausbezahlt haben.
An der Bank muß man 2 und 3 Tage vom frühen Morgen bis 4 Uhr
Nachmittags anstehen um endlich ein Bankbillet von 1000 Fr. versilbern
zu können. Das ist aber noch nicht alles. Jedermann will das Bestehen
der Republik, denn welche andere Regierung könnte sie in dieser außer-
ordentlichen Umständen ersetzen? Jedermann steht daher ängstlich den
nahe bevorstehenden Wahlen entgegen. Welcher vernünftige Mensch
kann an die Aufrichtigkeit unserer zahlreichen Legitimisten glauben, wenn
sie jetzt plötzlich zu wüthenden Republicanern gestempelt sind? Les blancs
seront toujours blancs.
Außerdem befürchten wir alle dahier früher
oder später einen Seekrieg, trotz den jetzt gegebenen freundschaftlichen
Bersicherungen Englands. Gibt es nun einen Seekrieg, dann ist Mar-
seille ganz gewiß zu Grunde gerichtet, und wie es den 160,000 hier
lebenden Menschen gehen wird, das weiß der Himmel. -- Nachschrift.
Ich höre so eben aus sicherer Quelle daß die Administration unserer
Eisenbahn vorläusig alle Arbeiten einstellen will, vorgebend kein Geld
mehr in der Casse zu besitzen, bemerke aber daß gerade bei dieser Admi-
nistration die reichsten hiesigen Kaufleute und Capitalisten betheiligt sind.
Also Egoismus, der eben das Geld zurückhalten will. Da werden nun wie-
der ein paar tausend Arbeiter brodlos werden. Es ist wohl unnütz
Ihnen zu erwähnen daß von Carnevals-Belustigungen, die sonst so rau-
schend, diesesmal nicht der geringste Anschein war. Die Gastwirthe die
an solchen Tagen 800 bis 1000 Fr. einnahmen haben, kaum 20 Fr. ver-
dient. Alle unsere zahlreichen Gasthöfe, vor vier Wochen wegen der
herbeiströmenden Fremden noch zu klein und enge, stehen leer da. Was
wird uns erst die Zukunft bringen!



Belgien.


Eigentliche Gefahr für die Erhaltung
unserer innern Ruhe liegt einstweilen nicht in den politischen Leiden-
schaften, noch in den Umtrieben die von Frankreich her versucht wer-
den könnten, wohl aber in der Lage der arbeitenden Classen, die ent-
[Spaltenumbruch] weder schon brodlos sind oder sich von baldiger Brodlosigkeit bedroht
sehen. Schon für gewöhnliche Zeiten war z. B. Flandern ein wahres
Krebsübel, an dem alle bisher versuchten Heilmittel sich unwirksam er-
wiesen. Man erinnert sich, wie die flandrische Noth gegen das vo-
rige Ministerium ausgebeutet worden; mit dem Antritte des gegen-
wärtigen Cabinets schien es als würde für Flandern die Morgenröthe
eines bessern Tages anbrechen. Aber auch das neue Cabinet hat
nichts wirksameres als das frühere aufzufinden gewußt. Alles dreht
sich immer nur um Palliativmittel, um Beseitigung des drückendsten
Elends hier oder dort, durch Verwendung von Geldern aus der Staats-
casse, ohne daß durchgreifend geholfen, oder ein entschieden besserer
Zustand angebahnt werden könnte. Hiezu kommt nun die Stockung
von Handel und Gewerben in Folge der Pariser Ereignisse. Schon
haben bedeutende Anstalten in Brüssel und Gent ihre Arbeiten einge-
stellt. Die Regierung sucht durch Vorschüsse zu helfen; das kann
immer nur eine kurze Zeit ausreichen; darüber hinaus liegen, fürch-
ten wir, unabsehbare Verlegenheiten und Wirren. Noch haben zwar
die höhern Familien, die sich gewöhnlich im Winter hier aufhalten,
die Stadt nicht verlassen, aber mit der Besorgniß für die Zukunft ist
die Einschränkung in den Ausgaben eingetreten. Der Luxus schwindet,
man versagt sich fast das Nothwendige; das wirkt zurück auf den
Kleinhandel und alle Verhältnisse die sich auf den täglichen Verkehr
gründen. Auch hier sucht die Regierung nachzuhelfen. Man geht
mit dem Gedanken einer neuen Bank um zur Erleichterung der Ge-
schäfte des Kleinhandels; man wird alles mögliche versuchen, aber auf
die Länge kann auch hier nicht geholfen werden wenn das Vertrauen
in die Zukunft nicht wiederkehrt, und wie kann dieses wiederkehren
solange Frankreich sich im Leeren abarbeitet? Man beschäftigt sich
in Paris mit der Organisation der Arbeit: ein schönes Wort,
aber zur Arbeit gehören vor allem Capitalien, zu Capitalien Ver-
trauen, zum Vertrauen gesicherte innere Zustände und zuverlässige
Beziehungen zum Auslande. Alles dieses fehlt, und wird, wenn die
Sachen so fortgehen, mit jedem Tage mehr fehlen. Schon droht ein
Pariser Blatt mit neuen Gesetzen gegen die Emigration, während die
Art wie die augenblicklich herrschende Partei das Wahlgesetz aus-
beuten will, für Frankreich eine Zwangsherrschaft, ähnlich der ersten
republicanischen, in Aussicht stellt. So wird denn in einer Zeit die
von Theorien überfließt, die nackte Wirklichkeit des Geldmangels, des
Stockens von Gewerbe und Handel immer greller sich einstellen. Es
ist nicht zu berechnen wohin das zuletzt führen wird.

Schweiz.

Die vom Vorort
auf die Pariser Ereignisse hin durch Circular an die Kantone ausgesprochene
Neutralität hat bereits einen Riß durch die Adresse der Waadtländer
Regierung an die französische erhalten. Diese Adresse jubelt über
den Pariser Umschwung, und spricht die Bereitwilligkeit aus Hand in
Hand mit der Schwesterrepublik den gemeinsamen Grundsätzen der Hu-
manität u. s. w. den Sieg zu verschaffen. Druey, der sich von der
ersten Besorgniß den Nachrichten vom 23 Februar gegenüber bald er-
holt hat, der sich schon an den Reformbanketten betheiligt hatte, eilte
natürlich eine Regierung zu beglückwünschen, welche gerade diejenigen so-
cialistischen Principien in ihr Programm aufnahm denen er, trotz aller
Mühe, in die waadtländische Verfassung den Eingang nicht hatte ver-
schaffen können. Uns aber und den besonnenen Eidgenossen ist es un-
begreiflich daß der Vorort dieses die Eidgenossenschaft compromittirende
Unterfangen jenes Kantons, das möglicherweise und namentlich in
Verbindung mit dem Verhalten zu Neuenburg weit folgenreicher und
schlimmer als die Sonderbündelei werden kann, unbeachtet läßt. Aber
freilich -- hat doch der Bärenclub im Namen des gesammten Berni-
schen Volksvereins eine ähnliche Adresse an die französische Regierung
erlassen! Der Vorort ist also in sich gelähmt. Man spricht übrigens
auch immer lauter davon daß es sich um Ochsenbeins und Funks Ent-
fernung jetzt handle, wozu die jüngste Schule eben den Moderantis-
mus derselben benutzen will, während alles darauf hinausgeht
Stämpfli zum Bundespräsidenten zu ernennen. Ochsenbein ist ver-
braucht, der Sieg über den Sonderbund, sein höchster Triumph, hat
ihn unnöthig gemacht. Schlimmer noch ist das Verhalten gegen
Reuenburg. Wie der Umsturz dort zu Stande gekommen, ist kaum
wehr ein Räthsel; wenigstens konnte man am 29 Februar auf der
Pest zu Biel schon erfahren daß am 28 und 29 die Regierung verjagt sey,

[Spaltenumbruch] Hand ans Werk zu legen, der Fall war. Glück auf ihr Herren, der
Grundſatz und die Nothwendigkeit werden retten — trotz Eurer
„Syſteme.“


Glauben Sie nicht den Zeitungen welche
von dem republicaniſchen Jubel unſerer Stadt reden. Jeder der von der
Lage unſerer Handelsſtadt einen Begriff hat, wird ganz gewiß von dem
Gegentheile überzeugt ſeyn. Man hat die Republik allgemein hier an-
genommen (was konnte man anders thun?), man zollt den Mitgliedern
der proviſoriſchen Regierung alle Achtung welche ihren Talenten und
guten Abſichten der Republik wie ſie ſeyn ſollte, zum Wohle Frankreichs
Beſtand zu verſchaffen gebührt; aber welcher vernünftige Menſch ſteht
nicht die unendlichen, ja unüberſteigbaren Hinderniſſe ein, welche nun
mit Rieſenſchritten herannahen werden das kaum begonnene Werk viel-
leicht zu zertrümmern? Nicht allein in Paris, nein, in allen Theilen
Frankreichs ſind das drohendſte Symptom die immer greller ſich zeichnen-
den Stellungen der Arbeiter, beſonders der Handwerker. Man zollte im
Anfang dieſen Leuten die größte Bewunderung ihrer Haltung, ſchmei-
chelte ihnen, aber mit ſchönen Worten iſt ihnen nicht gedient, das war
vorauszuſehen. Hier macht ſich kein Menſch Illuſionen, denn wir ſind
tägliche Augenzeugen von den vorſchreitenden Bewegungen der Hand-
werker, Fabrik-, Eiſenbahn- und Canalarbeiter, jeder Tag bringt
uns einen Krawall, wo Tauſende von ſolchem Volk mit Fahnenträgern
an der Spitze fingend durch die Straßen ziehen, die Verjagung der aus-
ländiſchen Arbeiter verlangen, und dabei die Republik leben laſſen. Man
gibt nun den brodloſen Arbeitern tägliche Unterſtützung von 35 Sous,
was allgemein getadelt wird, denn unſere Hafen-, Canal- und Eiſenbahn-
arbeiten ſind noch lange nicht beendigt, und es fehlt dort überall noch an
arbeitenden Händen. Und was vorauszuſehen war iſt eingetroffen: dieſe
Bezahlung iſt den Leuten zu gering, ſie begehren das Doppelte, arbei-
ten nicht, rotten ſich dann zuſammen und beunruhigen mit ihren lärmen-
den Demonſtrationen die friedliche Bevölkerung. Die Nationalgarde
und die Linientruppen ſind fortwährend auf den Beinen. Unterdeſſen
nimmt der ſonſt ſo glänzende Gang unſerer Geſchäfte jeden Tag eine
ſtillere Wendung. Man läßt dem jungen Commiſſär der proviſoriſchen
Regierung alle Gerechtigkeit widerfahren, die neue Municipalität, bei-
nahe ganz aus Republicanern zuſammengeſetzt, trifft die lobenswerthe-
ſten Maßregeln zur Aufrechthaltung der Ruhe, und doch flößt die jetzige
Lage der Dinge kein Zutrauen ein. Das Drängen an der Sparcaſſe
will nicht nachlaſſen, und bald wird ſie den letzten Sous ausbezahlt haben.
An der Bank muß man 2 und 3 Tage vom frühen Morgen bis 4 Uhr
Nachmittags anſtehen um endlich ein Bankbillet von 1000 Fr. verſilbern
zu können. Das iſt aber noch nicht alles. Jedermann will das Beſtehen
der Republik, denn welche andere Regierung könnte ſie in dieſer außer-
ordentlichen Umſtänden erſetzen? Jedermann ſteht daher ängſtlich den
nahe bevorſtehenden Wahlen entgegen. Welcher vernünftige Menſch
kann an die Aufrichtigkeit unſerer zahlreichen Legitimiſten glauben, wenn
ſie jetzt plötzlich zu wüthenden Republicanern geſtempelt ſind? Les blancs
seront toujours blancs.
Außerdem befürchten wir alle dahier früher
oder ſpäter einen Seekrieg, trotz den jetzt gegebenen freundſchaftlichen
Berſicherungen Englands. Gibt es nun einen Seekrieg, dann iſt Mar-
ſeille ganz gewiß zu Grunde gerichtet, und wie es den 160,000 hier
lebenden Menſchen gehen wird, das weiß der Himmel. — Nachſchrift.
Ich höre ſo eben aus ſicherer Quelle daß die Adminiſtration unſerer
Eiſenbahn vorläuſig alle Arbeiten einſtellen will, vorgebend kein Geld
mehr in der Caſſe zu beſitzen, bemerke aber daß gerade bei dieſer Admi-
niſtration die reichſten hieſigen Kaufleute und Capitaliſten betheiligt ſind.
Alſo Egoismus, der eben das Geld zurückhalten will. Da werden nun wie-
der ein paar tauſend Arbeiter brodlos werden. Es iſt wohl unnütz
Ihnen zu erwähnen daß von Carnevals-Beluſtigungen, die ſonſt ſo rau-
ſchend, dieſesmal nicht der geringſte Anſchein war. Die Gaſtwirthe die
an ſolchen Tagen 800 bis 1000 Fr. einnahmen haben, kaum 20 Fr. ver-
dient. Alle unſere zahlreichen Gaſthöfe, vor vier Wochen wegen der
herbeiſtrömenden Fremden noch zu klein und enge, ſtehen leer da. Was
wird uns erſt die Zukunft bringen!



Belgien.


Eigentliche Gefahr für die Erhaltung
unſerer innern Ruhe liegt einſtweilen nicht in den politiſchen Leiden-
ſchaften, noch in den Umtrieben die von Frankreich her verſucht wer-
den könnten, wohl aber in der Lage der arbeitenden Claſſen, die ent-
[Spaltenumbruch] weder ſchon brodlos ſind oder ſich von baldiger Brodloſigkeit bedroht
ſehen. Schon für gewöhnliche Zeiten war z. B. Flandern ein wahres
Krebsübel, an dem alle bisher verſuchten Heilmittel ſich unwirkſam er-
wieſen. Man erinnert ſich, wie die flandriſche Noth gegen das vo-
rige Miniſterium ausgebeutet worden; mit dem Antritte des gegen-
wärtigen Cabinets ſchien es als würde für Flandern die Morgenröthe
eines beſſern Tages anbrechen. Aber auch das neue Cabinet hat
nichts wirkſameres als das frühere aufzufinden gewußt. Alles dreht
ſich immer nur um Palliativmittel, um Beſeitigung des drückendſten
Elends hier oder dort, durch Verwendung von Geldern aus der Staats-
caſſe, ohne daß durchgreifend geholfen, oder ein entſchieden beſſerer
Zuſtand angebahnt werden könnte. Hiezu kommt nun die Stockung
von Handel und Gewerben in Folge der Pariſer Ereigniſſe. Schon
haben bedeutende Anſtalten in Brüſſel und Gent ihre Arbeiten einge-
ſtellt. Die Regierung ſucht durch Vorſchüſſe zu helfen; das kann
immer nur eine kurze Zeit ausreichen; darüber hinaus liegen, fürch-
ten wir, unabſehbare Verlegenheiten und Wirren. Noch haben zwar
die höhern Familien, die ſich gewöhnlich im Winter hier aufhalten,
die Stadt nicht verlaſſen, aber mit der Beſorgniß für die Zukunft iſt
die Einſchränkung in den Ausgaben eingetreten. Der Luxus ſchwindet,
man verſagt ſich faſt das Nothwendige; das wirkt zurück auf den
Kleinhandel und alle Verhältniſſe die ſich auf den täglichen Verkehr
gründen. Auch hier ſucht die Regierung nachzuhelfen. Man geht
mit dem Gedanken einer neuen Bank um zur Erleichterung der Ge-
ſchäfte des Kleinhandels; man wird alles mögliche verſuchen, aber auf
die Länge kann auch hier nicht geholfen werden wenn das Vertrauen
in die Zukunft nicht wiederkehrt, und wie kann dieſes wiederkehren
ſolange Frankreich ſich im Leeren abarbeitet? Man beſchäftigt ſich
in Paris mit der Organiſation der Arbeit: ein ſchönes Wort,
aber zur Arbeit gehören vor allem Capitalien, zu Capitalien Ver-
trauen, zum Vertrauen geſicherte innere Zuſtände und zuverläſſige
Beziehungen zum Auslande. Alles dieſes fehlt, und wird, wenn die
Sachen ſo fortgehen, mit jedem Tage mehr fehlen. Schon droht ein
Pariſer Blatt mit neuen Geſetzen gegen die Emigration, während die
Art wie die augenblicklich herrſchende Partei das Wahlgeſetz aus-
beuten will, für Frankreich eine Zwangsherrſchaft, ähnlich der erſten
republicaniſchen, in Ausſicht ſtellt. So wird denn in einer Zeit die
von Theorien überfließt, die nackte Wirklichkeit des Geldmangels, des
Stockens von Gewerbe und Handel immer greller ſich einſtellen. Es
iſt nicht zu berechnen wohin das zuletzt führen wird.

Schweiz.

Die vom Vorort
auf die Pariſer Ereigniſſe hin durch Circular an die Kantone ausgeſprochene
Neutralität hat bereits einen Riß durch die Adreſſe der Waadtländer
Regierung an die franzöſiſche erhalten. Dieſe Adreſſe jubelt über
den Pariſer Umſchwung, und ſpricht die Bereitwilligkeit aus Hand in
Hand mit der Schweſterrepublik den gemeinſamen Grundſätzen der Hu-
manität u. ſ. w. den Sieg zu verſchaffen. Druey, der ſich von der
erſten Beſorgniß den Nachrichten vom 23 Februar gegenüber bald er-
holt hat, der ſich ſchon an den Reformbanketten betheiligt hatte, eilte
natürlich eine Regierung zu beglückwünſchen, welche gerade diejenigen ſo-
cialiſtiſchen Principien in ihr Programm aufnahm denen er, trotz aller
Mühe, in die waadtländiſche Verfaſſung den Eingang nicht hatte ver-
ſchaffen können. Uns aber und den beſonnenen Eidgenoſſen iſt es un-
begreiflich daß der Vorort dieſes die Eidgenoſſenſchaft compromittirende
Unterfangen jenes Kantons, das möglicherweiſe und namentlich in
Verbindung mit dem Verhalten zu Neuenburg weit folgenreicher und
ſchlimmer als die Sonderbündelei werden kann, unbeachtet läßt. Aber
freilich — hat doch der Bärenclub im Namen des geſammten Berni-
ſchen Volksvereins eine ähnliche Adreſſe an die franzöſiſche Regierung
erlaſſen! Der Vorort iſt alſo in ſich gelähmt. Man ſpricht übrigens
auch immer lauter davon daß es ſich um Ochſenbeins und Funks Ent-
fernung jetzt handle, wozu die jüngſte Schule eben den Moderantis-
mus derſelben benutzen will, während alles darauf hinausgeht
Stämpfli zum Bundespräſidenten zu ernennen. Ochſenbein iſt ver-
braucht, der Sieg über den Sonderbund, ſein höchſter Triumph, hat
ihn unnöthig gemacht. Schlimmer noch iſt das Verhalten gegen
Reuenburg. Wie der Umſturz dort zu Stande gekommen, iſt kaum
wehr ein Räthſel; wenigſtens konnte man am 29 Februar auf der
Peſt zu Biel ſchon erfahren daß am 28 und 29 die Regierung verjagt ſey,

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[1291/0011] Hand ans Werk zu legen, der Fall war. Glück auf ihr Herren, der Grundſatz und die Nothwendigkeit werden retten — trotz Eurer „Syſteme.“ * Marſeille, 13 März. Glauben Sie nicht den Zeitungen welche von dem republicaniſchen Jubel unſerer Stadt reden. Jeder der von der Lage unſerer Handelsſtadt einen Begriff hat, wird ganz gewiß von dem Gegentheile überzeugt ſeyn. Man hat die Republik allgemein hier an- genommen (was konnte man anders thun?), man zollt den Mitgliedern der proviſoriſchen Regierung alle Achtung welche ihren Talenten und guten Abſichten der Republik wie ſie ſeyn ſollte, zum Wohle Frankreichs Beſtand zu verſchaffen gebührt; aber welcher vernünftige Menſch ſteht nicht die unendlichen, ja unüberſteigbaren Hinderniſſe ein, welche nun mit Rieſenſchritten herannahen werden das kaum begonnene Werk viel- leicht zu zertrümmern? Nicht allein in Paris, nein, in allen Theilen Frankreichs ſind das drohendſte Symptom die immer greller ſich zeichnen- den Stellungen der Arbeiter, beſonders der Handwerker. Man zollte im Anfang dieſen Leuten die größte Bewunderung ihrer Haltung, ſchmei- chelte ihnen, aber mit ſchönen Worten iſt ihnen nicht gedient, das war vorauszuſehen. Hier macht ſich kein Menſch Illuſionen, denn wir ſind tägliche Augenzeugen von den vorſchreitenden Bewegungen der Hand- werker, Fabrik-, Eiſenbahn- und Canalarbeiter, jeder Tag bringt uns einen Krawall, wo Tauſende von ſolchem Volk mit Fahnenträgern an der Spitze fingend durch die Straßen ziehen, die Verjagung der aus- ländiſchen Arbeiter verlangen, und dabei die Republik leben laſſen. Man gibt nun den brodloſen Arbeitern tägliche Unterſtützung von 35 Sous, was allgemein getadelt wird, denn unſere Hafen-, Canal- und Eiſenbahn- arbeiten ſind noch lange nicht beendigt, und es fehlt dort überall noch an arbeitenden Händen. Und was vorauszuſehen war iſt eingetroffen: dieſe Bezahlung iſt den Leuten zu gering, ſie begehren das Doppelte, arbei- ten nicht, rotten ſich dann zuſammen und beunruhigen mit ihren lärmen- den Demonſtrationen die friedliche Bevölkerung. Die Nationalgarde und die Linientruppen ſind fortwährend auf den Beinen. Unterdeſſen nimmt der ſonſt ſo glänzende Gang unſerer Geſchäfte jeden Tag eine ſtillere Wendung. Man läßt dem jungen Commiſſär der proviſoriſchen Regierung alle Gerechtigkeit widerfahren, die neue Municipalität, bei- nahe ganz aus Republicanern zuſammengeſetzt, trifft die lobenswerthe- ſten Maßregeln zur Aufrechthaltung der Ruhe, und doch flößt die jetzige Lage der Dinge kein Zutrauen ein. Das Drängen an der Sparcaſſe will nicht nachlaſſen, und bald wird ſie den letzten Sous ausbezahlt haben. An der Bank muß man 2 und 3 Tage vom frühen Morgen bis 4 Uhr Nachmittags anſtehen um endlich ein Bankbillet von 1000 Fr. verſilbern zu können. Das iſt aber noch nicht alles. Jedermann will das Beſtehen der Republik, denn welche andere Regierung könnte ſie in dieſer außer- ordentlichen Umſtänden erſetzen? Jedermann ſteht daher ängſtlich den nahe bevorſtehenden Wahlen entgegen. Welcher vernünftige Menſch kann an die Aufrichtigkeit unſerer zahlreichen Legitimiſten glauben, wenn ſie jetzt plötzlich zu wüthenden Republicanern geſtempelt ſind? Les blancs seront toujours blancs. Außerdem befürchten wir alle dahier früher oder ſpäter einen Seekrieg, trotz den jetzt gegebenen freundſchaftlichen Berſicherungen Englands. Gibt es nun einen Seekrieg, dann iſt Mar- ſeille ganz gewiß zu Grunde gerichtet, und wie es den 160,000 hier lebenden Menſchen gehen wird, das weiß der Himmel. — Nachſchrift. Ich höre ſo eben aus ſicherer Quelle daß die Adminiſtration unſerer Eiſenbahn vorläuſig alle Arbeiten einſtellen will, vorgebend kein Geld mehr in der Caſſe zu beſitzen, bemerke aber daß gerade bei dieſer Admi- niſtration die reichſten hieſigen Kaufleute und Capitaliſten betheiligt ſind. Alſo Egoismus, der eben das Geld zurückhalten will. Da werden nun wie- der ein paar tauſend Arbeiter brodlos werden. Es iſt wohl unnütz Ihnen zu erwähnen daß von Carnevals-Beluſtigungen, die ſonſt ſo rau- ſchend, dieſesmal nicht der geringſte Anſchein war. Die Gaſtwirthe die an ſolchen Tagen 800 bis 1000 Fr. einnahmen haben, kaum 20 Fr. ver- dient. Alle unſere zahlreichen Gaſthöfe, vor vier Wochen wegen der herbeiſtrömenden Fremden noch zu klein und enge, ſtehen leer da. Was wird uns erſt die Zukunft bringen! Belgien. † Brüſſel, 13 März. Eigentliche Gefahr für die Erhaltung unſerer innern Ruhe liegt einſtweilen nicht in den politiſchen Leiden- ſchaften, noch in den Umtrieben die von Frankreich her verſucht wer- den könnten, wohl aber in der Lage der arbeitenden Claſſen, die ent- weder ſchon brodlos ſind oder ſich von baldiger Brodloſigkeit bedroht ſehen. Schon für gewöhnliche Zeiten war z. B. Flandern ein wahres Krebsübel, an dem alle bisher verſuchten Heilmittel ſich unwirkſam er- wieſen. Man erinnert ſich, wie die flandriſche Noth gegen das vo- rige Miniſterium ausgebeutet worden; mit dem Antritte des gegen- wärtigen Cabinets ſchien es als würde für Flandern die Morgenröthe eines beſſern Tages anbrechen. Aber auch das neue Cabinet hat nichts wirkſameres als das frühere aufzufinden gewußt. Alles dreht ſich immer nur um Palliativmittel, um Beſeitigung des drückendſten Elends hier oder dort, durch Verwendung von Geldern aus der Staats- caſſe, ohne daß durchgreifend geholfen, oder ein entſchieden beſſerer Zuſtand angebahnt werden könnte. Hiezu kommt nun die Stockung von Handel und Gewerben in Folge der Pariſer Ereigniſſe. Schon haben bedeutende Anſtalten in Brüſſel und Gent ihre Arbeiten einge- ſtellt. Die Regierung ſucht durch Vorſchüſſe zu helfen; das kann immer nur eine kurze Zeit ausreichen; darüber hinaus liegen, fürch- ten wir, unabſehbare Verlegenheiten und Wirren. Noch haben zwar die höhern Familien, die ſich gewöhnlich im Winter hier aufhalten, die Stadt nicht verlaſſen, aber mit der Beſorgniß für die Zukunft iſt die Einſchränkung in den Ausgaben eingetreten. Der Luxus ſchwindet, man verſagt ſich faſt das Nothwendige; das wirkt zurück auf den Kleinhandel und alle Verhältniſſe die ſich auf den täglichen Verkehr gründen. Auch hier ſucht die Regierung nachzuhelfen. Man geht mit dem Gedanken einer neuen Bank um zur Erleichterung der Ge- ſchäfte des Kleinhandels; man wird alles mögliche verſuchen, aber auf die Länge kann auch hier nicht geholfen werden wenn das Vertrauen in die Zukunft nicht wiederkehrt, und wie kann dieſes wiederkehren ſolange Frankreich ſich im Leeren abarbeitet? Man beſchäftigt ſich in Paris mit der Organiſation der Arbeit: ein ſchönes Wort, aber zur Arbeit gehören vor allem Capitalien, zu Capitalien Ver- trauen, zum Vertrauen geſicherte innere Zuſtände und zuverläſſige Beziehungen zum Auslande. Alles dieſes fehlt, und wird, wenn die Sachen ſo fortgehen, mit jedem Tage mehr fehlen. Schon droht ein Pariſer Blatt mit neuen Geſetzen gegen die Emigration, während die Art wie die augenblicklich herrſchende Partei das Wahlgeſetz aus- beuten will, für Frankreich eine Zwangsherrſchaft, ähnlich der erſten republicaniſchen, in Ausſicht ſtellt. So wird denn in einer Zeit die von Theorien überfließt, die nackte Wirklichkeit des Geldmangels, des Stockens von Gewerbe und Handel immer greller ſich einſtellen. Es iſt nicht zu berechnen wohin das zuletzt führen wird. Schweiz. * Von der Schweizergränze, 11 März. Die vom Vorort auf die Pariſer Ereigniſſe hin durch Circular an die Kantone ausgeſprochene Neutralität hat bereits einen Riß durch die Adreſſe der Waadtländer Regierung an die franzöſiſche erhalten. Dieſe Adreſſe jubelt über den Pariſer Umſchwung, und ſpricht die Bereitwilligkeit aus Hand in Hand mit der Schweſterrepublik den gemeinſamen Grundſätzen der Hu- manität u. ſ. w. den Sieg zu verſchaffen. Druey, der ſich von der erſten Beſorgniß den Nachrichten vom 23 Februar gegenüber bald er- holt hat, der ſich ſchon an den Reformbanketten betheiligt hatte, eilte natürlich eine Regierung zu beglückwünſchen, welche gerade diejenigen ſo- cialiſtiſchen Principien in ihr Programm aufnahm denen er, trotz aller Mühe, in die waadtländiſche Verfaſſung den Eingang nicht hatte ver- ſchaffen können. Uns aber und den beſonnenen Eidgenoſſen iſt es un- begreiflich daß der Vorort dieſes die Eidgenoſſenſchaft compromittirende Unterfangen jenes Kantons, das möglicherweiſe und namentlich in Verbindung mit dem Verhalten zu Neuenburg weit folgenreicher und ſchlimmer als die Sonderbündelei werden kann, unbeachtet läßt. Aber freilich — hat doch der Bärenclub im Namen des geſammten Berni- ſchen Volksvereins eine ähnliche Adreſſe an die franzöſiſche Regierung erlaſſen! Der Vorort iſt alſo in ſich gelähmt. Man ſpricht übrigens auch immer lauter davon daß es ſich um Ochſenbeins und Funks Ent- fernung jetzt handle, wozu die jüngſte Schule eben den Moderantis- mus derſelben benutzen will, während alles darauf hinausgeht Stämpfli zum Bundespräſidenten zu ernennen. Ochſenbein iſt ver- braucht, der Sieg über den Sonderbund, ſein höchſter Triumph, hat ihn unnöthig gemacht. Schlimmer noch iſt das Verhalten gegen Reuenburg. Wie der Umſturz dort zu Stande gekommen, iſt kaum wehr ein Räthſel; wenigſtens konnte man am 29 Februar auf der Peſt zu Biel ſchon erfahren daß am 28 und 29 die Regierung verjagt ſey,

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 81, 21. März 1848, S. 1291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine81_1848/11>, abgerufen am 21.11.2024.