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Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848.

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Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung
vom 22 März 1848.


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Deutschland.

Die Truppensendungen von Bayreuth,
Amberg, Nürnberg, Bamberg nach der Nordgränze haben in den letz-
ten Tagen fortgedauert, und abwechselnd mit den bewaffneten Soldaten
fördern unsere Eisenbahnzüge die Beurlaubten nach ihren Garnisons-
plätzen. Präsident v. Stenglein, welcher von hier aus eine prunklose
aber sehr gediegene Proclamation erließ, hat sich selbst nach den tumul-
tuirenden Districten begeben, und leitet an Ort und Stelle die zur Un-
terdrückung des Aufstandes nothwendigen Maßregeln mit ebenso großer
Schonung als Energie. Ihm hat man es zu verdanken daß bereits
nicht bloß ein großer Theil der Rädelsführer -- über 30 -- gefangen
wurden, sondern auch mehrere sich freiwillig stellten, andere den Werth
des Geraubten freiwillig zu ersetzen versprachen. Soweit man bis jetzt
die Fäden des Aufstands verfolgen kann, so gehen sie in ein benachbar-
tes thüringisches Herzogthum, aus welchem Sie wahrscheinlich schon
jetzt von höchst eigenthümlichen Propositionen an den Landesherrn zu
berichten haben werden. Allein ist erst der Aufstand unterdrückt, so steht
es der Gesetzgebung zu das Versäumte einzuholen und den Grund des-
selben für alle Zeiten zu heben. Wenn wahr ist was von den Finanz-
speculationen einzelner Gutsherren auf Kosten armer Unterthanen er-
zählt wird, so ist hohe Zeit einem Treiben ein Ende zu machen welches
nothwendig den wildesten Haß aufreizen muß. Allein auch die milde-
sten Gutsherren blieben gleichfalls nicht verschont. Hat man hier von
dem Forstamte tumultuarisch Streu ertrotzt, sohaben die Bauern wenige
Stunden von hier eine Austheilung von Massen von Brennholz ertrotzt,
selbst auf dem Gute des verehrten ersten Präsidenten der Kammer der
Abgeordneten, wie heute verlautet, den Amtmann zur Flucht gezwun-
gen, in den Forsten um Banz das Wild erschossen und im Walde oder
dem Felde todt liegen lassen. An andern Orten ist es Gutsherren ge-
lungen ihre Bauern zu bewaffnen und Gewalt mit Gewalt zu vertrei-
ben; in Kronach, dem Geburtsorte des Präsidenten von Oberfranken,
haben die Bürger selbst zu den Waffen gegriffen und die Ruhe aufrecht
erhalten. Damit es neben den ernsthaften und traurigen Scenen nicht
an komischen fehle, haben in einem benachbarten Landgerichtssitze die
Juden zu Protokoll erklärt sie wollten von Emancipation nichts wissen.
Man möge sie nur vor Verfolgungen schützen. Hoffen wir daß für die-
jenigen welche, eingewiegt von utopischen Träumen, vergessen daß wir
bis jetzt noch durch den Eid auf die, wenn auch unvollkommene Verfas-
sung gebunden sind, die gewaltsame Unterdrückung eine Lehre werde die
Bahn des Rechtes und des Gehorsams nicht zu verlassen, in welcher
allein die Bürgschaft der Freiheit beruhen kann. Man hat hier von
Seitzen des Comite's der Volksversammlung, auf die Proclamation des
Präsidenten hin, eine zweite erlassen; eine dritte -- von unbekannter
Hand verfaßt -- wurde in den tumultuirenden Districten verbreitet und
in dieser auf dasjenige hingewiesen was, wenn der Aufstand gelänge,
"im zweiten Theile" geschehen soll. Es ist im Interesse der Freiheit und
des Rechts zu wünschen daß die Unterdrückung des ersten Theiles die
Entfaltung des zweiten unmöglich machen werde.

K. Sachsen.

Die Bewegung hat sich
äußerlich gelegt seit das Ministerium entlassen ist. Man steht gespannt
der Ministerialkrists zu. Endliche Veranlassung zum entscheidenden
Schlusse des Königs scheinen mehrere zusammentreffende Umstände ge-
wesen zu seyn. Erstlich die Aufstellung preußischer Truppen an der
Gränze, gegen welche Aufstellung das Officierkorps eine Beschwerde ge-
richtet und welche bei näherer Zufrage durch einige der jetzt abgetre-
tenen Minister veranlaßt gewesen sey. Ferner die dringenden Rath-
schläge v. Lindenau's. Endlich die Rückkehr und der Bericht des Com-
missärs (Minister v. Carlowitz), der im Gegensatze zu den Schilderungen
Ministers v. Könneritz den Zustand Leipzigs ganz anders dargestellt
habe als er bis dahin dem König dargestellt worden war. Wie dem
aber auch sey, die Aenderung ist erfolgt, und wie ich höre ist nun auch
das Militär aus der Nähe Leipzigs entfernt. Eine definitive Bildung
des Ministeriums ist hier noch nicht bekannt. Nach Dresden ist von
hier berufen zu diesem Zweck von der Pfordten, aus dem Vogtlande
Braun und Georgi. Wahrscheinlich auch v. Watzdorf. Biedermann
noch nicht, weil er wohl dem König ungünstig geschildert ist von dem
letzten Ministerium welches solch einen Vicepräsidenten der opponirenden
[Spaltenumbruch] Stadtverordneten im übelsten Lichte zu zeigen geneigt war. Er ist aber er-
sichtlich eine unserer hervorragendsten Fähigkeiten und mit allen Talenten
eines jetzigen Staatsmannes ausgerüstet. Ueber kurz oder lang wird man
seiner zum Kultminister bedürfen. Man erwartet ein Ministerium
Braun, der mit einem vollständigen Programm ausgerüstet und mit
dem festen Vorsatz nach Dresden hinaufgegangen ist: nur an einem
Ganzen theilzunehmen. Nachschrift vom 17 März. An Straßenecken
erscheint hier soeben folgender Anschlag: Pfordten, Braun, Georgi,
Holtzendorff Minister. Der außerordentliche Landtag wird nicht ein-
berufen. Metternich zu Fuß flüchtig. Der letzte Zusatz zeigt daß der
Anschlag aus keiner officiellen Ouelle kommt. Nachmittag. Das Mi-
nisterium ist constituirt: Braun, von der Pfordten, Georgi. Der außer-
ordentliche Landtag findet nicht statt. Das Programm, soeben an den
Straßenecken angeschlagen, zeigt die jetzt überall herrschenden liberalen
Grundsätze.

Oesterreich.

Mein gestriges Schreiben
schloß mit der Beschreibung der Leichenfeier; der Tag schloß ruhig, und
auch der Abend und die Nacht waren durch würdevolle Stille dem Ernste
der Begebenheit und der Tagesfeier angemessen. Selbst in den Vorstädten
wurde die Ruhe nicht gestört, und somit ist zu hoffen daß die neue Aera un-
sers politischen Lebens allmählich innerhalb der Schranken des Gesetzes und
der Ordnung ihren Lauf beginnen könne. Der Eindruck der äußeren Ver-
hältnisse, der Bewegung in der Stadt und auf den Straßen, kurz die
eigentliche Revolution -- denn so darf man die Ereignisse vom 13 bis
16 März, so muß man sie nennen -- nahmen meine Thätigkeit und meine
Auffassungsgabe, wie auch die wenige mir übrige Zeit für Schilderung
so sehr in Anspruch daß es mir unmöglich war über das was im In-
nern der Cabinette, in der Burg und der Staatskanzlei und dem Rath-
haufe vorging, Ihnen Mitzutheilung zu machen. Darüber jetzt einige
Worte. Schon am 13 gegen Abend war die Verwirrung am Hofe groß;
Erzherzog Albrecht und Wilhelm und der Herzog von Modena, welche zu
den energischsten Maßregeln, zu Cavalleriechargen, Kanonen- und Kartät-
schenfeuer gegen das brausende Volk riethen, konnten nicht durchdrin-
gen, und fanden kräftigen Widerspruch; Erzherzog Ludwig, sonst die Seele
so vieler Beschlüsse, schien vollkommen den Kopf verloren zu haben; der
Kaiser selbst war ruhig und stimmte zu Maßregeln der Milde, worin er
besonders durch die Erzherzogin Sophie, Mutter des künftigen Herrschers,
unterstützt wurde. Metternich war schon ganz schweigsam geworden, er
schien resignirt die Dinge zu erwarten die da kommen sollten, fürchtete
sie aber scheinbar nicht. Als jedoch die Nachricht vom Blutvergießen
auf den Straßen durch die kaiserlichen Gemächer drang, schien alles wie
vom Donnerschlag getroffen. Die Rathlosigkeit nahm überhand als man
von der allgemeinen Bewaffnung des Volkes hörte, und schon jetzt dran-
gen überwiegende Stimmen auf Metternichs augenblickliche Entlassung.
Unterdeß kam Deputation nach Deputation, um dem Kaiser persönlich
die Lage der Stadt und die Wünsche des Volkes ans Herz zu legen. Man
zauderte, man zögerte, und gab der zweiten Deputation ein besseres Re-
sultat als die erste erlangt hatte. So soll nach Versicherungen die
uns in der Nacht vom 13 auf den 14 auf der Universität wurden, schon
damals Preßfreiheit und Nationalgarde vom Kaiser bewilligt und un-
terzeichnet worden seyn, obleich sie erst gegen 5 Uhr Nachmittags am 15 ver-
kündet wurde und gedruckt zu lesen war. Am 15 soll nach Versicherung
eines Augenzeugen, welcher mehrmals als Mitglied einer Deputation
oder Commission während dieses Tags in die Burg kam, die Verwirrung
und Rathlosigkeit so groß gewesen seyn daß jeder, der nur augenblickliche
Energie und Willen besessen, alle Angelegenheiten, Besprechungen
und Beschlüsse hätte leiten und das vollste Regiment führen können.
Die städtische Angelegenheit wurde unterdeß mit nicht weniger Tact-
und Kopflosigkeit geleitet; der Bürgermeister, an und für sich ein Schwach-
kopf, verfiel in muthlose Lethargie; den Magistratsräthen waren die Er-
eignisse so neu und unglaublich daß sie nichts thaten als ihre Köpfe
schütteln, indem sie sich fragend an die zahlreich an sie abgesandten Depu-
tationen wandten, was zu thun sey. So kam es daß sich gerade durch
diese Consultirung der Deputationsmitglieder und durch allmähliches
Wegbleiben mehrerer Magistratsmitglieder factisch ein ganz neuer
städtischer Magistrat bildete, der sich dann noch am selben Abend auch
formell constituirte und die städtischen Angelegenheiten leitetete. Er be-

Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung
vom 22 März 1848.


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Deutſchland.

Die Truppenſendungen von Bayreuth,
Amberg, Nürnberg, Bamberg nach der Nordgränze haben in den letz-
ten Tagen fortgedauert, und abwechſelnd mit den bewaffneten Soldaten
fördern unſere Eiſenbahnzüge die Beurlaubten nach ihren Garniſons-
plätzen. Präſident v. Stenglein, welcher von hier aus eine prunkloſe
aber ſehr gediegene Proclamation erließ, hat ſich ſelbſt nach den tumul-
tuirenden Diſtricten begeben, und leitet an Ort und Stelle die zur Un-
terdrückung des Aufſtandes nothwendigen Maßregeln mit ebenſo großer
Schonung als Energie. Ihm hat man es zu verdanken daß bereits
nicht bloß ein großer Theil der Rädelsführer — über 30 — gefangen
wurden, ſondern auch mehrere ſich freiwillig ſtellten, andere den Werth
des Geraubten freiwillig zu erſetzen verſprachen. Soweit man bis jetzt
die Fäden des Aufſtands verfolgen kann, ſo gehen ſie in ein benachbar-
tes thüringiſches Herzogthum, aus welchem Sie wahrſcheinlich ſchon
jetzt von höchſt eigenthümlichen Propoſitionen an den Landesherrn zu
berichten haben werden. Allein iſt erſt der Aufſtand unterdrückt, ſo ſteht
es der Geſetzgebung zu das Verſäumte einzuholen und den Grund des-
ſelben für alle Zeiten zu heben. Wenn wahr iſt was von den Finanz-
ſpeculationen einzelner Gutsherren auf Koſten armer Unterthanen er-
zählt wird, ſo iſt hohe Zeit einem Treiben ein Ende zu machen welches
nothwendig den wildeſten Haß aufreizen muß. Allein auch die milde-
ſten Gutsherren blieben gleichfalls nicht verſchont. Hat man hier von
dem Forſtamte tumultuariſch Streu ertrotzt, ſohaben die Bauern wenige
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ſelbſt auf dem Gute des verehrten erſten Präſidenten der Kammer der
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gen, in den Forſten um Banz das Wild erſchoſſen und im Walde oder
dem Felde todt liegen laſſen. An andern Orten iſt es Gutsherren ge-
lungen ihre Bauern zu bewaffnen und Gewalt mit Gewalt zu vertrei-
ben; in Kronach, dem Geburtsorte des Präſidenten von Oberfranken,
haben die Bürger ſelbſt zu den Waffen gegriffen und die Ruhe aufrecht
erhalten. Damit es neben den ernſthaften und traurigen Scenen nicht
an komiſchen fehle, haben in einem benachbarten Landgerichtsſitze die
Juden zu Protokoll erklärt ſie wollten von Emancipation nichts wiſſen.
Man möge ſie nur vor Verfolgungen ſchützen. Hoffen wir daß für die-
jenigen welche, eingewiegt von utopiſchen Träumen, vergeſſen daß wir
bis jetzt noch durch den Eid auf die, wenn auch unvollkommene Verfaſ-
ſung gebunden ſind, die gewaltſame Unterdrückung eine Lehre werde die
Bahn des Rechtes und des Gehorſams nicht zu verlaſſen, in welcher
allein die Bürgſchaft der Freiheit beruhen kann. Man hat hier von
Seitzen des Comité’s der Volksverſammlung, auf die Proclamation des
Präſidenten hin, eine zweite erlaſſen; eine dritte — von unbekannter
Hand verfaßt — wurde in den tumultuirenden Diſtricten verbreitet und
in dieſer auf dasjenige hingewieſen was, wenn der Aufſtand gelänge,
„im zweiten Theile“ geſchehen ſoll. Es iſt im Intereſſe der Freiheit und
des Rechts zu wünſchen daß die Unterdrückung des erſten Theiles die
Entfaltung des zweiten unmöglich machen werde.

K. Sachſen.

Die Bewegung hat ſich
äußerlich gelegt ſeit das Miniſterium entlaſſen iſt. Man ſteht geſpannt
der Miniſterialkriſts zu. Endliche Veranlaſſung zum entſcheidenden
Schluſſe des Königs ſcheinen mehrere zuſammentreffende Umſtände ge-
weſen zu ſeyn. Erſtlich die Aufſtellung preußiſcher Truppen an der
Gränze, gegen welche Aufſtellung das Officierkorps eine Beſchwerde ge-
richtet und welche bei näherer Zufrage durch einige der jetzt abgetre-
tenen Miniſter veranlaßt geweſen ſey. Ferner die dringenden Rath-
ſchläge v. Lindenau’s. Endlich die Rückkehr und der Bericht des Com-
miſſärs (Miniſter v. Carlowitz), der im Gegenſatze zu den Schilderungen
Miniſters v. Könneritz den Zuſtand Leipzigs ganz anders dargeſtellt
habe als er bis dahin dem König dargeſtellt worden war. Wie dem
aber auch ſey, die Aenderung iſt erfolgt, und wie ich höre iſt nun auch
das Militär aus der Nähe Leipzigs entfernt. Eine definitive Bildung
des Miniſteriums iſt hier noch nicht bekannt. Nach Dresden iſt von
hier berufen zu dieſem Zweck von der Pfordten, aus dem Vogtlande
Braun und Georgi. Wahrſcheinlich auch v. Watzdorf. Biedermann
noch nicht, weil er wohl dem König ungünſtig geſchildert iſt von dem
letzten Miniſterium welches ſolch einen Vicepräſidenten der opponirenden
[Spaltenumbruch] Stadtverordneten im übelſten Lichte zu zeigen geneigt war. Er iſt aber er-
ſichtlich eine unſerer hervorragendſten Fähigkeiten und mit allen Talenten
eines jetzigen Staatsmannes ausgerüſtet. Ueber kurz oder lang wird man
ſeiner zum Kultminiſter bedürfen. Man erwartet ein Miniſterium
Braun, der mit einem vollſtändigen Programm ausgerüſtet und mit
dem feſten Vorſatz nach Dresden hinaufgegangen iſt: nur an einem
Ganzen theilzunehmen. Nachſchrift vom 17 März. An Straßenecken
erſcheint hier ſoeben folgender Anſchlag: Pfordten, Braun, Georgi,
Holtzendorff Miniſter. Der außerordentliche Landtag wird nicht ein-
berufen. Metternich zu Fuß flüchtig. Der letzte Zuſatz zeigt daß der
Anſchlag aus keiner officiellen Ouelle kommt. Nachmittag. Das Mi-
niſterium iſt conſtituirt: Braun, von der Pfordten, Georgi. Der außer-
ordentliche Landtag findet nicht ſtatt. Das Programm, ſoeben an den
Straßenecken angeſchlagen, zeigt die jetzt überall herrſchenden liberalen
Grundſätze.

Oeſterreich.

Mein geſtriges Schreiben
ſchloß mit der Beſchreibung der Leichenfeier; der Tag ſchloß ruhig, und
auch der Abend und die Nacht waren durch würdevolle Stille dem Ernſte
der Begebenheit und der Tagesfeier angemeſſen. Selbſt in den Vorſtädten
wurde die Ruhe nicht geſtört, und ſomit iſt zu hoffen daß die neue Aera un-
ſers politiſchen Lebens allmählich innerhalb der Schranken des Geſetzes und
der Ordnung ihren Lauf beginnen könne. Der Eindruck der äußeren Ver-
hältniſſe, der Bewegung in der Stadt und auf den Straßen, kurz die
eigentliche Revolution — denn ſo darf man die Ereigniſſe vom 13 bis
16 März, ſo muß man ſie nennen — nahmen meine Thätigkeit und meine
Auffaſſungsgabe, wie auch die wenige mir übrige Zeit für Schilderung
ſo ſehr in Anſpruch daß es mir unmöglich war über das was im In-
nern der Cabinette, in der Burg und der Staatskanzlei und dem Rath-
haufe vorging, Ihnen Mitzutheilung zu machen. Darüber jetzt einige
Worte. Schon am 13 gegen Abend war die Verwirrung am Hofe groß;
Erzherzog Albrecht und Wilhelm und der Herzog von Modena, welche zu
den energiſchſten Maßregeln, zu Cavalleriechargen, Kanonen- und Kartät-
ſchenfeuer gegen das brauſende Volk riethen, konnten nicht durchdrin-
gen, und fanden kräftigen Widerſpruch; Erzherzog Ludwig, ſonſt die Seele
ſo vieler Beſchlüſſe, ſchien vollkommen den Kopf verloren zu haben; der
Kaiſer ſelbſt war ruhig und ſtimmte zu Maßregeln der Milde, worin er
beſonders durch die Erzherzogin Sophie, Mutter des künftigen Herrſchers,
unterſtützt wurde. Metternich war ſchon ganz ſchweigſam geworden, er
ſchien reſignirt die Dinge zu erwarten die da kommen ſollten, fürchtete
ſie aber ſcheinbar nicht. Als jedoch die Nachricht vom Blutvergießen
auf den Straßen durch die kaiſerlichen Gemächer drang, ſchien alles wie
vom Donnerſchlag getroffen. Die Rathloſigkeit nahm überhand als man
von der allgemeinen Bewaffnung des Volkes hörte, und ſchon jetzt dran-
gen überwiegende Stimmen auf Metternichs augenblickliche Entlaſſung.
Unterdeß kam Deputation nach Deputation, um dem Kaiſer perſönlich
die Lage der Stadt und die Wünſche des Volkes ans Herz zu legen. Man
zauderte, man zögerte, und gab der zweiten Deputation ein beſſeres Re-
ſultat als die erſte erlangt hatte. So ſoll nach Verſicherungen die
uns in der Nacht vom 13 auf den 14 auf der Univerſität wurden, ſchon
damals Preßfreiheit und Nationalgarde vom Kaiſer bewilligt und un-
terzeichnet worden ſeyn, obleich ſie erſt gegen 5 Uhr Nachmittags am 15 ver-
kündet wurde und gedruckt zu leſen war. Am 15 ſoll nach Verſicherung
eines Augenzeugen, welcher mehrmals als Mitglied einer Deputation
oder Commiſſion während dieſes Tags in die Burg kam, die Verwirrung
und Rathloſigkeit ſo groß geweſen ſeyn daß jeder, der nur augenblickliche
Energie und Willen beſeſſen, alle Angelegenheiten, Beſprechungen
und Beſchlüſſe hätte leiten und das vollſte Regiment führen können.
Die ſtädtiſche Angelegenheit wurde unterdeß mit nicht weniger Tact-
und Kopfloſigkeit geleitet; der Bürgermeiſter, an und für ſich ein Schwach-
kopf, verfiel in muthloſe Lethargie; den Magiſtratsräthen waren die Er-
eigniſſe ſo neu und unglaublich daß ſie nichts thaten als ihre Köpfe
ſchütteln, indem ſie ſich fragend an die zahlreich an ſie abgeſandten Depu-
tationen wandten, was zu thun ſey. So kam es daß ſich gerade durch
dieſe Conſultirung der Deputationsmitglieder und durch allmähliches
Wegbleiben mehrerer Magiſtratsmitglieder factiſch ein ganz neuer
ſtädtiſcher Magiſtrat bildete, der ſich dann noch am ſelben Abend auch
formell conſtituirte und die ſtädtiſchen Angelegenheiten leitetete. Er be-

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[0017] Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitungvom 22 März 1848. Deutſchland. * Bamberg, 18 März.Die Truppenſendungen von Bayreuth, Amberg, Nürnberg, Bamberg nach der Nordgränze haben in den letz- ten Tagen fortgedauert, und abwechſelnd mit den bewaffneten Soldaten fördern unſere Eiſenbahnzüge die Beurlaubten nach ihren Garniſons- plätzen. Präſident v. Stenglein, welcher von hier aus eine prunkloſe aber ſehr gediegene Proclamation erließ, hat ſich ſelbſt nach den tumul- tuirenden Diſtricten begeben, und leitet an Ort und Stelle die zur Un- terdrückung des Aufſtandes nothwendigen Maßregeln mit ebenſo großer Schonung als Energie. Ihm hat man es zu verdanken daß bereits nicht bloß ein großer Theil der Rädelsführer — über 30 — gefangen wurden, ſondern auch mehrere ſich freiwillig ſtellten, andere den Werth des Geraubten freiwillig zu erſetzen verſprachen. Soweit man bis jetzt die Fäden des Aufſtands verfolgen kann, ſo gehen ſie in ein benachbar- tes thüringiſches Herzogthum, aus welchem Sie wahrſcheinlich ſchon jetzt von höchſt eigenthümlichen Propoſitionen an den Landesherrn zu berichten haben werden. Allein iſt erſt der Aufſtand unterdrückt, ſo ſteht es der Geſetzgebung zu das Verſäumte einzuholen und den Grund des- ſelben für alle Zeiten zu heben. Wenn wahr iſt was von den Finanz- ſpeculationen einzelner Gutsherren auf Koſten armer Unterthanen er- zählt wird, ſo iſt hohe Zeit einem Treiben ein Ende zu machen welches nothwendig den wildeſten Haß aufreizen muß. Allein auch die milde- ſten Gutsherren blieben gleichfalls nicht verſchont. Hat man hier von dem Forſtamte tumultuariſch Streu ertrotzt, ſohaben die Bauern wenige Stunden von hier eine Austheilung von Maſſen von Brennholz ertrotzt, ſelbſt auf dem Gute des verehrten erſten Präſidenten der Kammer der Abgeordneten, wie heute verlautet, den Amtmann zur Flucht gezwun- gen, in den Forſten um Banz das Wild erſchoſſen und im Walde oder dem Felde todt liegen laſſen. An andern Orten iſt es Gutsherren ge- lungen ihre Bauern zu bewaffnen und Gewalt mit Gewalt zu vertrei- ben; in Kronach, dem Geburtsorte des Präſidenten von Oberfranken, haben die Bürger ſelbſt zu den Waffen gegriffen und die Ruhe aufrecht erhalten. Damit es neben den ernſthaften und traurigen Scenen nicht an komiſchen fehle, haben in einem benachbarten Landgerichtsſitze die Juden zu Protokoll erklärt ſie wollten von Emancipation nichts wiſſen. Man möge ſie nur vor Verfolgungen ſchützen. Hoffen wir daß für die- jenigen welche, eingewiegt von utopiſchen Träumen, vergeſſen daß wir bis jetzt noch durch den Eid auf die, wenn auch unvollkommene Verfaſ- ſung gebunden ſind, die gewaltſame Unterdrückung eine Lehre werde die Bahn des Rechtes und des Gehorſams nicht zu verlaſſen, in welcher allein die Bürgſchaft der Freiheit beruhen kann. Man hat hier von Seitzen des Comité’s der Volksverſammlung, auf die Proclamation des Präſidenten hin, eine zweite erlaſſen; eine dritte — von unbekannter Hand verfaßt — wurde in den tumultuirenden Diſtricten verbreitet und in dieſer auf dasjenige hingewieſen was, wenn der Aufſtand gelänge, „im zweiten Theile“ geſchehen ſoll. Es iſt im Intereſſe der Freiheit und des Rechts zu wünſchen daß die Unterdrückung des erſten Theiles die Entfaltung des zweiten unmöglich machen werde. K. Sachſen. ∆ Leipzig, 16 März.Die Bewegung hat ſich äußerlich gelegt ſeit das Miniſterium entlaſſen iſt. Man ſteht geſpannt der Miniſterialkriſts zu. Endliche Veranlaſſung zum entſcheidenden Schluſſe des Königs ſcheinen mehrere zuſammentreffende Umſtände ge- weſen zu ſeyn. Erſtlich die Aufſtellung preußiſcher Truppen an der Gränze, gegen welche Aufſtellung das Officierkorps eine Beſchwerde ge- richtet und welche bei näherer Zufrage durch einige der jetzt abgetre- tenen Miniſter veranlaßt geweſen ſey. Ferner die dringenden Rath- ſchläge v. Lindenau’s. Endlich die Rückkehr und der Bericht des Com- miſſärs (Miniſter v. Carlowitz), der im Gegenſatze zu den Schilderungen Miniſters v. Könneritz den Zuſtand Leipzigs ganz anders dargeſtellt habe als er bis dahin dem König dargeſtellt worden war. Wie dem aber auch ſey, die Aenderung iſt erfolgt, und wie ich höre iſt nun auch das Militär aus der Nähe Leipzigs entfernt. Eine definitive Bildung des Miniſteriums iſt hier noch nicht bekannt. Nach Dresden iſt von hier berufen zu dieſem Zweck von der Pfordten, aus dem Vogtlande Braun und Georgi. Wahrſcheinlich auch v. Watzdorf. Biedermann noch nicht, weil er wohl dem König ungünſtig geſchildert iſt von dem letzten Miniſterium welches ſolch einen Vicepräſidenten der opponirenden Stadtverordneten im übelſten Lichte zu zeigen geneigt war. Er iſt aber er- ſichtlich eine unſerer hervorragendſten Fähigkeiten und mit allen Talenten eines jetzigen Staatsmannes ausgerüſtet. Ueber kurz oder lang wird man ſeiner zum Kultminiſter bedürfen. Man erwartet ein Miniſterium Braun, der mit einem vollſtändigen Programm ausgerüſtet und mit dem feſten Vorſatz nach Dresden hinaufgegangen iſt: nur an einem Ganzen theilzunehmen. Nachſchrift vom 17 März. An Straßenecken erſcheint hier ſoeben folgender Anſchlag: Pfordten, Braun, Georgi, Holtzendorff Miniſter. Der außerordentliche Landtag wird nicht ein- berufen. Metternich zu Fuß flüchtig. Der letzte Zuſatz zeigt daß der Anſchlag aus keiner officiellen Ouelle kommt. Nachmittag. Das Mi- niſterium iſt conſtituirt: Braun, von der Pfordten, Georgi. Der außer- ordentliche Landtag findet nicht ſtatt. Das Programm, ſoeben an den Straßenecken angeſchlagen, zeigt die jetzt überall herrſchenden liberalen Grundſätze. Oeſterreich. ✡ Wien, 18 März.Mein geſtriges Schreiben ſchloß mit der Beſchreibung der Leichenfeier; der Tag ſchloß ruhig, und auch der Abend und die Nacht waren durch würdevolle Stille dem Ernſte der Begebenheit und der Tagesfeier angemeſſen. Selbſt in den Vorſtädten wurde die Ruhe nicht geſtört, und ſomit iſt zu hoffen daß die neue Aera un- ſers politiſchen Lebens allmählich innerhalb der Schranken des Geſetzes und der Ordnung ihren Lauf beginnen könne. Der Eindruck der äußeren Ver- hältniſſe, der Bewegung in der Stadt und auf den Straßen, kurz die eigentliche Revolution — denn ſo darf man die Ereigniſſe vom 13 bis 16 März, ſo muß man ſie nennen — nahmen meine Thätigkeit und meine Auffaſſungsgabe, wie auch die wenige mir übrige Zeit für Schilderung ſo ſehr in Anſpruch daß es mir unmöglich war über das was im In- nern der Cabinette, in der Burg und der Staatskanzlei und dem Rath- haufe vorging, Ihnen Mitzutheilung zu machen. Darüber jetzt einige Worte. Schon am 13 gegen Abend war die Verwirrung am Hofe groß; Erzherzog Albrecht und Wilhelm und der Herzog von Modena, welche zu den energiſchſten Maßregeln, zu Cavalleriechargen, Kanonen- und Kartät- ſchenfeuer gegen das brauſende Volk riethen, konnten nicht durchdrin- gen, und fanden kräftigen Widerſpruch; Erzherzog Ludwig, ſonſt die Seele ſo vieler Beſchlüſſe, ſchien vollkommen den Kopf verloren zu haben; der Kaiſer ſelbſt war ruhig und ſtimmte zu Maßregeln der Milde, worin er beſonders durch die Erzherzogin Sophie, Mutter des künftigen Herrſchers, unterſtützt wurde. Metternich war ſchon ganz ſchweigſam geworden, er ſchien reſignirt die Dinge zu erwarten die da kommen ſollten, fürchtete ſie aber ſcheinbar nicht. Als jedoch die Nachricht vom Blutvergießen auf den Straßen durch die kaiſerlichen Gemächer drang, ſchien alles wie vom Donnerſchlag getroffen. Die Rathloſigkeit nahm überhand als man von der allgemeinen Bewaffnung des Volkes hörte, und ſchon jetzt dran- gen überwiegende Stimmen auf Metternichs augenblickliche Entlaſſung. Unterdeß kam Deputation nach Deputation, um dem Kaiſer perſönlich die Lage der Stadt und die Wünſche des Volkes ans Herz zu legen. Man zauderte, man zögerte, und gab der zweiten Deputation ein beſſeres Re- ſultat als die erſte erlangt hatte. So ſoll nach Verſicherungen die uns in der Nacht vom 13 auf den 14 auf der Univerſität wurden, ſchon damals Preßfreiheit und Nationalgarde vom Kaiſer bewilligt und un- terzeichnet worden ſeyn, obleich ſie erſt gegen 5 Uhr Nachmittags am 15 ver- kündet wurde und gedruckt zu leſen war. Am 15 ſoll nach Verſicherung eines Augenzeugen, welcher mehrmals als Mitglied einer Deputation oder Commiſſion während dieſes Tags in die Burg kam, die Verwirrung und Rathloſigkeit ſo groß geweſen ſeyn daß jeder, der nur augenblickliche Energie und Willen beſeſſen, alle Angelegenheiten, Beſprechungen und Beſchlüſſe hätte leiten und das vollſte Regiment führen können. Die ſtädtiſche Angelegenheit wurde unterdeß mit nicht weniger Tact- und Kopfloſigkeit geleitet; der Bürgermeiſter, an und für ſich ein Schwach- kopf, verfiel in muthloſe Lethargie; den Magiſtratsräthen waren die Er- eigniſſe ſo neu und unglaublich daß ſie nichts thaten als ihre Köpfe ſchütteln, indem ſie ſich fragend an die zahlreich an ſie abgeſandten Depu- tationen wandten, was zu thun ſey. So kam es daß ſich gerade durch dieſe Conſultirung der Deputationsmitglieder und durch allmähliches Wegbleiben mehrerer Magiſtratsmitglieder factiſch ein ganz neuer ſtädtiſcher Magiſtrat bildete, der ſich dann noch am ſelben Abend auch formell conſtituirte und die ſtädtiſchen Angelegenheiten leitetete. Er be-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine82_1848/17>, abgerufen am 21.11.2024.