Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848.[Spaltenumbruch]
daß der Rücktritt König Ludwigs durchaus freiwillig war. Man konnte * Augsburg, 22 März. Bis gestern Nachmittag dauerte hier Eine der letzten Regentenhandlungen des Königs Ludwig war die Hohenzollern. * Hechingen, 19 März. Ein Correspondenz- Großh. Baden. Zu dem vorgestern mitgetheilten Amnestie- Karlsruhe. In der ersten Kammer erstattete der Frhr. v. And- Heidelberg, 20 März. Die Offenburger Volksversamm- [Spaltenumbruch]
daß der Rücktritt König Ludwigs durchaus freiwillig war. Man konnte * Augsburg, 22 März. Bis geſtern Nachmittag dauerte hier Eine der letzten Regentenhandlungen des Königs Ludwig war die Hohenzollern. * Hechingen, 19 März. Ein Correſpondenz- Großh. Baden. Zu dem vorgeſtern mitgetheilten Amneſtie- Karlsruhe. In der erſten Kammer erſtattete der Frhr. v. And- ⦻ Heidelberg, 20 März. Die Offenburger Volksverſamm- <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0003"/><cb/> daß der Rücktritt König Ludwigs durchaus freiwillig war. Man konnte<lb/> leicht bemerken wie tief die Liebe zu ihm faſt allgemein wurzelte, trotz den<lb/> Stürmen die in neuerer und neueſter Zeit das Verhältniß zwiſchen ihm<lb/> und ſeinem Volke erſchüttert hatten. Es wurde heute dem vom Schauplatz<lb/> Scheidenden manche Thräne nachgeweint, und die Erſchütterung ſelbſt<lb/> ſtarker Gemüther bei dem Gedanken daß jener feſte, in mancher Bezie-<lb/> hung unbeugſame Charakter zu dieſem Schritt ſich gedrungen glauben<lb/> konnte, wird noch lange Zeit gefühlt werden. Uebrigens bringt ſichtbar<lb/> einen guten Eindruck das Bekanntwerden der Wahl hervor, welche König<lb/> Maximilian für ſein Miniſterium getroffen haben ſoll. Die Miniſter-<lb/> liſte wird ziemlich zuverläſſig folgende Namen aufweiſen: v. Thon-Ditt-<lb/> mer bleibt für das Innere, Appellations-Gerichtsrath Heintz erhält die<lb/> Juſtiz, Frhr. v. Lerchenfeld die Finanzen, General v. Leſſuire das Porte-<lb/> feuille des Kriegs, Staatsrath v. Beisler (der ſeitherige Miniſterverwe-<lb/> ſer der Juſtiz) Cultus, Graf von Waldkirch Aeußeres. Letzterer wird<lb/> ſchwerlich bleiben (Ein anderer Brief nennt den Grafen Bray als für<lb/> die äußern Angelegenheiten in Ausſicht ſtehend.) Der König eröffnet<lb/> morgen in Perſon die Ständekammern, und wird, wie er dem Magiſtrate<lb/> heute bemerkte, in der Thronrede Gelegenheit nehmen ſich auszu-<lb/> ſprechen über ſeine feſte Abſicht die von ſeinem Vater gegebenen<lb/> und ja auch von ihm unterzeichneten Zuſagen in der Proclamation<lb/> vom 6 März zu halten. Man erwartet zugleich die Verkündigung<lb/> einer Amneſtie für politiſche Vergehen. Welche Ausdehnung dieſelbe<lb/> erhalten wird weiß man noch nicht. In meinem Briefe von geſtern<lb/> Nacht findet ſich eine Angabe die irrig iſt. Es beißt dort: ein Adjutant<lb/> des Königs habe officiell die Nachricht von der Abdankung in die Aka-<lb/> demie gebracht; dieß iſt dahin zu berichtigen daß Hr. Oberlieutenant von<lb/> der Thann ſich eingeladen dort bei den Studenten befand, als ihm um<lb/> 10 Uhr die Nachricht aus der Reſidenz durch einen Lakaien zukam; die-<lb/> ſelbe wurde ihm ſo mitgetheilt daß ſie von einigen Umſtehenden gehört<lb/> wurde, die dringend um Aufſchluß baten, worauf er ſich veranlaßt ſah<lb/> laut über das Gehörte ſich auszuſprechen. Die Mittheilung war ſomit<lb/> von ſeiner Seite nicht officiell.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>* <hi rendition="#b">Augsburg</hi>, 22 März.</dateline> <p>Bis geſtern Nachmittag dauerte hier<lb/> die Ungewißheit über den eigentlichen Verlauf der Thronentſagung des<lb/> Königs Ludwig. Mittags traten Magiſtrat und Gemeindebevollmäch-<lb/> tigte in öffentlicher Sitzung zuſammen, und beſchloſſen eine Abordnung<lb/> von fünf Mitgliedern nach München zu ſenden um ſich genauen Auf-<lb/> ſchluß zu erholen, und ihn ſofort der Bürgerſchaft zur Kenntniß zu bringen,<lb/> damit dieſe nach Umſtänden handeln könne. Mittlerweile trafen aber<lb/> die in München erfolgten amtlichen Verkündigungen ein, unter ihnen<lb/> die ergreifenden Worte mit denen der König dem Volk ſeinen freige-<lb/> faßten Entſchluß anzeigt. Niemand las ſie ohne tiefe Bewegung. König<lb/> Ludwig hatte hier bekanntlich als Kronprinz einen Theil der ſchweren Zeit<lb/> zugebracht die während der franzöſiſchen Herrſchaft auf Deutſchland<lb/> lag. Er war nie nach Augsburg gekommen ohne mit Wärme und le-<lb/> bendigſter Erinnerung jener Tage zu gedenken und der Stadt zu zeigen<lb/> wie nahe ſie ſeitdem ſeinem Herzen geblieben. Noch in den letzten ſtür-<lb/> miſchen Tagen gab ein an den hieſigen Regierungspräſidenten gerichte-<lb/> tes k. Handbillet davon Zeugniß. Das alles ging an den betroffenen<lb/> Gemüthern vorüber, als wir geſtern des Königs Rücktritt erfuhren.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <p>Eine der letzten Regentenhandlungen des Königs Ludwig war die<lb/> Verleihung des Ritterkreuzes des bayeriſchen Kronordens an den<lb/> hieſigen Oberpoſtmeiſter Grafen v. Tauffkirchen, mittelſt eines königl.<lb/> Handbillets, das mit herzlichſten Worten den frühern militäriſchen<lb/> Auszeichnungen des Grafen ſowie ſeinem treuen thätigen Eifer als<lb/> k. Beamter ſeine volle Anerkennung zollt.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Hohenzollern.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>* <hi rendition="#b">Hechingen</hi>, 19 März.</dateline> <p>Ein Correſpondenz-<lb/> artikel aus Stuttgart theilte in dieſer Zeitung das Gerücht mit daß ſich<lb/> alle Iſraeliten von hier nach Tübingen geflüchtet haben ſollen. Zur<lb/> Ehre der Stadt, des Landes und der iſraelitiſchen Gemeinde kann dieſer<lb/> Angabe als durchaus unbegründet widerſprochen werden, indem ſich<lb/> nur vier Iſraeliten am Tag vor der allgemeinen Volksverſammlung<lb/> von hier entfernt hatten. Die politiſche Aufregung bringt ſo viele<lb/> traurige Ereigniſſe hervor, daß dieſelben nicht noch durch falſche Ge-<lb/> rüchte vermehrt werden ſollten.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Großh. 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Er ſagt in der<lb/> Einleitung: „Wir dürfen uns jedoch nicht in eine falſche Sicherheit wie-<lb/> gen. Außerordentliche Verhältniſſe erzeugen außerordentliche Folgerun-<lb/> gen, und die Gewitter welche ſich entladen, reinigen nicht bloß die Lüfte<lb/> von verderblichen Dünſten, ſie bergen in dem Dunkel ihrer Wolken auch<lb/> verheerende Blitze. Soll ſich die Geſtaltung der Dinge zum Segen wen-<lb/> den, ſo müſſen wir vor allem feſthalten an der Grundlage unſerer deut-<lb/> ſchen Staaten, an dem <hi rendition="#g">bisherigen Verbande.</hi> Die Erfahrung zeigt<lb/> wohl in verſchiedenen Ländern den raſchen Umſchwung der Regierungs-<lb/> formen, den Wechſel zwiſchen <hi rendition="#g">Ein-</hi> und <hi rendition="#g">Vielherrſchaft,</hi> überall nur<lb/> ſelten mit jener Beſchränkung welche die Intereſſen der Völker ſicher<lb/> ſtellt. Hat dieſer Wechſel das Glück der Völker befördert? Was in den<lb/> Stürmen ſich aufrecht erhält und gleichſam ein Palladium der Völker<lb/> bildet, das iſt das Gute, das Zeitgemäße und das Dauernde. Jene Er-<lb/> ſchütterungen welche immer ſolche Bewegungen begleiten: die Verletzun-<lb/> gen der Perſonen und des Eigenthums, die Unſicherheit und die bange<lb/> Furcht, das jeden Verkehr ſtörende Mißtrauen und die Unterhöhlung aller<lb/> Rechtszuſtände ſind zwar die unerwünſchte, durchaus unheilvolle, aber ſchwer<lb/> zu vermeidende Zugabe des Wechſels in den Regierungsformen. Sie för-<lb/> dern nicht, ſie hemmen das Wohlſeyn der Staaten. Möge die Vorſehung<lb/> und das richtige Volksgefühl ſolche Zuſtände von Deutſchland fern halten!<lb/> Das Wohl des Vaterlandes erheiſcht mithin daß ſeine erblichen Fürſten-<lb/> thümer forbeſtehen, es muß daher zunächſt die Sache des Fürſten ſeyn<lb/> die Bedürfniſſe der Zeit zu erfaſſen und ihren Anforderungen zu entſpre-<lb/> chen; die Sache der Völker muß es ſofort ſeyn dieſes erkannte Streben<lb/> des Fürſten mit aller Hingebung und aller Kraft zu unterſtützen, deren<lb/> es bedarf um die Anſprüche des Augenblicks vollgenügend zu erfüllen.<lb/> Aus dieſer doppelten Richtung ergibt ſich die Befriedigung eines zweifa-<lb/> chen Bedürfniſſes. Die Fürſten vermögen und vermochten nie etwas <hi rendition="#g">Gutes<lb/> zu ſchaffen ohne ihre Völker;</hi> die Völker hingegen welche gewalt-<lb/> ſam das Band löſen das ſie an ihren Fürſten knüpft, durchlaufen rauhe<lb/> Bahnen unheilvoller Geſchicke, und gelangen ſpät und häufig nur unter<lb/> der Gunſt ſeltener Wechſelfälle zu einem beruhigten Zuſtande. Dieſe Lage<lb/> bedingt ein feſtes Band zwiſchen dem einzelnen Fürſten und dem einzelnen<lb/> Volk, ſodann zwiſchen allen deutſchen Fürſten und allen deutſchen Böl-<lb/> kern zur ſtarken Abwehr kühner Angriffe von außen, von welcher Seite<lb/> es ſey, und frevelnder Rechtsſtörungen im Innern der Länder. Wir be-<lb/> dürfen mithin zur doppelten Befeſtigung unſerer Zuſtände: 1) einen deut-<lb/> ſchen Fürſtentag zur augenblicklichen Ergreifung gemeinſamer Maß-<lb/> regeln im Intereſſe des geſammten Vaterlandes, und 2) ein deutſches<lb/> Parlament zur nachhaltigen Belebung des Volksgeiſtes im Sinne natio-<lb/> naler Erhebung, zum Schutze nach außen und zur Erkräftigung gemein-<lb/> ſamer, unabweisbarer Schöpfungen im Innern.“ Nachdem der Redner<lb/> dieſe zwei Forderungen näher motivirt hatte, ſchloß er mit den Worten:<lb/> „Vergönnen Sie, durchlauchtigſte, hochgeehrteſte Herren! Ihrem Bericht-<lb/> erſtatter ſich mit wenigen Worten noch darüber auszuſprechen was ihm<lb/> als der eigentliche Schlußſtein des deutſchen Staatsſyſtems erſcheint. 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Ein ſolches<lb/> Oberhaupt thut Deutſchland, thut ſeinen Fürſten wie ſeinen Völkern<lb/> noth.“</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline>⦻ <hi rendition="#b">Heidelberg</hi>, 20 März.</dateline> <p>Die Offenburger Volksverſamm-<lb/> lung von der man ſeit mehreren Tagen mit den lächerlichſten Aeng-<lb/> ſten ſprach, iſt ganz ſo abgelaufen wie alle beſonnenen Köpfe voraus-<lb/> geſehen hatten, nämlich in der friedlichſten Stimmung und mit der<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0003]
daß der Rücktritt König Ludwigs durchaus freiwillig war. Man konnte
leicht bemerken wie tief die Liebe zu ihm faſt allgemein wurzelte, trotz den
Stürmen die in neuerer und neueſter Zeit das Verhältniß zwiſchen ihm
und ſeinem Volke erſchüttert hatten. Es wurde heute dem vom Schauplatz
Scheidenden manche Thräne nachgeweint, und die Erſchütterung ſelbſt
ſtarker Gemüther bei dem Gedanken daß jener feſte, in mancher Bezie-
hung unbeugſame Charakter zu dieſem Schritt ſich gedrungen glauben
konnte, wird noch lange Zeit gefühlt werden. Uebrigens bringt ſichtbar
einen guten Eindruck das Bekanntwerden der Wahl hervor, welche König
Maximilian für ſein Miniſterium getroffen haben ſoll. Die Miniſter-
liſte wird ziemlich zuverläſſig folgende Namen aufweiſen: v. Thon-Ditt-
mer bleibt für das Innere, Appellations-Gerichtsrath Heintz erhält die
Juſtiz, Frhr. v. Lerchenfeld die Finanzen, General v. Leſſuire das Porte-
feuille des Kriegs, Staatsrath v. Beisler (der ſeitherige Miniſterverwe-
ſer der Juſtiz) Cultus, Graf von Waldkirch Aeußeres. Letzterer wird
ſchwerlich bleiben (Ein anderer Brief nennt den Grafen Bray als für
die äußern Angelegenheiten in Ausſicht ſtehend.) Der König eröffnet
morgen in Perſon die Ständekammern, und wird, wie er dem Magiſtrate
heute bemerkte, in der Thronrede Gelegenheit nehmen ſich auszu-
ſprechen über ſeine feſte Abſicht die von ſeinem Vater gegebenen
und ja auch von ihm unterzeichneten Zuſagen in der Proclamation
vom 6 März zu halten. Man erwartet zugleich die Verkündigung
einer Amneſtie für politiſche Vergehen. Welche Ausdehnung dieſelbe
erhalten wird weiß man noch nicht. In meinem Briefe von geſtern
Nacht findet ſich eine Angabe die irrig iſt. Es beißt dort: ein Adjutant
des Königs habe officiell die Nachricht von der Abdankung in die Aka-
demie gebracht; dieß iſt dahin zu berichtigen daß Hr. Oberlieutenant von
der Thann ſich eingeladen dort bei den Studenten befand, als ihm um
10 Uhr die Nachricht aus der Reſidenz durch einen Lakaien zukam; die-
ſelbe wurde ihm ſo mitgetheilt daß ſie von einigen Umſtehenden gehört
wurde, die dringend um Aufſchluß baten, worauf er ſich veranlaßt ſah
laut über das Gehörte ſich auszuſprechen. Die Mittheilung war ſomit
von ſeiner Seite nicht officiell.
* Augsburg, 22 März.Bis geſtern Nachmittag dauerte hier
die Ungewißheit über den eigentlichen Verlauf der Thronentſagung des
Königs Ludwig. Mittags traten Magiſtrat und Gemeindebevollmäch-
tigte in öffentlicher Sitzung zuſammen, und beſchloſſen eine Abordnung
von fünf Mitgliedern nach München zu ſenden um ſich genauen Auf-
ſchluß zu erholen, und ihn ſofort der Bürgerſchaft zur Kenntniß zu bringen,
damit dieſe nach Umſtänden handeln könne. Mittlerweile trafen aber
die in München erfolgten amtlichen Verkündigungen ein, unter ihnen
die ergreifenden Worte mit denen der König dem Volk ſeinen freige-
faßten Entſchluß anzeigt. Niemand las ſie ohne tiefe Bewegung. König
Ludwig hatte hier bekanntlich als Kronprinz einen Theil der ſchweren Zeit
zugebracht die während der franzöſiſchen Herrſchaft auf Deutſchland
lag. Er war nie nach Augsburg gekommen ohne mit Wärme und le-
bendigſter Erinnerung jener Tage zu gedenken und der Stadt zu zeigen
wie nahe ſie ſeitdem ſeinem Herzen geblieben. Noch in den letzten ſtür-
miſchen Tagen gab ein an den hieſigen Regierungspräſidenten gerichte-
tes k. Handbillet davon Zeugniß. Das alles ging an den betroffenen
Gemüthern vorüber, als wir geſtern des Königs Rücktritt erfuhren.
Eine der letzten Regentenhandlungen des Königs Ludwig war die
Verleihung des Ritterkreuzes des bayeriſchen Kronordens an den
hieſigen Oberpoſtmeiſter Grafen v. Tauffkirchen, mittelſt eines königl.
Handbillets, das mit herzlichſten Worten den frühern militäriſchen
Auszeichnungen des Grafen ſowie ſeinem treuen thätigen Eifer als
k. Beamter ſeine volle Anerkennung zollt.
Hohenzollern.
* Hechingen, 19 März.Ein Correſpondenz-
artikel aus Stuttgart theilte in dieſer Zeitung das Gerücht mit daß ſich
alle Iſraeliten von hier nach Tübingen geflüchtet haben ſollen. Zur
Ehre der Stadt, des Landes und der iſraelitiſchen Gemeinde kann dieſer
Angabe als durchaus unbegründet widerſprochen werden, indem ſich
nur vier Iſraeliten am Tag vor der allgemeinen Volksverſammlung
von hier entfernt hatten. Die politiſche Aufregung bringt ſo viele
traurige Ereigniſſe hervor, daß dieſelben nicht noch durch falſche Ge-
rüchte vermehrt werden ſollten.
Großh. Baden.
Zu dem vorgeſtern mitgetheilten Amneſtie-
decret iſt der Großherzog, wie das Actenſtück ſelbſt ſagt, durch die Be-
trachtung beſtimmt worden daß die Zeitereigniſſe vielfach die Vorſtel-
lungen von Recht und Unrecht verwirrten, und daß unter den jetzigen
Verhältniſſen eine Vergebung politiſcher Vergehen zur Verſöhnung der
leidenſchaftlich erregten Parteien beitragen werde, ſowie endlich, daß es
dann um ſo gerechtfertigter erſcheint, wenn da wo von nun an wieder
Verbrechen gleicher Art verübt werden, die volle Strenge des Geſetzes
zur Anwendung kommt.
Karlsruhe.In der erſten Kammer erſtattete der Frhr. v. And-
law einen Commiſſionsbericht über die Petition von 30 Heidelberger
Profeſſoren in Betreff der deutſchen Nationalanliegen. Er ſagt in der
Einleitung: „Wir dürfen uns jedoch nicht in eine falſche Sicherheit wie-
gen. Außerordentliche Verhältniſſe erzeugen außerordentliche Folgerun-
gen, und die Gewitter welche ſich entladen, reinigen nicht bloß die Lüfte
von verderblichen Dünſten, ſie bergen in dem Dunkel ihrer Wolken auch
verheerende Blitze. Soll ſich die Geſtaltung der Dinge zum Segen wen-
den, ſo müſſen wir vor allem feſthalten an der Grundlage unſerer deut-
ſchen Staaten, an dem bisherigen Verbande. Die Erfahrung zeigt
wohl in verſchiedenen Ländern den raſchen Umſchwung der Regierungs-
formen, den Wechſel zwiſchen Ein- und Vielherrſchaft, überall nur
ſelten mit jener Beſchränkung welche die Intereſſen der Völker ſicher
ſtellt. Hat dieſer Wechſel das Glück der Völker befördert? Was in den
Stürmen ſich aufrecht erhält und gleichſam ein Palladium der Völker
bildet, das iſt das Gute, das Zeitgemäße und das Dauernde. Jene Er-
ſchütterungen welche immer ſolche Bewegungen begleiten: die Verletzun-
gen der Perſonen und des Eigenthums, die Unſicherheit und die bange
Furcht, das jeden Verkehr ſtörende Mißtrauen und die Unterhöhlung aller
Rechtszuſtände ſind zwar die unerwünſchte, durchaus unheilvolle, aber ſchwer
zu vermeidende Zugabe des Wechſels in den Regierungsformen. Sie för-
dern nicht, ſie hemmen das Wohlſeyn der Staaten. Möge die Vorſehung
und das richtige Volksgefühl ſolche Zuſtände von Deutſchland fern halten!
Das Wohl des Vaterlandes erheiſcht mithin daß ſeine erblichen Fürſten-
thümer forbeſtehen, es muß daher zunächſt die Sache des Fürſten ſeyn
die Bedürfniſſe der Zeit zu erfaſſen und ihren Anforderungen zu entſpre-
chen; die Sache der Völker muß es ſofort ſeyn dieſes erkannte Streben
des Fürſten mit aller Hingebung und aller Kraft zu unterſtützen, deren
es bedarf um die Anſprüche des Augenblicks vollgenügend zu erfüllen.
Aus dieſer doppelten Richtung ergibt ſich die Befriedigung eines zweifa-
chen Bedürfniſſes. Die Fürſten vermögen und vermochten nie etwas Gutes
zu ſchaffen ohne ihre Völker; die Völker hingegen welche gewalt-
ſam das Band löſen das ſie an ihren Fürſten knüpft, durchlaufen rauhe
Bahnen unheilvoller Geſchicke, und gelangen ſpät und häufig nur unter
der Gunſt ſeltener Wechſelfälle zu einem beruhigten Zuſtande. Dieſe Lage
bedingt ein feſtes Band zwiſchen dem einzelnen Fürſten und dem einzelnen
Volk, ſodann zwiſchen allen deutſchen Fürſten und allen deutſchen Böl-
kern zur ſtarken Abwehr kühner Angriffe von außen, von welcher Seite
es ſey, und frevelnder Rechtsſtörungen im Innern der Länder. Wir be-
dürfen mithin zur doppelten Befeſtigung unſerer Zuſtände: 1) einen deut-
ſchen Fürſtentag zur augenblicklichen Ergreifung gemeinſamer Maß-
regeln im Intereſſe des geſammten Vaterlandes, und 2) ein deutſches
Parlament zur nachhaltigen Belebung des Volksgeiſtes im Sinne natio-
naler Erhebung, zum Schutze nach außen und zur Erkräftigung gemein-
ſamer, unabweisbarer Schöpfungen im Innern.“ Nachdem der Redner
dieſe zwei Forderungen näher motivirt hatte, ſchloß er mit den Worten:
„Vergönnen Sie, durchlauchtigſte, hochgeehrteſte Herren! Ihrem Bericht-
erſtatter ſich mit wenigen Worten noch darüber auszuſprechen was ihm
als der eigentliche Schlußſtein des deutſchen Staatsſyſtems erſcheint. Die
deutſche Einheit erheiſcht für die Energie und Schnellkraft der Ausſührung
der Grundgeſetze und der Stellung nach außen unbedingt ein ſichtba-
res Haupt, einen deutſchen Kaiſer, nicht etwa eine „Leiche der
Gruft,“ ſondern eine erhabene, lebensvolle Geſtalt der Wirklichkeit, den
Ausdruck deutſcher Kraft und deutſcher Majeſtät. Der Fürſten-
tag erwähle dieſen Kaiſer. Er ſey ein primus inter pares, der Fürſt
der deutſchen Fürſten, und der Mann der deutſchen Hoffnung und des
deutſchen Volkes, jedem nahe und über allen ſtehend; er ſey der oberſte
Heerführer zur Abwehr feindlichen Uebermuths, kein Eroberer anderer
Länder, nicht ein Gefährder fremder Nationalitäten, ſondern der allge-
meine Hort deu ſcher Nationalität und der moraliſche Schutz gegen
mögliche Willkür im Innern von oben und von unten. Ein ſolches
Oberhaupt thut Deutſchland, thut ſeinen Fürſten wie ſeinen Völkern
noth.“
⦻ Heidelberg, 20 März.Die Offenburger Volksverſamm-
lung von der man ſeit mehreren Tagen mit den lächerlichſten Aeng-
ſten ſprach, iſt ganz ſo abgelaufen wie alle beſonnenen Köpfe voraus-
geſehen hatten, nämlich in der friedlichſten Stimmung und mit der
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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