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Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848.

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[Spaltenumbruch] größten Ordnung. Es mochten 6 bis 8000 Menschen auf dem Markt
von Offenburg versammelt seyn, größtentheils Landleute aus dem
Oberlande, aber zahlreich vermischt mit Städtebewohnern aller Stände
aus Freiburg, Karlsruhe, Heidelberg, Mannheim und allen übrigen
größern Ortschaften die an der Eisenbahn liegen. Hundert schwarz-
rothgoldene Fahnen wehten über den Köpfen der dichtgedrängten
Menge, aber keine Waffe war sichtbar, außer ein paar Sensen die
da nur als ein Symbol Wacht zu halten schienen über die Freiheit
der öffentlichen Rede. Der Balkon des Rathhauses diente als Redner-
bühne. Itzstein eröffnete die Versammlung; nach ihm sprachen mehrere
andere Abgeordnete der badischen Kammer, Hecker, Gottschalk, Soiron,
Kapp, ferner Struve, Bürgermeister Winter, Advocat Würth aus Con-
stanz und einige andere. Alle diese Männer, ohne Ausnahme, aner-
kannten die constitutionelle Monarchie als die Verfassungsform unter
welcher Deutschland zu der Einheit gelangen müsse und werde, welche
die größte, die wichtigste, die wesentliche Aufgabe der gegenwärtigen
Bewegung sey. Wenn der eine oder der andere der Redner in Be-
zug auf seine persönliche Ansicht von der besten Staatsform einen
Vorbehalt machte, so geschah es doch immer mit der ausdrücklichen
Hinweisung darauf daß die individuelle Meinung sich den Nothwen-
digkeiten der Zeit und dem Gesammtwillen der Nation unterzuordnen
habe, und daß dieser Gesammtwille nur in der demnächst zusammen-
tretenden Nationalversammlung seinen rechtmäßigen Ausdruck finden
könne. Mit dieser Auffassung zeigte sich die Versammlung einstim-
mig einverstanden. Die ganze Haltung der Menge war überhaupt
musterhaft. Sie bewies durchweg ein sehr klares Verständniß der
angeregten Fragen, und eine viel größere Selbständigkeit der Ansicht
und des Willens als ich sie jemals bei dem großen Haufen in irgendeinem
Landestheil Deutschlands gesucht hätte. In einigen Punkten von un-
tergeordneter Bedeutung konnten die beliebtesten Volksmänner, wie
Itzstein und Hecker, die Versammlung nur mit Mühe dahin bringen,
daß sie auf eine Forderung verzichten die sich aus ihrer eigenen Mitte
erhoben hatte. Daß die Versammlung der Sprache der heftigeren
Redner den meisten Beifall zollte, und die am weitesten gehenden
Forderungen derselben am lebhaftesten unterstützte, das liegt zu sehr
in der unwandelbaren Natur der Dinge als daß man den minde-
sten Anstoß daran nehmen dürfte. Aus dem leidenschaftlichen Cha-
rakter den die versammelte Menge immer haben wird geht nur der
Folgesatz hervor, daß die Volksführer mit großer Umsicht und Mä-
ßigung den rechten Ton wählen müssen, daß die Männer des öffent-
lichen Vertrauens bei solchen Gelegenheiten vielmehr zu zügeln als zu
sporen haben. Dieser Regel bestrebten sich, wie gesagt, die gestrigen
Redner im allgemeinen nachzukommen. Einzelne Verstöße gegen die-
selbe setzen wir auf Rechnung der Neuheit der Sache, und des Man-
gels an einer Erfahrung, die sich bald nachholen läßt. Dahin gehört
daß in den von dem Vorstande der Versammlung gestellten Anträgen
die als Bitten an die badische Kammer gehen sollen, immer im Na-
men des Volks
gesprochen wird, während doch offenbar nur im Na-
men der Offenburger Versammlung hätte geredet werden sollen. "Das
Volk" -- ein großes Wort das man nicht mißbrauchen soll. Miß-
brauch ist aber jede Usurpirung desselben. Ferner war es ein Miß-
griff, eine Tactlosigkeit, daß man das Verlangen stellte "die reactio-
näre und gesinnungslose Partei der Kammer" solle sich zurückziehen.
Wie kann man irgendeinem Abgeordneten zumuthen daß er in Folge
eines solchen Ansinnens sich selber als reactionär und gar gesinnungs-
los anklage. Die einzige zulässige Form eines Mißtrauensvotums ge-
gen Abgeordnete ist die von den Wählern individuell an ihren Ver-
treter gerichtete Aufforderung sich einer neuen Wahl zu unterwerfen.
-- Ich spreche nicht von dem Inhalte der übrigen Anträge, die Sie
vermuthlich bereits auf näherem Wege kennen gelernt haben. Die
darin gestellten Forderungen sind zum Theil sehr stark und tiefgreifend,
und wir möchten die badischen Volksführer warnen diese Forderungen
nicht etwa auf die für nächsten Sonntag nach Heidelberg berufene
Volksversammlung noch zu vermehren oder zu steigern. Gut Ding will
Weile haben, und Rom wurde nicht an einem Tage gebaut.

H. Braunschweig.

Wir ha-
ben hier nun provisorisch die Preßfreiheit erhalten, auch ist die Stände-
rersammlung auf den 23 k. M. berufen, und es sollen derselben Vor-
lagen über alle die Punkte gemacht werden die in den dem Herzog
übergebenen Petitionen als Volkswünsche bezeichnet sind. Die Ansichten
darüber sind getheilt. Viele sind damit vorerst zufrieden, und erwarten
[Spaltenumbruch] das weitere von den Verhandlungen zwischen der Regierung und den
Ständen; die entschiedenere und daher auch weniger geduldige Partei
dagegen verlangt schnelleres, entschiedeneres Eingehen auf ihre Wünsche,
und sieht namentlich die Hinaussetzung der Ständeversammlung bis
zum 25 k. M. mit Mißtrauen an. Diese Gesinnung und Ansicht ist
in einem in einer Beilage zum hiesigen deutschen Volksfreunde ent-
haltenen Aufsatze des Dr. jur. Aronheim offen ausgesprochen, welcher,
gestern Abend in einer sehr zahlreich besuchten Volksversammlung vor-
getragen, den Beifall der überwiegenden Mehrheit fand; es wurde in-
deß dennoch kein Beschluß vorgeschlagen oder gefaßt. Am dringendsten
und übereinstimmendsten sprach sich der Wunsch nach einer allgemeinen
Volksbewassnung aus; die Bewassnung der Bürgergarde hält man für
ungenügend, nimmt sie als eine Abschlagszahlung auf und zeigt daher
sehr wenig Eifer für dieselbe. Am tiefsten durchdrungen war man von
der Nothwendigkeit einer kräftigen Einheit Deutschlands und der damit
zusammenhängenden eines deutschen Nationalparlaments; es ward be-
schlossen, in der Person des Landtagsabgeordneten, Advocaten Hollandt,
einen Abgeordneten zu der wegen jenes Gegenstandes in Frankfurt
a. M. zusammentretenden Versammlung zu schicken. Während der Ver-
sammlung erhob sich ein Tumult, indem sich ein in dem Verdachte
eines Mouchard stehender Mann eingefunden hatte -- wie es heißt in
einer Verkleidung und mit einem Dolche bewaffnet -- welcher un-
sanft hinausgeworfen wurde. Später, nachdem die Versammlung aus-
einandergegangen war, fand eine Zusammenrottung vor dem Hause des
sehr unbeliebten Magistratsmitglieds Stadtraths Mack statt, welchem die
Fenster eingeworfen wurden. Hierauf drang ein wüthender Haufen in
das Haus, zertrümmerte und zerstörte was ihm in die Hände fiel, zer-
schnitt die Betten und streute den Inhalt auf die Straße. Leider ist
die Bürgergarde noch nicht gehörig im Gange, sie erschien daher zu
spät um den Unfug zu verhindern, doch gelang es ihr Ruhe zu stiften,
indeß wogte eine große Menge in der Nähe des Hauses auf und ab,
und verlief sich erst gegen Mitternacht. Der Stadtrath Mack und seine Fa-
milie hatten sich in den Keller geflüchtet, wo sie die ganze Nacht zu-
brachten heute in der Frühe aber die Stadt verließen. Es ist nicht
zu läugnen daß der Geschäftskreis des Mannes ihn in unangenehme
Berührungen mit dem Publicum bringt, die er durch starre Grundsätze
und nicht humanes Benehmen noch unangenehmer macht.

K. Hannover.

Am Tage unserer
ersten Nachrichten vom Sturze Metternichs ist auch das System seines
eifrigsten Nachahmers gefallen. In den Gewährungen welche gestern
König Ernst August auf das Andringen der Bürger, die zu Tausenden
vor dem Palast standen, ertheilt hat, liegt die vollständigste Desavoui-
rung der Politik des Hrn. v. Falcke. Die Oeffentlichkeit der
Stände
welche Hr. v. Falcke im April v. J. als ewig unmöglich und
für uns unerreichbar erklärte, ist gestern bewilligt; die Censur be-
steht heute nicht mehr; das Associationsrecht ist anerkannt,

allen unsern politischen Märtyrern (also auch den sieben Professoren welche
dieser Wohlthat freilich am wenigsten bedürfen) Amnestie und Reha-
bilitation ertheilt. Alle andern von den Bürgern geforderten Punkte
(Schwurgericht, Vertretung am Bunde, Einschränkung der Polizei-
gewalt und Rückgabe derselben an die Städte u. s. w.) sollen, wie fest
versprochen ist, mit den Ständen berathen werden. Diese Volksbewe-
gung war die Antwort auf die Proclamation des vorhergegangenen Tags,
worin der König die vorausgegangenen Forderungen der Hannoveraner
nicht aus dem Herzen seiner guten Unterthanen, sondern aus Ein-
flüsterungen Fremder entsprungen erklärte. Die Bürgerschaft der Haupt-
stadt fand sich dadurch aufgefordert zu erklären und den Beweis abzu-
legen daß nicht fremde Zuflüsterung, sondern wahre innige Ueberzeugung
sie zu dem Verlangen getrieben nicht abgesondert von ihren deutschen
Brüdern zu stehen. Die Demonstration des Tags ging ohne alle Stö-
rung vorüber, und die großartigen militärischen Rüstungen -- sogar
Kanonen waren aufgefahren -- hätte man sich ersparen können. Mit
Dunkelwerden wurde es aber sehr laut und lärmend. Das Haus des
Hrn. v. Falcke wurde mit Cavallerie besetzt, was nicht hinderte daß
ihm alle Fenster zertrümmert wurden; dann ging es Haus für Haus
zu allen Hof- und andern Beamten die sich der Gunst der öffentlichen
Meinung nicht erfreuen. Heute früh sind zahlreiche Studirende aus
Göttingen hier eingetroffen. Es ist ihnen keine Genugthuung ge-
währt, und so hat die Universität sich gestern Mittag einstweilen auf-
gelöst.

[Spaltenumbruch] größten Ordnung. Es mochten 6 bis 8000 Menſchen auf dem Markt
von Offenburg verſammelt ſeyn, größtentheils Landleute aus dem
Oberlande, aber zahlreich vermiſcht mit Städtebewohnern aller Stände
aus Freiburg, Karlsruhe, Heidelberg, Mannheim und allen übrigen
größern Ortſchaften die an der Eiſenbahn liegen. Hundert ſchwarz-
rothgoldene Fahnen wehten über den Köpfen der dichtgedrängten
Menge, aber keine Waffe war ſichtbar, außer ein paar Senſen die
da nur als ein Symbol Wacht zu halten ſchienen über die Freiheit
der öffentlichen Rede. Der Balkon des Rathhauſes diente als Redner-
bühne. Itzſtein eröffnete die Verſammlung; nach ihm ſprachen mehrere
andere Abgeordnete der badiſchen Kammer, Hecker, Gottſchalk, Soiron,
Kapp, ferner Struve, Bürgermeiſter Winter, Advocat Würth aus Con-
ſtanz und einige andere. Alle dieſe Männer, ohne Ausnahme, aner-
kannten die conſtitutionelle Monarchie als die Verfaſſungsform unter
welcher Deutſchland zu der Einheit gelangen müſſe und werde, welche
die größte, die wichtigſte, die weſentliche Aufgabe der gegenwärtigen
Bewegung ſey. Wenn der eine oder der andere der Redner in Be-
zug auf ſeine perſönliche Anſicht von der beſten Staatsform einen
Vorbehalt machte, ſo geſchah es doch immer mit der ausdrücklichen
Hinweiſung darauf daß die individuelle Meinung ſich den Nothwen-
digkeiten der Zeit und dem Geſammtwillen der Nation unterzuordnen
habe, und daß dieſer Geſammtwille nur in der demnächſt zuſammen-
tretenden Nationalverſammlung ſeinen rechtmäßigen Ausdruck finden
könne. Mit dieſer Auffaſſung zeigte ſich die Verſammlung einſtim-
mig einverſtanden. Die ganze Haltung der Menge war überhaupt
muſterhaft. Sie bewies durchweg ein ſehr klares Verſtändniß der
angeregten Fragen, und eine viel größere Selbſtändigkeit der Anſicht
und des Willens als ich ſie jemals bei dem großen Haufen in irgendeinem
Landestheil Deutſchlands geſucht hätte. In einigen Punkten von un-
tergeordneter Bedeutung konnten die beliebteſten Volksmänner, wie
Itzſtein und Hecker, die Verſammlung nur mit Mühe dahin bringen,
daß ſie auf eine Forderung verzichten die ſich aus ihrer eigenen Mitte
erhoben hatte. Daß die Verſammlung der Sprache der heftigeren
Redner den meiſten Beifall zollte, und die am weiteſten gehenden
Forderungen derſelben am lebhafteſten unterſtützte, das liegt zu ſehr
in der unwandelbaren Natur der Dinge als daß man den minde-
ſten Anſtoß daran nehmen dürfte. Aus dem leidenſchaftlichen Cha-
rakter den die verſammelte Menge immer haben wird geht nur der
Folgeſatz hervor, daß die Volksführer mit großer Umſicht und Mä-
ßigung den rechten Ton wählen müſſen, daß die Männer des öffent-
lichen Vertrauens bei ſolchen Gelegenheiten vielmehr zu zügeln als zu
ſporen haben. Dieſer Regel beſtrebten ſich, wie geſagt, die geſtrigen
Redner im allgemeinen nachzukommen. Einzelne Verſtöße gegen die-
ſelbe ſetzen wir auf Rechnung der Neuheit der Sache, und des Man-
gels an einer Erfahrung, die ſich bald nachholen läßt. Dahin gehört
daß in den von dem Vorſtande der Verſammlung geſtellten Anträgen
die als Bitten an die badiſche Kammer gehen ſollen, immer im Na-
men des Volks
geſprochen wird, während doch offenbar nur im Na-
men der Offenburger Verſammlung hätte geredet werden ſollen. „Das
Volk“ — ein großes Wort das man nicht mißbrauchen ſoll. Miß-
brauch iſt aber jede Uſurpirung desſelben. Ferner war es ein Miß-
griff, eine Tactloſigkeit, daß man das Verlangen ſtellte „die reactio-
näre und geſinnungsloſe Partei der Kammer“ ſolle ſich zurückziehen.
Wie kann man irgendeinem Abgeordneten zumuthen daß er in Folge
eines ſolchen Anſinnens ſich ſelber als reactionär und gar geſinnungs-
los anklage. Die einzige zuläſſige Form eines Mißtrauensvotums ge-
gen Abgeordnete iſt die von den Wählern individuell an ihren Ver-
treter gerichtete Aufforderung ſich einer neuen Wahl zu unterwerfen.
— Ich ſpreche nicht von dem Inhalte der übrigen Anträge, die Sie
vermuthlich bereits auf näherem Wege kennen gelernt haben. Die
darin geſtellten Forderungen ſind zum Theil ſehr ſtark und tiefgreifend,
und wir möchten die badiſchen Volksführer warnen dieſe Forderungen
nicht etwa auf die für nächſten Sonntag nach Heidelberg berufene
Volksverſammlung noch zu vermehren oder zu ſteigern. Gut Ding will
Weile haben, und Rom wurde nicht an einem Tage gebaut.

H. Braunſchweig.

Wir ha-
ben hier nun proviſoriſch die Preßfreiheit erhalten, auch iſt die Stände-
rerſammlung auf den 23 k. M. berufen, und es ſollen derſelben Vor-
lagen über alle die Punkte gemacht werden die in den dem Herzog
übergebenen Petitionen als Volkswünſche bezeichnet ſind. Die Anſichten
darüber ſind getheilt. Viele ſind damit vorerſt zufrieden, und erwarten
[Spaltenumbruch] das weitere von den Verhandlungen zwiſchen der Regierung und den
Ständen; die entſchiedenere und daher auch weniger geduldige Partei
dagegen verlangt ſchnelleres, entſchiedeneres Eingehen auf ihre Wünſche,
und ſieht namentlich die Hinausſetzung der Ständeverſammlung bis
zum 25 k. M. mit Mißtrauen an. Dieſe Geſinnung und Anſicht iſt
in einem in einer Beilage zum hieſigen deutſchen Volksfreunde ent-
haltenen Aufſatze des Dr. jur. Aronheim offen ausgeſprochen, welcher,
geſtern Abend in einer ſehr zahlreich beſuchten Volksverſammlung vor-
getragen, den Beifall der überwiegenden Mehrheit fand; es wurde in-
deß dennoch kein Beſchluß vorgeſchlagen oder gefaßt. Am dringendſten
und übereinſtimmendſten ſprach ſich der Wunſch nach einer allgemeinen
Volksbewaſſnung aus; die Bewaſſnung der Bürgergarde hält man für
ungenügend, nimmt ſie als eine Abſchlagszahlung auf und zeigt daher
ſehr wenig Eifer für dieſelbe. Am tiefſten durchdrungen war man von
der Nothwendigkeit einer kräftigen Einheit Deutſchlands und der damit
zuſammenhängenden eines deutſchen Nationalparlaments; es ward be-
ſchloſſen, in der Perſon des Landtagsabgeordneten, Advocaten Hollandt,
einen Abgeordneten zu der wegen jenes Gegenſtandes in Frankfurt
a. M. zuſammentretenden Verſammlung zu ſchicken. Während der Ver-
ſammlung erhob ſich ein Tumult, indem ſich ein in dem Verdachte
eines Mouchard ſtehender Mann eingefunden hatte — wie es heißt in
einer Verkleidung und mit einem Dolche bewaffnet — welcher un-
ſanft hinausgeworfen wurde. Später, nachdem die Verſammlung aus-
einandergegangen war, fand eine Zuſammenrottung vor dem Hauſe des
ſehr unbeliebten Magiſtratsmitglieds Stadtraths Mack ſtatt, welchem die
Fenſter eingeworfen wurden. Hierauf drang ein wüthender Haufen in
das Haus, zertrümmerte und zerſtörte was ihm in die Hände fiel, zer-
ſchnitt die Betten und ſtreute den Inhalt auf die Straße. Leider iſt
die Bürgergarde noch nicht gehörig im Gange, ſie erſchien daher zu
ſpät um den Unfug zu verhindern, doch gelang es ihr Ruhe zu ſtiften,
indeß wogte eine große Menge in der Nähe des Hauſes auf und ab,
und verlief ſich erſt gegen Mitternacht. Der Stadtrath Mack und ſeine Fa-
milie hatten ſich in den Keller geflüchtet, wo ſie die ganze Nacht zu-
brachten heute in der Frühe aber die Stadt verließen. Es iſt nicht
zu läugnen daß der Geſchäftskreis des Mannes ihn in unangenehme
Berührungen mit dem Publicum bringt, die er durch ſtarre Grundſätze
und nicht humanes Benehmen noch unangenehmer macht.

K. Hannover.

Am Tage unſerer
erſten Nachrichten vom Sturze Metternichs iſt auch das Syſtem ſeines
eifrigſten Nachahmers gefallen. In den Gewährungen welche geſtern
König Ernſt Auguſt auf das Andringen der Bürger, die zu Tauſenden
vor dem Palaſt ſtanden, ertheilt hat, liegt die vollſtändigſte Desavoui-
rung der Politik des Hrn. v. Falcke. Die Oeffentlichkeit der
Stände
welche Hr. v. Falcke im April v. J. als ewig unmöglich und
für uns unerreichbar erklärte, iſt geſtern bewilligt; die Cenſur be-
ſteht heute nicht mehr; das Aſſociationsrecht iſt anerkannt,

allen unſern politiſchen Märtyrern (alſo auch den ſieben Profeſſoren welche
dieſer Wohlthat freilich am wenigſten bedürfen) Amneſtie und Reha-
bilitation ertheilt. Alle andern von den Bürgern geforderten Punkte
(Schwurgericht, Vertretung am Bunde, Einſchränkung der Polizei-
gewalt und Rückgabe derſelben an die Städte u. ſ. w.) ſollen, wie feſt
verſprochen iſt, mit den Ständen berathen werden. Dieſe Volksbewe-
gung war die Antwort auf die Proclamation des vorhergegangenen Tags,
worin der König die vorausgegangenen Forderungen der Hannoveraner
nicht aus dem Herzen ſeiner guten Unterthanen, ſondern aus Ein-
flüſterungen Fremder entſprungen erklärte. Die Bürgerſchaft der Haupt-
ſtadt fand ſich dadurch aufgefordert zu erklären und den Beweis abzu-
legen daß nicht fremde Zuflüſterung, ſondern wahre innige Ueberzeugung
ſie zu dem Verlangen getrieben nicht abgeſondert von ihren deutſchen
Brüdern zu ſtehen. Die Demonſtration des Tags ging ohne alle Stö-
rung vorüber, und die großartigen militäriſchen Rüſtungen — ſogar
Kanonen waren aufgefahren — hätte man ſich erſparen können. Mit
Dunkelwerden wurde es aber ſehr laut und lärmend. Das Haus des
Hrn. v. Falcke wurde mit Cavallerie beſetzt, was nicht hinderte daß
ihm alle Fenſter zertrümmert wurden; dann ging es Haus für Haus
zu allen Hof- und andern Beamten die ſich der Gunſt der öffentlichen
Meinung nicht erfreuen. Heute früh ſind zahlreiche Studirende aus
Göttingen hier eingetroffen. Es iſt ihnen keine Genugthuung ge-
währt, und ſo hat die Univerſität ſich geſtern Mittag einſtweilen auf-
gelöst.

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[1300/0004] größten Ordnung. Es mochten 6 bis 8000 Menſchen auf dem Markt von Offenburg verſammelt ſeyn, größtentheils Landleute aus dem Oberlande, aber zahlreich vermiſcht mit Städtebewohnern aller Stände aus Freiburg, Karlsruhe, Heidelberg, Mannheim und allen übrigen größern Ortſchaften die an der Eiſenbahn liegen. Hundert ſchwarz- rothgoldene Fahnen wehten über den Köpfen der dichtgedrängten Menge, aber keine Waffe war ſichtbar, außer ein paar Senſen die da nur als ein Symbol Wacht zu halten ſchienen über die Freiheit der öffentlichen Rede. Der Balkon des Rathhauſes diente als Redner- bühne. Itzſtein eröffnete die Verſammlung; nach ihm ſprachen mehrere andere Abgeordnete der badiſchen Kammer, Hecker, Gottſchalk, Soiron, Kapp, ferner Struve, Bürgermeiſter Winter, Advocat Würth aus Con- ſtanz und einige andere. Alle dieſe Männer, ohne Ausnahme, aner- kannten die conſtitutionelle Monarchie als die Verfaſſungsform unter welcher Deutſchland zu der Einheit gelangen müſſe und werde, welche die größte, die wichtigſte, die weſentliche Aufgabe der gegenwärtigen Bewegung ſey. Wenn der eine oder der andere der Redner in Be- zug auf ſeine perſönliche Anſicht von der beſten Staatsform einen Vorbehalt machte, ſo geſchah es doch immer mit der ausdrücklichen Hinweiſung darauf daß die individuelle Meinung ſich den Nothwen- digkeiten der Zeit und dem Geſammtwillen der Nation unterzuordnen habe, und daß dieſer Geſammtwille nur in der demnächſt zuſammen- tretenden Nationalverſammlung ſeinen rechtmäßigen Ausdruck finden könne. Mit dieſer Auffaſſung zeigte ſich die Verſammlung einſtim- mig einverſtanden. Die ganze Haltung der Menge war überhaupt muſterhaft. Sie bewies durchweg ein ſehr klares Verſtändniß der angeregten Fragen, und eine viel größere Selbſtändigkeit der Anſicht und des Willens als ich ſie jemals bei dem großen Haufen in irgendeinem Landestheil Deutſchlands geſucht hätte. In einigen Punkten von un- tergeordneter Bedeutung konnten die beliebteſten Volksmänner, wie Itzſtein und Hecker, die Verſammlung nur mit Mühe dahin bringen, daß ſie auf eine Forderung verzichten die ſich aus ihrer eigenen Mitte erhoben hatte. Daß die Verſammlung der Sprache der heftigeren Redner den meiſten Beifall zollte, und die am weiteſten gehenden Forderungen derſelben am lebhafteſten unterſtützte, das liegt zu ſehr in der unwandelbaren Natur der Dinge als daß man den minde- ſten Anſtoß daran nehmen dürfte. Aus dem leidenſchaftlichen Cha- rakter den die verſammelte Menge immer haben wird geht nur der Folgeſatz hervor, daß die Volksführer mit großer Umſicht und Mä- ßigung den rechten Ton wählen müſſen, daß die Männer des öffent- lichen Vertrauens bei ſolchen Gelegenheiten vielmehr zu zügeln als zu ſporen haben. Dieſer Regel beſtrebten ſich, wie geſagt, die geſtrigen Redner im allgemeinen nachzukommen. Einzelne Verſtöße gegen die- ſelbe ſetzen wir auf Rechnung der Neuheit der Sache, und des Man- gels an einer Erfahrung, die ſich bald nachholen läßt. Dahin gehört daß in den von dem Vorſtande der Verſammlung geſtellten Anträgen die als Bitten an die badiſche Kammer gehen ſollen, immer im Na- men des Volks geſprochen wird, während doch offenbar nur im Na- men der Offenburger Verſammlung hätte geredet werden ſollen. „Das Volk“ — ein großes Wort das man nicht mißbrauchen ſoll. Miß- brauch iſt aber jede Uſurpirung desſelben. Ferner war es ein Miß- griff, eine Tactloſigkeit, daß man das Verlangen ſtellte „die reactio- näre und geſinnungsloſe Partei der Kammer“ ſolle ſich zurückziehen. Wie kann man irgendeinem Abgeordneten zumuthen daß er in Folge eines ſolchen Anſinnens ſich ſelber als reactionär und gar geſinnungs- los anklage. Die einzige zuläſſige Form eines Mißtrauensvotums ge- gen Abgeordnete iſt die von den Wählern individuell an ihren Ver- treter gerichtete Aufforderung ſich einer neuen Wahl zu unterwerfen. — Ich ſpreche nicht von dem Inhalte der übrigen Anträge, die Sie vermuthlich bereits auf näherem Wege kennen gelernt haben. Die darin geſtellten Forderungen ſind zum Theil ſehr ſtark und tiefgreifend, und wir möchten die badiſchen Volksführer warnen dieſe Forderungen nicht etwa auf die für nächſten Sonntag nach Heidelberg berufene Volksverſammlung noch zu vermehren oder zu ſteigern. Gut Ding will Weile haben, und Rom wurde nicht an einem Tage gebaut. H. Braunſchweig. ஃ Braunſchweig, 17 März.Wir ha- ben hier nun proviſoriſch die Preßfreiheit erhalten, auch iſt die Stände- rerſammlung auf den 23 k. M. berufen, und es ſollen derſelben Vor- lagen über alle die Punkte gemacht werden die in den dem Herzog übergebenen Petitionen als Volkswünſche bezeichnet ſind. Die Anſichten darüber ſind getheilt. Viele ſind damit vorerſt zufrieden, und erwarten das weitere von den Verhandlungen zwiſchen der Regierung und den Ständen; die entſchiedenere und daher auch weniger geduldige Partei dagegen verlangt ſchnelleres, entſchiedeneres Eingehen auf ihre Wünſche, und ſieht namentlich die Hinausſetzung der Ständeverſammlung bis zum 25 k. M. mit Mißtrauen an. Dieſe Geſinnung und Anſicht iſt in einem in einer Beilage zum hieſigen deutſchen Volksfreunde ent- haltenen Aufſatze des Dr. jur. Aronheim offen ausgeſprochen, welcher, geſtern Abend in einer ſehr zahlreich beſuchten Volksverſammlung vor- getragen, den Beifall der überwiegenden Mehrheit fand; es wurde in- deß dennoch kein Beſchluß vorgeſchlagen oder gefaßt. Am dringendſten und übereinſtimmendſten ſprach ſich der Wunſch nach einer allgemeinen Volksbewaſſnung aus; die Bewaſſnung der Bürgergarde hält man für ungenügend, nimmt ſie als eine Abſchlagszahlung auf und zeigt daher ſehr wenig Eifer für dieſelbe. Am tiefſten durchdrungen war man von der Nothwendigkeit einer kräftigen Einheit Deutſchlands und der damit zuſammenhängenden eines deutſchen Nationalparlaments; es ward be- ſchloſſen, in der Perſon des Landtagsabgeordneten, Advocaten Hollandt, einen Abgeordneten zu der wegen jenes Gegenſtandes in Frankfurt a. M. zuſammentretenden Verſammlung zu ſchicken. Während der Ver- ſammlung erhob ſich ein Tumult, indem ſich ein in dem Verdachte eines Mouchard ſtehender Mann eingefunden hatte — wie es heißt in einer Verkleidung und mit einem Dolche bewaffnet — welcher un- ſanft hinausgeworfen wurde. Später, nachdem die Verſammlung aus- einandergegangen war, fand eine Zuſammenrottung vor dem Hauſe des ſehr unbeliebten Magiſtratsmitglieds Stadtraths Mack ſtatt, welchem die Fenſter eingeworfen wurden. Hierauf drang ein wüthender Haufen in das Haus, zertrümmerte und zerſtörte was ihm in die Hände fiel, zer- ſchnitt die Betten und ſtreute den Inhalt auf die Straße. Leider iſt die Bürgergarde noch nicht gehörig im Gange, ſie erſchien daher zu ſpät um den Unfug zu verhindern, doch gelang es ihr Ruhe zu ſtiften, indeß wogte eine große Menge in der Nähe des Hauſes auf und ab, und verlief ſich erſt gegen Mitternacht. Der Stadtrath Mack und ſeine Fa- milie hatten ſich in den Keller geflüchtet, wo ſie die ganze Nacht zu- brachten heute in der Frühe aber die Stadt verließen. Es iſt nicht zu läugnen daß der Geſchäftskreis des Mannes ihn in unangenehme Berührungen mit dem Publicum bringt, die er durch ſtarre Grundſätze und nicht humanes Benehmen noch unangenehmer macht. K. Hannover. *** Hannover, 18 März.Am Tage unſerer erſten Nachrichten vom Sturze Metternichs iſt auch das Syſtem ſeines eifrigſten Nachahmers gefallen. In den Gewährungen welche geſtern König Ernſt Auguſt auf das Andringen der Bürger, die zu Tauſenden vor dem Palaſt ſtanden, ertheilt hat, liegt die vollſtändigſte Desavoui- rung der Politik des Hrn. v. Falcke. Die Oeffentlichkeit der Stände welche Hr. v. Falcke im April v. J. als ewig unmöglich und für uns unerreichbar erklärte, iſt geſtern bewilligt; die Cenſur be- ſteht heute nicht mehr; das Aſſociationsrecht iſt anerkannt, allen unſern politiſchen Märtyrern (alſo auch den ſieben Profeſſoren welche dieſer Wohlthat freilich am wenigſten bedürfen) Amneſtie und Reha- bilitation ertheilt. Alle andern von den Bürgern geforderten Punkte (Schwurgericht, Vertretung am Bunde, Einſchränkung der Polizei- gewalt und Rückgabe derſelben an die Städte u. ſ. w.) ſollen, wie feſt verſprochen iſt, mit den Ständen berathen werden. Dieſe Volksbewe- gung war die Antwort auf die Proclamation des vorhergegangenen Tags, worin der König die vorausgegangenen Forderungen der Hannoveraner nicht aus dem Herzen ſeiner guten Unterthanen, ſondern aus Ein- flüſterungen Fremder entſprungen erklärte. Die Bürgerſchaft der Haupt- ſtadt fand ſich dadurch aufgefordert zu erklären und den Beweis abzu- legen daß nicht fremde Zuflüſterung, ſondern wahre innige Ueberzeugung ſie zu dem Verlangen getrieben nicht abgeſondert von ihren deutſchen Brüdern zu ſtehen. Die Demonſtration des Tags ging ohne alle Stö- rung vorüber, und die großartigen militäriſchen Rüſtungen — ſogar Kanonen waren aufgefahren — hätte man ſich erſparen können. Mit Dunkelwerden wurde es aber ſehr laut und lärmend. Das Haus des Hrn. v. Falcke wurde mit Cavallerie beſetzt, was nicht hinderte daß ihm alle Fenſter zertrümmert wurden; dann ging es Haus für Haus zu allen Hof- und andern Beamten die ſich der Gunſt der öffentlichen Meinung nicht erfreuen. Heute früh ſind zahlreiche Studirende aus Göttingen hier eingetroffen. Es iſt ihnen keine Genugthuung ge- währt, und ſo hat die Univerſität ſich geſtern Mittag einſtweilen auf- gelöst.

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848, S. 1300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine82_1848/4>, abgerufen am 03.12.2024.