Allgemeine Zeitung, Nr. 82, 22. März 1848.[Spaltenumbruch]
größten Ordnung. Es mochten 6 bis 8000 Menschen auf dem Markt H. Braunschweig. H Braunschweig, 17 März. Wir ha- K. Hannover. *** Hannover, 18 März. Am Tage unserer [Spaltenumbruch]
größten Ordnung. Es mochten 6 bis 8000 Menſchen auf dem Markt H. Braunſchweig. ஃ Braunſchweig, 17 März. Wir ha- K. Hannover. *** Hannover, 18 März. Am Tage unſerer <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jComment" n="4"> <p><pb facs="#f0004" n="1300"/><cb/> größten Ordnung. Es mochten 6 bis 8000 Menſchen auf dem Markt<lb/> von Offenburg verſammelt ſeyn, größtentheils Landleute aus dem<lb/> Oberlande, aber zahlreich vermiſcht mit Städtebewohnern aller Stände<lb/> aus Freiburg, Karlsruhe, Heidelberg, Mannheim und allen übrigen<lb/> größern Ortſchaften die an der Eiſenbahn liegen. Hundert ſchwarz-<lb/> rothgoldene Fahnen wehten über den Köpfen der dichtgedrängten<lb/> Menge, aber keine Waffe war ſichtbar, außer ein paar Senſen die<lb/> da nur als ein Symbol Wacht zu halten ſchienen über die Freiheit<lb/> der öffentlichen Rede. Der Balkon des Rathhauſes diente als Redner-<lb/> bühne. Itzſtein eröffnete die Verſammlung; nach ihm ſprachen mehrere<lb/> andere Abgeordnete der badiſchen Kammer, Hecker, Gottſchalk, Soiron,<lb/> Kapp, ferner Struve, Bürgermeiſter Winter, Advocat Würth aus Con-<lb/> ſtanz und einige andere. Alle dieſe Männer, ohne Ausnahme, aner-<lb/> kannten die conſtitutionelle Monarchie als die Verfaſſungsform unter<lb/> welcher Deutſchland zu der Einheit gelangen müſſe und werde, welche<lb/> die größte, die wichtigſte, die weſentliche Aufgabe der gegenwärtigen<lb/> Bewegung ſey. Wenn der eine oder der andere der Redner in Be-<lb/> zug auf ſeine perſönliche Anſicht von der beſten Staatsform einen<lb/> Vorbehalt machte, ſo geſchah es doch immer mit der ausdrücklichen<lb/> Hinweiſung darauf daß die individuelle Meinung ſich den Nothwen-<lb/> digkeiten der Zeit und dem Geſammtwillen der Nation unterzuordnen<lb/> habe, und daß dieſer Geſammtwille nur in der demnächſt zuſammen-<lb/> tretenden Nationalverſammlung ſeinen rechtmäßigen Ausdruck finden<lb/> könne. Mit dieſer Auffaſſung zeigte ſich die Verſammlung einſtim-<lb/> mig einverſtanden. Die ganze Haltung der Menge war überhaupt<lb/> muſterhaft. Sie bewies durchweg ein ſehr klares Verſtändniß der<lb/> angeregten Fragen, und eine viel größere Selbſtändigkeit der Anſicht<lb/> und des Willens als ich ſie jemals bei dem großen Haufen in irgendeinem<lb/> Landestheil Deutſchlands geſucht hätte. In einigen Punkten von un-<lb/> tergeordneter Bedeutung konnten die beliebteſten Volksmänner, wie<lb/> Itzſtein und Hecker, die Verſammlung nur mit Mühe dahin bringen,<lb/> daß ſie auf eine Forderung verzichten die ſich aus ihrer eigenen Mitte<lb/> erhoben hatte. Daß die Verſammlung der Sprache der heftigeren<lb/> Redner den meiſten Beifall zollte, und die am weiteſten gehenden<lb/> Forderungen derſelben am lebhafteſten unterſtützte, das liegt zu ſehr<lb/> in der unwandelbaren Natur der Dinge als daß man den minde-<lb/> ſten Anſtoß daran nehmen dürfte. Aus dem leidenſchaftlichen Cha-<lb/> rakter den die verſammelte Menge immer haben wird geht nur der<lb/> Folgeſatz hervor, daß die Volksführer mit großer Umſicht und Mä-<lb/> ßigung den rechten Ton wählen müſſen, daß die Männer des öffent-<lb/> lichen Vertrauens bei ſolchen Gelegenheiten vielmehr zu zügeln als zu<lb/> ſporen haben. Dieſer Regel beſtrebten ſich, wie geſagt, die geſtrigen<lb/> Redner im allgemeinen nachzukommen. Einzelne Verſtöße gegen die-<lb/> ſelbe ſetzen wir auf Rechnung der Neuheit der Sache, und des Man-<lb/> gels an einer Erfahrung, die ſich bald nachholen läßt. Dahin gehört<lb/> daß in den von dem Vorſtande der Verſammlung geſtellten Anträgen<lb/> die als Bitten an die badiſche Kammer gehen ſollen, immer <hi rendition="#g">im Na-<lb/> men des Volks</hi> geſprochen wird, während doch offenbar nur im Na-<lb/> men der Offenburger Verſammlung hätte geredet werden ſollen. „Das<lb/> Volk“ — ein großes Wort das man nicht mißbrauchen ſoll. Miß-<lb/> brauch iſt aber jede Uſurpirung desſelben. Ferner war es ein Miß-<lb/> griff, eine Tactloſigkeit, daß man das Verlangen ſtellte „die reactio-<lb/> näre und geſinnungsloſe Partei der Kammer“ ſolle ſich zurückziehen.<lb/> Wie kann man irgendeinem Abgeordneten zumuthen daß er in Folge<lb/> eines ſolchen Anſinnens ſich ſelber als reactionär und gar geſinnungs-<lb/> los anklage. Die einzige zuläſſige Form eines Mißtrauensvotums ge-<lb/> gen Abgeordnete iſt die von den Wählern individuell an ihren Ver-<lb/> treter gerichtete Aufforderung ſich einer neuen Wahl zu unterwerfen.<lb/> — Ich ſpreche nicht von dem Inhalte der übrigen Anträge, die Sie<lb/> vermuthlich bereits auf näherem Wege kennen gelernt haben. Die<lb/> darin geſtellten Forderungen ſind zum Theil ſehr ſtark und tiefgreifend,<lb/> und wir möchten die badiſchen Volksführer warnen dieſe Forderungen<lb/> nicht etwa auf die für nächſten Sonntag nach Heidelberg berufene<lb/> Volksverſammlung noch zu vermehren oder zu ſteigern. Gut Ding will<lb/> Weile haben, und Rom wurde nicht an einem Tage gebaut.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>H. <hi rendition="#g">Braunſchweig.</hi></head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>ஃ <hi rendition="#b">Braunſchweig,</hi> 17 März.</dateline> <p>Wir ha-<lb/> ben hier nun proviſoriſch die Preßfreiheit erhalten, auch iſt die Stände-<lb/> rerſammlung auf den 23 k. M. berufen, und es ſollen derſelben Vor-<lb/> lagen über alle die Punkte gemacht werden die in den dem Herzog<lb/> übergebenen Petitionen als Volkswünſche bezeichnet ſind. Die Anſichten<lb/> darüber ſind getheilt. Viele ſind damit vorerſt zufrieden, und erwarten<lb/><cb/> das weitere von den Verhandlungen zwiſchen der Regierung und den<lb/> Ständen; die entſchiedenere und daher auch weniger geduldige Partei<lb/> dagegen verlangt ſchnelleres, entſchiedeneres Eingehen auf ihre Wünſche,<lb/> und ſieht namentlich die Hinausſetzung der Ständeverſammlung bis<lb/> zum 25 k. M. mit Mißtrauen an. Dieſe Geſinnung und Anſicht iſt<lb/> in einem in einer Beilage zum hieſigen deutſchen Volksfreunde ent-<lb/> haltenen Aufſatze des <hi rendition="#aq">Dr. jur.</hi> Aronheim offen ausgeſprochen, welcher,<lb/> geſtern Abend in einer ſehr zahlreich beſuchten Volksverſammlung vor-<lb/> getragen, den Beifall der überwiegenden Mehrheit fand; es wurde in-<lb/> deß dennoch kein Beſchluß vorgeſchlagen oder gefaßt. Am dringendſten<lb/> und übereinſtimmendſten ſprach ſich der Wunſch nach einer allgemeinen<lb/> Volksbewaſſnung aus; die Bewaſſnung der Bürgergarde hält man für<lb/> ungenügend, nimmt ſie als eine Abſchlagszahlung auf und zeigt daher<lb/> ſehr wenig Eifer für dieſelbe. Am tiefſten durchdrungen war man von<lb/> der Nothwendigkeit einer kräftigen Einheit Deutſchlands und der damit<lb/> zuſammenhängenden eines deutſchen Nationalparlaments; es ward be-<lb/> ſchloſſen, in der Perſon des Landtagsabgeordneten, Advocaten Hollandt,<lb/> einen Abgeordneten zu der wegen jenes Gegenſtandes in Frankfurt<lb/> a. M. zuſammentretenden Verſammlung zu ſchicken. Während der Ver-<lb/> ſammlung erhob ſich ein Tumult, indem ſich ein in dem Verdachte<lb/> eines Mouchard ſtehender Mann eingefunden hatte — wie es heißt in<lb/> einer Verkleidung und mit einem Dolche bewaffnet — welcher un-<lb/> ſanft hinausgeworfen wurde. Später, nachdem die Verſammlung aus-<lb/> einandergegangen war, fand eine Zuſammenrottung vor dem Hauſe des<lb/> ſehr unbeliebten Magiſtratsmitglieds Stadtraths Mack ſtatt, welchem die<lb/> Fenſter eingeworfen wurden. Hierauf drang ein wüthender Haufen in<lb/> das Haus, zertrümmerte und zerſtörte was ihm in die Hände fiel, zer-<lb/> ſchnitt die Betten und ſtreute den Inhalt auf die Straße. Leider iſt<lb/> die Bürgergarde noch nicht gehörig im Gange, ſie erſchien daher zu<lb/> ſpät um den Unfug zu verhindern, doch gelang es ihr Ruhe zu ſtiften,<lb/> indeß wogte eine große Menge in der Nähe des Hauſes auf und ab,<lb/> und verlief ſich erſt gegen Mitternacht. Der Stadtrath Mack und ſeine Fa-<lb/> milie hatten ſich in den Keller geflüchtet, wo ſie die ganze Nacht zu-<lb/> brachten heute in der Frühe aber die Stadt verließen. Es iſt nicht<lb/> zu läugnen daß der Geſchäftskreis des Mannes ihn in unangenehme<lb/> Berührungen mit dem Publicum bringt, die er durch ſtarre Grundſätze<lb/> und nicht humanes Benehmen noch unangenehmer macht.</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head>K. <hi rendition="#g">Hannover.</hi></head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>*** <hi rendition="#b">Hannover</hi>, 18 März.</dateline> <p>Am Tage unſerer<lb/> erſten Nachrichten vom Sturze Metternichs iſt auch das Syſtem ſeines<lb/> eifrigſten Nachahmers gefallen. In den Gewährungen welche geſtern<lb/> König Ernſt Auguſt auf das Andringen der Bürger, die zu Tauſenden<lb/> vor dem Palaſt ſtanden, ertheilt hat, liegt die vollſtändigſte Desavoui-<lb/> rung der Politik des Hrn. v. Falcke. Die <hi rendition="#g">Oeffentlichkeit der<lb/> Stände</hi> welche Hr. v. Falcke im April v. J. als <hi rendition="#g">ewig</hi> unmöglich und<lb/> für uns unerreichbar erklärte, iſt geſtern bewilligt; <hi rendition="#g">die Cenſur be-<lb/> ſteht heute nicht mehr; das Aſſociationsrecht iſt anerkannt,</hi><lb/> allen unſern politiſchen Märtyrern (alſo auch den ſieben Profeſſoren welche<lb/> dieſer Wohlthat freilich am wenigſten bedürfen) <hi rendition="#g">Amneſtie</hi> und Reha-<lb/> bilitation ertheilt. Alle andern von den Bürgern geforderten Punkte<lb/> (Schwurgericht, Vertretung am Bunde, Einſchränkung der Polizei-<lb/> gewalt und Rückgabe derſelben an die Städte u. ſ. w.) ſollen, wie feſt<lb/> verſprochen iſt, mit den Ständen berathen werden. Dieſe Volksbewe-<lb/> gung war die Antwort auf die Proclamation des vorhergegangenen Tags,<lb/> worin der König die vorausgegangenen Forderungen der Hannoveraner<lb/> nicht aus dem Herzen ſeiner guten Unterthanen, ſondern aus Ein-<lb/> flüſterungen Fremder entſprungen erklärte. Die Bürgerſchaft der Haupt-<lb/> ſtadt fand ſich dadurch aufgefordert zu erklären und den Beweis abzu-<lb/> legen daß nicht fremde Zuflüſterung, ſondern wahre innige Ueberzeugung<lb/> ſie zu dem Verlangen getrieben nicht abgeſondert von ihren deutſchen<lb/> Brüdern zu ſtehen. Die Demonſtration des Tags ging ohne alle Stö-<lb/> rung vorüber, und die großartigen militäriſchen Rüſtungen — ſogar<lb/> Kanonen waren aufgefahren — hätte man ſich erſparen können. Mit<lb/> Dunkelwerden wurde es aber ſehr laut und lärmend. Das Haus des<lb/> Hrn. v. Falcke wurde mit Cavallerie beſetzt, was nicht hinderte daß<lb/> ihm alle Fenſter zertrümmert wurden; dann ging es Haus für Haus<lb/> zu allen Hof- und andern Beamten die ſich der Gunſt der öffentlichen<lb/> Meinung nicht erfreuen. Heute früh ſind zahlreiche Studirende aus<lb/> Göttingen hier eingetroffen. Es iſt ihnen <hi rendition="#g">keine</hi> Genugthuung ge-<lb/> währt, und ſo hat die Univerſität ſich geſtern Mittag einſtweilen auf-<lb/> gelöst.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1300/0004]
größten Ordnung. Es mochten 6 bis 8000 Menſchen auf dem Markt
von Offenburg verſammelt ſeyn, größtentheils Landleute aus dem
Oberlande, aber zahlreich vermiſcht mit Städtebewohnern aller Stände
aus Freiburg, Karlsruhe, Heidelberg, Mannheim und allen übrigen
größern Ortſchaften die an der Eiſenbahn liegen. Hundert ſchwarz-
rothgoldene Fahnen wehten über den Köpfen der dichtgedrängten
Menge, aber keine Waffe war ſichtbar, außer ein paar Senſen die
da nur als ein Symbol Wacht zu halten ſchienen über die Freiheit
der öffentlichen Rede. Der Balkon des Rathhauſes diente als Redner-
bühne. Itzſtein eröffnete die Verſammlung; nach ihm ſprachen mehrere
andere Abgeordnete der badiſchen Kammer, Hecker, Gottſchalk, Soiron,
Kapp, ferner Struve, Bürgermeiſter Winter, Advocat Würth aus Con-
ſtanz und einige andere. Alle dieſe Männer, ohne Ausnahme, aner-
kannten die conſtitutionelle Monarchie als die Verfaſſungsform unter
welcher Deutſchland zu der Einheit gelangen müſſe und werde, welche
die größte, die wichtigſte, die weſentliche Aufgabe der gegenwärtigen
Bewegung ſey. Wenn der eine oder der andere der Redner in Be-
zug auf ſeine perſönliche Anſicht von der beſten Staatsform einen
Vorbehalt machte, ſo geſchah es doch immer mit der ausdrücklichen
Hinweiſung darauf daß die individuelle Meinung ſich den Nothwen-
digkeiten der Zeit und dem Geſammtwillen der Nation unterzuordnen
habe, und daß dieſer Geſammtwille nur in der demnächſt zuſammen-
tretenden Nationalverſammlung ſeinen rechtmäßigen Ausdruck finden
könne. Mit dieſer Auffaſſung zeigte ſich die Verſammlung einſtim-
mig einverſtanden. Die ganze Haltung der Menge war überhaupt
muſterhaft. Sie bewies durchweg ein ſehr klares Verſtändniß der
angeregten Fragen, und eine viel größere Selbſtändigkeit der Anſicht
und des Willens als ich ſie jemals bei dem großen Haufen in irgendeinem
Landestheil Deutſchlands geſucht hätte. In einigen Punkten von un-
tergeordneter Bedeutung konnten die beliebteſten Volksmänner, wie
Itzſtein und Hecker, die Verſammlung nur mit Mühe dahin bringen,
daß ſie auf eine Forderung verzichten die ſich aus ihrer eigenen Mitte
erhoben hatte. Daß die Verſammlung der Sprache der heftigeren
Redner den meiſten Beifall zollte, und die am weiteſten gehenden
Forderungen derſelben am lebhafteſten unterſtützte, das liegt zu ſehr
in der unwandelbaren Natur der Dinge als daß man den minde-
ſten Anſtoß daran nehmen dürfte. Aus dem leidenſchaftlichen Cha-
rakter den die verſammelte Menge immer haben wird geht nur der
Folgeſatz hervor, daß die Volksführer mit großer Umſicht und Mä-
ßigung den rechten Ton wählen müſſen, daß die Männer des öffent-
lichen Vertrauens bei ſolchen Gelegenheiten vielmehr zu zügeln als zu
ſporen haben. Dieſer Regel beſtrebten ſich, wie geſagt, die geſtrigen
Redner im allgemeinen nachzukommen. Einzelne Verſtöße gegen die-
ſelbe ſetzen wir auf Rechnung der Neuheit der Sache, und des Man-
gels an einer Erfahrung, die ſich bald nachholen läßt. Dahin gehört
daß in den von dem Vorſtande der Verſammlung geſtellten Anträgen
die als Bitten an die badiſche Kammer gehen ſollen, immer im Na-
men des Volks geſprochen wird, während doch offenbar nur im Na-
men der Offenburger Verſammlung hätte geredet werden ſollen. „Das
Volk“ — ein großes Wort das man nicht mißbrauchen ſoll. Miß-
brauch iſt aber jede Uſurpirung desſelben. Ferner war es ein Miß-
griff, eine Tactloſigkeit, daß man das Verlangen ſtellte „die reactio-
näre und geſinnungsloſe Partei der Kammer“ ſolle ſich zurückziehen.
Wie kann man irgendeinem Abgeordneten zumuthen daß er in Folge
eines ſolchen Anſinnens ſich ſelber als reactionär und gar geſinnungs-
los anklage. Die einzige zuläſſige Form eines Mißtrauensvotums ge-
gen Abgeordnete iſt die von den Wählern individuell an ihren Ver-
treter gerichtete Aufforderung ſich einer neuen Wahl zu unterwerfen.
— Ich ſpreche nicht von dem Inhalte der übrigen Anträge, die Sie
vermuthlich bereits auf näherem Wege kennen gelernt haben. Die
darin geſtellten Forderungen ſind zum Theil ſehr ſtark und tiefgreifend,
und wir möchten die badiſchen Volksführer warnen dieſe Forderungen
nicht etwa auf die für nächſten Sonntag nach Heidelberg berufene
Volksverſammlung noch zu vermehren oder zu ſteigern. Gut Ding will
Weile haben, und Rom wurde nicht an einem Tage gebaut.
H. Braunſchweig.
ஃ Braunſchweig, 17 März.Wir ha-
ben hier nun proviſoriſch die Preßfreiheit erhalten, auch iſt die Stände-
rerſammlung auf den 23 k. M. berufen, und es ſollen derſelben Vor-
lagen über alle die Punkte gemacht werden die in den dem Herzog
übergebenen Petitionen als Volkswünſche bezeichnet ſind. Die Anſichten
darüber ſind getheilt. Viele ſind damit vorerſt zufrieden, und erwarten
das weitere von den Verhandlungen zwiſchen der Regierung und den
Ständen; die entſchiedenere und daher auch weniger geduldige Partei
dagegen verlangt ſchnelleres, entſchiedeneres Eingehen auf ihre Wünſche,
und ſieht namentlich die Hinausſetzung der Ständeverſammlung bis
zum 25 k. M. mit Mißtrauen an. Dieſe Geſinnung und Anſicht iſt
in einem in einer Beilage zum hieſigen deutſchen Volksfreunde ent-
haltenen Aufſatze des Dr. jur. Aronheim offen ausgeſprochen, welcher,
geſtern Abend in einer ſehr zahlreich beſuchten Volksverſammlung vor-
getragen, den Beifall der überwiegenden Mehrheit fand; es wurde in-
deß dennoch kein Beſchluß vorgeſchlagen oder gefaßt. Am dringendſten
und übereinſtimmendſten ſprach ſich der Wunſch nach einer allgemeinen
Volksbewaſſnung aus; die Bewaſſnung der Bürgergarde hält man für
ungenügend, nimmt ſie als eine Abſchlagszahlung auf und zeigt daher
ſehr wenig Eifer für dieſelbe. Am tiefſten durchdrungen war man von
der Nothwendigkeit einer kräftigen Einheit Deutſchlands und der damit
zuſammenhängenden eines deutſchen Nationalparlaments; es ward be-
ſchloſſen, in der Perſon des Landtagsabgeordneten, Advocaten Hollandt,
einen Abgeordneten zu der wegen jenes Gegenſtandes in Frankfurt
a. M. zuſammentretenden Verſammlung zu ſchicken. Während der Ver-
ſammlung erhob ſich ein Tumult, indem ſich ein in dem Verdachte
eines Mouchard ſtehender Mann eingefunden hatte — wie es heißt in
einer Verkleidung und mit einem Dolche bewaffnet — welcher un-
ſanft hinausgeworfen wurde. Später, nachdem die Verſammlung aus-
einandergegangen war, fand eine Zuſammenrottung vor dem Hauſe des
ſehr unbeliebten Magiſtratsmitglieds Stadtraths Mack ſtatt, welchem die
Fenſter eingeworfen wurden. Hierauf drang ein wüthender Haufen in
das Haus, zertrümmerte und zerſtörte was ihm in die Hände fiel, zer-
ſchnitt die Betten und ſtreute den Inhalt auf die Straße. Leider iſt
die Bürgergarde noch nicht gehörig im Gange, ſie erſchien daher zu
ſpät um den Unfug zu verhindern, doch gelang es ihr Ruhe zu ſtiften,
indeß wogte eine große Menge in der Nähe des Hauſes auf und ab,
und verlief ſich erſt gegen Mitternacht. Der Stadtrath Mack und ſeine Fa-
milie hatten ſich in den Keller geflüchtet, wo ſie die ganze Nacht zu-
brachten heute in der Frühe aber die Stadt verließen. Es iſt nicht
zu läugnen daß der Geſchäftskreis des Mannes ihn in unangenehme
Berührungen mit dem Publicum bringt, die er durch ſtarre Grundſätze
und nicht humanes Benehmen noch unangenehmer macht.
K. Hannover.
*** Hannover, 18 März.Am Tage unſerer
erſten Nachrichten vom Sturze Metternichs iſt auch das Syſtem ſeines
eifrigſten Nachahmers gefallen. In den Gewährungen welche geſtern
König Ernſt Auguſt auf das Andringen der Bürger, die zu Tauſenden
vor dem Palaſt ſtanden, ertheilt hat, liegt die vollſtändigſte Desavoui-
rung der Politik des Hrn. v. Falcke. Die Oeffentlichkeit der
Stände welche Hr. v. Falcke im April v. J. als ewig unmöglich und
für uns unerreichbar erklärte, iſt geſtern bewilligt; die Cenſur be-
ſteht heute nicht mehr; das Aſſociationsrecht iſt anerkannt,
allen unſern politiſchen Märtyrern (alſo auch den ſieben Profeſſoren welche
dieſer Wohlthat freilich am wenigſten bedürfen) Amneſtie und Reha-
bilitation ertheilt. Alle andern von den Bürgern geforderten Punkte
(Schwurgericht, Vertretung am Bunde, Einſchränkung der Polizei-
gewalt und Rückgabe derſelben an die Städte u. ſ. w.) ſollen, wie feſt
verſprochen iſt, mit den Ständen berathen werden. Dieſe Volksbewe-
gung war die Antwort auf die Proclamation des vorhergegangenen Tags,
worin der König die vorausgegangenen Forderungen der Hannoveraner
nicht aus dem Herzen ſeiner guten Unterthanen, ſondern aus Ein-
flüſterungen Fremder entſprungen erklärte. Die Bürgerſchaft der Haupt-
ſtadt fand ſich dadurch aufgefordert zu erklären und den Beweis abzu-
legen daß nicht fremde Zuflüſterung, ſondern wahre innige Ueberzeugung
ſie zu dem Verlangen getrieben nicht abgeſondert von ihren deutſchen
Brüdern zu ſtehen. Die Demonſtration des Tags ging ohne alle Stö-
rung vorüber, und die großartigen militäriſchen Rüſtungen — ſogar
Kanonen waren aufgefahren — hätte man ſich erſparen können. Mit
Dunkelwerden wurde es aber ſehr laut und lärmend. Das Haus des
Hrn. v. Falcke wurde mit Cavallerie beſetzt, was nicht hinderte daß
ihm alle Fenſter zertrümmert wurden; dann ging es Haus für Haus
zu allen Hof- und andern Beamten die ſich der Gunſt der öffentlichen
Meinung nicht erfreuen. Heute früh ſind zahlreiche Studirende aus
Göttingen hier eingetroffen. Es iſt ihnen keine Genugthuung ge-
währt, und ſo hat die Univerſität ſich geſtern Mittag einſtweilen auf-
gelöst.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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