Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 23. März 1848.[Spaltenumbruch]
13) Aufhebung jeder körperlichen Strafe. 14) Einschränkung der Grätz am 15 März 1848." Versammlung, ließ sich die ganze Petition vorlesen und gab nach je- dem einzelnen Punkte freisinnige Antworten ab, die von den tröstlich- sten Versicherungen begleitet waren. Aber er hatte der aufgeregten, von einem energischen Redner vertretenen Masse gegenüber einen har- ten Stand, da sie von ihm alsbaldige Suspension der Polizeigewalt verlangte. Nach langem Ausweichen willigte er endlich in das Begeh- ren, so wie er auch die augenblickliche Ausübung der Preßfreiheit ge- stattete. Die ganze Versammlung ging befriedigt auseinander, und ein Theil derselben brachte dem in seine Gemächer zurückgekehrten Landes- chef unmittelbar darauf ein begeistertes Lebehoch, das er aus dem Fen- ster mit Wehen eines Tuches beantwortete. Sr. kaiserl. Hoheit dem Erzherzog Johann wurde von der nämlichen Versammlung ebenfalls ein Hoch dargebracht. # Grätz, 15 März. Nachts 11 Uhr. Das Theater bot # Grätz, 16 März. 11 Uhr Vormittags. Der Jubel ist nicht # Grätz, 16 März. Nachts 10 Uhr. Die Berathung war Aus Paris. Paris, 16 März. Wenn man alle Phrasen zur Seite läßt, [Spaltenumbruch]
13) Aufhebung jeder körperlichen Strafe. 14) Einſchränkung der Grätz am 15 März 1848.“ Verſammlung, ließ ſich die ganze Petition vorleſen und gab nach je- dem einzelnen Punkte freiſinnige Antworten ab, die von den tröſtlich- ſten Verſicherungen begleitet waren. Aber er hatte der aufgeregten, von einem energiſchen Redner vertretenen Maſſe gegenüber einen har- ten Stand, da ſie von ihm alsbaldige Suspenſion der Polizeigewalt verlangte. Nach langem Ausweichen willigte er endlich in das Begeh- ren, ſo wie er auch die augenblickliche Ausübung der Preßfreiheit ge- ſtattete. Die ganze Verſammlung ging befriedigt auseinander, und ein Theil derſelben brachte dem in ſeine Gemächer zurückgekehrten Landes- chef unmittelbar darauf ein begeiſtertes Lebehoch, das er aus dem Fen- ſter mit Wehen eines Tuches beantwortete. Sr. kaiſerl. Hoheit dem Erzherzog Johann wurde von der nämlichen Verſammlung ebenfalls ein Hoch dargebracht. # Grätz, 15 März. Nachts 11 Uhr. Das Theater bot # Grätz, 16 März. 11 Uhr Vormittags. Der Jubel iſt nicht # Grätz, 16 März. Nachts 10 Uhr. Die Berathung war Aus Paris. ♀ Paris, 16 März. Wenn man alle Phraſen zur Seite läßt, <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><floatingText><body><div n="1"><p><pb facs="#f0012" n="1324"/><cb/> 13) Aufhebung jeder körperlichen Strafe. 14) Einſchränkung der<lb/> polizeilichen Gewalt und Verfügung daß allen k. k. Polizeidirectionen<lb/> und Commiſſariaten jede richterliche Gewalt abgenommen werde. 15)<lb/> Aufhebung der Verzehrungsſteuer. 16) Modificirung des Stempel-<lb/> geſetzes mit Rückſichtnahme des verarmten Bürger- und Bauernſtan-<lb/> des, namentlich in den Geſchäften des adeligen und ſtreitigen Richter-<lb/> amts und Bedachtnahme auf den Perſonalſtempel. 17) Dotirung der<lb/> Geiſtlichkeit durch den Staat und Verwendung der in Steyermark<lb/> gelegenen Kirchengüter zum ſteyeriſchen Communalvermögen. 18) Ge-<lb/> ſtaltung der ausſchließenden Vertretung des Gemeindeweſens durch<lb/> einen von allen Bürgern aus der Mitte der gewerb- und geſchäft-<lb/> treibenden Bürger gewählten und der Gemeinde verantwortlichen Aus-<lb/> ſchuß. 19) Recht der Bürgerſchaft ihre Beamten zu wählen und<lb/> zu entlaſſen. 20) Beſtellung der Bürgermeiſtersſtelle aus der Mitte<lb/> der Bürger mit Beigabe eines Vicebürgermeiſters, dem die Leitung<lb/> des Gerichtes obliegt. Beide von den Bürgern gewählt. 21) Auf-<lb/> hebung der Patrimonialgerichtsbarkeit und Uebertragung der gegen-<lb/> wärtig vom Magiſtrate ausgeübten Civil- und Criminaljuſtiz an’s<lb/> k. k. Landrecht. 22) Uebernahme der Erhaltung der Polizeimannſchaft<lb/> von Seite der hohen Staatsverwaltung. 23) Ausſchließendes Recht des<lb/> Bürgerausſchuſſes Gemeindeanlagen zu beſtimmen oder zu modificiren auf-<lb/> zuheben. 24) Beſtimmung daß auf Koſten der Gemeinde keine wie immer<lb/> geartete Baute oder Verſchönerung in dem Weichbilde der Stadt Grätz<lb/> ohne einhellige Zuſtimmung aller Glieder des Gemeindeausſchuſſes an-<lb/> geordnet werden dürfe. 25) Verweiſung der Jeſuiten und der den-<lb/> ſelben affiliirten Geſellſchaften aus dem ganzen öſterreichiſchen Kaiſer-<lb/> ſtaate. Dieſe unſere Wünſche legen wir vertrauensvoll mit der wie-<lb/> derholten Verſicherung unſerer Ergebenheit und Anhänglichkeit an das<lb/> Herz Euerer k. k. 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Die ganze Verſammlung ging befriedigt auseinander, und<lb/> ein Theil derſelben brachte dem in ſeine Gemächer zurückgekehrten Landes-<lb/> chef unmittelbar darauf ein begeiſtertes Lebehoch, das er aus dem Fen-<lb/> ſter mit Wehen eines Tuches beantwortete. Sr. kaiſerl. Hoheit dem<lb/> Erzherzog Johann wurde von der nämlichen Verſammlung ebenfalls<lb/> ein Hoch dargebracht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline># <hi rendition="#b">Grätz,</hi> 15 März. Nachts 11 Uhr.</dateline> <p>Das Theater bot<lb/> heute ein nie erlebtes Schauſpiel. Es wurde Bauernfelds „Großjährig“<lb/> gegeben. Die Schauſpieler erſchienen mit Bändern in Landesfarben,<lb/> weiß und grün, was einen Sturm von Beifall hervorrief. Das Er-<lb/> ſcheinen des Gouverneurs in der Hofloge ſteigerte denſelben, ſo daß<lb/> die Schauſpieler lange nicht weiter ſpielen konnten. Es wurde die<lb/> Abſingung der Volkshymne verlangt. 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Gute Nacht!</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline># <hi rendition="#b">Grätz,</hi> 16 März. 11 Uhr Vormittags.</dateline> <p>Der Jubel iſt nicht<lb/> nur herabgeſtimmt, er hat einer tiefen Beſtürzung Platz gemacht.<lb/> Man verbreitet nämlich die Nachricht: die geſtern vom Gouverneur<lb/> mitgetheilte telegraphiſche Nachricht, die keine officielle war, ſey vor-<lb/> eilig geweſen; man wolle in Wien die Conſtitution nicht gewähren,<lb/> das ganze Volk ſtehe drohend der Regierung gegenüber und warte<lb/> nur die feſtgeſetzte Zeit ab, um ſtürmend loszubrechen. Man er-<lb/> zählt ſich auch daß bereits eine Schaar von Landleuten unſerer Stadt<lb/><cb/> ſich nähere, um mit uns zu wirken. Nachmittag wird im Redouten-<lb/> ſaale wieder eine Berathung der Bürger und Studenten ſtattfinden.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline># <hi rendition="#b">Grätz,</hi> 16 März. 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Der Gouverneur, eben am Hauptwachplatze an-<lb/> weſend, improviſirte die Verlautbarung von einem offenen Fiakerwa-<lb/> gen herab vor der rings verſammelten zahlloſen Menge. Später im<lb/> Theater Bauernfels „deutſcher Krieger,“ wiederholte Verkündigung des<lb/> Manifeſtes, Volkshymne, das deutſche Vaterland, wiederholte Illu-<lb/> mination.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">Aus Paris.</hi> </head><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline>♀ <hi rendition="#b">Paris,</hi> 16 März.</dateline> <p>Wenn man alle Phraſen zur Seite läßt,<lb/> was iſt die heutige Lage Frankreichs? Wir gewahren ein Land das<lb/> ganz und gar nicht auf eine Revolution vorbereitet war, obwohl die<lb/> Revolution in ſeinen Adern kochte. Dieſe Revolution lag einzig in<lb/> der Lage der Handwerkerclaſſe, in ihrer Organiſation, in den ſich in<lb/> ihrem Schooße entwickelnden geheimen Verbindungen, in den Theorien<lb/> jener Männer welche unter dem Namen der <hi rendition="#g">Denker</hi> ſeit der Julius-<lb/> revolution bemüht waren in den Geiſt der Handwerksclaſſen das Ei<lb/> ihrer ſocialen Theorien auszubrüten. Die Handwerksclaſſe hat drei<lb/> Punkte in Frankreich wo ſie beſonders vorherrſchend iſt: Paris, Lyon,<lb/> Rouen; wie ich ſie hier der Reihe nach aufzähle nimmt ihre Bedeutung<lb/> ab. In Rouen iſt die Stellung der Handwerker zu den Fabricanten<lb/> weniger geſpannt als in Lyon, in Lyon weniger als zu Paris. Dieſe<lb/> letztere Stadt iſt die wahre Hauptſtadt der Handwerkerclaſſe in Frank-<lb/> reich. Man ſchlägt ihre Zahl, inſofern ſie über Frankreich verbreitet<lb/> iſt, zu ſechs oder ſieben Millionen an, vielleicht iſt dieſe Ziffer über-<lb/> trieben. Dem ſey wie ihm wolle, ſo iſt es doch nur verhältnißmäßig<lb/> ein geringer Theil dieſer Claſſe welcher in einer politiſchen und ſocialen<lb/> Verſchwörung ſich wirklich verflochten befand; aber in der Geſchichte<lb/> geben die Kühnen, die unter Zucht ſtehenden und Organiſtrten ſtets<lb/> den Ausſchlag; die Maſſen folgen. Der Handwerkerſtand zu Paris iſt<lb/> von einem ungeheuern Selbſtbewußtſeyn beſeſſen; ſeine Leiter, der<lb/> Mehrzahl nach Männer die vor der Pairskammer als Angeklagte ge-<lb/> ſtanden hatten, von denen viele in Staatsgefängniſſen vor der Zeit<lb/> ergraut waren, ſind Männer von der entſchiedenſten, von der wildeſten<lb/> Energie, bereit zu den entſchloſſenſten Schlägen. Das wußte man im<lb/> voraus. Aber Frankreich iſt ein großes ackerbauendes Land, und die<lb/> ackerbauende Claſſe ſtand allen dieſen Einflüſſen fremd, die Bürgerclaſſe<lb/> war ihnen entſchieden abhold, der Schule ſtanden ſie fern; ja ein Theil<lb/> der ächt republicaniſch Geſinnten, z. B. die ganze radicale Partei die<lb/> im National ihr Organ hatte, war dem Treiben der Socialiſten durch-<lb/> aus abhold, deßhalb im vollkommenſten Mißcredit bei der Handwerker-<lb/> claſſe, gar nicht entſchieden urplötzlich mit der orleaniſtiſchen Gegen-<lb/> wart zu brechen, denn ſie hoffte darauf daß ihr die Oppoſition zufallen<lb/> würde, ſie hoffte auf einen ſtets tiefern Bruch der Oppoſition und des<lb/> Hauſes Orleans, ſie wartete den Punkt ab wo das Haus Orleans<lb/> gewaltſam gegen die Oppoſition einſchreiten würde wegen ihrer ſtür-<lb/> miſchen Bewegungen in Betreff der Abänderungen im Wahlgeſetz. Die<lb/> gewaltige Exploſion wie ſie erfolgt iſt war ihr unter dieſer Form ſo<lb/> raſch, ſo plötzlich, ſo entſcheidend, ſelbſt unerwartet. 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13) Aufhebung jeder körperlichen Strafe. 14) Einſchränkung der
polizeilichen Gewalt und Verfügung daß allen k. k. Polizeidirectionen
und Commiſſariaten jede richterliche Gewalt abgenommen werde. 15)
Aufhebung der Verzehrungsſteuer. 16) Modificirung des Stempel-
geſetzes mit Rückſichtnahme des verarmten Bürger- und Bauernſtan-
des, namentlich in den Geſchäften des adeligen und ſtreitigen Richter-
amts und Bedachtnahme auf den Perſonalſtempel. 17) Dotirung der
Geiſtlichkeit durch den Staat und Verwendung der in Steyermark
gelegenen Kirchengüter zum ſteyeriſchen Communalvermögen. 18) Ge-
ſtaltung der ausſchließenden Vertretung des Gemeindeweſens durch
einen von allen Bürgern aus der Mitte der gewerb- und geſchäft-
treibenden Bürger gewählten und der Gemeinde verantwortlichen Aus-
ſchuß. 19) Recht der Bürgerſchaft ihre Beamten zu wählen und
zu entlaſſen. 20) Beſtellung der Bürgermeiſtersſtelle aus der Mitte
der Bürger mit Beigabe eines Vicebürgermeiſters, dem die Leitung
des Gerichtes obliegt. Beide von den Bürgern gewählt. 21) Auf-
hebung der Patrimonialgerichtsbarkeit und Uebertragung der gegen-
wärtig vom Magiſtrate ausgeübten Civil- und Criminaljuſtiz an’s
k. k. Landrecht. 22) Uebernahme der Erhaltung der Polizeimannſchaft
von Seite der hohen Staatsverwaltung. 23) Ausſchließendes Recht des
Bürgerausſchuſſes Gemeindeanlagen zu beſtimmen oder zu modificiren auf-
zuheben. 24) Beſtimmung daß auf Koſten der Gemeinde keine wie immer
geartete Baute oder Verſchönerung in dem Weichbilde der Stadt Grätz
ohne einhellige Zuſtimmung aller Glieder des Gemeindeausſchuſſes an-
geordnet werden dürfe. 25) Verweiſung der Jeſuiten und der den-
ſelben affiliirten Geſellſchaften aus dem ganzen öſterreichiſchen Kaiſer-
ſtaate. Dieſe unſere Wünſche legen wir vertrauensvoll mit der wie-
derholten Verſicherung unſerer Ergebenheit und Anhänglichkeit an das
Herz Euerer k. k. Majeſtät, mit der ergebenſten Bitte denſelben noch
im Laufe dieſes Monats ſtattzugeben.
Grätz am 15 März 1848.“
Se. Excellenz der Gouverneur, Graf von Wikenburg, erſchien in der
Verſammlung, ließ ſich die ganze Petition vorleſen und gab nach je-
dem einzelnen Punkte freiſinnige Antworten ab, die von den tröſtlich-
ſten Verſicherungen begleitet waren. Aber er hatte der aufgeregten,
von einem energiſchen Redner vertretenen Maſſe gegenüber einen har-
ten Stand, da ſie von ihm alsbaldige Suspenſion der Polizeigewalt
verlangte. Nach langem Ausweichen willigte er endlich in das Begeh-
ren, ſo wie er auch die augenblickliche Ausübung der Preßfreiheit ge-
ſtattete. Die ganze Verſammlung ging befriedigt auseinander, und
ein Theil derſelben brachte dem in ſeine Gemächer zurückgekehrten Landes-
chef unmittelbar darauf ein begeiſtertes Lebehoch, das er aus dem Fen-
ſter mit Wehen eines Tuches beantwortete. Sr. kaiſerl. Hoheit dem
Erzherzog Johann wurde von der nämlichen Verſammlung ebenfalls
ein Hoch dargebracht.
# Grätz, 15 März. Nachts 11 Uhr.Das Theater bot
heute ein nie erlebtes Schauſpiel. Es wurde Bauernfelds „Großjährig“
gegeben. Die Schauſpieler erſchienen mit Bändern in Landesfarben,
weiß und grün, was einen Sturm von Beifall hervorrief. Das Er-
ſcheinen des Gouverneurs in der Hofloge ſteigerte denſelben, ſo daß
die Schauſpieler lange nicht weiter ſpielen konnten. Es wurde die
Abſingung der Volkshymne verlangt. Das ganze Publicum, nicht
wie ſonſt das Theaterperſonal, ſang dießmal unſer herrliches Lied.
Als der erſte Act zu Ende war, verkündete der Gouverneur von ſeinem
Sitze aus eine eben erhaltene telegraphiſche Nachricht folgenden In-
halts: „Conſtitution und Preßfreiheit wie in Deutſchland. In Wien
herrſcht gränzenloſer Jubel.“ Nun war auch bei uns des Jubels kein
Maß mehr. Die Volkshymne wurde noch einmal geſungen, hierauf:
„Was iſt des Deutſchen Vaterland.“ Dann ſtürmte die Menge unter
dem Rufe: Conſtitution! Beleuchtung! aus dem Theater und durch
alle Gaſſen der Stadt fort. In wenigen Minuten war die ganze Stadt
illuminirt. Eine Militärmuſikbande durchzieht die Stadt. Man bringt
dem Erzherzog Johann und dem Gouverneur endloſe Vivats. Es iſt
alles wie ein Traum! Gute Nacht!
# Grätz, 16 März. 11 Uhr Vormittags.Der Jubel iſt nicht
nur herabgeſtimmt, er hat einer tiefen Beſtürzung Platz gemacht.
Man verbreitet nämlich die Nachricht: die geſtern vom Gouverneur
mitgetheilte telegraphiſche Nachricht, die keine officielle war, ſey vor-
eilig geweſen; man wolle in Wien die Conſtitution nicht gewähren,
das ganze Volk ſtehe drohend der Regierung gegenüber und warte
nur die feſtgeſetzte Zeit ab, um ſtürmend loszubrechen. Man er-
zählt ſich auch daß bereits eine Schaar von Landleuten unſerer Stadt
ſich nähere, um mit uns zu wirken. Nachmittag wird im Redouten-
ſaale wieder eine Berathung der Bürger und Studenten ſtattfinden.
# Grätz, 16 März. Nachts 10 Uhr.Die Berathung war
ſtürmiſch; man verlangte augenblickliche Bewaffnung mit Flinten und
Kanonen, Ausfolgung der Munition, Uebernahme der Hauptpoſten ꝛc.
kurz eine gänzliche Sicherſtellung der Bewohner gegen das Militär das,
einem vorläufigen Beſchluſſe zufolge, die Vorſtädte beſetzen ſollte und
ſomit, wie man meinte, die Stadt umzingeln oder überrumpeln könnte.
Se. Excellenz der Gouverneur beruhigte die Gemüther ſoviel möglich
durch Mittheilung anderer telegraphiſchen Berichte, durch Aufführung
eines Grätzer Bürgers, der Wien Tags zuvor verlaſſen und die Stadt
ruhig gefunden, und durch die Erklärung daß er die Polizeigewalt
perſönlich ausüben werde, welche Mittheilung enthuſtaſtiſch aufgenom-
men wurde. Abends 5 Uhr kam das Manifeſt des Kaiſers das die
Conſtitution verhieß. Der Gouverneur, eben am Hauptwachplatze an-
weſend, improviſirte die Verlautbarung von einem offenen Fiakerwa-
gen herab vor der rings verſammelten zahlloſen Menge. Später im
Theater Bauernfels „deutſcher Krieger,“ wiederholte Verkündigung des
Manifeſtes, Volkshymne, das deutſche Vaterland, wiederholte Illu-
mination.
Aus Paris.
♀ Paris, 16 März.Wenn man alle Phraſen zur Seite läßt,
was iſt die heutige Lage Frankreichs? Wir gewahren ein Land das
ganz und gar nicht auf eine Revolution vorbereitet war, obwohl die
Revolution in ſeinen Adern kochte. Dieſe Revolution lag einzig in
der Lage der Handwerkerclaſſe, in ihrer Organiſation, in den ſich in
ihrem Schooße entwickelnden geheimen Verbindungen, in den Theorien
jener Männer welche unter dem Namen der Denker ſeit der Julius-
revolution bemüht waren in den Geiſt der Handwerksclaſſen das Ei
ihrer ſocialen Theorien auszubrüten. Die Handwerksclaſſe hat drei
Punkte in Frankreich wo ſie beſonders vorherrſchend iſt: Paris, Lyon,
Rouen; wie ich ſie hier der Reihe nach aufzähle nimmt ihre Bedeutung
ab. In Rouen iſt die Stellung der Handwerker zu den Fabricanten
weniger geſpannt als in Lyon, in Lyon weniger als zu Paris. Dieſe
letztere Stadt iſt die wahre Hauptſtadt der Handwerkerclaſſe in Frank-
reich. Man ſchlägt ihre Zahl, inſofern ſie über Frankreich verbreitet
iſt, zu ſechs oder ſieben Millionen an, vielleicht iſt dieſe Ziffer über-
trieben. Dem ſey wie ihm wolle, ſo iſt es doch nur verhältnißmäßig
ein geringer Theil dieſer Claſſe welcher in einer politiſchen und ſocialen
Verſchwörung ſich wirklich verflochten befand; aber in der Geſchichte
geben die Kühnen, die unter Zucht ſtehenden und Organiſtrten ſtets
den Ausſchlag; die Maſſen folgen. Der Handwerkerſtand zu Paris iſt
von einem ungeheuern Selbſtbewußtſeyn beſeſſen; ſeine Leiter, der
Mehrzahl nach Männer die vor der Pairskammer als Angeklagte ge-
ſtanden hatten, von denen viele in Staatsgefängniſſen vor der Zeit
ergraut waren, ſind Männer von der entſchiedenſten, von der wildeſten
Energie, bereit zu den entſchloſſenſten Schlägen. Das wußte man im
voraus. Aber Frankreich iſt ein großes ackerbauendes Land, und die
ackerbauende Claſſe ſtand allen dieſen Einflüſſen fremd, die Bürgerclaſſe
war ihnen entſchieden abhold, der Schule ſtanden ſie fern; ja ein Theil
der ächt republicaniſch Geſinnten, z. B. die ganze radicale Partei die
im National ihr Organ hatte, war dem Treiben der Socialiſten durch-
aus abhold, deßhalb im vollkommenſten Mißcredit bei der Handwerker-
claſſe, gar nicht entſchieden urplötzlich mit der orleaniſtiſchen Gegen-
wart zu brechen, denn ſie hoffte darauf daß ihr die Oppoſition zufallen
würde, ſie hoffte auf einen ſtets tiefern Bruch der Oppoſition und des
Hauſes Orleans, ſie wartete den Punkt ab wo das Haus Orleans
gewaltſam gegen die Oppoſition einſchreiten würde wegen ihrer ſtür-
miſchen Bewegungen in Betreff der Abänderungen im Wahlgeſetz. Die
gewaltige Exploſion wie ſie erfolgt iſt war ihr unter dieſer Form ſo
raſch, ſo plötzlich, ſo entſcheidend, ſelbſt unerwartet. Wenn die Revo-
lution alſo raſcher vor ſich ging als die radicale Partei erwartet hatte,
was ſoll man von der Beſtürzung, ja von der Ueberrumpelung der
Oppoſition ſagen, welche ſo blind war nicht einzuſehen daß ſie ſie ein-
gefädelt hatte, während ſie dieſelbe durchaus nicht erwartete, denn nie-
mals hat wohl ein Miniſterium während der Kriſe ſelber mit ſo viel
naiver Gutherzigkeit Platz genommen wie das Miniſterium Odilon-
Barrot, niemals iſt wohl ſo ſehr ein Miniſterium von ſeiner eignen
Naivetät getäuſcht worden, und noch jetzt, ſollte man meinen, ſchiebt es
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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