Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 23. März 1848.[Spaltenumbruch]
zu zweifeln ist. Sie wollen Ablösung im billigen für die Grundholden Gr. Baden. * Bruchsal, 19 März. Ich schreibe Ihnen, auf der [Spaltenumbruch]
zu zweifeln iſt. Sie wollen Ablöſung im billigen für die Grundholden Gr. Baden. * Bruchſal, 19 März. Ich ſchreibe Ihnen, auf der <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0002" n="1314"/><cb/> zu zweifeln iſt. Sie wollen Ablöſung im billigen für die Grundholden<lb/> vortheilhaften Maßſtabe, nicht Abſchaffung, und ſie hoffen hiefür den<lb/> Dank des Vaterlandes zu verdienen. Schon bei einer billigen Ablö-<lb/> ſung verlieren der Staat, die Kirche, die berechtigten Gemeinden und<lb/> Stiftungen ſoviel daß ſie alle Mühe haben werden die Sache zu ver-<lb/> ſchmerzen. Wenn aber billig und wohlfeil abgelöst, der Aermere ge-<lb/> ſchont, unrechtmäßige Steigerungen auf ihr rechtes Maß zurückgeführt<lb/> werden, ſo wird jeder kluge und rechtliche Bürger dieſe Ablöſung der<lb/> Abſchaffung vorziehen. Die Miniſter ſchlagen vor daß ſämmtliche<lb/> Grundlaſten mit Ausnahme der Zehnten und Gülten, ſog. Feudallaſten,<lb/> im zwölffachen Betrage in 25 Jahreszielen, verzinslich zu 4 Proc., ab-<lb/> gelöst werden ſollen, d. h. alſo, wer bisher einen Gulden jährlich in<lb/> Geld oder Naturalien zu zahlen hatte, wird frei wenn er zwölf Gulden<lb/> in 25jährigen Zielen zahlt. Bei Handlohn, Sterbfall und Falllehen<lb/> aber wird angenommen daß nur alle 25 Jahre ein Veränderungsfall eintrete<lb/> thut auf ein Jahr <formula notation="TeX">\frac{1}{25}</formula> Theil des Handlohns, mit 12 multiplicirt <formula notation="TeX">\frac{12}{25}</formula> Theile.<lb/> Wer alſo etwas weniger als die Hälfte des bisherigen Handlohns in 25 Jah-<lb/> reszielern oder in einem Jahresziel den 52ſten Theil des Handlohns be-<lb/> zahlt, iſt frei. Wer z. B. 52 fl. Handlohn zu zahlen gehabt hätte, iſt<lb/> frei, wenn er 25 Jahre lang 1 fl. jährlich zahlt. Der Novalzehnten<lb/> wird abgeſchafft, die übrigen Zehnten und Gülten aber werden im 16-<lb/> fachen Betrage des Reinertrags in 25 verzinslichen Jahreszielen abge-<lb/> löst, aber wohl gemerkt zu den niedrigen Preiſen des Geſetzes von 1836,<lb/> nämlich Kernen zu 9 fl. 36 kr., Roggen zu 6 fl. 24 kr., Dinkel zu 4 fl.,<lb/> Haber zu 2 fl. 40 kr. der Scheffel. Wer alſo bisher 20 Garben jährlich<lb/> zu geben hatte, wird nach Abzug der Unkoſten des Zehntherrn ungefähr<lb/> den Werth von 15mal 16 Garben der jährlich etwa den Werth von<lb/> 9½ Garben nach den Preiſen von 1836 für die Ablöſung ent-<lb/> richten. Daraus iſt klar daß diejenigen, welche es vorziehen ihren<lb/> bisherigen Zehnten fortzuentrichten, in etwa 10 bis 12 Jahren ganz frei<lb/> ſind. Wer aber vorzieht jetzt gleich weniger als bisher und alle Jahre<lb/> weniger zu bezahlen, iſt in 25 Jahren ganz frei. (<hi rendition="#g">Schw.</hi> M.)</p> </div> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Gr. Baden.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>* <hi rendition="#b">Bruchſal,</hi> 19 März.</dateline> <p>Ich ſchreibe Ihnen, auf der<lb/> ſpäten Rückreiſe von Offenburg, in der Haſt, aber aus ruhiger Anſchauung<lb/> einige Worte über die dort ſtattgehabte, große Volksverſammlung. Man<lb/> hatte ſie in mehrfachen Beziehungen gefürchtet, weil das Gerücht, nächſt<lb/> der Lüge der böſeſte Feind aller Ruhe und Ordnung, von ihr die Ent-<lb/> ſcheidung der Frage: ob die Republik verkündigt werden ſolle, abhängig<lb/> machte und ausſprengte, der ganze Seekreis, von dem Advocat Fickler<lb/> aus Conſtanz geführt, ſey für die Republik exaltirt, große Züge von da<lb/> würden bewaffnet herankommen, aus dem Elſaß, von Straßburg Hau-<lb/> fen zuziehen, dem berufenden Comité ſelbſt ſey nicht zu trauen ꝛc. Und<lb/> von dem allen war nichts der Fall, als daß eine Verſammlung von 8 bis<lb/> 10,000 Männern zum bei weitem größten Theile beſonnene Männer der<lb/> beſitzenden und intelligenten Stände, meiſt aus dem Schwarzwalde, aus<lb/> der Hahnau, der obern Gegend und in Zuzügen aus Mannheim, Hei-<lb/> delberg und ſonſtiger untern Gegend von 11 bis 3 Uhr ruhig, in mu-<lb/> ſterhafter Ordnung, und keineswegs blindlings über die Punkte tagte<lb/> die ihr von einem Comité vorgetragen wurden, die ſie mehr oder min-<lb/> der amendirte, und nicht als „ſouveräne Beſchlüſſe“, ſondern ausdrück-<lb/> lich: als den Ausdruck ihrer an die Kammer gerichteten Wünſche an-<lb/> nahm, über welche dieſe zu berathen und nach ihrer Befugniß zu beſchließen<lb/> habe. Allerdings ſind auch Anträge und Manifeſtationen, wenn ich es ſo be-<lb/> zeichnen ſoll, vorgekommen die man als übergreiſend bezeichnen, unzeitig<lb/> und auch wohl bedenklich nennen mag; aber ſie ſind eben einſeitig <hi rendition="#g">ent-<lb/> wiſcht</hi> und nicht vom Volkunterſtützt, noch weniger aufgenommen worden.<lb/> Aus dem Oberland war niemand bewaffnet gekommen, einige Orte nord-<lb/> wärts Offenburg hatten ihren Zuzug aus Vorſicht bewaffnet geſendet,<lb/> z. B. Steinbach — aber die Waffen waren abgelegt und in der vor dem<lb/> Rathhauſe, von deſſen Balcon aus die Anſprachen geſchahen, dichtge-<lb/> drängten Verſammlung ſo wenig, als in deſſen Nähe waren Bewaffnete<lb/> zu ſehen. Es war, Sie dürfen mir glauben, eine ehrenfeſte und den tüch-<lb/> tigen Sinn der Maſſe bezeichnende Verſammlung; etwa 5 Straßburger,<lb/> kenntlich an der Nationalgardenmütze, habe ich unterſchieden; von einem<lb/> Zuzug von dort keine Spur. Die Regierung hatte ſich ganz zurückge-<lb/> zogen, weder am Orte noch in der Nähe auf Stundenentfernung war<lb/> Polizei oder Gendarmerie, noch weniger Militär zu ſehen. Sie hatte<lb/> die Verſammlung und die Ordnung jener ſelbſt anvertraut, und ihre Zu-<lb/> verſicht hat ſie auch im geringſten nicht getäuſcht. Sie hatte ſogar die<lb/> Bahnzüge vermehrt und beſchleunigt, und wenn ich recht beobachtet habe,<lb/> ſelbſt nicht ſtreng auf Vorausbezahlung gehalten, um nirgends Anlaß<lb/><cb/> zu Unordnung und Störung zu geben. Die Zuzüge aus dem Unter-<lb/> lande trugen unverkennbar in ihrer Zuſammenſetzung die Garantie der<lb/> Ordnung, und des entſchiedenſten Intereſſes für die Aufrechthaltung<lb/> derſelben. Das ſchöne Städtchen Offenburg war überraſchend pittoresk<lb/> belebt, von <hi rendition="#g">jedem</hi> Hauſe flaggte die ſchwarz-gold-rothe Fahne mit ein-<lb/> zelnen Fahnen der badiſchen Farben; alle Zuzüge aus dem öſtlichen, zum<lb/> Theil aus dem tiefen Schwarzwalde, auf Wagen aus dem Ober- und<lb/> Unterlande auf der Eiſenbahn kamen unter dem Geflatter der deutſchen<lb/> Farben, ſelbſt von den öffentlichen und Staatsgebäuden flaggten dieſe.<lb/> Was nicht in ſeiner leuchtenden Volkstracht da war, trug meiſt die Land-<lb/> wehrmütze mit der deutſchen Cocarde. Der letzte Bahnzuzug vom Un-<lb/> terlande ward mit Muſik und von den früher angekommenen Zuzügen<lb/> vom Bahnhof abgeholt, und um 11 Uhr eröffnete der Bürgermeiſter des<lb/> Orts die Verhandlungen durch eine Bewillkommnung: ihm folgte v. Itz-<lb/> ſtein, Soiron, Struve, Hecker, Kapp, die Abgeordneten, dann Hoff,<lb/> Eller, Wirth u. a., die zum Comité gehörten. Welcker war abgehalten,<lb/> hatte aber eine ſehr verſtändige gedruckte Anſprache geſendet, die ver-<lb/> theilt ward. Erwarten Sie von mir heute keine detaillirte Mittheilung<lb/> der Anträge und Beſchlüſſe. Nur ſo viel vom Geſammtreſultat: der<lb/> Grundton der alles beherrſchte, war: Deutſchland, ein einiges ſtarkes<lb/> Deutſchland mit nationalem Parlament, in eigener Stärke und Selb-<lb/> ſtändigkeit, nichts vom Weſten (wo für dießmal ein Redner K. die Sonne<lb/> aufgehen ließ, und von Knospen und Blumen, von dem Ei und dem<lb/> Hühnchen ꝛc. ſprach; Sie ſehen, gewiß nicht revolutionär und blutdür-<lb/> ſtig!) erwartend, oder hoffend, ſondern gegen Weſten und Oſten gerüſtet<lb/> und entſchloſſen. Von der Republik ward geſprochen, als jene Stärke<lb/> und Einigkeit aufhebend, darum gefährlich; für Baden und den ganzen<lb/> Südweſten unmöglich. Sie fand <hi rendition="#g">durchaus keinen</hi> Anklang, und<lb/> ſelbſt Fickler, der zuletzt noch auftrat, läugnete entſchieden ab daß man<lb/> in Conſtanz und im Seekreis ſie gewollt, daß er ſie gewollt habe. Mehr<lb/> konnte man doch wirklich nicht verlangen, und als für ein einiges Deutſch-<lb/> land die ganze Verſammlung mit hochaufgereckten Händen mit brau-<lb/> ſendem Zuruf ſich erhob und wie ein volles Kornfeld majeſtätiſch wogte,<lb/> fühlte jede Bruſt daß Gottes Stimme über dieſem Männerfelde hin-<lb/> brauste. Ruhig und verſtändig, ſehr verſtändig benahm ſich die Menge<lb/> bei den häuslichen Anträgen, unter denen allerdings einige waren<lb/> die der Beſonnene nach Inhalt und Form gern anders oder, noch beſ-<lb/> ſer und lieber, vielleicht gar nicht vernommen hätten. Aber dennoch<lb/> muß man dem Comité für ſeine Haltung und Führung Aner-<lb/> kennung und Dank ſagen, um ſo mehr als wir doch erſt noch<lb/> lernen müſſen ſolche Verſammlungen zu handhaben. So wollen wir<lb/> denn auch nicht mit demſelben rechten daß es einſeitig von einer ſonſt un-<lb/> zugänglichen Tribüne, dem verſchloſſenen Stadthauſe, aus leitete und<lb/> keine Vorkehrung getroffen war, etwa Entgegnenden oder nicht zum Co-<lb/> mité Gehörenden Raum und Gehör zu verſchaffen. Sie mußten, und<lb/> oft vergebens, verſuchen ſich aus dem dichtgedrängten Haufen heraus,<lb/> und konnten nicht der Menge, kaum dem Comité ſich vernehmbar ma-<lb/> chen. Von den angenommenen Anträgen will ich Ihnen einige nennen:<lb/> der wichtigſte war die Organiſation von Vereinen zum Schutz und zur<lb/> Ausbildung des bereits Erworbenen, nach Gemeinden, Vezirken, Kreiſen,<lb/> Staaten und zwar mit der Richtung durch ganz Deutſchland. Wenn ich recht<lb/> hörte, was freilich nicht immer leicht war, wurden die Männer welche<lb/> in den Kreiſen an die Spitze treten ſollten, ernannt; man ſagte mir, meiſt<lb/> lauter zuverläſſige, meiſt ernſtbeſonnene Männer. Fickler war nicht un-<lb/> ter denſelben und einige zerſtreute Stimmen für ihn verhallten. Mit<lb/> langdauerndem Beifall ward aber Heckers Name aufgenommen. —<lb/> Zunächſt ſoll auf Volksbewaffnung (Volkswehr) und Verſchmelzung<lb/> des ſtehenden Heers mit der Bürgerbewaffnung gedrungen werden. Das<lb/> Mißverſtändniß als ſolle das ſtehende Heer ſofort abgeſchafft werden, rief<lb/> lebhafte Oppoſition hervor: das gehe nicht, das dürfe nicht ſeyn, und dabei<lb/> ward mit allgemeiner Acclamation auf den von Weſten drohenden Krieg<lb/> gewieſen. Die erſte Kammer, mehrere (die unter der Cenſur und Poli-<lb/> zeigewalt gewählten reactionären, unfreien) Mitglieder der 2ten Kam-<lb/> mer, einige Mitglieder der Regierung (von der Verſammlung auf den<lb/> Kriegsminiſter beſchränkt) haben das Vertrauen des Volkes nicht; gegen<lb/> erſtere daher Wunſch einer Reviſton der Verfaſſung, wegen der 2ten Kam-<lb/> mer Wunſch des Austritts. Bei dem dritten Punkt wurde, wegen<lb/> Krankheit des neuernannten Juſtizchefs Brunner, Hecker von der Ver-<lb/> ſammlung genannt. Er lehnte ab, man beſchwichtigte ſich; wie auch<lb/> recht tactvoll überall die Forderung nach Nennung der Namen. Be-<lb/> ſeitigung deſſen was man Camarilla nenne und des Einfluſſes einer<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1314/0002]
zu zweifeln iſt. Sie wollen Ablöſung im billigen für die Grundholden
vortheilhaften Maßſtabe, nicht Abſchaffung, und ſie hoffen hiefür den
Dank des Vaterlandes zu verdienen. Schon bei einer billigen Ablö-
ſung verlieren der Staat, die Kirche, die berechtigten Gemeinden und
Stiftungen ſoviel daß ſie alle Mühe haben werden die Sache zu ver-
ſchmerzen. Wenn aber billig und wohlfeil abgelöst, der Aermere ge-
ſchont, unrechtmäßige Steigerungen auf ihr rechtes Maß zurückgeführt
werden, ſo wird jeder kluge und rechtliche Bürger dieſe Ablöſung der
Abſchaffung vorziehen. Die Miniſter ſchlagen vor daß ſämmtliche
Grundlaſten mit Ausnahme der Zehnten und Gülten, ſog. Feudallaſten,
im zwölffachen Betrage in 25 Jahreszielen, verzinslich zu 4 Proc., ab-
gelöst werden ſollen, d. h. alſo, wer bisher einen Gulden jährlich in
Geld oder Naturalien zu zahlen hatte, wird frei wenn er zwölf Gulden
in 25jährigen Zielen zahlt. Bei Handlohn, Sterbfall und Falllehen
aber wird angenommen daß nur alle 25 Jahre ein Veränderungsfall eintrete
thut auf ein Jahr [FORMEL] Theil des Handlohns, mit 12 multiplicirt [FORMEL] Theile.
Wer alſo etwas weniger als die Hälfte des bisherigen Handlohns in 25 Jah-
reszielern oder in einem Jahresziel den 52ſten Theil des Handlohns be-
zahlt, iſt frei. Wer z. B. 52 fl. Handlohn zu zahlen gehabt hätte, iſt
frei, wenn er 25 Jahre lang 1 fl. jährlich zahlt. Der Novalzehnten
wird abgeſchafft, die übrigen Zehnten und Gülten aber werden im 16-
fachen Betrage des Reinertrags in 25 verzinslichen Jahreszielen abge-
löst, aber wohl gemerkt zu den niedrigen Preiſen des Geſetzes von 1836,
nämlich Kernen zu 9 fl. 36 kr., Roggen zu 6 fl. 24 kr., Dinkel zu 4 fl.,
Haber zu 2 fl. 40 kr. der Scheffel. Wer alſo bisher 20 Garben jährlich
zu geben hatte, wird nach Abzug der Unkoſten des Zehntherrn ungefähr
den Werth von 15mal 16 Garben der jährlich etwa den Werth von
9½ Garben nach den Preiſen von 1836 für die Ablöſung ent-
richten. Daraus iſt klar daß diejenigen, welche es vorziehen ihren
bisherigen Zehnten fortzuentrichten, in etwa 10 bis 12 Jahren ganz frei
ſind. Wer aber vorzieht jetzt gleich weniger als bisher und alle Jahre
weniger zu bezahlen, iſt in 25 Jahren ganz frei. (Schw. M.)
Gr. Baden.
* Bruchſal, 19 März.Ich ſchreibe Ihnen, auf der
ſpäten Rückreiſe von Offenburg, in der Haſt, aber aus ruhiger Anſchauung
einige Worte über die dort ſtattgehabte, große Volksverſammlung. Man
hatte ſie in mehrfachen Beziehungen gefürchtet, weil das Gerücht, nächſt
der Lüge der böſeſte Feind aller Ruhe und Ordnung, von ihr die Ent-
ſcheidung der Frage: ob die Republik verkündigt werden ſolle, abhängig
machte und ausſprengte, der ganze Seekreis, von dem Advocat Fickler
aus Conſtanz geführt, ſey für die Republik exaltirt, große Züge von da
würden bewaffnet herankommen, aus dem Elſaß, von Straßburg Hau-
fen zuziehen, dem berufenden Comité ſelbſt ſey nicht zu trauen ꝛc. Und
von dem allen war nichts der Fall, als daß eine Verſammlung von 8 bis
10,000 Männern zum bei weitem größten Theile beſonnene Männer der
beſitzenden und intelligenten Stände, meiſt aus dem Schwarzwalde, aus
der Hahnau, der obern Gegend und in Zuzügen aus Mannheim, Hei-
delberg und ſonſtiger untern Gegend von 11 bis 3 Uhr ruhig, in mu-
ſterhafter Ordnung, und keineswegs blindlings über die Punkte tagte
die ihr von einem Comité vorgetragen wurden, die ſie mehr oder min-
der amendirte, und nicht als „ſouveräne Beſchlüſſe“, ſondern ausdrück-
lich: als den Ausdruck ihrer an die Kammer gerichteten Wünſche an-
nahm, über welche dieſe zu berathen und nach ihrer Befugniß zu beſchließen
habe. Allerdings ſind auch Anträge und Manifeſtationen, wenn ich es ſo be-
zeichnen ſoll, vorgekommen die man als übergreiſend bezeichnen, unzeitig
und auch wohl bedenklich nennen mag; aber ſie ſind eben einſeitig ent-
wiſcht und nicht vom Volkunterſtützt, noch weniger aufgenommen worden.
Aus dem Oberland war niemand bewaffnet gekommen, einige Orte nord-
wärts Offenburg hatten ihren Zuzug aus Vorſicht bewaffnet geſendet,
z. B. Steinbach — aber die Waffen waren abgelegt und in der vor dem
Rathhauſe, von deſſen Balcon aus die Anſprachen geſchahen, dichtge-
drängten Verſammlung ſo wenig, als in deſſen Nähe waren Bewaffnete
zu ſehen. Es war, Sie dürfen mir glauben, eine ehrenfeſte und den tüch-
tigen Sinn der Maſſe bezeichnende Verſammlung; etwa 5 Straßburger,
kenntlich an der Nationalgardenmütze, habe ich unterſchieden; von einem
Zuzug von dort keine Spur. Die Regierung hatte ſich ganz zurückge-
zogen, weder am Orte noch in der Nähe auf Stundenentfernung war
Polizei oder Gendarmerie, noch weniger Militär zu ſehen. Sie hatte
die Verſammlung und die Ordnung jener ſelbſt anvertraut, und ihre Zu-
verſicht hat ſie auch im geringſten nicht getäuſcht. Sie hatte ſogar die
Bahnzüge vermehrt und beſchleunigt, und wenn ich recht beobachtet habe,
ſelbſt nicht ſtreng auf Vorausbezahlung gehalten, um nirgends Anlaß
zu Unordnung und Störung zu geben. Die Zuzüge aus dem Unter-
lande trugen unverkennbar in ihrer Zuſammenſetzung die Garantie der
Ordnung, und des entſchiedenſten Intereſſes für die Aufrechthaltung
derſelben. Das ſchöne Städtchen Offenburg war überraſchend pittoresk
belebt, von jedem Hauſe flaggte die ſchwarz-gold-rothe Fahne mit ein-
zelnen Fahnen der badiſchen Farben; alle Zuzüge aus dem öſtlichen, zum
Theil aus dem tiefen Schwarzwalde, auf Wagen aus dem Ober- und
Unterlande auf der Eiſenbahn kamen unter dem Geflatter der deutſchen
Farben, ſelbſt von den öffentlichen und Staatsgebäuden flaggten dieſe.
Was nicht in ſeiner leuchtenden Volkstracht da war, trug meiſt die Land-
wehrmütze mit der deutſchen Cocarde. Der letzte Bahnzuzug vom Un-
terlande ward mit Muſik und von den früher angekommenen Zuzügen
vom Bahnhof abgeholt, und um 11 Uhr eröffnete der Bürgermeiſter des
Orts die Verhandlungen durch eine Bewillkommnung: ihm folgte v. Itz-
ſtein, Soiron, Struve, Hecker, Kapp, die Abgeordneten, dann Hoff,
Eller, Wirth u. a., die zum Comité gehörten. Welcker war abgehalten,
hatte aber eine ſehr verſtändige gedruckte Anſprache geſendet, die ver-
theilt ward. Erwarten Sie von mir heute keine detaillirte Mittheilung
der Anträge und Beſchlüſſe. Nur ſo viel vom Geſammtreſultat: der
Grundton der alles beherrſchte, war: Deutſchland, ein einiges ſtarkes
Deutſchland mit nationalem Parlament, in eigener Stärke und Selb-
ſtändigkeit, nichts vom Weſten (wo für dießmal ein Redner K. die Sonne
aufgehen ließ, und von Knospen und Blumen, von dem Ei und dem
Hühnchen ꝛc. ſprach; Sie ſehen, gewiß nicht revolutionär und blutdür-
ſtig!) erwartend, oder hoffend, ſondern gegen Weſten und Oſten gerüſtet
und entſchloſſen. Von der Republik ward geſprochen, als jene Stärke
und Einigkeit aufhebend, darum gefährlich; für Baden und den ganzen
Südweſten unmöglich. Sie fand durchaus keinen Anklang, und
ſelbſt Fickler, der zuletzt noch auftrat, läugnete entſchieden ab daß man
in Conſtanz und im Seekreis ſie gewollt, daß er ſie gewollt habe. Mehr
konnte man doch wirklich nicht verlangen, und als für ein einiges Deutſch-
land die ganze Verſammlung mit hochaufgereckten Händen mit brau-
ſendem Zuruf ſich erhob und wie ein volles Kornfeld majeſtätiſch wogte,
fühlte jede Bruſt daß Gottes Stimme über dieſem Männerfelde hin-
brauste. Ruhig und verſtändig, ſehr verſtändig benahm ſich die Menge
bei den häuslichen Anträgen, unter denen allerdings einige waren
die der Beſonnene nach Inhalt und Form gern anders oder, noch beſ-
ſer und lieber, vielleicht gar nicht vernommen hätten. Aber dennoch
muß man dem Comité für ſeine Haltung und Führung Aner-
kennung und Dank ſagen, um ſo mehr als wir doch erſt noch
lernen müſſen ſolche Verſammlungen zu handhaben. So wollen wir
denn auch nicht mit demſelben rechten daß es einſeitig von einer ſonſt un-
zugänglichen Tribüne, dem verſchloſſenen Stadthauſe, aus leitete und
keine Vorkehrung getroffen war, etwa Entgegnenden oder nicht zum Co-
mité Gehörenden Raum und Gehör zu verſchaffen. Sie mußten, und
oft vergebens, verſuchen ſich aus dem dichtgedrängten Haufen heraus,
und konnten nicht der Menge, kaum dem Comité ſich vernehmbar ma-
chen. Von den angenommenen Anträgen will ich Ihnen einige nennen:
der wichtigſte war die Organiſation von Vereinen zum Schutz und zur
Ausbildung des bereits Erworbenen, nach Gemeinden, Vezirken, Kreiſen,
Staaten und zwar mit der Richtung durch ganz Deutſchland. Wenn ich recht
hörte, was freilich nicht immer leicht war, wurden die Männer welche
in den Kreiſen an die Spitze treten ſollten, ernannt; man ſagte mir, meiſt
lauter zuverläſſige, meiſt ernſtbeſonnene Männer. Fickler war nicht un-
ter denſelben und einige zerſtreute Stimmen für ihn verhallten. Mit
langdauerndem Beifall ward aber Heckers Name aufgenommen. —
Zunächſt ſoll auf Volksbewaffnung (Volkswehr) und Verſchmelzung
des ſtehenden Heers mit der Bürgerbewaffnung gedrungen werden. Das
Mißverſtändniß als ſolle das ſtehende Heer ſofort abgeſchafft werden, rief
lebhafte Oppoſition hervor: das gehe nicht, das dürfe nicht ſeyn, und dabei
ward mit allgemeiner Acclamation auf den von Weſten drohenden Krieg
gewieſen. Die erſte Kammer, mehrere (die unter der Cenſur und Poli-
zeigewalt gewählten reactionären, unfreien) Mitglieder der 2ten Kam-
mer, einige Mitglieder der Regierung (von der Verſammlung auf den
Kriegsminiſter beſchränkt) haben das Vertrauen des Volkes nicht; gegen
erſtere daher Wunſch einer Reviſton der Verfaſſung, wegen der 2ten Kam-
mer Wunſch des Austritts. Bei dem dritten Punkt wurde, wegen
Krankheit des neuernannten Juſtizchefs Brunner, Hecker von der Ver-
ſammlung genannt. Er lehnte ab, man beſchwichtigte ſich; wie auch
recht tactvoll überall die Forderung nach Nennung der Namen. Be-
ſeitigung deſſen was man Camarilla nenne und des Einfluſſes einer
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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