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Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 23. März 1848.

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[Spaltenumbruch] dem Großherzog nahestehendon Persönlichkeit. Abschaffung aller Ab-
gaben, mit Ausnahme der Zollvereinsabgaben und directen Steuern;
zur Deckung die Einführung einer progresstven Einkommen- und Ver-
mögenssteuer. Verminderung des Vermögens in der todten Hand; aus
der Versammlung: die Geistlichkeit habe zu viel, die Schulen zu we-
nig! -- deßhalb Ausgleichung, was des geistlichen Gutes zu viel sey,
möge auf Schulen verwendet werden. Abschaffung der Stolgebühren.
Antrag auf Abschaffung aller Vorrechte; aus der Versammlung: wohl-
feilere Regierung, Abschaffung aller unverdienten Penstonen. Auf
das "unverdient" ward im Volk der Nachdruck gelegt. Man sagt
mir, es sey eine gleiche Versammlung für das Unterland nach Heidel-
berg auf den 26 d. M. beantragt und ausgeschrieben worden. Hoffent-
lich wird diese das Ende machen, denn die Feldarbeit drängt. Ich
schließe diese Mittheilung, die ich, da hier die Post geschlossen ist, von
Heidelberg sende; vollständiges wird wohl die Deutsche Zeitung brin-
gen, aus deren Redaction ich den Professor Häusser anwesend sah. Der
Eindruck des Ganzen ist ein durchaus beruhigender; die Extreme
haben im Volke keinen Anklang, sein verständiger Sinn wies sie ab,
und stumpfte selbst noch vieles Herbe an Dingen die, hätte man sie nicht
vorgebracht, nicht gekommen seyn würden.

H. Nassau.

Die fürstlich Metternich'sche Domäne Schloß
Johannisberg ist vorläufig von der nassauischen Regierung in
Beschlag genommen, und an die reichgefüllten Weinkeller sind die
Gerichtssiegel gelegt worden. Als Beweggrund dieser Maßregel gibt
man die Ansprüche des Fiscus wegen rückständiger Abgaben an, welche
einzufordern derselbe seit 33 Jahren bis jetzt Anstand genommen hatte.
(Schw. M.)

S. Herzogth.

In der außeror-
dentlichen Beilage zu Ihrem Blatte vom 17 d. M. wird von Bamberg
aus geschrieben daß man einen Einfall von Meiningen her in das
Bayerische besorge. Ich kann Ihnen mit Bestimmtheit versichern daß
diese Besorgniß durchaus aus der Luft gegriffen ist. In denjenigen
Theilen des Herzogthums welche zunächst an Bamberg liegen, herrscht
unbedingte Ruhe; weniger ist dieß allerdings der Fall in den Theilen des
Landes welche bei Kronach an das Königreich Bayern gränzen; die hier vor-
handene Unruhe aber hat ihren Hauptgrund in der Besorgniß vor einem
Einbruch aufrührerischer Rotten aus Bayern, namentlich war man
nicht ohne Befürchtungen für die großen Meyerschen Werke in Neuhaus;
seitdem aber eine allgemeine Bewaffnung sämmtlicher Städte und zum
Theil auch des flachen Landes in größter Schnelligkeit geordnet worden
ist, dürfte auch für solche Sorgen kein Grund mehr vorhanden seyn. Am
allerwenigsten aber fällt es hier irgendjemanden ein Nachbarstaaten
feindselig anzugreifen. Durch die höchst ehrenwerthe Weise in welcher
unsere Staatsregierung aus durchaus freiem Entschluß in Behandlung
der allgemeinen deutschen Fragen fast allen deutschen Regierungen vor-
angegangen ist, durch die noch großherzigere Weise in welcher unser
Herzog die seit zwei Jahren auf uns lastende Domänenfrage durch ein
Gesetz vom 13 d. M. gelöst hat, durch das Vertrauen endlich welches
unser Herzog seinem Volke beweist und welches ebenso aufrichtig er-
widert wird, ist bei uns die öffentliche Ruhe als gesichert zu betrachten.
Allerdings sind in dem ärmeren, geistig und sittlich weniger durchge-
bildeten Unterlande nach der eisenachischen Gränze hin einige Excesse
vorgefallen, aber auch ihnen ist mit verhältnißmäßig geringem Kraft-
aufwand ein rasches Ende gemacht worden. Hier übt sich alles in den
Waffen, und wir hoffen daß damit zu einer bleibenden Volksbewaffnung
ein guter Grund gelegt ist.

K. Sachsen.

In Berlin kämpfte man
am heutigen Morgen noch! Der letzte Dampfwagenzug von dort, der
um 3 Uhr Mittags anlangte, brachte nur sehr wenige Reisende von
Berlin mit. Einer derselben erzählte Ihrem Briefsteller daß nach den
Zugeständnissen des Königs das Volk sich beruhigte, aber die Rohheit
des Militärs, der Uhlanen, zur Erneuerung des Kampfes geführt habe,
der nun mit der höchsten Erbitterung geführt worden sey. Die Stu-
denten riefen Arbeiter in den Fabriken auf, und machten Barricaden
auf die sie dreifarbige Fahnen steckten. Die Marktbuden gaben Mate-
rial dazu her. Die Innungen hielten im Thiergarten eine Berathung,
und nahmen dann Theil am Kampf. Durch die ganze Stadt beinahe
ziehen sich Barricaden. Hinter ihnen liegen die Aufständischen. Die
Bürger lassen die Thüren offen damit diese sich nach Befinden in die
Häuser flüchten können. Aus den Fenstern wird viel geschossen, und die
Ziegel fliegen von den Dächern auf die Soldaten. Die Häuser der Kö-
[Spaltenumbruch] nigsstraße sollen fast ganz abgedeckt seyn. An Munition fehlt es, Waf-
fen bekam das Volk, indem es mehrere Läden plünderte und die Wehr
der getödteten Soldaten nahm. Das Militär hat sich auf einigen Plä-
tzen und Hauptpunkten zusammengezogen, und einige Hauptstraßen durch
ein niedriges Kartätschenfeuer von den Barricaden gereinigt. Drei
Stunden soll in der Friedrichsstraße mit Kanonen gefeuert worden seyn.
Dann ziehen sich schwache Abtheilungen in Vierecken, die Hand am Hahn
der Büchse, leise durch die Straßen, um wo sie an den Fenstern Feinde
erblicken sie niederzuschießen und die Verbarricadirungen wegzuräumen.
Ein Theil der Freiwilligen sey zum Volke über, die Reiterei sey ent-
fernt, weil sie sich nutzlos gezeigt habe. Wahrscheinlich werde das Heer,
trotz seiner Stärke, durch die Barricaden überwunden werden.

Der Bahnzug welcher soeben --
gegen neun Uhr -- aus Berlin hier eintrifft, bringt die Kunde: es habe
heute bis gegen Mittag Waffenstillstand geherrscht, und es sey parlamen-
tirt worden. Auf der einen Seite sey Zurückziehen des Militärs, auf
der andern Seite Beseitigung der Barricaden verlangt worden. Erste-
res habe endlich der König bewilligt, und darauf sey Beendigung des
eigentlichen Aufstandes in Aussicht gewesen. Daß in dem Tumult ein
Ministerium Auerswald-Beckerath-Camphausen versprochen worden
wissen Sie wohl schon.

Man lebt jetzt ganz von Zeitungsartikeln,
und kaum ist die Theilnahme für Wien auf der Höhe, so setzen die blu-
tigen Nachrichten aus Berlin, den jetzigen Berichten nach die blutigsten
selbst mit Einschluß von Paris, alles wieder in Sturm. Der Aufstand
in Wien fand hier eine enthustastische Aufnahme: es herrscht in Sach-
sen eine tiefe Vorliebe für Oesterreich, und unter den jetzigen innerlich-
sten Bestrebungen Deutschlands zu einer Gesammteinigung ist es doch
auch wahrhaftig ein beglückender Gedanke diese zahlreichen prächtigen
Stämme deutschen Vaterlandes wieder vereinigt zu sehen mit uns, von
denen sie durch ein unseliges System der Absperrung fast ärger geschie-
den waren als die Fremde von uns geschieden ist. Eine glühende
Adresse an die Kämpfer in Wien ward sogleich auf dem Museum aus-
gelegt, und bedeckt sich mit Unterschriften. Versteht man es in Wien
die Umgestaltung aus dem Ganzen zu arbeiten, und halbes, täuschendes
Wesen nicht aufkommen zu lassen -- und die Halbheit steht den Oester-
reichern nicht ähnlich -- so hat die Macht Deutschlands den Schritt ei-
nes Riesen gethan in wenig Tagen. Endlich wurde doch unser Traum
von deutscher Mächtigkeit, der so viel Gespött zu erdulden hatte, eine
Wirklichkeit! Freilich wird die formelle Einigung zu deutscher Parla-
mentsregierung dadurch nicht besonders leichter, wenn nicht Staatsmän-
ner in Oesterreich an die Spitze treten welche Opfer von Titulaturen
und Namen zu bringen wissen für den soliden Vortheil einer großen
Nation wirklich einverleibt zu seyn, und in einem Gesammtverbande von
fünfzig Millionen maßgebend zu seyn mit dem Nachdruck von zwanzig
Millionen. Fände man mit gutem Verstande und gutem Willen das
Band enger Vereinigung, dann wäre Oesterreich flugs wieder in der
Lage seine nichtdeutschen Völkerschaften sicher, herrschbar und liberal um
sich zu gliedern, gestützt auf die eng zusammenhängende deutsche Macht
von Wien bis ans holländische Niederland und bis an die Wälder Kur-
lands. Die Vorgänge in Berlin dagegen, wie schmerzlich sie für den
ersten Eindruck erscheinen, bedeuten den Kundigen hier einen unmittel-
baren Schritt zur Parlamentsregierung Deutschlands. Sie zerbrechen
jenes preußische Sinnbild welches so viel Antipathie und Bedenklichkeit
in Deutschland erregte, jenes ausschließend preußische Feldzeichen wel-
ches allenfalls auch auf Kosten Deutschlands geltend zu machen wäre.
Die Völkerschaften Preußens bekunden daß sie über jegliche Specialität
hinweg wollen zur kernigen Vereinigung mit Deutschland. Vor acht
Tagen noch sahen selbst die Sachsen, welche unter allen Gebietern zuletzt
erst den preußischen sich beugen möchten, mit einer Art von Hoffnung
auf den König von Preußen daß er im Sinn des volksthümlichen Fort-
schritts an die Spitze Deutschlands sich stellen und dem großen Werke
einer wirklichen Vereinigung geharnischt vorausgehen werde. Man hat
in Berlin diese acht Tage ungenützt verstreichen und das furchtbare
Schlagwort "Es ist zu spät!" sich ebenfalls über das Haupt rufen lassen.
Jetzt schon hat der allgemeine Sinn andere Zufluchtspunkte gesucht für
die Hoffnung, und jetzt vollendet die Berliner Revolution die Aenderung
des Gesichtspunktes. Die preußischen Völkerschaften erscheinen bereits
lediglich als deutsche Stämme. Im Augenblick da ich dieß schreibe
drängen sich die Nachrichten aus Berlin hier in Leipzig immer nach-
drücklicher. Der gestrige Waffenstillstand habe zu keiner

[Spaltenumbruch] dem Großherzog naheſtehendon Perſönlichkeit. Abſchaffung aller Ab-
gaben, mit Ausnahme der Zollvereinsabgaben und directen Steuern;
zur Deckung die Einführung einer progreſſtven Einkommen- und Ver-
mögensſteuer. Verminderung des Vermögens in der todten Hand; aus
der Verſammlung: die Geiſtlichkeit habe zu viel, die Schulen zu we-
nig! — deßhalb Ausgleichung, was des geiſtlichen Gutes zu viel ſey,
möge auf Schulen verwendet werden. Abſchaffung der Stolgebühren.
Antrag auf Abſchaffung aller Vorrechte; aus der Verſammlung: wohl-
feilere Regierung, Abſchaffung aller unverdienten Penſtonen. Auf
das „unverdient“ ward im Volk der Nachdruck gelegt. Man ſagt
mir, es ſey eine gleiche Verſammlung für das Unterland nach Heidel-
berg auf den 26 d. M. beantragt und ausgeſchrieben worden. Hoffent-
lich wird dieſe das Ende machen, denn die Feldarbeit drängt. Ich
ſchließe dieſe Mittheilung, die ich, da hier die Poſt geſchloſſen iſt, von
Heidelberg ſende; vollſtändiges wird wohl die Deutſche Zeitung brin-
gen, aus deren Redaction ich den Profeſſor Häuſſer anweſend ſah. Der
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haben im Volke keinen Anklang, ſein verſtändiger Sinn wies ſie ab,
und ſtumpfte ſelbſt noch vieles Herbe an Dingen die, hätte man ſie nicht
vorgebracht, nicht gekommen ſeyn würden.

H. Naſſau.

Die fürſtlich Metternich’ſche Domäne Schloß
Johannisberg iſt vorläufig von der naſſauiſchen Regierung in
Beſchlag genommen, und an die reichgefüllten Weinkeller ſind die
Gerichtsſiegel gelegt worden. Als Beweggrund dieſer Maßregel gibt
man die Anſprüche des Fiscus wegen rückſtändiger Abgaben an, welche
einzufordern derſelbe ſeit 33 Jahren bis jetzt Anſtand genommen hatte.
(Schw. M.)

S. Herzogth.

In der außeror-
dentlichen Beilage zu Ihrem Blatte vom 17 d. M. wird von Bamberg
aus geſchrieben daß man einen Einfall von Meiningen her in das
Bayeriſche beſorge. Ich kann Ihnen mit Beſtimmtheit verſichern daß
dieſe Beſorgniß durchaus aus der Luft gegriffen iſt. In denjenigen
Theilen des Herzogthums welche zunächſt an Bamberg liegen, herrſcht
unbedingte Ruhe; weniger iſt dieß allerdings der Fall in den Theilen des
Landes welche bei Kronach an das Königreich Bayern gränzen; die hier vor-
handene Unruhe aber hat ihren Hauptgrund in der Beſorgniß vor einem
Einbruch aufrühreriſcher Rotten aus Bayern, namentlich war man
nicht ohne Befürchtungen für die großen Meyerſchen Werke in Neuhaus;
ſeitdem aber eine allgemeine Bewaffnung ſämmtlicher Städte und zum
Theil auch des flachen Landes in größter Schnelligkeit geordnet worden
iſt, dürfte auch für ſolche Sorgen kein Grund mehr vorhanden ſeyn. Am
allerwenigſten aber fällt es hier irgendjemanden ein Nachbarſtaaten
feindſelig anzugreifen. Durch die höchſt ehrenwerthe Weiſe in welcher
unſere Staatsregierung aus durchaus freiem Entſchluß in Behandlung
der allgemeinen deutſchen Fragen faſt allen deutſchen Regierungen vor-
angegangen iſt, durch die noch großherzigere Weiſe in welcher unſer
Herzog die ſeit zwei Jahren auf uns laſtende Domänenfrage durch ein
Geſetz vom 13 d. M. gelöst hat, durch das Vertrauen endlich welches
unſer Herzog ſeinem Volke beweist und welches ebenſo aufrichtig er-
widert wird, iſt bei uns die öffentliche Ruhe als geſichert zu betrachten.
Allerdings ſind in dem ärmeren, geiſtig und ſittlich weniger durchge-
bildeten Unterlande nach der eiſenachiſchen Gränze hin einige Exceſſe
vorgefallen, aber auch ihnen iſt mit verhältnißmäßig geringem Kraft-
aufwand ein raſches Ende gemacht worden. Hier übt ſich alles in den
Waffen, und wir hoffen daß damit zu einer bleibenden Volksbewaffnung
ein guter Grund gelegt iſt.

K. Sachſen.

In Berlin kämpfte man
am heutigen Morgen noch! Der letzte Dampfwagenzug von dort, der
um 3 Uhr Mittags anlangte, brachte nur ſehr wenige Reiſende von
Berlin mit. Einer derſelben erzählte Ihrem Briefſteller daß nach den
Zugeſtändniſſen des Königs das Volk ſich beruhigte, aber die Rohheit
des Militärs, der Uhlanen, zur Erneuerung des Kampfes geführt habe,
der nun mit der höchſten Erbitterung geführt worden ſey. Die Stu-
denten riefen Arbeiter in den Fabriken auf, und machten Barricaden
auf die ſie dreifarbige Fahnen ſteckten. Die Marktbuden gaben Mate-
rial dazu her. Die Innungen hielten im Thiergarten eine Berathung,
und nahmen dann Theil am Kampf. Durch die ganze Stadt beinahe
ziehen ſich Barricaden. Hinter ihnen liegen die Aufſtändiſchen. Die
Bürger laſſen die Thüren offen damit dieſe ſich nach Befinden in die
Häuſer flüchten können. Aus den Fenſtern wird viel geſchoſſen, und die
Ziegel fliegen von den Dächern auf die Soldaten. Die Häuſer der Kö-
[Spaltenumbruch] nigsſtraße ſollen faſt ganz abgedeckt ſeyn. An Munition fehlt es, Waf-
fen bekam das Volk, indem es mehrere Läden plünderte und die Wehr
der getödteten Soldaten nahm. Das Militär hat ſich auf einigen Plä-
tzen und Hauptpunkten zuſammengezogen, und einige Hauptſtraßen durch
ein niedriges Kartätſchenfeuer von den Barricaden gereinigt. Drei
Stunden ſoll in der Friedrichsſtraße mit Kanonen gefeuert worden ſeyn.
Dann ziehen ſich ſchwache Abtheilungen in Vierecken, die Hand am Hahn
der Büchſe, leiſe durch die Straßen, um wo ſie an den Fenſtern Feinde
erblicken ſie niederzuſchießen und die Verbarricadirungen wegzuräumen.
Ein Theil der Freiwilligen ſey zum Volke über, die Reiterei ſey ent-
fernt, weil ſie ſich nutzlos gezeigt habe. Wahrſcheinlich werde das Heer,
trotz ſeiner Stärke, durch die Barricaden überwunden werden.

Der Bahnzug welcher ſoeben —
gegen neun Uhr — aus Berlin hier eintrifft, bringt die Kunde: es habe
heute bis gegen Mittag Waffenſtillſtand geherrſcht, und es ſey parlamen-
tirt worden. Auf der einen Seite ſey Zurückziehen des Militärs, auf
der andern Seite Beſeitigung der Barricaden verlangt worden. Erſte-
res habe endlich der König bewilligt, und darauf ſey Beendigung des
eigentlichen Aufſtandes in Ausſicht geweſen. Daß in dem Tumult ein
Miniſterium Auerswald-Beckerath-Camphauſen verſprochen worden
wiſſen Sie wohl ſchon.

Man lebt jetzt ganz von Zeitungsartikeln,
und kaum iſt die Theilnahme für Wien auf der Höhe, ſo ſetzen die blu-
tigen Nachrichten aus Berlin, den jetzigen Berichten nach die blutigſten
ſelbſt mit Einſchluß von Paris, alles wieder in Sturm. Der Aufſtand
in Wien fand hier eine enthuſtaſtiſche Aufnahme: es herrſcht in Sach-
ſen eine tiefe Vorliebe für Oeſterreich, und unter den jetzigen innerlich-
ſten Beſtrebungen Deutſchlands zu einer Geſammteinigung iſt es doch
auch wahrhaftig ein beglückender Gedanke dieſe zahlreichen prächtigen
Stämme deutſchen Vaterlandes wieder vereinigt zu ſehen mit uns, von
denen ſie durch ein unſeliges Syſtem der Abſperrung faſt ärger geſchie-
den waren als die Fremde von uns geſchieden iſt. Eine glühende
Adreſſe an die Kämpfer in Wien ward ſogleich auf dem Muſeum aus-
gelegt, und bedeckt ſich mit Unterſchriften. Verſteht man es in Wien
die Umgeſtaltung aus dem Ganzen zu arbeiten, und halbes, täuſchendes
Weſen nicht aufkommen zu laſſen — und die Halbheit ſteht den Oeſter-
reichern nicht ähnlich — ſo hat die Macht Deutſchlands den Schritt ei-
nes Rieſen gethan in wenig Tagen. Endlich wurde doch unſer Traum
von deutſcher Mächtigkeit, der ſo viel Geſpött zu erdulden hatte, eine
Wirklichkeit! Freilich wird die formelle Einigung zu deutſcher Parla-
mentsregierung dadurch nicht beſonders leichter, wenn nicht Staatsmän-
ner in Oeſterreich an die Spitze treten welche Opfer von Titulaturen
und Namen zu bringen wiſſen für den ſoliden Vortheil einer großen
Nation wirklich einverleibt zu ſeyn, und in einem Geſammtverbande von
fünfzig Millionen maßgebend zu ſeyn mit dem Nachdruck von zwanzig
Millionen. Fände man mit gutem Verſtande und gutem Willen das
Band enger Vereinigung, dann wäre Oeſterreich flugs wieder in der
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ſich zu gliedern, geſtützt auf die eng zuſammenhängende deutſche Macht
von Wien bis ans holländiſche Niederland und bis an die Wälder Kur-
lands. Die Vorgänge in Berlin dagegen, wie ſchmerzlich ſie für den
erſten Eindruck erſcheinen, bedeuten den Kundigen hier einen unmittel-
baren Schritt zur Parlamentsregierung Deutſchlands. Sie zerbrechen
jenes preußiſche Sinnbild welches ſo viel Antipathie und Bedenklichkeit
in Deutſchland erregte, jenes ausſchließend preußiſche Feldzeichen wel-
ches allenfalls auch auf Koſten Deutſchlands geltend zu machen wäre.
Die Völkerſchaften Preußens bekunden daß ſie über jegliche Specialität
hinweg wollen zur kernigen Vereinigung mit Deutſchland. Vor acht
Tagen noch ſahen ſelbſt die Sachſen, welche unter allen Gebietern zuletzt
erſt den preußiſchen ſich beugen möchten, mit einer Art von Hoffnung
auf den König von Preußen daß er im Sinn des volksthümlichen Fort-
ſchritts an die Spitze Deutſchlands ſich ſtellen und dem großen Werke
einer wirklichen Vereinigung geharniſcht vorausgehen werde. Man hat
in Berlin dieſe acht Tage ungenützt verſtreichen und das furchtbare
Schlagwort „Es iſt zu ſpät!“ ſich ebenfalls über das Haupt rufen laſſen.
Jetzt ſchon hat der allgemeine Sinn andere Zufluchtspunkte geſucht für
die Hoffnung, und jetzt vollendet die Berliner Revolution die Aenderung
des Geſichtspunktes. Die preußiſchen Völkerſchaften erſcheinen bereits
lediglich als deutſche Stämme. Im Augenblick da ich dieß ſchreibe
drängen ſich die Nachrichten aus Berlin hier in Leipzig immer nach-
drücklicher. Der geſtrige Waffenſtillſtand habe zu keiner

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[1315/0003] dem Großherzog naheſtehendon Perſönlichkeit. Abſchaffung aller Ab- gaben, mit Ausnahme der Zollvereinsabgaben und directen Steuern; zur Deckung die Einführung einer progreſſtven Einkommen- und Ver- mögensſteuer. Verminderung des Vermögens in der todten Hand; aus der Verſammlung: die Geiſtlichkeit habe zu viel, die Schulen zu we- nig! — deßhalb Ausgleichung, was des geiſtlichen Gutes zu viel ſey, möge auf Schulen verwendet werden. Abſchaffung der Stolgebühren. Antrag auf Abſchaffung aller Vorrechte; aus der Verſammlung: wohl- feilere Regierung, Abſchaffung aller unverdienten Penſtonen. Auf das „unverdient“ ward im Volk der Nachdruck gelegt. Man ſagt mir, es ſey eine gleiche Verſammlung für das Unterland nach Heidel- berg auf den 26 d. M. beantragt und ausgeſchrieben worden. Hoffent- lich wird dieſe das Ende machen, denn die Feldarbeit drängt. Ich ſchließe dieſe Mittheilung, die ich, da hier die Poſt geſchloſſen iſt, von Heidelberg ſende; vollſtändiges wird wohl die Deutſche Zeitung brin- gen, aus deren Redaction ich den Profeſſor Häuſſer anweſend ſah. Der Eindruck des Ganzen iſt ein durchaus beruhigender; die Extreme haben im Volke keinen Anklang, ſein verſtändiger Sinn wies ſie ab, und ſtumpfte ſelbſt noch vieles Herbe an Dingen die, hätte man ſie nicht vorgebracht, nicht gekommen ſeyn würden. H. Naſſau. Die fürſtlich Metternich’ſche Domäne Schloß Johannisberg iſt vorläufig von der naſſauiſchen Regierung in Beſchlag genommen, und an die reichgefüllten Weinkeller ſind die Gerichtsſiegel gelegt worden. Als Beweggrund dieſer Maßregel gibt man die Anſprüche des Fiscus wegen rückſtändiger Abgaben an, welche einzufordern derſelbe ſeit 33 Jahren bis jetzt Anſtand genommen hatte. (Schw. M.) S. Herzogth. * Meiningen, 19 März.In der außeror- dentlichen Beilage zu Ihrem Blatte vom 17 d. M. wird von Bamberg aus geſchrieben daß man einen Einfall von Meiningen her in das Bayeriſche beſorge. Ich kann Ihnen mit Beſtimmtheit verſichern daß dieſe Beſorgniß durchaus aus der Luft gegriffen iſt. In denjenigen Theilen des Herzogthums welche zunächſt an Bamberg liegen, herrſcht unbedingte Ruhe; weniger iſt dieß allerdings der Fall in den Theilen des Landes welche bei Kronach an das Königreich Bayern gränzen; die hier vor- handene Unruhe aber hat ihren Hauptgrund in der Beſorgniß vor einem Einbruch aufrühreriſcher Rotten aus Bayern, namentlich war man nicht ohne Befürchtungen für die großen Meyerſchen Werke in Neuhaus; ſeitdem aber eine allgemeine Bewaffnung ſämmtlicher Städte und zum Theil auch des flachen Landes in größter Schnelligkeit geordnet worden iſt, dürfte auch für ſolche Sorgen kein Grund mehr vorhanden ſeyn. Am allerwenigſten aber fällt es hier irgendjemanden ein Nachbarſtaaten feindſelig anzugreifen. Durch die höchſt ehrenwerthe Weiſe in welcher unſere Staatsregierung aus durchaus freiem Entſchluß in Behandlung der allgemeinen deutſchen Fragen faſt allen deutſchen Regierungen vor- angegangen iſt, durch die noch großherzigere Weiſe in welcher unſer Herzog die ſeit zwei Jahren auf uns laſtende Domänenfrage durch ein Geſetz vom 13 d. M. gelöst hat, durch das Vertrauen endlich welches unſer Herzog ſeinem Volke beweist und welches ebenſo aufrichtig er- widert wird, iſt bei uns die öffentliche Ruhe als geſichert zu betrachten. Allerdings ſind in dem ärmeren, geiſtig und ſittlich weniger durchge- bildeten Unterlande nach der eiſenachiſchen Gränze hin einige Exceſſe vorgefallen, aber auch ihnen iſt mit verhältnißmäßig geringem Kraft- aufwand ein raſches Ende gemacht worden. Hier übt ſich alles in den Waffen, und wir hoffen daß damit zu einer bleibenden Volksbewaffnung ein guter Grund gelegt iſt. K. Sachſen. ꖌ Leipzig, 19 März.In Berlin kämpfte man am heutigen Morgen noch! Der letzte Dampfwagenzug von dort, der um 3 Uhr Mittags anlangte, brachte nur ſehr wenige Reiſende von Berlin mit. Einer derſelben erzählte Ihrem Briefſteller daß nach den Zugeſtändniſſen des Königs das Volk ſich beruhigte, aber die Rohheit des Militärs, der Uhlanen, zur Erneuerung des Kampfes geführt habe, der nun mit der höchſten Erbitterung geführt worden ſey. Die Stu- denten riefen Arbeiter in den Fabriken auf, und machten Barricaden auf die ſie dreifarbige Fahnen ſteckten. Die Marktbuden gaben Mate- rial dazu her. Die Innungen hielten im Thiergarten eine Berathung, und nahmen dann Theil am Kampf. Durch die ganze Stadt beinahe ziehen ſich Barricaden. Hinter ihnen liegen die Aufſtändiſchen. Die Bürger laſſen die Thüren offen damit dieſe ſich nach Befinden in die Häuſer flüchten können. Aus den Fenſtern wird viel geſchoſſen, und die Ziegel fliegen von den Dächern auf die Soldaten. Die Häuſer der Kö- nigsſtraße ſollen faſt ganz abgedeckt ſeyn. An Munition fehlt es, Waf- fen bekam das Volk, indem es mehrere Läden plünderte und die Wehr der getödteten Soldaten nahm. Das Militär hat ſich auf einigen Plä- tzen und Hauptpunkten zuſammengezogen, und einige Hauptſtraßen durch ein niedriges Kartätſchenfeuer von den Barricaden gereinigt. Drei Stunden ſoll in der Friedrichsſtraße mit Kanonen gefeuert worden ſeyn. Dann ziehen ſich ſchwache Abtheilungen in Vierecken, die Hand am Hahn der Büchſe, leiſe durch die Straßen, um wo ſie an den Fenſtern Feinde erblicken ſie niederzuſchießen und die Verbarricadirungen wegzuräumen. Ein Theil der Freiwilligen ſey zum Volke über, die Reiterei ſey ent- fernt, weil ſie ſich nutzlos gezeigt habe. Wahrſcheinlich werde das Heer, trotz ſeiner Stärke, durch die Barricaden überwunden werden. △ Leipzig, 19 März Abends.Der Bahnzug welcher ſoeben — gegen neun Uhr — aus Berlin hier eintrifft, bringt die Kunde: es habe heute bis gegen Mittag Waffenſtillſtand geherrſcht, und es ſey parlamen- tirt worden. Auf der einen Seite ſey Zurückziehen des Militärs, auf der andern Seite Beſeitigung der Barricaden verlangt worden. Erſte- res habe endlich der König bewilligt, und darauf ſey Beendigung des eigentlichen Aufſtandes in Ausſicht geweſen. Daß in dem Tumult ein Miniſterium Auerswald-Beckerath-Camphauſen verſprochen worden wiſſen Sie wohl ſchon. △ Leipzig, 20 März.Man lebt jetzt ganz von Zeitungsartikeln, und kaum iſt die Theilnahme für Wien auf der Höhe, ſo ſetzen die blu- tigen Nachrichten aus Berlin, den jetzigen Berichten nach die blutigſten ſelbſt mit Einſchluß von Paris, alles wieder in Sturm. Der Aufſtand in Wien fand hier eine enthuſtaſtiſche Aufnahme: es herrſcht in Sach- ſen eine tiefe Vorliebe für Oeſterreich, und unter den jetzigen innerlich- ſten Beſtrebungen Deutſchlands zu einer Geſammteinigung iſt es doch auch wahrhaftig ein beglückender Gedanke dieſe zahlreichen prächtigen Stämme deutſchen Vaterlandes wieder vereinigt zu ſehen mit uns, von denen ſie durch ein unſeliges Syſtem der Abſperrung faſt ärger geſchie- den waren als die Fremde von uns geſchieden iſt. Eine glühende Adreſſe an die Kämpfer in Wien ward ſogleich auf dem Muſeum aus- gelegt, und bedeckt ſich mit Unterſchriften. Verſteht man es in Wien die Umgeſtaltung aus dem Ganzen zu arbeiten, und halbes, täuſchendes Weſen nicht aufkommen zu laſſen — und die Halbheit ſteht den Oeſter- reichern nicht ähnlich — ſo hat die Macht Deutſchlands den Schritt ei- nes Rieſen gethan in wenig Tagen. Endlich wurde doch unſer Traum von deutſcher Mächtigkeit, der ſo viel Geſpött zu erdulden hatte, eine Wirklichkeit! Freilich wird die formelle Einigung zu deutſcher Parla- mentsregierung dadurch nicht beſonders leichter, wenn nicht Staatsmän- ner in Oeſterreich an die Spitze treten welche Opfer von Titulaturen und Namen zu bringen wiſſen für den ſoliden Vortheil einer großen Nation wirklich einverleibt zu ſeyn, und in einem Geſammtverbande von fünfzig Millionen maßgebend zu ſeyn mit dem Nachdruck von zwanzig Millionen. Fände man mit gutem Verſtande und gutem Willen das Band enger Vereinigung, dann wäre Oeſterreich flugs wieder in der Lage ſeine nichtdeutſchen Völkerſchaften ſicher, herrſchbar und liberal um ſich zu gliedern, geſtützt auf die eng zuſammenhängende deutſche Macht von Wien bis ans holländiſche Niederland und bis an die Wälder Kur- lands. Die Vorgänge in Berlin dagegen, wie ſchmerzlich ſie für den erſten Eindruck erſcheinen, bedeuten den Kundigen hier einen unmittel- baren Schritt zur Parlamentsregierung Deutſchlands. Sie zerbrechen jenes preußiſche Sinnbild welches ſo viel Antipathie und Bedenklichkeit in Deutſchland erregte, jenes ausſchließend preußiſche Feldzeichen wel- ches allenfalls auch auf Koſten Deutſchlands geltend zu machen wäre. Die Völkerſchaften Preußens bekunden daß ſie über jegliche Specialität hinweg wollen zur kernigen Vereinigung mit Deutſchland. Vor acht Tagen noch ſahen ſelbſt die Sachſen, welche unter allen Gebietern zuletzt erſt den preußiſchen ſich beugen möchten, mit einer Art von Hoffnung auf den König von Preußen daß er im Sinn des volksthümlichen Fort- ſchritts an die Spitze Deutſchlands ſich ſtellen und dem großen Werke einer wirklichen Vereinigung geharniſcht vorausgehen werde. Man hat in Berlin dieſe acht Tage ungenützt verſtreichen und das furchtbare Schlagwort „Es iſt zu ſpät!“ ſich ebenfalls über das Haupt rufen laſſen. Jetzt ſchon hat der allgemeine Sinn andere Zufluchtspunkte geſucht für die Hoffnung, und jetzt vollendet die Berliner Revolution die Aenderung des Geſichtspunktes. Die preußiſchen Völkerſchaften erſcheinen bereits lediglich als deutſche Stämme. Im Augenblick da ich dieß ſchreibe drängen ſich die Nachrichten aus Berlin hier in Leipzig immer nach- drücklicher. Der geſtrige Waffenſtillſtand habe zu keiner

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 23. März 1848, S. 1315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine83_1848/3>, abgerufen am 21.11.2024.