Allgemeine Zeitung, Nr. 83, 26. März 1900.Sonntag, Zweites Blatt Nr. 83 der Allgemeinen Zeitung. 26. März 1900.Bayerischer Landtag. 108. Plenarsitzung der Kammer der Abgeordneten. (Nachdruck verboten.)* München, 26. März. Am Ministertisch Dr. Frhr. Abg. Keyser (lib.) findet die Taxen für die Streu- Abg. Scharrer (Fr. Vgg.): Abgg. Prosinger (Centr.), Joh. Mayer (Centr.), Abg. Brunk (lib.) klagt über die Schädigung der Wälder Ministerialrath v. Huber: Abg. Joh. Schmitt (lib.): Abg. Neeb (Centr.) klagt darüber, daß Holzberechtigte Kapitel 1. "Einnahmen aus Forsten", wird nach dem Zu Kapitel 2, "Erträgnisse aus Jagden", klagt Abg. Bei den Einnahmen "aus Triften und Holzhöfen" Bei den Ausgaben beschwert sich Abg. Dr. Heim Minister Dr. Frhr. v. Riedel: Abg. Jos. Wagner (lib.) klagt darüber, daß die Forst- Es werden sodann die Summen für "Persönliche Aus- Schluß der Sitzung 1 Uhr. Nächste Sitzung morgen t. Abmarkungsgesetz. Der VIII. besondere Ausschuß t. Reichsrathskammer. In der Reichsrathskammer * Abg. Dr. Hauber u. Gen. brachten in der Abgeord- Nationalliberale Parteiversammlung. * München, 26. März. Am Samstag Abend fand im Von der Versammlung aufs lebhafteste begrüßt, betrat Wenn ich dann über unser inneres Leben in der Redner geht dann auf die Parteien im einzelnen Was dann die Verhältnisse in München und in der In der wirthschaftlichen Frage besteht im großen Und noch ein Punkt: die Frage der Religion. Bei Wenn wir diese Verhältnisse der Parteien untereinander Welches ist unsre Stellung zur Regierung? Die Redner schließt mit dem Hinweise auf die Verjüngung Lang anhaltender Beifall lohute die trefflichen Aus- Den zweiten angekündigten Vortrag hielt nach einer kleinen In dem dritten und letzten Vortrag des Abends, über den Sonntag, Zweites Blatt Nr. 83 der Allgemeinen Zeitung. 26. März 1900.Bayeriſcher Landtag. 108. Plenarſitzung der Kammer der Abgeordneten. (Nachdruck verboten.)* München, 26. März. Am Miniſtertiſch Dr. Frhr. Abg. Keyſer (lib.) findet die Taxen für die Streu- Abg. Scharrer (Fr. Vgg.): Abgg. Proſinger (Centr.), Joh. Mayer (Centr.), Abg. Brunk (lib.) klagt über die Schädigung der Wälder Miniſterialrath v. Huber: Abg. Joh. Schmitt (lib.): Abg. Neeb (Centr.) klagt darüber, daß Holzberechtigte Kapitel 1. „Einnahmen aus Forſten“, wird nach dem Zu Kapitel 2, „Erträgniſſe aus Jagden“, klagt Abg. Bei den Einnahmen „aus Triften und Holzhöfen“ Bei den Ausgaben beſchwert ſich Abg. Dr. Heim Miniſter Dr. Frhr. v. Riedel: Abg. Joſ. Wagner (lib.) klagt darüber, daß die Forſt- Es werden ſodann die Summen für „Perſönliche Aus- Schluß der Sitzung 1 Uhr. Nächſte Sitzung morgen t. Abmarkungsgeſetz. Der VIII. beſondere Ausſchuß t. Reichsrathskammer. In der Reichsrathskammer * Abg. Dr. Hauber u. Gen. brachten in der Abgeord- Nationalliberale Parteiverſammlung. * München, 26. März. Am Samſtag Abend fand im Von der Verſammlung aufs lebhafteſte begrüßt, betrat Wenn ich dann über unſer inneres Leben in der Redner geht dann auf die Parteien im einzelnen Was dann die Verhältniſſe in München und in der In der wirthſchaftlichen Frage beſteht im großen Und noch ein Punkt: die Frage der Religion. Bei Wenn wir dieſe Verhältniſſe der Parteien untereinander Welches iſt unſre Stellung zur Regierung? Die Redner ſchließt mit dem Hinweiſe auf die Verjüngung Lang anhaltender Beifall lohute die trefflichen Aus- Den zweiten angekündigten Vortrag hielt nach einer kleinen In dem dritten und letzten Vortrag des Abends, über den <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0005"/> <div n="1"> <floatingText> <front> <titlePage type="heading"> <docDate> <hi rendition="#b">Sonntag,</hi> </docDate> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Zweites Blatt Nr. 83 der Allgemeinen Zeitung.</hi> </titlePart> </docTitle> <docDate>26. März 1900.</docDate> </titlePage> </front><lb/> <cb/> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Bayeriſcher Landtag.</hi> </head><lb/> <div n="3"> <head>108. <hi rendition="#g">Plenarſitzung der Kammer der Abgeordneten.</hi></head><lb/> <note> <hi rendition="#c">(Nachdruck verboten.)</hi> </note><lb/> <dateline>* <hi rendition="#b">München,</hi> 26. März.</dateline> <p>Am Miniſtertiſch <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Frhr.<lb/> v. <hi rendition="#g">Riedel.</hi> Es wird in der Berathung über den <hi rendition="#g">Forſtetat</hi><lb/> fortgefahren.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Keyſer</hi> (lib.) findet die Taxen für die Streu-<lb/> abgabe zu hoch. Die Taxe geht oft über den wahren<lb/> Werth der Streu hinaus. Die Streu wird außerdem ſehr<lb/> oft an ſolchen Plätzen angewieſen, daß der Transport der<lb/> Streu noch erheblich vertheuert wird.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Scharrer</hi> (Fr. Vgg.): <cit><quote>Es iſt in letzter Zeit wohl<lb/> beſſer geworden, trotzdem ſollte aus den Staatswaldungen<lb/> noch mehr Streu abgegeben werden. Der Streuwechſel ſoll<lb/> aus einem drei- und vierjährigen zu einem zweijährigen ge-<lb/> macht werden Beſonders in Hopfengegenden, wo es nur<lb/> wenig Stroh gibt, ſoll die unentbehrliche Waldſtreu in reich-<lb/> licherer Menge abgegeben werden.</quote></cit></p><lb/> <p>Abgg. <hi rendition="#b">Proſinger</hi> (Centr.), <hi rendition="#b">Joh. Mayer</hi> (Centr.),<lb/><hi rendition="#b">Frank</hi> (Centr.) und Abg. <hi rendition="#b">Sir</hi> (Centr.) ſprechen ſich auch<lb/> dafür aus, daß die Streutaxen herabgeſetzt werden ſollen.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Brunk</hi> (lib.) klagt über die Schädigung der Wälder<lb/> durch die Gewinuung der Lohrinde.</p><lb/> <p>Miniſterialrath <hi rendition="#b">v. Huber:</hi> <cit><quote>Es geſchieht alles, um die<lb/> Laubhölzer zu vermehren. Bei der Detaillirung wird auch<lb/> auf die günſtige Lage der Laubholzplätze Rückſicht genommen.<lb/> Auch bezüglich der Taxe kommt der Staat den Landwirthen<lb/> ſo viel als möglich entgegen. Zu wünſchen wäre es, wenn<lb/> auf dem Wege internationaler Verhandlungen auch einmal<lb/> die beſten Schützer des Waldes, die Vögel, in ihrem Zuzug<lb/> aus dem Süden nicht mehr gehindert und weggefangen würden.<lb/> Es wurde von einer Darleheuskaſſe gebeten, es möchte ihr<lb/> die gewährte halbe Tage für Torf noch mehr herabgeſetzt<lb/> werden; es möge ihr das zur Einzäunung der Wege nöthige<lb/> Holz und das Stockholz umſonſt gegeben werden. Die Ne-<lb/> gierung verhielt ſich natürlich ſolchen horrenden Forderungen<lb/> gegenüber kühl. Die Regierung der Oberpfalz hat bei der<lb/> letzten Kohlennoth einen weiten Blick gezeigt. Sie will durch<lb/> Deckung des Brennbedarfs der ländlichen Bevölkerung durch<lb/> Torf das Vrennholz einſparen. Das iſt ein richtiger und<lb/> guter Gedanke. Sie ſehen daraus, daß nichts verſäumt wird.<lb/> Es iſt ja leicht, mit dem Abg. <hi rendition="#g">Sir</hi> zu ſagen: „Stren, mehr<lb/> Stren, noch mehr Streu!“ Aber oft geht das eben ohne<lb/> Schäden für den Wald nicht. In Unterfranken wurden bei<lb/> der Streunutzung mit der Platzverpachtung ſchlechte Er-<lb/> fahrungen gemacht. Die gepachteten Plätze wurden förmlich<lb/> ausgeraubt. Es ſoll aber geſchehen, was nur immer ge-<lb/> ſchehen kann.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Joh. Schmitt</hi> (lib.): <cit><quote>Es iſt bedanerlich, daß in<lb/> der Pfalz die Stren ſo theuer iſt. Es gibt in der Pfalz auch<lb/> arme Gegenden, die beſſer berückſichtigt werden ſollten. Die<lb/> Pfälzer beanſpruchen Waldſtreu an und für ſich nur in Noth-<lb/> ſtandsjahren; dann möge ihnen aber auch entgegengekommen<lb/> werden. Nur durch höhere Getreidezölle könne die Streu-<lb/> frage gelöst werden; denn dann erſt kann mehr Getreide<lb/> gebaut werden. Auch auf Quebracho muß mehr Zoll gelegt<lb/> werden, weil ſonſt die Schälwälder entwerthet werden.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Neeb</hi> (Centr.) klagt darüber, daß Holzberechtigte<lb/> in ſeinem Wahlkreis (Pirmaſens) ſchlechtes Holz bekommen.</p><lb/> <p>Kapitel 1. „Einnahmen aus Forſten“, wird nach dem<lb/> Ausſchußantrag geuehmigt.</p><lb/> <p>Zu Kapitel 2, „Erträgniſſe aus Jagden“, klagt Abg.<lb/><hi rendition="#b">Reeb</hi> (Centr.) über den großen Wildſchaden in ſeinem Wahlkreis.</p><lb/> <p>Bei den <hi rendition="#g">Einnahmen</hi> „aus Triften und Holzhöfen“<lb/> wird beſchloſſen, im Hinblick auf die letzte Hochwaſſerkataſtrophe<lb/> die Budgetauſätze von 38,000 M. auf 6000 M. (Bauholz)<lb/> und von 460,000 M. auf 364,000 M. (Vrenuholz) herab-<lb/> zuſetzen. — Der Geſammlbetrag der Einnahmen mit 34,206,000<lb/> Mark wird genehmigt.</p><lb/> <p>Bei den <hi rendition="#g">Ausgaben</hi> beſchwert ſich Abg. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#b">Heim</hi><lb/> (Centr.), daß ſeit der Nenorganiſation der Etat von 12 auf<lb/> 17 Millionen emporgeſchnellt iſt. Heute iſt unter dem Kapitel<lb/> „Reiſekoſten und Diäten“ nicht mehr das zu verſtehen wie<lb/> früher, als noch Zulagen u. dergl. in dieſem Kapitel enthalten<lb/> waren. Dieſes Kapitel allein wuchs um faſt 400,000 M. ſeit<lb/> der Neuorganiſation. Ein diesbezüglicher Autrag wird<lb/> vorbehalten. Der Miniſter hat ſelbſt zugeſtanden, daß Aus-<lb/> wüchſe hier beſtehen. Das Diätenſchneiden verſteht man im<lb/> Lande nicht. Darin wird mit dem Gelde der Steuerzahler<lb/> Diebſtahl getrieben. (Glocke des Präſidenten, der den Redner<lb/> auffordert, ſich zu mäßigen.) Hier gibt’s keine Mäßigung.<lb/> Auch im Eifenbahnreſſort iſt es ſo.</p><lb/> <p>Miniſter <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#b">Frhr. v. Riedel:</hi> <cit><quote>Hr. Abg. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Heim<lb/> hat hier nicht recht. (Natürlich! <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Heim.) Es wurden ſeiner-<lb/> zeit in der Deukſchrift zur Neuorganiſation alle Koſten an-<lb/> gegeben. Die Gegenüberſtellung gegen frühere Verhältniſſe<lb/> hat ergeben, daß in einzelnen Gebieten eine Koſtenvermehrung<lb/> nicht entſteht. Es wurde im Gegentheil eine Erſparung von<lb/> 200,000 M. berechnet. Die Nochnung hat auch immer ge-<lb/> ſtimmt. Die Diäten bei den höheren Stellen ſind weniger.<lb/> Nur iſt heute unter dem Titel „Diäten“ vieles, was früher unter<lb/> „Averſa“ erſchien. Jedenfalls iſt der Aufwand nicht höher<lb/> als früher, wenn die Gehaltsaufbeſſerung der niederen und<lb/> höheren Beamten abgerechnet wird. Nur deßhalb iſt der Ge-<lb/> ſammtaufwand höher; das trifft aber auf Betriebsausgaben.<lb/> Es wurden auch ſonſt Aufwendungen gemacht, die Löhne ſind<lb/> geſtiegen ꝛc. Eine Vergleichung der Ausgaben zwiſchen früher<lb/> und heute kann alſo nur auf Grund der Erwägung aller<lb/> Momente und auf Grund der Unterſuchung aller einzelnen<lb/> Ziffern gemacht werden. Jedenfalls muß der Staatswald<lb/> gehörig begangen werden. Von Diätenſchneiderei kann keine<lb/> Rede ſein; die Diäten ſind genau ſixirt und ein Uebermaß<lb/> in der Inſpektion beſteht nicht. Hr. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Heim ſieht zu ſchwarz<lb/> in der Sache.</quote></cit></p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#b">Joſ. Wagner</hi> (lib.) klagt darüber, daß die Forſt-<lb/> beamten ſelbſt von den Vorgeſetzten nicht gut behandelt werden.<lb/> Bei den Inſpektionen ſoll Gelegenheit zu Beſchwerden gegeben<lb/> ſein. Die Diäten ſind nicht zu hoch.</p><lb/> <p>Es werden ſodann die Summen für „Perſönliche Aus-<lb/> gaben“ bei <hi rendition="#aq">A)</hi> Miniſterialforſtabtheilung mit 79,938 M. und<lb/> „Sächliche Ausgaben“ mit 20,500 M., ferner bei <hi rendition="#aq">B)</hi> Ne-<lb/> gierungs-Forſtabtheilungen „Perſönliche Ausgaben“ mit<lb/> 596,942 M., „Sächliche Ausgaben“ mit 23,500 M., „Reiſe-<lb/> koſten“ mit 112,000 M. und „Sonſtige Ausgaben“ mit 300 M.<lb/> bewilligt.</p><lb/> <p>Schluß der Sitzung 1 Uhr. Nächſte Sitzung morgen<lb/> Vormittag 9½ Uhr. Tagesordnung: wie heute.</p> </div> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>t. <hi rendition="#b">Abmarkungsgeſetz.</hi></head><lb/> <p>Der <hi rendition="#aq">VIII.</hi> beſondere Ausſchuß<lb/> der Abgeordnetenkammer hat die Berathung des <hi rendition="#g">Geſetz-<lb/><cb/> entwurfs über die Abmarkung der Grundſtücke</hi> be-<lb/> endet und als Einführungstermin für das Geſetz den 1. Januar<lb/> 1901 feſtgeſetzt. Die Art. 19—28 erfuhren im Ausſchuß nur<lb/> geringfügige Aenderung, die theils vom Referenten Ab-<lb/> geordneten Courad, theils von der Staatsregierung ſelbſt<lb/> beantragt wurden. Für den zu bildenden Abmarkungsfonds<lb/> wird die Regierung ein Nachtragspoſtulat von 60,000 M.<lb/> einbringen. Dieſer Fonds iſt nur für Abmarkungsunter-<lb/> nehmungen größeren Umfangs beſtimmt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head>t. <hi rendition="#b">Reichsrathskammer.</hi></head> <p>In der Reichsrathskammer<lb/> wurden über die Frage der Reviſion der <hi rendition="#g">Gehaltsregula-<lb/> tive Reichsrath</hi> v. <hi rendition="#g">Auer,</hi> über die Frage einer ſtaatlichen<lb/><hi rendition="#g">Mobiliarbrandverſicherung</hi> Neichsrath Frhr. v. <hi rendition="#g">Linden-<lb/> fels</hi> und über den Geſetzentwurf betr. die Beſchaſſung von<lb/><hi rendition="#g">Wohnungen für Eiſenbahnbeamte</hi> und - <hi rendition="#g">bedienſtete</hi><lb/> Reichsrath v. <hi rendition="#g">Maffei</hi> zu Referenten beſtellt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <p>* Abg. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Hauber</hi> u. Gen. brachten in der Abgeord-<lb/> netenkammer folgenden <hi rendition="#g">Antrag</hi> ein: Es ſei die <hi rendition="#g">Neuerrich-<lb/> tung von acht Forſtämtern</hi> zu genehmigen, und der<lb/> Ausſchußantrag abzulehnen, wonach von der Neuerrichtung<lb/> der Forſtämter Eggenfelden und Vilsbiburg Umgang ge-<lb/> nommen wird.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jComment" n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Nationalliberale Parteiverſammlung.</hi> </hi> </head><lb/> <dateline>* <hi rendition="#b">München,</hi> 26. März.</dateline> <p>Am Samſtag Abend fand im<lb/> großen Saale des Kreuzbräu eine <hi rendition="#g">öffentliche Partei-<lb/> verſammlung</hi> für die Angehörigen der nationalliberalen<lb/> Partei in den Reichstags- und Landtagswahlkreiſen München <hi rendition="#aq">I,<lb/> II</hi> und <hi rendition="#aq">III</hi> ſtatt, die aus allen Schichten der Bevölkerung<lb/> zahlreich beſucht war. Außer vielen Landtagsabgeordneten<lb/> waren auch Hr. Reichstagsabgeordneter Schwarz und die<lb/> Mitglieder des geſchäftsführenden Ausſchuſſes der national-<lb/> liberalen Landespartei r. d. Rh. anweſend. In Verhinde-<lb/> rung des zweiten Vorſitzenden, Bürgermeiſter Wolfram von<lb/> Augsburg, begrüßte Hr. Buchdruckereibeſitzer und Gemeinde-<lb/> bevollmächtigter <hi rendition="#g">Schön</hi> die Erſchieuenen und widmete dem<lb/> verſtorbenen erſten Vorſitzenden <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Aub einen tiefempfundenen<lb/> Nachruf.</p><lb/> <p>Von der Verſammlung aufs lebhafteſte begrüßt, betrat<lb/> ſodann Hr. Oberlandesgerichtsrath und Landtagsabgeordneter<lb/> Joſeph <hi rendition="#g">Wagner</hi> aus Augsburg die Nednertribüne, um in<lb/> längerer Ausführung einen <hi rendition="#g">Rückblick auf die bisherigen<lb/> Ergebniſſe der gegenwärtigen Landtagsſeſſion</hi><lb/> zu geben. Danach hat der jetzige Budgetlandtag bisher an<lb/><hi rendition="#g">Etats</hi> nur erledigt den Etat des Miniſteriums des Aeußern,<lb/> Poſtetat, Juſtizetat, Militäretat pro 1900, einen Theil des<lb/> Etats des Miniſteriums des Innern, den Bergwerksetat und<lb/> den Etat der Oekonomien und Gewerbe. Der Erledigung<lb/> harren u. a noch: ein Theil des Etats des Miniſteriums des<lb/> Innern, der große Eiſenbahnetat, der Etat des Finanz-<lb/> miniſteriums, der Zolletat und die <hi rendition="#aq">pièce de résistance</hi> der<lb/> ganzen Sache — der Kultusetat. (Heiterkeit). Etwas beſſer<lb/> ſteht die Arbeitsleiſtung hinſichtlich der <hi rendition="#g">Geſetze,</hi> die uns<lb/> vorgelegt worden ſind. Mehrere Etatgeſetze, insbeſondere<lb/> jene die Poſt- und Eiſenbahubauten betreffenden, ſind erledigt,<lb/> auch mehrere Wirthſchaftsgeſetze, ſo insbeſondere ein Geſetz<lb/> über die Landeskulturrentenbank, Pſerdeverſicherungsgeſetz,<lb/> Novelle zum Berggeſetz ꝛc. Wir haben dann noch das Finanz-<lb/> geſetz, das Verwaltungsgeſetz, eine Novelle zum Polizeiſtraf-<lb/> geſetz u. ſ. w. Außerdem haben wir unſre bisherige Zeit da-<lb/> mit verwendel — ich will nicht ſagen vertragen —, daß wir<lb/> uns über ſehr viele Anträge, Interpellationen und eine Wahl-<lb/> kaſſirung (Straubing) unterhielten. Nach der Richtung der<lb/> Erledigung der Anträge hin iſt noch eine außerordentliche<lb/> Aufgabe zu erledigen. Wenn alles erledigt werden ſoll, ſo<lb/> wiſſen wir noch nicht, wenn wir nachhauſe kommen und ob<lb/> zu dem halben Jahr noch ein weiteres kommt. Es wäre un-<lb/> gerecht den Grund, warum die Geſchäfte ſo verhältnißmäßig<lb/> langſam vor ſich gehen, in den übermäßig vielen Anträgen<lb/> zu ſuchen. Es herrſcht eben eine große Redeluſt und ſelbſt-<lb/> verſtändlich bemühen ſich die neuen Kräfte, ſich nach jeder<lb/> Nichtung hin als tüchtige Volksvertreter zu zeigen.</p><lb/> <p>Wenn ich dann über unſer <hi rendition="#g">inneres Leben in der<lb/> Kammer</hi> einiges ſagen darf, fuhr Redner fort, ſo muß ich<lb/> anerkennen, daß im allgemeinen das Zuſammenleben der ver-<lb/> ſchiedenen Fraktionen ein verhältnißmäßig friedliches iſt. Das<lb/> frühere Verhältniß hat ſich inſofern geändert, als das Kammer-<lb/> bureau und die Ausſchüſſe nach Maßgabe der Parteigröße<lb/> gebildet wurden. Auch ſonſt iſt anzuerkennen, daß der Ver-<lb/> kehr der Kollegen unter ſich ein zufriedenſtellender, ja nach<lb/> mancher Richtung hin ein freundſchaftlicher iſt. Allerdings<lb/> werden Sie wahrgenommen haben, daß dieſe Bemerkung nicht<lb/> gerade auf alle Herren zutrifft; einzelne von ihnen haben es<lb/> vorgezogen, ſich auf das Gebiet der perſönlichen Angriffe zu<lb/> begeben und einen Ton in das Haus zu bringen, der an die<lb/> Zuſtände ausländiſcher Parlamente erinnert.</p><lb/> <p>Redner geht dann auf die <hi rendition="#g">Parteien im einzelnen</hi><lb/> über. Unſer Mißerfolg bei den letzten Wahlen hat unſern<lb/> Muth keineswegs geſchwächt, und im übrigen iſt nur eins zu<lb/> verzeichnen, daß im großen und ganzen <hi rendition="#g">volle Einigkeit<lb/> hinſichtlich der verſchiedenen Nuaneirungen der<lb/> liberalen Farbe</hi> beſteht. Der Hauptrückgang unſrer Partei<lb/> iſt in München, in der Pfalz und in Franken zu ver-<lb/> zeichnen. In München und in der Pfalz iſt die Urſache an<lb/> der Verbindung von Centrum und Sozialdemokralie gelegen;<lb/> in Franken iſt der Bauernbund gegenüber unſrer Partei<lb/> mächtig geworden. Der Zwieſpalt unter den liberalen<lb/> Parteien war von jeher in den fränkiſchen Kreiſen am<lb/> ärgſten. Mangelnde Organiſation und Unthäligkeit hat dort<lb/> den leider eingetretenen Niedergang bewirkt.</p><lb/> <p>Was dann die Verhältniſſe in München und in der<lb/> Pfalz betrifft, ſo ſind die in der Kammer vorgebrachten Gründe<lb/> für das unnatürliche Wahlbündniß unbedingt unſtichhaltig.<lb/> Wenn es dem Centrum mit ſeiner Reichstreue und –freund-<lb/> lichkeit wirklich eruſt iſt, ſo hätte es ſchon von dieſem Geſichts-<lb/> punkte aus mit uns gehen, oder wenigſtens uns nicht durch<lb/> einen Dritten bekämpfen laſſen können oder ſollen, weil es<lb/> ohne Zweifel iſt, daß die <hi rendition="#g">reichstreueſte Partei</hi> in Bayern<lb/> die <hi rendition="#g">liberale</hi> iſt. Was die Frage der <hi rendition="#g">Auhänglichkeit an<lb/> die Dynaſtie</hi> betrifft, ſo hat man uns mit Unrecht anzu-<lb/> greifen verſucht, denn wir haben bei jeder Gelegenheit be-<lb/> wieſen, daß wir uns an Treue zum angeſtammten Herrſcher-<lb/> hauſe von Niemand übertreffen laſſen, während auf der geg-<lb/> neriſchen Seite die Sache doch einen Haken hat. Wenn es<lb/> nämlich zum Widerſtreit zwiſchen den Intereſſen des geiſt-<lb/> lichen und weltlichen Schwertes kommt, ſind wir auf der<lb/> Seite des weltlichen Schwertes und die Herren auf der an-<lb/> deren Seite — ſiehe Amortiſationsgeſetz — ſind auf Seiten<lb/> des Papſtes, während wir auf Seite des Königs ſind. Und<lb/><cb/> wie ſteht es denn mit ihren Bundesgenoſſen, den Sozial-<lb/> demokraten? Iſt denn da die Sozialdemokratie der richlige<lb/> Bundesgenoſſe?</p><lb/> <p>In der <hi rendition="#g">wirthſchaftlichen Frage</hi> beſteht im großen<lb/> und ganzen kein Unterſchied zwiſchen der Centrums- und<lb/> unſrer Partei. Wir wollen die Intereſſen der Landwirthſchaft<lb/> und des Gewerbes ebenſo wahren, wie jene, und wir treten<lb/> für die beſitzloſen Klaſſen, die Arbeiter, ebenſo wie ſie ein.<lb/> Die Sozialdemokratie hingegen iſt die abſolute Gegnerin des<lb/> beſtehenden Wirthſchaftsſyſtems und trotzdem hat die Centrums-<lb/> fraklion es vorgezogen, ſich mit der Sozialdemokratie zu ver-<lb/> binden.</p><lb/> <p>Und noch ein Punkt: die Frage der <hi rendition="#g">Religion.</hi> Bei<lb/> jeder Gelegenheit werden wir als Religionsfeinde hingeſtellt,<lb/> obwohl das nachgerade als eine Lüge bezeichnet werden darf.<lb/> Wo es ſich um die Förderung religiöſer Intereſſen durch<lb/> Staatsmittel handelt, da waren wir ſtets dabei. <hi rendition="#g">Wir</hi> ſind<lb/> für die Aufbeſſerung der Geiſtlichen eingetreten das Centrum<lb/> hat ſich wegen der Bauernbündler gar nicht getraut, dafür<lb/> zu ſtimmen. Und wem hat das Cenirum ſich in die Arme<lb/> geworfen? Der Sozialdemokratie. Und dieſe ſteht auf dem<lb/> Standpunkt, daß die Kirche den Staat gar nichts augeht.<lb/> Der Hauptpunkt, worin wir uns vom Centrum unterſcheiden,<lb/> iſt die <hi rendition="#g">Frage der Volksſchule,</hi> die <hi rendition="#g">Frage von Kunſt<lb/> und Wiſſenſchaft.</hi> Hier ſtehen wir allerdings auf dem<lb/> Standpunkt, daß die Volksbildung möglichſt gefördert werden<lb/> muß, auf dem Standpunkt der Freiheit von Kunſt und Wiſſen-<lb/> ſchaft. Hier aber ziehen die Sozialdemokraten an unſerm<lb/> Strang. Das hätte nach meiner Meinung Veranlaſſung<lb/> geben ſollen für die Sozialdemokraten, <hi rendition="#g">nicht</hi> an dem Centrums-<lb/> ſtrang zu ziehen.</p><lb/> <p>Wenn wir dieſe Verhältniſſe der Parteien untereinander<lb/> betrachten, ſo läßt ſich ein plauſibler Grund für das Wahl-<lb/> bündniß weder in den augegebenen Motiven noch in der<lb/> Sachlage finden. Der Grund war einfach der, daß das<lb/> Cenirum mit allen nur möglichen Mitteln möglichſt viele<lb/> Mandate zu ergattern geſucht hat, und da hat der Zweck die<lb/> Mittel geheiligt. Das Centrum will eben die <hi rendition="#g">Macht</hi> be-<lb/> kommen, und zwar nicht nur in unſerm bayeriſchen Vaterland.</p><lb/> <p>Welches iſt unſre <hi rendition="#g">Stellung zur Regierung?</hi> Die<lb/> Regierung hat die Erklärung abgegeben, daß ſie eine Partei-<lb/> regierung nicht ſein kann. Das muß anerkannt werden. Aller-<lb/> dings iſt die Frage eines Centrumsminiſteriums mit mehr<lb/> oder minder Witz behandelt worden, aber man wird auch<lb/> zugeben müſſen, daß unſre Regierung mit ſehr widrigen<lb/> Umſtänden zu kämpfen hat. <hi rendition="#g">Wir</hi> ſind ihr gegenüber voll-<lb/> ſtändig frei und nicht von ihr abhängig. Anzuerkennen iſt,<lb/> daß in unſrer gegenwärtigen Staatsregierung Männer ſich<lb/> beſinden, die ſich um Bayern und um das ganze Deutſche<lb/> Reich bereits außerordentlich große Verdienſte erworben haben.<lb/> (Bravo!) Miniſter v. Crailsheim hat die Stellungnahme<lb/> der gegenwärtigen Regierung in der bekannten Weiſe<lb/> gekennzeichnet. Eine Regierung, die ein ſolches Programm<lb/> unter Angriffen, die gegen ſie erhoben worden ſind, zum Aus-<lb/> druck bringt, kann von uns nationalen und liberalen Männern<lb/> nicht grundſätzlich bekämpft werden. Es wird ja Momente<lb/> geben, wo wir mit ihr nicht zufrieden ſind, wo wir ſagen<lb/> müſſen. Bis hieher und nicht weiter! Aber im großen und<lb/> ganzen wird es <hi rendition="#g">nicht</hi> möglich ſein, daß wir verlangen, daß<lb/> gegenwärtig <hi rendition="#g">ein anderes Regime</hi> eintritt. Die Partei iſt<lb/> nicht die Hauptſache, ſondern das Intereſſe des ganzen Vater-<lb/> landes. Wir hätten ja einen luſtigen, fröhlichen Krieg, wenn<lb/> wir eine Centrumsregierung bekämen, aber ſie würde in kurzer<lb/> Zeit ſo viel Schaden bringen, daß wir Dezennien brauchten,<lb/> um uns wieder zu erholen.</p><lb/> <p>Redner ſchließt mit dem Hinweiſe auf die Verjüngung<lb/> der Partei; die Führung iſt in jüngere Hände übergegangen,<lb/> auf Männer, die unter widrigeren Verhältniſſen als ſie früher<lb/> waren, in die politiſchen Kämpfe eintraten. <cit><quote>„Zweifeln Sie<lb/> nicht, daß wir den beſten Willen haben, den nationalen und<lb/> den liberalen Gedanken zu ſchützen und zu fördern. Wir<lb/> werden das thun mit Umſicht und mit Maß und mit aller<lb/> Energie. Und <hi rendition="#g">Eines</hi> ſoll uns bei dieſer Sache leiten, was<lb/> in den Reihen der liberalen Partei noththut: Das iſt die<lb/><hi rendition="#g">Einigkeit!</hi>“</quote></cit></p><lb/> <p>Lang anhaltender Beifall lohute die trefflichen Aus-<lb/> führungen, für die auch der Vorſitzende <hi rendition="#g">Schön</hi> den herzlichen<lb/> Dank der Verſammlung ausſprach: Wir können uns nur<lb/> gratuliren, ſolche Führer zu haben, wie ſie die Liberalen im<lb/> Landtage jetzt gefunden; wir bringen ihnen unſre volle Sym-<lb/> pathie entgegen.</p><lb/> <p>Den zweiten angekündigten Vortrag hielt nach einer kleinen<lb/> Pauſe Hr. Univerſitätsprofeſſor <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Geiger</hi> aus Erlangen,<lb/> und zwar über den <hi rendition="#g">deutſchen Seehandel und ſeinen<lb/> Schutz,</hi> wobei er in warmen, hochpatriotiſchen Worten im<lb/> Intereſſe der Weltmacht Deutſchland für den Ausbau der<lb/> deutſchen Flotte eintrat. Die Wiedergabe des mit einem<lb/> großen Zahlenmaterial belegten Vortrags, der ebenfalls mit<lb/> großem Beifall aufgenommen wurde, können wir uns ſparen,<lb/> da der weſentliche Inhalt ſchon mehrmals in der Allg. Ztg.<lb/> ausführlich behandelt worden iſt. Die Ehre eines unbefleckten<lb/> deutſchen Namens und das Anſehen, ſowie die Größe unſres<lb/> deutſchen Vaterlandes zu erhalten, ſchloß Redner, iſt für uns<lb/> eine Aufgabe, der wir alle Opfer bringen dürfen, auch wenn<lb/> es unſer eigenes Blut koſtet. <cit><quote>„Gebe Gott, daß noch zwei<lb/> Jahrzehnte ruhiger Entwicklung uns beſchert ſind, dann werden<lb/> die <hi rendition="#g">neuen Kriegsſchiffe</hi> ein feſtes, unüberwindliches <hi rendition="#g">Boll-<lb/> werk für den Welifrieden</hi> ſein!“</quote></cit></p><lb/> <p>In dem dritten und letzten Vortrag des Abends, über den<lb/><hi rendition="#g">Liberalismus und die Aufgaben der Zukunft,</hi> wies<lb/> Juſtizrath Frhr. v. <hi rendition="#g">Kreß</hi> in ruhiger, ſachlicher und ungemein<lb/> überzeugender Weiſe zunächſt nach, daß die wirthſchaftlichen<lb/> und ſozialen Aufgaben, die uns das zu Ende gehende Jahr-<lb/> hundert hinterlaſſen hat, auch die Aufgaben der nächſten Zu-<lb/> kunft ſeien, an deren Löſung wir uns mit aller Kraft be-<lb/> theiligen müſſen. Der Liberalismus muß dafür ſorgen, daß<lb/> auch dieſe Aufgaben in liberalem Sinne gelöst werden. Dazu<lb/> iſt aber nothwendig, daß vor allem <hi rendition="#g">die liberalen Par-<lb/> teien</hi> ſich zu <hi rendition="#g">ſammeln</hi> und zu <hi rendition="#g">kräftigen</hi> ſuchen. Die<lb/> liberalen Parteien haben ſich in letzter Zeit viel zu viel gegen-<lb/> ſeitig bekämpft, und haben vergeſſen, daß es viele Punkte gibt,<lb/> wo ſie zuſammengehen können. Es iſt unbedingt geboten, daß<lb/> man ſich fragt und überlegt, ob nicht wieder in der ganzen<lb/> großen liberalen Partei ein beſſeres Verhältniß herbeizuführen<lb/> iſt, wie es in Bayern beſteht und wie es in München ſeit<lb/> Jahren durchgeführt iſt. Wenn vor allem die national-<lb/> liberale Partei den alten Einfluß zurückgewinnen und an der<lb/> Löſung der wirthſchaftlichen Fragen der nächſten Zukunft ſich<lb/> nachdrücklich betheiligen will, dann iſt es nothwendig, daß ſie<lb/> ſich <hi rendition="#g">beſſer organiſirt.</hi> Damit hat ſich der Landesaus-<lb/></p> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [0005]
Sonntag, Zweites Blatt Nr. 83 der Allgemeinen Zeitung. 26. März 1900.
Bayeriſcher Landtag.
108. Plenarſitzung der Kammer der Abgeordneten.
(Nachdruck verboten.)
* München, 26. März. Am Miniſtertiſch Dr. Frhr.
v. Riedel. Es wird in der Berathung über den Forſtetat
fortgefahren.
Abg. Keyſer (lib.) findet die Taxen für die Streu-
abgabe zu hoch. Die Taxe geht oft über den wahren
Werth der Streu hinaus. Die Streu wird außerdem ſehr
oft an ſolchen Plätzen angewieſen, daß der Transport der
Streu noch erheblich vertheuert wird.
Abg. Scharrer (Fr. Vgg.): Es iſt in letzter Zeit wohl
beſſer geworden, trotzdem ſollte aus den Staatswaldungen
noch mehr Streu abgegeben werden. Der Streuwechſel ſoll
aus einem drei- und vierjährigen zu einem zweijährigen ge-
macht werden Beſonders in Hopfengegenden, wo es nur
wenig Stroh gibt, ſoll die unentbehrliche Waldſtreu in reich-
licherer Menge abgegeben werden.
Abgg. Proſinger (Centr.), Joh. Mayer (Centr.),
Frank (Centr.) und Abg. Sir (Centr.) ſprechen ſich auch
dafür aus, daß die Streutaxen herabgeſetzt werden ſollen.
Abg. Brunk (lib.) klagt über die Schädigung der Wälder
durch die Gewinuung der Lohrinde.
Miniſterialrath v. Huber: Es geſchieht alles, um die
Laubhölzer zu vermehren. Bei der Detaillirung wird auch
auf die günſtige Lage der Laubholzplätze Rückſicht genommen.
Auch bezüglich der Taxe kommt der Staat den Landwirthen
ſo viel als möglich entgegen. Zu wünſchen wäre es, wenn
auf dem Wege internationaler Verhandlungen auch einmal
die beſten Schützer des Waldes, die Vögel, in ihrem Zuzug
aus dem Süden nicht mehr gehindert und weggefangen würden.
Es wurde von einer Darleheuskaſſe gebeten, es möchte ihr
die gewährte halbe Tage für Torf noch mehr herabgeſetzt
werden; es möge ihr das zur Einzäunung der Wege nöthige
Holz und das Stockholz umſonſt gegeben werden. Die Ne-
gierung verhielt ſich natürlich ſolchen horrenden Forderungen
gegenüber kühl. Die Regierung der Oberpfalz hat bei der
letzten Kohlennoth einen weiten Blick gezeigt. Sie will durch
Deckung des Brennbedarfs der ländlichen Bevölkerung durch
Torf das Vrennholz einſparen. Das iſt ein richtiger und
guter Gedanke. Sie ſehen daraus, daß nichts verſäumt wird.
Es iſt ja leicht, mit dem Abg. Sir zu ſagen: „Stren, mehr
Stren, noch mehr Streu!“ Aber oft geht das eben ohne
Schäden für den Wald nicht. In Unterfranken wurden bei
der Streunutzung mit der Platzverpachtung ſchlechte Er-
fahrungen gemacht. Die gepachteten Plätze wurden förmlich
ausgeraubt. Es ſoll aber geſchehen, was nur immer ge-
ſchehen kann.
Abg. Joh. Schmitt (lib.): Es iſt bedanerlich, daß in
der Pfalz die Stren ſo theuer iſt. Es gibt in der Pfalz auch
arme Gegenden, die beſſer berückſichtigt werden ſollten. Die
Pfälzer beanſpruchen Waldſtreu an und für ſich nur in Noth-
ſtandsjahren; dann möge ihnen aber auch entgegengekommen
werden. Nur durch höhere Getreidezölle könne die Streu-
frage gelöst werden; denn dann erſt kann mehr Getreide
gebaut werden. Auch auf Quebracho muß mehr Zoll gelegt
werden, weil ſonſt die Schälwälder entwerthet werden.
Abg. Neeb (Centr.) klagt darüber, daß Holzberechtigte
in ſeinem Wahlkreis (Pirmaſens) ſchlechtes Holz bekommen.
Kapitel 1. „Einnahmen aus Forſten“, wird nach dem
Ausſchußantrag geuehmigt.
Zu Kapitel 2, „Erträgniſſe aus Jagden“, klagt Abg.
Reeb (Centr.) über den großen Wildſchaden in ſeinem Wahlkreis.
Bei den Einnahmen „aus Triften und Holzhöfen“
wird beſchloſſen, im Hinblick auf die letzte Hochwaſſerkataſtrophe
die Budgetauſätze von 38,000 M. auf 6000 M. (Bauholz)
und von 460,000 M. auf 364,000 M. (Vrenuholz) herab-
zuſetzen. — Der Geſammlbetrag der Einnahmen mit 34,206,000
Mark wird genehmigt.
Bei den Ausgaben beſchwert ſich Abg. Dr. Heim
(Centr.), daß ſeit der Nenorganiſation der Etat von 12 auf
17 Millionen emporgeſchnellt iſt. Heute iſt unter dem Kapitel
„Reiſekoſten und Diäten“ nicht mehr das zu verſtehen wie
früher, als noch Zulagen u. dergl. in dieſem Kapitel enthalten
waren. Dieſes Kapitel allein wuchs um faſt 400,000 M. ſeit
der Neuorganiſation. Ein diesbezüglicher Autrag wird
vorbehalten. Der Miniſter hat ſelbſt zugeſtanden, daß Aus-
wüchſe hier beſtehen. Das Diätenſchneiden verſteht man im
Lande nicht. Darin wird mit dem Gelde der Steuerzahler
Diebſtahl getrieben. (Glocke des Präſidenten, der den Redner
auffordert, ſich zu mäßigen.) Hier gibt’s keine Mäßigung.
Auch im Eifenbahnreſſort iſt es ſo.
Miniſter Dr. Frhr. v. Riedel: Hr. Abg. Dr. Heim
hat hier nicht recht. (Natürlich! Dr. Heim.) Es wurden ſeiner-
zeit in der Deukſchrift zur Neuorganiſation alle Koſten an-
gegeben. Die Gegenüberſtellung gegen frühere Verhältniſſe
hat ergeben, daß in einzelnen Gebieten eine Koſtenvermehrung
nicht entſteht. Es wurde im Gegentheil eine Erſparung von
200,000 M. berechnet. Die Nochnung hat auch immer ge-
ſtimmt. Die Diäten bei den höheren Stellen ſind weniger.
Nur iſt heute unter dem Titel „Diäten“ vieles, was früher unter
„Averſa“ erſchien. Jedenfalls iſt der Aufwand nicht höher
als früher, wenn die Gehaltsaufbeſſerung der niederen und
höheren Beamten abgerechnet wird. Nur deßhalb iſt der Ge-
ſammtaufwand höher; das trifft aber auf Betriebsausgaben.
Es wurden auch ſonſt Aufwendungen gemacht, die Löhne ſind
geſtiegen ꝛc. Eine Vergleichung der Ausgaben zwiſchen früher
und heute kann alſo nur auf Grund der Erwägung aller
Momente und auf Grund der Unterſuchung aller einzelnen
Ziffern gemacht werden. Jedenfalls muß der Staatswald
gehörig begangen werden. Von Diätenſchneiderei kann keine
Rede ſein; die Diäten ſind genau ſixirt und ein Uebermaß
in der Inſpektion beſteht nicht. Hr. Dr. Heim ſieht zu ſchwarz
in der Sache.
Abg. Joſ. Wagner (lib.) klagt darüber, daß die Forſt-
beamten ſelbſt von den Vorgeſetzten nicht gut behandelt werden.
Bei den Inſpektionen ſoll Gelegenheit zu Beſchwerden gegeben
ſein. Die Diäten ſind nicht zu hoch.
Es werden ſodann die Summen für „Perſönliche Aus-
gaben“ bei A) Miniſterialforſtabtheilung mit 79,938 M. und
„Sächliche Ausgaben“ mit 20,500 M., ferner bei B) Ne-
gierungs-Forſtabtheilungen „Perſönliche Ausgaben“ mit
596,942 M., „Sächliche Ausgaben“ mit 23,500 M., „Reiſe-
koſten“ mit 112,000 M. und „Sonſtige Ausgaben“ mit 300 M.
bewilligt.
Schluß der Sitzung 1 Uhr. Nächſte Sitzung morgen
Vormittag 9½ Uhr. Tagesordnung: wie heute.
t. Abmarkungsgeſetz.
Der VIII. beſondere Ausſchuß
der Abgeordnetenkammer hat die Berathung des Geſetz-
entwurfs über die Abmarkung der Grundſtücke be-
endet und als Einführungstermin für das Geſetz den 1. Januar
1901 feſtgeſetzt. Die Art. 19—28 erfuhren im Ausſchuß nur
geringfügige Aenderung, die theils vom Referenten Ab-
geordneten Courad, theils von der Staatsregierung ſelbſt
beantragt wurden. Für den zu bildenden Abmarkungsfonds
wird die Regierung ein Nachtragspoſtulat von 60,000 M.
einbringen. Dieſer Fonds iſt nur für Abmarkungsunter-
nehmungen größeren Umfangs beſtimmt.
t. Reichsrathskammer. In der Reichsrathskammer
wurden über die Frage der Reviſion der Gehaltsregula-
tive Reichsrath v. Auer, über die Frage einer ſtaatlichen
Mobiliarbrandverſicherung Neichsrath Frhr. v. Linden-
fels und über den Geſetzentwurf betr. die Beſchaſſung von
Wohnungen für Eiſenbahnbeamte und - bedienſtete
Reichsrath v. Maffei zu Referenten beſtellt.
* Abg. Dr. Hauber u. Gen. brachten in der Abgeord-
netenkammer folgenden Antrag ein: Es ſei die Neuerrich-
tung von acht Forſtämtern zu genehmigen, und der
Ausſchußantrag abzulehnen, wonach von der Neuerrichtung
der Forſtämter Eggenfelden und Vilsbiburg Umgang ge-
nommen wird.
Nationalliberale Parteiverſammlung.
* München, 26. März. Am Samſtag Abend fand im
großen Saale des Kreuzbräu eine öffentliche Partei-
verſammlung für die Angehörigen der nationalliberalen
Partei in den Reichstags- und Landtagswahlkreiſen München I,
II und III ſtatt, die aus allen Schichten der Bevölkerung
zahlreich beſucht war. Außer vielen Landtagsabgeordneten
waren auch Hr. Reichstagsabgeordneter Schwarz und die
Mitglieder des geſchäftsführenden Ausſchuſſes der national-
liberalen Landespartei r. d. Rh. anweſend. In Verhinde-
rung des zweiten Vorſitzenden, Bürgermeiſter Wolfram von
Augsburg, begrüßte Hr. Buchdruckereibeſitzer und Gemeinde-
bevollmächtigter Schön die Erſchieuenen und widmete dem
verſtorbenen erſten Vorſitzenden Dr. Aub einen tiefempfundenen
Nachruf.
Von der Verſammlung aufs lebhafteſte begrüßt, betrat
ſodann Hr. Oberlandesgerichtsrath und Landtagsabgeordneter
Joſeph Wagner aus Augsburg die Nednertribüne, um in
längerer Ausführung einen Rückblick auf die bisherigen
Ergebniſſe der gegenwärtigen Landtagsſeſſion
zu geben. Danach hat der jetzige Budgetlandtag bisher an
Etats nur erledigt den Etat des Miniſteriums des Aeußern,
Poſtetat, Juſtizetat, Militäretat pro 1900, einen Theil des
Etats des Miniſteriums des Innern, den Bergwerksetat und
den Etat der Oekonomien und Gewerbe. Der Erledigung
harren u. a noch: ein Theil des Etats des Miniſteriums des
Innern, der große Eiſenbahnetat, der Etat des Finanz-
miniſteriums, der Zolletat und die pièce de résistance der
ganzen Sache — der Kultusetat. (Heiterkeit). Etwas beſſer
ſteht die Arbeitsleiſtung hinſichtlich der Geſetze, die uns
vorgelegt worden ſind. Mehrere Etatgeſetze, insbeſondere
jene die Poſt- und Eiſenbahubauten betreffenden, ſind erledigt,
auch mehrere Wirthſchaftsgeſetze, ſo insbeſondere ein Geſetz
über die Landeskulturrentenbank, Pſerdeverſicherungsgeſetz,
Novelle zum Berggeſetz ꝛc. Wir haben dann noch das Finanz-
geſetz, das Verwaltungsgeſetz, eine Novelle zum Polizeiſtraf-
geſetz u. ſ. w. Außerdem haben wir unſre bisherige Zeit da-
mit verwendel — ich will nicht ſagen vertragen —, daß wir
uns über ſehr viele Anträge, Interpellationen und eine Wahl-
kaſſirung (Straubing) unterhielten. Nach der Richtung der
Erledigung der Anträge hin iſt noch eine außerordentliche
Aufgabe zu erledigen. Wenn alles erledigt werden ſoll, ſo
wiſſen wir noch nicht, wenn wir nachhauſe kommen und ob
zu dem halben Jahr noch ein weiteres kommt. Es wäre un-
gerecht den Grund, warum die Geſchäfte ſo verhältnißmäßig
langſam vor ſich gehen, in den übermäßig vielen Anträgen
zu ſuchen. Es herrſcht eben eine große Redeluſt und ſelbſt-
verſtändlich bemühen ſich die neuen Kräfte, ſich nach jeder
Nichtung hin als tüchtige Volksvertreter zu zeigen.
Wenn ich dann über unſer inneres Leben in der
Kammer einiges ſagen darf, fuhr Redner fort, ſo muß ich
anerkennen, daß im allgemeinen das Zuſammenleben der ver-
ſchiedenen Fraktionen ein verhältnißmäßig friedliches iſt. Das
frühere Verhältniß hat ſich inſofern geändert, als das Kammer-
bureau und die Ausſchüſſe nach Maßgabe der Parteigröße
gebildet wurden. Auch ſonſt iſt anzuerkennen, daß der Ver-
kehr der Kollegen unter ſich ein zufriedenſtellender, ja nach
mancher Richtung hin ein freundſchaftlicher iſt. Allerdings
werden Sie wahrgenommen haben, daß dieſe Bemerkung nicht
gerade auf alle Herren zutrifft; einzelne von ihnen haben es
vorgezogen, ſich auf das Gebiet der perſönlichen Angriffe zu
begeben und einen Ton in das Haus zu bringen, der an die
Zuſtände ausländiſcher Parlamente erinnert.
Redner geht dann auf die Parteien im einzelnen
über. Unſer Mißerfolg bei den letzten Wahlen hat unſern
Muth keineswegs geſchwächt, und im übrigen iſt nur eins zu
verzeichnen, daß im großen und ganzen volle Einigkeit
hinſichtlich der verſchiedenen Nuaneirungen der
liberalen Farbe beſteht. Der Hauptrückgang unſrer Partei
iſt in München, in der Pfalz und in Franken zu ver-
zeichnen. In München und in der Pfalz iſt die Urſache an
der Verbindung von Centrum und Sozialdemokralie gelegen;
in Franken iſt der Bauernbund gegenüber unſrer Partei
mächtig geworden. Der Zwieſpalt unter den liberalen
Parteien war von jeher in den fränkiſchen Kreiſen am
ärgſten. Mangelnde Organiſation und Unthäligkeit hat dort
den leider eingetretenen Niedergang bewirkt.
Was dann die Verhältniſſe in München und in der
Pfalz betrifft, ſo ſind die in der Kammer vorgebrachten Gründe
für das unnatürliche Wahlbündniß unbedingt unſtichhaltig.
Wenn es dem Centrum mit ſeiner Reichstreue und –freund-
lichkeit wirklich eruſt iſt, ſo hätte es ſchon von dieſem Geſichts-
punkte aus mit uns gehen, oder wenigſtens uns nicht durch
einen Dritten bekämpfen laſſen können oder ſollen, weil es
ohne Zweifel iſt, daß die reichstreueſte Partei in Bayern
die liberale iſt. Was die Frage der Auhänglichkeit an
die Dynaſtie betrifft, ſo hat man uns mit Unrecht anzu-
greifen verſucht, denn wir haben bei jeder Gelegenheit be-
wieſen, daß wir uns an Treue zum angeſtammten Herrſcher-
hauſe von Niemand übertreffen laſſen, während auf der geg-
neriſchen Seite die Sache doch einen Haken hat. Wenn es
nämlich zum Widerſtreit zwiſchen den Intereſſen des geiſt-
lichen und weltlichen Schwertes kommt, ſind wir auf der
Seite des weltlichen Schwertes und die Herren auf der an-
deren Seite — ſiehe Amortiſationsgeſetz — ſind auf Seiten
des Papſtes, während wir auf Seite des Königs ſind. Und
wie ſteht es denn mit ihren Bundesgenoſſen, den Sozial-
demokraten? Iſt denn da die Sozialdemokratie der richlige
Bundesgenoſſe?
In der wirthſchaftlichen Frage beſteht im großen
und ganzen kein Unterſchied zwiſchen der Centrums- und
unſrer Partei. Wir wollen die Intereſſen der Landwirthſchaft
und des Gewerbes ebenſo wahren, wie jene, und wir treten
für die beſitzloſen Klaſſen, die Arbeiter, ebenſo wie ſie ein.
Die Sozialdemokratie hingegen iſt die abſolute Gegnerin des
beſtehenden Wirthſchaftsſyſtems und trotzdem hat die Centrums-
fraklion es vorgezogen, ſich mit der Sozialdemokratie zu ver-
binden.
Und noch ein Punkt: die Frage der Religion. Bei
jeder Gelegenheit werden wir als Religionsfeinde hingeſtellt,
obwohl das nachgerade als eine Lüge bezeichnet werden darf.
Wo es ſich um die Förderung religiöſer Intereſſen durch
Staatsmittel handelt, da waren wir ſtets dabei. Wir ſind
für die Aufbeſſerung der Geiſtlichen eingetreten das Centrum
hat ſich wegen der Bauernbündler gar nicht getraut, dafür
zu ſtimmen. Und wem hat das Cenirum ſich in die Arme
geworfen? Der Sozialdemokratie. Und dieſe ſteht auf dem
Standpunkt, daß die Kirche den Staat gar nichts augeht.
Der Hauptpunkt, worin wir uns vom Centrum unterſcheiden,
iſt die Frage der Volksſchule, die Frage von Kunſt
und Wiſſenſchaft. Hier ſtehen wir allerdings auf dem
Standpunkt, daß die Volksbildung möglichſt gefördert werden
muß, auf dem Standpunkt der Freiheit von Kunſt und Wiſſen-
ſchaft. Hier aber ziehen die Sozialdemokraten an unſerm
Strang. Das hätte nach meiner Meinung Veranlaſſung
geben ſollen für die Sozialdemokraten, nicht an dem Centrums-
ſtrang zu ziehen.
Wenn wir dieſe Verhältniſſe der Parteien untereinander
betrachten, ſo läßt ſich ein plauſibler Grund für das Wahl-
bündniß weder in den augegebenen Motiven noch in der
Sachlage finden. Der Grund war einfach der, daß das
Cenirum mit allen nur möglichen Mitteln möglichſt viele
Mandate zu ergattern geſucht hat, und da hat der Zweck die
Mittel geheiligt. Das Centrum will eben die Macht be-
kommen, und zwar nicht nur in unſerm bayeriſchen Vaterland.
Welches iſt unſre Stellung zur Regierung? Die
Regierung hat die Erklärung abgegeben, daß ſie eine Partei-
regierung nicht ſein kann. Das muß anerkannt werden. Aller-
dings iſt die Frage eines Centrumsminiſteriums mit mehr
oder minder Witz behandelt worden, aber man wird auch
zugeben müſſen, daß unſre Regierung mit ſehr widrigen
Umſtänden zu kämpfen hat. Wir ſind ihr gegenüber voll-
ſtändig frei und nicht von ihr abhängig. Anzuerkennen iſt,
daß in unſrer gegenwärtigen Staatsregierung Männer ſich
beſinden, die ſich um Bayern und um das ganze Deutſche
Reich bereits außerordentlich große Verdienſte erworben haben.
(Bravo!) Miniſter v. Crailsheim hat die Stellungnahme
der gegenwärtigen Regierung in der bekannten Weiſe
gekennzeichnet. Eine Regierung, die ein ſolches Programm
unter Angriffen, die gegen ſie erhoben worden ſind, zum Aus-
druck bringt, kann von uns nationalen und liberalen Männern
nicht grundſätzlich bekämpft werden. Es wird ja Momente
geben, wo wir mit ihr nicht zufrieden ſind, wo wir ſagen
müſſen. Bis hieher und nicht weiter! Aber im großen und
ganzen wird es nicht möglich ſein, daß wir verlangen, daß
gegenwärtig ein anderes Regime eintritt. Die Partei iſt
nicht die Hauptſache, ſondern das Intereſſe des ganzen Vater-
landes. Wir hätten ja einen luſtigen, fröhlichen Krieg, wenn
wir eine Centrumsregierung bekämen, aber ſie würde in kurzer
Zeit ſo viel Schaden bringen, daß wir Dezennien brauchten,
um uns wieder zu erholen.
Redner ſchließt mit dem Hinweiſe auf die Verjüngung
der Partei; die Führung iſt in jüngere Hände übergegangen,
auf Männer, die unter widrigeren Verhältniſſen als ſie früher
waren, in die politiſchen Kämpfe eintraten. „Zweifeln Sie
nicht, daß wir den beſten Willen haben, den nationalen und
den liberalen Gedanken zu ſchützen und zu fördern. Wir
werden das thun mit Umſicht und mit Maß und mit aller
Energie. Und Eines ſoll uns bei dieſer Sache leiten, was
in den Reihen der liberalen Partei noththut: Das iſt die
Einigkeit!“
Lang anhaltender Beifall lohute die trefflichen Aus-
führungen, für die auch der Vorſitzende Schön den herzlichen
Dank der Verſammlung ausſprach: Wir können uns nur
gratuliren, ſolche Führer zu haben, wie ſie die Liberalen im
Landtage jetzt gefunden; wir bringen ihnen unſre volle Sym-
pathie entgegen.
Den zweiten angekündigten Vortrag hielt nach einer kleinen
Pauſe Hr. Univerſitätsprofeſſor Dr. Geiger aus Erlangen,
und zwar über den deutſchen Seehandel und ſeinen
Schutz, wobei er in warmen, hochpatriotiſchen Worten im
Intereſſe der Weltmacht Deutſchland für den Ausbau der
deutſchen Flotte eintrat. Die Wiedergabe des mit einem
großen Zahlenmaterial belegten Vortrags, der ebenfalls mit
großem Beifall aufgenommen wurde, können wir uns ſparen,
da der weſentliche Inhalt ſchon mehrmals in der Allg. Ztg.
ausführlich behandelt worden iſt. Die Ehre eines unbefleckten
deutſchen Namens und das Anſehen, ſowie die Größe unſres
deutſchen Vaterlandes zu erhalten, ſchloß Redner, iſt für uns
eine Aufgabe, der wir alle Opfer bringen dürfen, auch wenn
es unſer eigenes Blut koſtet. „Gebe Gott, daß noch zwei
Jahrzehnte ruhiger Entwicklung uns beſchert ſind, dann werden
die neuen Kriegsſchiffe ein feſtes, unüberwindliches Boll-
werk für den Welifrieden ſein!“
In dem dritten und letzten Vortrag des Abends, über den
Liberalismus und die Aufgaben der Zukunft, wies
Juſtizrath Frhr. v. Kreß in ruhiger, ſachlicher und ungemein
überzeugender Weiſe zunächſt nach, daß die wirthſchaftlichen
und ſozialen Aufgaben, die uns das zu Ende gehende Jahr-
hundert hinterlaſſen hat, auch die Aufgaben der nächſten Zu-
kunft ſeien, an deren Löſung wir uns mit aller Kraft be-
theiligen müſſen. Der Liberalismus muß dafür ſorgen, daß
auch dieſe Aufgaben in liberalem Sinne gelöst werden. Dazu
iſt aber nothwendig, daß vor allem die liberalen Par-
teien ſich zu ſammeln und zu kräftigen ſuchen. Die
liberalen Parteien haben ſich in letzter Zeit viel zu viel gegen-
ſeitig bekämpft, und haben vergeſſen, daß es viele Punkte gibt,
wo ſie zuſammengehen können. Es iſt unbedingt geboten, daß
man ſich fragt und überlegt, ob nicht wieder in der ganzen
großen liberalen Partei ein beſſeres Verhältniß herbeizuführen
iſt, wie es in Bayern beſteht und wie es in München ſeit
Jahren durchgeführt iſt. Wenn vor allem die national-
liberale Partei den alten Einfluß zurückgewinnen und an der
Löſung der wirthſchaftlichen Fragen der nächſten Zukunft ſich
nachdrücklich betheiligen will, dann iſt es nothwendig, daß ſie
ſich beſſer organiſirt. Damit hat ſich der Landesaus-
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(2022-04-08T12:00:00Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
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