Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.[Spaltenumbruch]
etwas gemerkt. Die Damen in Deutschland sind feiner als die Männer." Ich war mit meinen Freunden der Warnung unserer Wirthe nicht Ob es überhaupt denn nöthig gewesen den Moccolispaß zu ver- Heute ist ein grauer, regniger, stiller Aschermittwoch. Man er- Deutschland. Ein Wiener "Volksblatt ohne Censur" sagt: Das große Der Redaction der Wiener Zeitung ist folgende von einer großen An- [Spaltenumbruch]
etwas gemerkt. Die Damen in Deutſchland ſind feiner als die Männer.“ Ich war mit meinen Freunden der Warnung unſerer Wirthe nicht Ob es überhaupt denn nöthig geweſen den Moccoliſpaß zu ver- Heute iſt ein grauer, regniger, ſtiller Aſchermittwoch. Man er- Deutſchland. Ein Wiener „Volksblatt ohne Cenſur“ ſagt: Das große Der Redaction der Wiener Zeitung iſt folgende von einer großen An- <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div type="jComment" n="3"> <p><pb facs="#f0010" n="1338"/><cb/> etwas gemerkt. Die Damen in Deutſchland ſind feiner als die Männer.“<lb/> Und was will das ſagen gegen einen abendlichen Auftritt im Caffè delle<lb/> Belle Arti! Die dortigen Liberalen brachten den Oeſterreichern ein<lb/> Vivat! Es ſchallte ſeltſam wieder in den einſamen nächtlichen Straßen,<lb/> ein eigenthümlicher Schluß der Faſchingsluſtbarkeit.</p><lb/> <p>Ich war mit meinen Freunden der Warnung unſerer Wirthe nicht<lb/> gefolgt; wir hielten als beobachtende Zuſchauer bis nach dem Kanonen-<lb/> ſchuß auf dem Balcon des Corſo aus. Die Unruhe war nicht ver-<lb/> ſchwunden, aber der Aufregung fehlte ein Ziel, vielleicht geſchickte Len-<lb/> ker. Was konnten die Römer wollen? Eine Republik? Unter Tauſen-<lb/> den denkt kaum einer daran. Eine Conſtitution? Sie iſt in der Arbeit,<lb/> nach Andern ſchon unter der Preſſe. Zum Ueberfluß, unſeres Erachtens<lb/> ſehr zum Ueberfluß, hatte der Senat, in der Angſt vor einer Demon-<lb/> ſtration, eine Proclamation erlaſſen, die dem ungeſtümen Verlangen<lb/> vorbeugen ſollte. Der Senat bittet mit dem Volk den heiligen Vater<lb/> ſich zu beeilen, und der heilige Vater hatte darauf geantwortet daß er<lb/> ſich ja beeile! Was konnte man mehr wollen? Aber man war im<lb/> Fieber des Mehrwollens. Vor Fiebernden muß der Geſunde ſich in<lb/> Acht nehmen. Eine impoſante Colonne neu bewaffneter Civiciſten mar-<lb/> ſchirte durch den Corſo und ſtellte ſich als Spalier auf; man meint ſie<lb/> ſey ſehr geſchickt da vertheilt worden, wo die heftigſten Fieberkranken<lb/> und Schreier ſtanden. Noch konnte man eine Oppoſition erwarten —<lb/> die römiſchen Lichtfreunde. Wäre ein Moccolilicht entzündet worden, ſo<lb/> war es möglich daß Tauſende im Augenblick aufflammten. Die Licht-<lb/> freunde konnten verſchiedener Art ſeyn, ſolche denen es um das Ver-<lb/> gnügen, um einen Scandal, irgendwelchen, oder einen beſondern zu<lb/> thun war, und die Lichtzieher, die ſich um ihren Verdienſt betrogen<lb/> ſahen. Man erwartete einzelne Birbaccionen mit Kerzchen ſich in die<lb/> Menge ſtürzen zu ſehen, die Lichter andern aufdrängend mit dem alten<lb/> Verruf: <hi rendition="#aq">ammazato sia chi non porta moccolo!</hi> Dann hätten die<lb/> Furchtſamen, die Gleichgültigen die Lichter ergriffen, und mit dem<lb/> Lichtermeer wäre der Tumult losgebrochen; aber kein Licht flackerte auf,<lb/> es ward dunkel und ſtill, und ruhig verlor ſich die Menge. Keine offi-<lb/> cielle Obrigkeit hatte es geboten, die ſtille Obrigkeit mußte geſchickt zu<lb/> Werke gegangen ſeyn.</p><lb/> <p>Ob es überhaupt denn nöthig geweſen den Moccoliſpaß zu ver-<lb/> bieten! Viele jetzt plötzlich muthig gewordene Fremde bezweifeln es.<lb/> Mich intereſſirt mehr die Frage: in welcher Abſicht jene Luftblaſe von<lb/> der Wiener Republik in die Luft geſchleudert ward? Dieſe meinen: das<lb/> Volk noch mehr zu entflammen, jene: ſeine Stimmung gegen die Deut-<lb/> ſchen zu beruhigen. Beides ſcheint mir unrichtig.</p><lb/> <p>Heute iſt ein grauer, regniger, ſtiller Aſchermittwoch. Man er-<lb/> wartet mit äußerſter Spannung die folgenden Nachrichten aus Frank-<lb/> reich. 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Wißt<lb/> Ihr was ein <hi rendition="#g">Preßgeſetz</hi> iſt? Ein Preßgeſetz iſt ein Geſetz darüber<lb/> daß man Euere Kinder nicht zur Unſittlichkeit reizen und verführen<lb/> ſoll, daß man keine Lügen verbreiten ſoll, daß man den ehrliebenden<lb/> Bürger nicht verleumden ſoll. Soll ein Spitzbube, der ſelbſt keine<lb/> Religion hat, über unſere Religion ſchimpfen? Nein, wir wollen die<lb/> Religion, wir wollen uns ſelbſt nicht ſchimpfen laſſen. Wißt Ihr,<lb/> wer nach dem Preßgeſetz geſtraft werden kann? <hi rendition="#g">Nur der Schrift-<lb/> ſteller kann geſtraft werden.</hi> Wir wollen Euch jetzt durch Zeitun-<lb/> gen unterrichten, wir werden Euch zeigen daß wir Muth haben<lb/> die Wünſche des Volkes auszuſprechen; was Ihr auch wünſcht, braucht<lb/> Ihr nicht in den Straßen auszurufen, Ihr könnt es drucken laſſen.<lb/> Wir, die wir Bücher und Zeitungen ſchreiben wollen, wir allein kön-<lb/> nen geſtraft werden, und wir wiſſen welche Geſetze in den freieſten<lb/> Staaten beſtehen, wir werden uns ſchon ſelbſt Hülfe ſchaffen; denn<lb/><cb/> der <hi rendition="#g">geſetzliche</hi> Weg zur Hülfe iſt uns gegeben. Die Stände aller<lb/> Provinzen werden ſich jetzt verſammeln; die Stände waren die erſten<lb/> die muthig und ohne Scheu die Wünſche des Volkes ausgeſprochen<lb/> haben; ihnen wollen wir Vertrauen ſchenken. Wer ſoll uns künftig<lb/> Geſetze geben? Wer ſoll das Preßgeſetz berathen? Die Stände ſol-<lb/> len es thun, das ſind Männer aus dem Volke, die kennen unſere<lb/> Bedürfniſſe, die werden viel beſſere Geſetze geben als wenn jetzt<lb/> in aller Eile — vielleicht über Nacht — ein neues Geſetz gege-<lb/> ben werden ſollte. Alſo Vertrauen auf die Stände! Es ſind fal-<lb/> ſche Freunde unter uns, die uns aufreizen wollen, weil ſie Ver-<lb/> gnügen am <hi rendition="#g">Scandal</hi> haben. Jeder ordentliche Bürger muß jetzt<lb/> wünſchen wieder in Ruhe zu kommen, wieder ſeinem Geſchäft nachzu-<lb/> gehen. Wem nützt es etwas — Fenſter einzuſchlagen, Häuſer anzu-<lb/> zünden. Niemand! Und auf den Nutzen müſſen wir ſehen. Diebe<lb/> gibt es in jeder großen Stadt, und wo iſt am leichteſten zu ſtehlen?<lb/> Dort wo Unordnung herrſcht. Diebe wollen das Volk zur Unordnung<lb/> verleiten, damit ſie ſtehlen können. Wer ein gutes Werkzeug hat der<lb/> liebt es, die Maſchinen ſind auch Werkzeuge. Bevor die Maſchinen er-<lb/> funden waren, hat das halbe Volk in Lumpen gehen müſſen, jetzt kann<lb/> jeder fleißige Menſch ſeinen ordentlichen Rock haben, weil die Maſchi-<lb/> nen uns bei der Arbeit helfen. Hat jemand Luſt rohes Getreide zu<lb/> eſſen, ich nicht; wenn keine Mühlen wären, ſo müßten wir einen<lb/> ganzen Tag mit einem Stein auf den andern klopfen um Mehl zum<lb/> Brod zu haben. Wer geht gerne im Finſtern? Nur die Spitzbuben.<lb/><hi rendition="#g">Alſo keine Laternen einſchlagen,</hi> davon haben nur die Glaſer<lb/> Verdienſt. Jeder ordentliche Bürger, jeder Arbeiter der es redlich<lb/> meint freue ſich deſſen was uns der Kaiſer bewilligt hat, und verderbe<lb/> andern nicht das Vergnügen dadurch daß er ihr Eigenthum zerſtört.<lb/> Die Bürger haben ihr Eigenthum mühſam erworben, darum iſt es der<lb/> erſte Grundſatz eines vernünftigen Menſchen die <hi rendition="#g">Perſon</hi> und das <hi rendition="#g">Ei-<lb/> genthum</hi> unſerer <hi rendition="#g">Mitmenſchen</hi> zu achten. <hi rendition="#g">Seyd Chriſten!</hi> Die<lb/> armen Frauen und Kinder die ſo einen Lärm, wie er ſeit drei Tagen<lb/> in unſerer Stadt herrſcht, nicht gewohnt ſind, leben in Furcht und<lb/> Schrecken. Laßt ihnen Ruhe. Der Kaiſer hat bewilligt daß die Bürger<lb/> ſelbſt die Waffen führen, begreift ihr das große Vertrauen das darin<lb/> liegt? Die Bürgerſoldaten werden überall mit Jubel empfangen, die<lb/> größte Ehre erweist ihr ihnen wenn ihr die Ordnung ſo herſtellt wie<lb/> die Bürgerſoldaten ſie einrichten. Mancher hat jetzt die Zeichen und<lb/> die Waffen eines guten Bürgers angenommen der die Abſicht hat die<lb/> andern aufzureizen. Glaubt ihnen nicht; <hi rendition="#g">wer es mit der Freiheit<lb/> hält, der iſt jetzt ſchon ruhig.</hi> Glaubt keine Gerüchte als was<lb/> öffentlich angeſchlagen iſt. Der Kaiſer hat ſelbſt zu uns geſprochen,<lb/> denn die Berufung der Stände iſt <hi rendition="#g">von ihm ſelbſt</hi> unterſchrieben. Je-<lb/> der gute Bürger gehört zur Nationalgarde, aber ihr müßt euch ſelbſt<lb/> dazu melden und einſchreiben laſſen. Wir haben das bekommen was<lb/> wir verlangt haben. Jetzt möchten wir es genießen. Wir werden jetzt<lb/> ſchon dafür ſorgen daß das Volk belehrt werde, und dann werdet ihr<lb/> ſchon ſehen daß wir <hi rendition="#g">drei</hi> große Dinge erlangt haben: <hi rendition="#g">National-<lb/> garde, Cenſurfreiheit, Reichsſtände.</hi> Neue Geſetze ſollen uns<lb/> die Reichsſtände berathen, und unſer guter Kaiſer wird alle unſere<lb/> Wünſche durch die Reichsſtände erfahren.</p><lb/> <p>Der Redaction der Wiener Zeitung iſt folgende von einer großen An-<lb/> zahl Mitglieder der <hi rendition="#g">Nationalgarde</hi> gefertigte Adreſſe zugekommen:<lb/> An die brave Garniſon der Haupt- und Reſidenzſtadt Wien und ſämmt-<lb/> liche Krieger des conſtitutionellen öſterreichiſchen Kaiſerſtaates. Sol-<lb/> daten des öfterreichiſchen Kaiſerſtaates! Laßt die großen folgereichen<lb/> Begebenheiten der letzten Tage keine Kluft bilden zwiſchen euch und<lb/> dem Volk, nicht das alte gute Vernehmen ſtören. Wir grüßen euch<lb/> herzlich als Brüder, und Brüder ſollt ihr uns bleiben, was immer der<lb/> Drang der Zeiten zu Tage fördern mag. Soldaten! Wir beklagen die Opfer<lb/> die der erſten Aufregung, dem Wirrſal des Augenblicks fielen — aber<lb/> wir klagen euch nicht an. Ueber jene Leichen bieten wir euch die Hand<lb/> zum Bruderbunde, von inniger Achtung ſind wir durchdrungen ob der<lb/> edlen feſten Haltung die ihr bewähret, ſeit den Scenen des Schreckens<lb/> Einhalt geſchah. Nicht für beeinträchtigt ſollt ihr euch halten durch<lb/> den Aufruf der akademiſchen Jugend, dem die Bewaffnung der Ein-<lb/> wohner, dem auf Befehl des Monarchen die Bildung einer National-<lb/> garde folgte, welcher für jetzt ein Theil der Verrichtungen eures ehren-<lb/> vollen Berufes zugewieſen. Jene Claſſe der Jugend mit ihrer Ver-<lb/> zweigung in allen Fächern des Unterrichts wurzelt im Herzen aller<lb/> Stände, ſie repräſentirt die Zukunft, ſie zieht die Geſinnung des Volkes<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [1338/0010]
etwas gemerkt. Die Damen in Deutſchland ſind feiner als die Männer.“
Und was will das ſagen gegen einen abendlichen Auftritt im Caffè delle
Belle Arti! Die dortigen Liberalen brachten den Oeſterreichern ein
Vivat! Es ſchallte ſeltſam wieder in den einſamen nächtlichen Straßen,
ein eigenthümlicher Schluß der Faſchingsluſtbarkeit.
Ich war mit meinen Freunden der Warnung unſerer Wirthe nicht
gefolgt; wir hielten als beobachtende Zuſchauer bis nach dem Kanonen-
ſchuß auf dem Balcon des Corſo aus. Die Unruhe war nicht ver-
ſchwunden, aber der Aufregung fehlte ein Ziel, vielleicht geſchickte Len-
ker. Was konnten die Römer wollen? Eine Republik? Unter Tauſen-
den denkt kaum einer daran. Eine Conſtitution? Sie iſt in der Arbeit,
nach Andern ſchon unter der Preſſe. Zum Ueberfluß, unſeres Erachtens
ſehr zum Ueberfluß, hatte der Senat, in der Angſt vor einer Demon-
ſtration, eine Proclamation erlaſſen, die dem ungeſtümen Verlangen
vorbeugen ſollte. Der Senat bittet mit dem Volk den heiligen Vater
ſich zu beeilen, und der heilige Vater hatte darauf geantwortet daß er
ſich ja beeile! Was konnte man mehr wollen? Aber man war im
Fieber des Mehrwollens. Vor Fiebernden muß der Geſunde ſich in
Acht nehmen. Eine impoſante Colonne neu bewaffneter Civiciſten mar-
ſchirte durch den Corſo und ſtellte ſich als Spalier auf; man meint ſie
ſey ſehr geſchickt da vertheilt worden, wo die heftigſten Fieberkranken
und Schreier ſtanden. Noch konnte man eine Oppoſition erwarten —
die römiſchen Lichtfreunde. Wäre ein Moccolilicht entzündet worden, ſo
war es möglich daß Tauſende im Augenblick aufflammten. Die Licht-
freunde konnten verſchiedener Art ſeyn, ſolche denen es um das Ver-
gnügen, um einen Scandal, irgendwelchen, oder einen beſondern zu
thun war, und die Lichtzieher, die ſich um ihren Verdienſt betrogen
ſahen. Man erwartete einzelne Birbaccionen mit Kerzchen ſich in die
Menge ſtürzen zu ſehen, die Lichter andern aufdrängend mit dem alten
Verruf: ammazato sia chi non porta moccolo! Dann hätten die
Furchtſamen, die Gleichgültigen die Lichter ergriffen, und mit dem
Lichtermeer wäre der Tumult losgebrochen; aber kein Licht flackerte auf,
es ward dunkel und ſtill, und ruhig verlor ſich die Menge. Keine offi-
cielle Obrigkeit hatte es geboten, die ſtille Obrigkeit mußte geſchickt zu
Werke gegangen ſeyn.
Ob es überhaupt denn nöthig geweſen den Moccoliſpaß zu ver-
bieten! Viele jetzt plötzlich muthig gewordene Fremde bezweifeln es.
Mich intereſſirt mehr die Frage: in welcher Abſicht jene Luftblaſe von
der Wiener Republik in die Luft geſchleudert ward? Dieſe meinen: das
Volk noch mehr zu entflammen, jene: ſeine Stimmung gegen die Deut-
ſchen zu beruhigen. Beides ſcheint mir unrichtig.
Heute iſt ein grauer, regniger, ſtiller Aſchermittwoch. Man er-
wartet mit äußerſter Spannung die folgenden Nachrichten aus Frank-
reich. Wie ein wohlthätiger Balſam wirkt Gioberti’s Brief aus Paris.
Er hat, wenn deſſen Gefahr geweſen, die italieniſchen Staaten vielleicht
vor der Gefahr eines neuen republicaniſchen Umſchwungs bewahrt.
Deutſchland.
Ein Wiener „Volksblatt ohne Cenſur“ ſagt: Das große
Werk iſt vollbracht, — leider aber iſt es mit Thaten verbunden
geweſen deren jeder Bürger ſich ſchämen müßte, wenn es nicht be-
kannt wäre daß nur Räuber am Zerſtören und Brennen Vergnü-
gen finden. Wir wollen keine Räuber und Mordbrenner
ſeyn! Viele wiſſen nicht wieviel wir erlangt haben. Die Aufhe-
bung der Cenſur erlaubt uns jetzt unſere Wünſche auszuſprechen,
drucken zu laſſen und in Tauſenden von Blättern zu verbreiten. Wißt
Ihr was ein Preßgeſetz iſt? Ein Preßgeſetz iſt ein Geſetz darüber
daß man Euere Kinder nicht zur Unſittlichkeit reizen und verführen
ſoll, daß man keine Lügen verbreiten ſoll, daß man den ehrliebenden
Bürger nicht verleumden ſoll. Soll ein Spitzbube, der ſelbſt keine
Religion hat, über unſere Religion ſchimpfen? Nein, wir wollen die
Religion, wir wollen uns ſelbſt nicht ſchimpfen laſſen. Wißt Ihr,
wer nach dem Preßgeſetz geſtraft werden kann? Nur der Schrift-
ſteller kann geſtraft werden. Wir wollen Euch jetzt durch Zeitun-
gen unterrichten, wir werden Euch zeigen daß wir Muth haben
die Wünſche des Volkes auszuſprechen; was Ihr auch wünſcht, braucht
Ihr nicht in den Straßen auszurufen, Ihr könnt es drucken laſſen.
Wir, die wir Bücher und Zeitungen ſchreiben wollen, wir allein kön-
nen geſtraft werden, und wir wiſſen welche Geſetze in den freieſten
Staaten beſtehen, wir werden uns ſchon ſelbſt Hülfe ſchaffen; denn
der geſetzliche Weg zur Hülfe iſt uns gegeben. Die Stände aller
Provinzen werden ſich jetzt verſammeln; die Stände waren die erſten
die muthig und ohne Scheu die Wünſche des Volkes ausgeſprochen
haben; ihnen wollen wir Vertrauen ſchenken. Wer ſoll uns künftig
Geſetze geben? Wer ſoll das Preßgeſetz berathen? Die Stände ſol-
len es thun, das ſind Männer aus dem Volke, die kennen unſere
Bedürfniſſe, die werden viel beſſere Geſetze geben als wenn jetzt
in aller Eile — vielleicht über Nacht — ein neues Geſetz gege-
ben werden ſollte. Alſo Vertrauen auf die Stände! Es ſind fal-
ſche Freunde unter uns, die uns aufreizen wollen, weil ſie Ver-
gnügen am Scandal haben. Jeder ordentliche Bürger muß jetzt
wünſchen wieder in Ruhe zu kommen, wieder ſeinem Geſchäft nachzu-
gehen. Wem nützt es etwas — Fenſter einzuſchlagen, Häuſer anzu-
zünden. Niemand! Und auf den Nutzen müſſen wir ſehen. Diebe
gibt es in jeder großen Stadt, und wo iſt am leichteſten zu ſtehlen?
Dort wo Unordnung herrſcht. Diebe wollen das Volk zur Unordnung
verleiten, damit ſie ſtehlen können. Wer ein gutes Werkzeug hat der
liebt es, die Maſchinen ſind auch Werkzeuge. Bevor die Maſchinen er-
funden waren, hat das halbe Volk in Lumpen gehen müſſen, jetzt kann
jeder fleißige Menſch ſeinen ordentlichen Rock haben, weil die Maſchi-
nen uns bei der Arbeit helfen. Hat jemand Luſt rohes Getreide zu
eſſen, ich nicht; wenn keine Mühlen wären, ſo müßten wir einen
ganzen Tag mit einem Stein auf den andern klopfen um Mehl zum
Brod zu haben. Wer geht gerne im Finſtern? Nur die Spitzbuben.
Alſo keine Laternen einſchlagen, davon haben nur die Glaſer
Verdienſt. Jeder ordentliche Bürger, jeder Arbeiter der es redlich
meint freue ſich deſſen was uns der Kaiſer bewilligt hat, und verderbe
andern nicht das Vergnügen dadurch daß er ihr Eigenthum zerſtört.
Die Bürger haben ihr Eigenthum mühſam erworben, darum iſt es der
erſte Grundſatz eines vernünftigen Menſchen die Perſon und das Ei-
genthum unſerer Mitmenſchen zu achten. Seyd Chriſten! Die
armen Frauen und Kinder die ſo einen Lärm, wie er ſeit drei Tagen
in unſerer Stadt herrſcht, nicht gewohnt ſind, leben in Furcht und
Schrecken. Laßt ihnen Ruhe. Der Kaiſer hat bewilligt daß die Bürger
ſelbſt die Waffen führen, begreift ihr das große Vertrauen das darin
liegt? Die Bürgerſoldaten werden überall mit Jubel empfangen, die
größte Ehre erweist ihr ihnen wenn ihr die Ordnung ſo herſtellt wie
die Bürgerſoldaten ſie einrichten. Mancher hat jetzt die Zeichen und
die Waffen eines guten Bürgers angenommen der die Abſicht hat die
andern aufzureizen. Glaubt ihnen nicht; wer es mit der Freiheit
hält, der iſt jetzt ſchon ruhig. Glaubt keine Gerüchte als was
öffentlich angeſchlagen iſt. Der Kaiſer hat ſelbſt zu uns geſprochen,
denn die Berufung der Stände iſt von ihm ſelbſt unterſchrieben. Je-
der gute Bürger gehört zur Nationalgarde, aber ihr müßt euch ſelbſt
dazu melden und einſchreiben laſſen. Wir haben das bekommen was
wir verlangt haben. Jetzt möchten wir es genießen. Wir werden jetzt
ſchon dafür ſorgen daß das Volk belehrt werde, und dann werdet ihr
ſchon ſehen daß wir drei große Dinge erlangt haben: National-
garde, Cenſurfreiheit, Reichsſtände. Neue Geſetze ſollen uns
die Reichsſtände berathen, und unſer guter Kaiſer wird alle unſere
Wünſche durch die Reichsſtände erfahren.
Der Redaction der Wiener Zeitung iſt folgende von einer großen An-
zahl Mitglieder der Nationalgarde gefertigte Adreſſe zugekommen:
An die brave Garniſon der Haupt- und Reſidenzſtadt Wien und ſämmt-
liche Krieger des conſtitutionellen öſterreichiſchen Kaiſerſtaates. Sol-
daten des öfterreichiſchen Kaiſerſtaates! Laßt die großen folgereichen
Begebenheiten der letzten Tage keine Kluft bilden zwiſchen euch und
dem Volk, nicht das alte gute Vernehmen ſtören. Wir grüßen euch
herzlich als Brüder, und Brüder ſollt ihr uns bleiben, was immer der
Drang der Zeiten zu Tage fördern mag. Soldaten! Wir beklagen die Opfer
die der erſten Aufregung, dem Wirrſal des Augenblicks fielen — aber
wir klagen euch nicht an. Ueber jene Leichen bieten wir euch die Hand
zum Bruderbunde, von inniger Achtung ſind wir durchdrungen ob der
edlen feſten Haltung die ihr bewähret, ſeit den Scenen des Schreckens
Einhalt geſchah. Nicht für beeinträchtigt ſollt ihr euch halten durch
den Aufruf der akademiſchen Jugend, dem die Bewaffnung der Ein-
wohner, dem auf Befehl des Monarchen die Bildung einer National-
garde folgte, welcher für jetzt ein Theil der Verrichtungen eures ehren-
vollen Berufes zugewieſen. Jene Claſſe der Jugend mit ihrer Ver-
zweigung in allen Fächern des Unterrichts wurzelt im Herzen aller
Stände, ſie repräſentirt die Zukunft, ſie zieht die Geſinnung des Volkes
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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