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Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.

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[Spaltenumbruch] nach sich; es war für Ruhe und Ordnung gewonnen als man der aka-
demischen Jugend die Mitwirkung an ihrer Wiederherstellung übertrug.
Soldaten! Wir hatten nie einen Grund euch feindlich gegenüber zu
stehen; sind doch unsere Wünsche, unsere Richtung gemeinsam, gleich
uns seyd ihr für zeitgemäße Entwicklung, wie ihr treu eurem Schwure
Blut und Leben zu opfern bereit seyd für den geliebten Monarchen und
seinen erlauchten Stamm, sind auch wir ihm ergeben in unwandelbarer
Treue. Das Band der Liebe und Eintracht zwischen dem Herrscher
und seinem Volke, nirgends in der weiten Welt so fest geschlungen als
in Oesterreich, ist durch die letzten Ereignisse nicht gelockert, es ist un-
auflöslich geworden durch die Erklärung des Monarchen für den Fort-
schritt, dessen Segnung sich über alle Stände verbreiten muß. Wir
ehren euch tapfere Krieger des constitutionellen Kaiserstaates! Dem
Volke entstammend, seyd und bleibt ihr ihm innig verwandt, ihr seyd
unser Stolz, unsere Zuversicht in äußern Stürmen, an eurer Seite
wollen wir kämpfen, von euch die Kraft der Einheit, den siegreichen
Gebrauch der Waffen uns aneignen, wenn es gilt zu schirmen Fürst
und Vaterland! (Wiener Z.)

Wir sind jetzt in den Honigwochen unseres
Bundes mit der Freiheit; es pulsirt lebendig in den Adern des Staats-
körpers, in den man das Reis der Freiheit gesenkt hat; je härter der
Winter, desto entzückender der Frühling. Es gilt jetzt den ganzen Staat
neu zu organisiren -- eine ungeheure Arbeit die Nachlassenschaft jenes
Ministers (vom Grafen Buquoy in einem so eben in der Bohemia mit-
getheilten Gedicht, "Fürst Mitternacht" genannt), dessen Sturz eine
ungeheure Rückwirkung auf alle europäischen Verhältnisse äußern muß.
Unnennbare Freude erfüllt uns daß unser gütiger Kaiser -- der immer
die Liebe seines Volkes gehabt hat, und für den jetzt alles hoch begei-
stert ist, weil man weiß daß wir besonders seinem edlen Herzen und
Willen die uns gewährten Güter verdanken -- eher als Preußen, das
immer vornehm auf uns herabsah, volle Preßfreiheit und Constitution
verliehen hat. Oesterreich muß sich jetzt riesengroß erheben! Nur ein
düsterer Schatten lauert im Hintergrunde: das Proletariat und die
Ansprüche der Bauern auf Ablösung der Robot. Dieser Sturm droht
übrigens mehr dem flachen Lande und den kleinen Städten, denn Prag
ist durch die bereits bewaffnete Communalgarde geschützt, der sich alle,
selbst hohe Adlige und die Gubernialräthe (welche auch Patrouillendienste
leisten) anschließen. Man hörte bis jetzt von keinen Excessen als einem
Krawall der Bürger von Tabor gegen die Juden. Die Gutsbesitzer
werden gewiß eine billige Ablösung der Robot beschleunigen, ja so
eben hat ein Graf (der Name wird uns verschieden angegeben) seinen
Grundholden die ganze Robot nachgelassen; ein Adliger in Prag gab
5000 fl. C. M. zur Vertheilung für verschämte Arme und nothleidende
Prager Bürger, mit der Weisung daß sie für das Wohl und die lange
Erhaltung unseres Monarchen beten; Fabrikbesitzer Pribram schenkte
seinen Arbeitern zur Feier der Preßfreiheit und Constitution die im
Winter gemachten Vorschüsse (1000 fl. C. M.), und ein Verein von
Frauen wird Beiträge zur Beschäftigung der Arbeiter sammeln. Viele
Bauern und Bürger kommen vom Lande nach Prag, und werden von
Gutgesinnten über die neue Gestaltung der Dinge gehörig belehrt. Dr.
Brauner erließ in der "Bohemia" einen Aufruf an die böhmischen
Bauern, der in ächter Volkssprache zu diesem edlen Zweck trefflich bei-
trägt. Sämmtliche Litteraten Prags kommen übermorgen zusammen
um über Abfassung tauglicher Volksschriften zu berathen. Ein Bauer
aus Zditz hörte von Tumulten in Prag, und schenkte, meinend daß
Mangel an Lebensmitteln entstehen könnte, 5000 Laib Brod zur Ver-
theilung an Arme. Die Accise an den Thoren zahlt wer zahlen will,
mit Gewalt wird nichts gefordert. Das Gewicht des Brodes hat zu-,
der Preis des Bieres abgenommen. Es ist eine Freude die Begeiste-
rung der Studirenden für den neuen Umschwung der Dinge zu sehen.
Die höhern Schulen sind geschlossen; die Studenten exercirten gestern
in den Höfen des Clementinums (ehemaligen Jesuitencollegiums) die
ganze Nacht hindurch. Im nämlichen Gebäude hielt Mittags unter
freiem Himmel ein Verein von Verehrern der böhmischen Sprache,
der sich zum Andenken an den Abend des 11 März unter dem Namen
"St. Wenzelsbrüderschaft" gebildet, seine erste Versammlung. (Ueber-
haupt ist unser ganzes Leben jetzt plötzlich ein öffentliches geworden.)
Vorstand ist der Schriftsteller Baron Villani, Protector Graf Albert
Deym. Die Theilnehmer tragen als Abzeichen einen filbernen Löwen
auf der linken Brust und ein einfaches rothes Kreuz am Arm. Der
Wenzelsverein ist heute schon 800 Mann stark, und dürfte bald auf
[Spaltenumbruch] 1000 steigen. So eben begrüßte er seine mit einem rothen Kreuz ge-
schmückte Fahne mit ungeheurem Jubel. Ueberhaupt bildet die Bür-
gerversammlung am 11 März im Wenzelsbade einen wichtigen Punkt
in unserer Geschichte. Die Veranlasser wagten ungeheuer viel, denn
Metternich war noch nicht gestürzt. Morgen früh 7 Uhr wird vor der
Säule auf dem Altstädter Ring und nächstens in der Teynkirche für
die am 13 März in Wien gefallenen Freiheitsopfer ein Requiem ge-
feiert werden. Der Vorschlag den Platz vor dem beinahe fertigen Mo-
nument am Kai Constitutionsplatz zu nennen, und statt der beab-
sichtigten Reiterstatue des Kaisers Franz die Bildsäule unseres gütigen
Ferdinand dort aufzustellen, findet allgemeinen Beifall. Die gestern
Abends unter Vorsitz unseres hochverehrten Schafarik stattgefundene
Versammlung von Litteraten, in welcher K. E. Ebert einen Vortrag
über das große Gut der Preßfreiheit hielt, und vorschlug sich gegen
den Mißbrauch der Presse zu verbrüdern, war sehr stürmisch nnd drohte
resultatlos zu werden; endlich vereinigte man sich über folgende von
Schafarik beantragte Formulirung: "Wir wollen uns moralisch ver-
einigen durch die freie Presse dahin zu wirken daß wir uns dieses
theure, unschätzbare Kleinod ungeschmälert erhalten, und uns dessen als
Mittel zur Verbreitung wahrer Bildung und Aufklärung, und in der
jetzigen bewegten Zeit vorzüglich zur Beruhigung des Volkes in vollem
Maße bedienen."



Schweiz.

Die Schweiz ist seit einem
halben Jahrhundert gewohnt ihre politischen Zustände nach denjenigen
Frankreichs zu richten; wir ahmen die Franzosen im Guten wie im
Schlimmen nach. Die erste französische Republik hatte die Einheits-
regierung in der Schweiz, das Kaiserreich die Mediation, die Rückkehr
der Bourbonen unsere Restauration, die Juliusrevolution unsere
Regeneration zur Folge; die im Februar zu Paris proclamirte neue Re-
publik wird zweifelsohne auch für unsere Eidgenossenschaft eine neue
Gestaltung hervorrufen. Die ohnehin obschwebende Bundesrevision
bietet einen natürlichen Anlaß hinzu, eine mehr centralisirte Schweiz
muß aus derselben hervorgehen. So ehrwürdig auch die halbtausend-
jährige Souveränetät der schweizerischen Orte dasteht, sie wird dem
Geiste einer Zeit nicht widerstehen können, welche ringsum nach natio-
naler Centralität
strebt. Hr. Huber-Saladin von Genf, wel-
cher sich in letzterer Zeit in Paris aufhielt, ist in einer politischen Mis-
sion von Paris in Bern angelangt; derselbe ist ein persönlicher
Freund Lamartine's, und bewirbt sich nebenbei um die durch den Tod-
fall des Hrn. v. Tschann erledigte schweizerische Geschäftsträgerstelle in
Paris; derselbe beschäftigt sich mit philanthropischen Studien, und ge-
hörte bis jetzt in politischer Beziehung keineswegs der extremen Partei
an. Wie man vernimmt soll einer der thätigsten radicalen Magistrate
aus der Schweiz ebenfalls nach Paris abgegangen seyn; die ra-
dicale Partei der französischen Schweiz in Verbindung mit Bern hat
in neuerer Zeit bedeutende Fortschritte gemacht, und dürfte mit ihren
Ideen über diejenige der deutschen Schweiz welche sich mehr um Zürich
gruppirt, das Uebergewicht davontragen. Die außerordentliche Mis-
sion des Mons. Luquet ist bis jetzt mit keinem Erfolg gekrönt
worden. Im Gegentheil die Verwickelungen haben sich zwischen den
Staatsregierungen und der katholischen Kirche nur vermehrt. Im
Wallis hat der Staatsrath die Vollziehung der Gesetze, wodurch die
Kirchengüter behändigt werden sollen, letzter Tage angeordnet; in Lu-
zern wurde im großen Rath die Aufhebung des St. Urban-Klosters,
welches 21/2 Millionen Franken besitzt, bereits beantragt; der Regie-
rungsrath dringt ferner bei dem Bischof von Basel auf die Absetzung
oder Versetzung von sieben Pfarrern, welche nach dem Rufe der abge-
tretenen Regierung im Sonderbundskriege thätig waren. Im Kan-
ton Freiburg dringt die Ultrapartei neuerdings auf Aufhebung sämmt-
licher Klöster und hat eine Adresse in diesem Sinn an die Regierung
erlassen. Diese kirchenfeindlichen Strebungen erscheinen in diesem Au-
genblick ziemlich unklug; dieselben dienen nur dazu das Gemüth des
katholischen Volkes aufzuregen. Es ist auch nicht leicht zu begreifen,
wie diese Klosteraufhebungsgelüste sich mit der noch bestehenden Bun-
desacte vertragen, welche die Klöster und Stifte förmlich garantirt.
Ueberhaupt hätten die schmerzlichen Folgen der Aargauischen Kloster-
aufhebung die radicale Partei eines bessern belehren sollen; wirklich
hört man daß mehrere einsichtsvollere Führer der herrschenden Partei

[Spaltenumbruch] nach ſich; es war für Ruhe und Ordnung gewonnen als man der aka-
demiſchen Jugend die Mitwirkung an ihrer Wiederherſtellung übertrug.
Soldaten! Wir hatten nie einen Grund euch feindlich gegenüber zu
ſtehen; ſind doch unſere Wünſche, unſere Richtung gemeinſam, gleich
uns ſeyd ihr für zeitgemäße Entwicklung, wie ihr treu eurem Schwure
Blut und Leben zu opfern bereit ſeyd für den geliebten Monarchen und
ſeinen erlauchten Stamm, ſind auch wir ihm ergeben in unwandelbarer
Treue. Das Band der Liebe und Eintracht zwiſchen dem Herrſcher
und ſeinem Volke, nirgends in der weiten Welt ſo feſt geſchlungen als
in Oeſterreich, iſt durch die letzten Ereigniſſe nicht gelockert, es iſt un-
auflöslich geworden durch die Erklärung des Monarchen für den Fort-
ſchritt, deſſen Segnung ſich über alle Stände verbreiten muß. Wir
ehren euch tapfere Krieger des conſtitutionellen Kaiſerſtaates! Dem
Volke entſtammend, ſeyd und bleibt ihr ihm innig verwandt, ihr ſeyd
unſer Stolz, unſere Zuverſicht in äußern Stürmen, an eurer Seite
wollen wir kämpfen, von euch die Kraft der Einheit, den ſiegreichen
Gebrauch der Waffen uns aneignen, wenn es gilt zu ſchirmen Fürſt
und Vaterland! (Wiener Z.)

Wir ſind jetzt in den Honigwochen unſeres
Bundes mit der Freiheit; es pulſirt lebendig in den Adern des Staats-
körpers, in den man das Reis der Freiheit geſenkt hat; je härter der
Winter, deſto entzückender der Frühling. Es gilt jetzt den ganzen Staat
neu zu organiſiren — eine ungeheure Arbeit die Nachlaſſenſchaft jenes
Miniſters (vom Grafen Buquoy in einem ſo eben in der Bohemia mit-
getheilten Gedicht, „Fürſt Mitternacht“ genannt), deſſen Sturz eine
ungeheure Rückwirkung auf alle europäiſchen Verhältniſſe äußern muß.
Unnennbare Freude erfüllt uns daß unſer gütiger Kaiſer — der immer
die Liebe ſeines Volkes gehabt hat, und für den jetzt alles hoch begei-
ſtert iſt, weil man weiß daß wir beſonders ſeinem edlen Herzen und
Willen die uns gewährten Güter verdanken — eher als Preußen, das
immer vornehm auf uns herabſah, volle Preßfreiheit und Conſtitution
verliehen hat. Oeſterreich muß ſich jetzt rieſengroß erheben! Nur ein
düſterer Schatten lauert im Hintergrunde: das Proletariat und die
Anſprüche der Bauern auf Ablöſung der Robot. Dieſer Sturm droht
übrigens mehr dem flachen Lande und den kleinen Städten, denn Prag
iſt durch die bereits bewaffnete Communalgarde geſchützt, der ſich alle,
ſelbſt hohe Adlige und die Gubernialräthe (welche auch Patrouillendienſte
leiſten) anſchließen. Man hörte bis jetzt von keinen Exceſſen als einem
Krawall der Bürger von Tabor gegen die Juden. Die Gutsbeſitzer
werden gewiß eine billige Ablöſung der Robot beſchleunigen, ja ſo
eben hat ein Graf (der Name wird uns verſchieden angegeben) ſeinen
Grundholden die ganze Robot nachgelaſſen; ein Adliger in Prag gab
5000 fl. C. M. zur Vertheilung für verſchämte Arme und nothleidende
Prager Bürger, mit der Weiſung daß ſie für das Wohl und die lange
Erhaltung unſeres Monarchen beten; Fabrikbeſitzer Pribram ſchenkte
ſeinen Arbeitern zur Feier der Preßfreiheit und Conſtitution die im
Winter gemachten Vorſchüſſe (1000 fl. C. M.), und ein Verein von
Frauen wird Beiträge zur Beſchäftigung der Arbeiter ſammeln. Viele
Bauern und Bürger kommen vom Lande nach Prag, und werden von
Gutgeſinnten über die neue Geſtaltung der Dinge gehörig belehrt. Dr.
Brauner erließ in der „Bohemia“ einen Aufruf an die böhmiſchen
Bauern, der in ächter Volksſprache zu dieſem edlen Zweck trefflich bei-
trägt. Sämmtliche Litteraten Prags kommen übermorgen zuſammen
um über Abfaſſung tauglicher Volksſchriften zu berathen. Ein Bauer
aus Zditz hörte von Tumulten in Prag, und ſchenkte, meinend daß
Mangel an Lebensmitteln entſtehen könnte, 5000 Laib Brod zur Ver-
theilung an Arme. Die Acciſe an den Thoren zahlt wer zahlen will,
mit Gewalt wird nichts gefordert. Das Gewicht des Brodes hat zu-,
der Preis des Bieres abgenommen. Es iſt eine Freude die Begeiſte-
rung der Studirenden für den neuen Umſchwung der Dinge zu ſehen.
Die höhern Schulen ſind geſchloſſen; die Studenten exercirten geſtern
in den Höfen des Clementinums (ehemaligen Jeſuitencollegiums) die
ganze Nacht hindurch. Im nämlichen Gebäude hielt Mittags unter
freiem Himmel ein Verein von Verehrern der böhmiſchen Sprache,
der ſich zum Andenken an den Abend des 11 März unter dem Namen
„St. Wenzelsbrüderſchaft“ gebildet, ſeine erſte Verſammlung. (Ueber-
haupt iſt unſer ganzes Leben jetzt plötzlich ein öffentliches geworden.)
Vorſtand iſt der Schriftſteller Baron Villani, Protector Graf Albert
Deym. Die Theilnehmer tragen als Abzeichen einen filbernen Löwen
auf der linken Bruſt und ein einfaches rothes Kreuz am Arm. Der
Wenzelsverein iſt heute ſchon 800 Mann ſtark, und dürfte bald auf
[Spaltenumbruch] 1000 ſteigen. So eben begrüßte er ſeine mit einem rothen Kreuz ge-
ſchmückte Fahne mit ungeheurem Jubel. Ueberhaupt bildet die Bür-
gerverſammlung am 11 März im Wenzelsbade einen wichtigen Punkt
in unſerer Geſchichte. Die Veranlaſſer wagten ungeheuer viel, denn
Metternich war noch nicht geſtürzt. Morgen früh 7 Uhr wird vor der
Säule auf dem Altſtädter Ring und nächſtens in der Teynkirche für
die am 13 März in Wien gefallenen Freiheitsopfer ein Requiem ge-
feiert werden. Der Vorſchlag den Platz vor dem beinahe fertigen Mo-
nument am Kai Conſtitutionsplatz zu nennen, und ſtatt der beab-
ſichtigten Reiterſtatue des Kaiſers Franz die Bildſäule unſeres gütigen
Ferdinand dort aufzuſtellen, findet allgemeinen Beifall. Die geſtern
Abends unter Vorſitz unſeres hochverehrten Schafarik ſtattgefundene
Verſammlung von Litteraten, in welcher K. E. Ebert einen Vortrag
über das große Gut der Preßfreiheit hielt, und vorſchlug ſich gegen
den Mißbrauch der Preſſe zu verbrüdern, war ſehr ſtürmiſch nnd drohte
reſultatlos zu werden; endlich vereinigte man ſich über folgende von
Schafarik beantragte Formulirung: „Wir wollen uns moraliſch ver-
einigen durch die freie Preſſe dahin zu wirken daß wir uns dieſes
theure, unſchätzbare Kleinod ungeſchmälert erhalten, und uns deſſen als
Mittel zur Verbreitung wahrer Bildung und Aufklärung, und in der
jetzigen bewegten Zeit vorzüglich zur Beruhigung des Volkes in vollem
Maße bedienen.“



Schweiz.

Die Schweiz iſt ſeit einem
halben Jahrhundert gewohnt ihre politiſchen Zuſtände nach denjenigen
Frankreichs zu richten; wir ahmen die Franzoſen im Guten wie im
Schlimmen nach. Die erſte franzöſiſche Republik hatte die Einheits-
regierung in der Schweiz, das Kaiſerreich die Mediation, die Rückkehr
der Bourbonen unſere Reſtauration, die Juliusrevolution unſere
Regeneration zur Folge; die im Februar zu Paris proclamirte neue Re-
publik wird zweifelsohne auch für unſere Eidgenoſſenſchaft eine neue
Geſtaltung hervorrufen. Die ohnehin obſchwebende Bundesreviſion
bietet einen natürlichen Anlaß hinzu, eine mehr centraliſirte Schweiz
muß aus derſelben hervorgehen. So ehrwürdig auch die halbtauſend-
jährige Souveränetät der ſchweizeriſchen Orte daſteht, ſie wird dem
Geiſte einer Zeit nicht widerſtehen können, welche ringsum nach natio-
naler Centralität
ſtrebt. Hr. Huber-Saladin von Genf, wel-
cher ſich in letzterer Zeit in Paris aufhielt, iſt in einer politiſchen Miſ-
ſion von Paris in Bern angelangt; derſelbe iſt ein perſönlicher
Freund Lamartine’s, und bewirbt ſich nebenbei um die durch den Tod-
fall des Hrn. v. Tſchann erledigte ſchweizeriſche Geſchäftsträgerſtelle in
Paris; derſelbe beſchäftigt ſich mit philanthropiſchen Studien, und ge-
hörte bis jetzt in politiſcher Beziehung keineswegs der extremen Partei
an. Wie man vernimmt ſoll einer der thätigſten radicalen Magiſtrate
aus der Schweiz ebenfalls nach Paris abgegangen ſeyn; die ra-
dicale Partei der franzöſiſchen Schweiz in Verbindung mit Bern hat
in neuerer Zeit bedeutende Fortſchritte gemacht, und dürfte mit ihren
Ideen über diejenige der deutſchen Schweiz welche ſich mehr um Zürich
gruppirt, das Uebergewicht davontragen. Die außerordentliche Miſ-
ſion des Monſ. Luquet iſt bis jetzt mit keinem Erfolg gekrönt
worden. Im Gegentheil die Verwickelungen haben ſich zwiſchen den
Staatsregierungen und der katholiſchen Kirche nur vermehrt. Im
Wallis hat der Staatsrath die Vollziehung der Geſetze, wodurch die
Kirchengüter behändigt werden ſollen, letzter Tage angeordnet; in Lu-
zern wurde im großen Rath die Aufhebung des St. Urban-Kloſters,
welches 2½ Millionen Franken beſitzt, bereits beantragt; der Regie-
rungsrath dringt ferner bei dem Biſchof von Baſel auf die Abſetzung
oder Verſetzung von ſieben Pfarrern, welche nach dem Rufe der abge-
tretenen Regierung im Sonderbundskriege thätig waren. Im Kan-
ton Freiburg dringt die Ultrapartei neuerdings auf Aufhebung ſämmt-
licher Klöſter und hat eine Adreſſe in dieſem Sinn an die Regierung
erlaſſen. Dieſe kirchenfeindlichen Strebungen erſcheinen in dieſem Au-
genblick ziemlich unklug; dieſelben dienen nur dazu das Gemüth des
katholiſchen Volkes aufzuregen. Es iſt auch nicht leicht zu begreifen,
wie dieſe Kloſteraufhebungsgelüſte ſich mit der noch beſtehenden Bun-
desacte vertragen, welche die Klöſter und Stifte förmlich garantirt.
Ueberhaupt hätten die ſchmerzlichen Folgen der Aargauiſchen Kloſter-
aufhebung die radicale Partei eines beſſern belehren ſollen; wirklich
hört man daß mehrere einſichtsvollere Führer der herrſchenden Partei

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[1339/0011] nach ſich; es war für Ruhe und Ordnung gewonnen als man der aka- demiſchen Jugend die Mitwirkung an ihrer Wiederherſtellung übertrug. Soldaten! Wir hatten nie einen Grund euch feindlich gegenüber zu ſtehen; ſind doch unſere Wünſche, unſere Richtung gemeinſam, gleich uns ſeyd ihr für zeitgemäße Entwicklung, wie ihr treu eurem Schwure Blut und Leben zu opfern bereit ſeyd für den geliebten Monarchen und ſeinen erlauchten Stamm, ſind auch wir ihm ergeben in unwandelbarer Treue. Das Band der Liebe und Eintracht zwiſchen dem Herrſcher und ſeinem Volke, nirgends in der weiten Welt ſo feſt geſchlungen als in Oeſterreich, iſt durch die letzten Ereigniſſe nicht gelockert, es iſt un- auflöslich geworden durch die Erklärung des Monarchen für den Fort- ſchritt, deſſen Segnung ſich über alle Stände verbreiten muß. Wir ehren euch tapfere Krieger des conſtitutionellen Kaiſerſtaates! Dem Volke entſtammend, ſeyd und bleibt ihr ihm innig verwandt, ihr ſeyd unſer Stolz, unſere Zuverſicht in äußern Stürmen, an eurer Seite wollen wir kämpfen, von euch die Kraft der Einheit, den ſiegreichen Gebrauch der Waffen uns aneignen, wenn es gilt zu ſchirmen Fürſt und Vaterland! (Wiener Z.) ∆ Prag, 19 März.Wir ſind jetzt in den Honigwochen unſeres Bundes mit der Freiheit; es pulſirt lebendig in den Adern des Staats- körpers, in den man das Reis der Freiheit geſenkt hat; je härter der Winter, deſto entzückender der Frühling. Es gilt jetzt den ganzen Staat neu zu organiſiren — eine ungeheure Arbeit die Nachlaſſenſchaft jenes Miniſters (vom Grafen Buquoy in einem ſo eben in der Bohemia mit- getheilten Gedicht, „Fürſt Mitternacht“ genannt), deſſen Sturz eine ungeheure Rückwirkung auf alle europäiſchen Verhältniſſe äußern muß. Unnennbare Freude erfüllt uns daß unſer gütiger Kaiſer — der immer die Liebe ſeines Volkes gehabt hat, und für den jetzt alles hoch begei- ſtert iſt, weil man weiß daß wir beſonders ſeinem edlen Herzen und Willen die uns gewährten Güter verdanken — eher als Preußen, das immer vornehm auf uns herabſah, volle Preßfreiheit und Conſtitution verliehen hat. Oeſterreich muß ſich jetzt rieſengroß erheben! Nur ein düſterer Schatten lauert im Hintergrunde: das Proletariat und die Anſprüche der Bauern auf Ablöſung der Robot. Dieſer Sturm droht übrigens mehr dem flachen Lande und den kleinen Städten, denn Prag iſt durch die bereits bewaffnete Communalgarde geſchützt, der ſich alle, ſelbſt hohe Adlige und die Gubernialräthe (welche auch Patrouillendienſte leiſten) anſchließen. Man hörte bis jetzt von keinen Exceſſen als einem Krawall der Bürger von Tabor gegen die Juden. Die Gutsbeſitzer werden gewiß eine billige Ablöſung der Robot beſchleunigen, ja ſo eben hat ein Graf (der Name wird uns verſchieden angegeben) ſeinen Grundholden die ganze Robot nachgelaſſen; ein Adliger in Prag gab 5000 fl. C. M. zur Vertheilung für verſchämte Arme und nothleidende Prager Bürger, mit der Weiſung daß ſie für das Wohl und die lange Erhaltung unſeres Monarchen beten; Fabrikbeſitzer Pribram ſchenkte ſeinen Arbeitern zur Feier der Preßfreiheit und Conſtitution die im Winter gemachten Vorſchüſſe (1000 fl. C. M.), und ein Verein von Frauen wird Beiträge zur Beſchäftigung der Arbeiter ſammeln. Viele Bauern und Bürger kommen vom Lande nach Prag, und werden von Gutgeſinnten über die neue Geſtaltung der Dinge gehörig belehrt. Dr. Brauner erließ in der „Bohemia“ einen Aufruf an die böhmiſchen Bauern, der in ächter Volksſprache zu dieſem edlen Zweck trefflich bei- trägt. Sämmtliche Litteraten Prags kommen übermorgen zuſammen um über Abfaſſung tauglicher Volksſchriften zu berathen. Ein Bauer aus Zditz hörte von Tumulten in Prag, und ſchenkte, meinend daß Mangel an Lebensmitteln entſtehen könnte, 5000 Laib Brod zur Ver- theilung an Arme. Die Acciſe an den Thoren zahlt wer zahlen will, mit Gewalt wird nichts gefordert. Das Gewicht des Brodes hat zu-, der Preis des Bieres abgenommen. Es iſt eine Freude die Begeiſte- rung der Studirenden für den neuen Umſchwung der Dinge zu ſehen. Die höhern Schulen ſind geſchloſſen; die Studenten exercirten geſtern in den Höfen des Clementinums (ehemaligen Jeſuitencollegiums) die ganze Nacht hindurch. Im nämlichen Gebäude hielt Mittags unter freiem Himmel ein Verein von Verehrern der böhmiſchen Sprache, der ſich zum Andenken an den Abend des 11 März unter dem Namen „St. Wenzelsbrüderſchaft“ gebildet, ſeine erſte Verſammlung. (Ueber- haupt iſt unſer ganzes Leben jetzt plötzlich ein öffentliches geworden.) Vorſtand iſt der Schriftſteller Baron Villani, Protector Graf Albert Deym. Die Theilnehmer tragen als Abzeichen einen filbernen Löwen auf der linken Bruſt und ein einfaches rothes Kreuz am Arm. Der Wenzelsverein iſt heute ſchon 800 Mann ſtark, und dürfte bald auf 1000 ſteigen. So eben begrüßte er ſeine mit einem rothen Kreuz ge- ſchmückte Fahne mit ungeheurem Jubel. Ueberhaupt bildet die Bür- gerverſammlung am 11 März im Wenzelsbade einen wichtigen Punkt in unſerer Geſchichte. Die Veranlaſſer wagten ungeheuer viel, denn Metternich war noch nicht geſtürzt. Morgen früh 7 Uhr wird vor der Säule auf dem Altſtädter Ring und nächſtens in der Teynkirche für die am 13 März in Wien gefallenen Freiheitsopfer ein Requiem ge- feiert werden. Der Vorſchlag den Platz vor dem beinahe fertigen Mo- nument am Kai Conſtitutionsplatz zu nennen, und ſtatt der beab- ſichtigten Reiterſtatue des Kaiſers Franz die Bildſäule unſeres gütigen Ferdinand dort aufzuſtellen, findet allgemeinen Beifall. Die geſtern Abends unter Vorſitz unſeres hochverehrten Schafarik ſtattgefundene Verſammlung von Litteraten, in welcher K. E. Ebert einen Vortrag über das große Gut der Preßfreiheit hielt, und vorſchlug ſich gegen den Mißbrauch der Preſſe zu verbrüdern, war ſehr ſtürmiſch nnd drohte reſultatlos zu werden; endlich vereinigte man ſich über folgende von Schafarik beantragte Formulirung: „Wir wollen uns moraliſch ver- einigen durch die freie Preſſe dahin zu wirken daß wir uns dieſes theure, unſchätzbare Kleinod ungeſchmälert erhalten, und uns deſſen als Mittel zur Verbreitung wahrer Bildung und Aufklärung, und in der jetzigen bewegten Zeit vorzüglich zur Beruhigung des Volkes in vollem Maße bedienen.“ Schweiz. † Von der Aare, 18 März.Die Schweiz iſt ſeit einem halben Jahrhundert gewohnt ihre politiſchen Zuſtände nach denjenigen Frankreichs zu richten; wir ahmen die Franzoſen im Guten wie im Schlimmen nach. Die erſte franzöſiſche Republik hatte die Einheits- regierung in der Schweiz, das Kaiſerreich die Mediation, die Rückkehr der Bourbonen unſere Reſtauration, die Juliusrevolution unſere Regeneration zur Folge; die im Februar zu Paris proclamirte neue Re- publik wird zweifelsohne auch für unſere Eidgenoſſenſchaft eine neue Geſtaltung hervorrufen. Die ohnehin obſchwebende Bundesreviſion bietet einen natürlichen Anlaß hinzu, eine mehr centraliſirte Schweiz muß aus derſelben hervorgehen. So ehrwürdig auch die halbtauſend- jährige Souveränetät der ſchweizeriſchen Orte daſteht, ſie wird dem Geiſte einer Zeit nicht widerſtehen können, welche ringsum nach natio- naler Centralität ſtrebt. Hr. Huber-Saladin von Genf, wel- cher ſich in letzterer Zeit in Paris aufhielt, iſt in einer politiſchen Miſ- ſion von Paris in Bern angelangt; derſelbe iſt ein perſönlicher Freund Lamartine’s, und bewirbt ſich nebenbei um die durch den Tod- fall des Hrn. v. Tſchann erledigte ſchweizeriſche Geſchäftsträgerſtelle in Paris; derſelbe beſchäftigt ſich mit philanthropiſchen Studien, und ge- hörte bis jetzt in politiſcher Beziehung keineswegs der extremen Partei an. Wie man vernimmt ſoll einer der thätigſten radicalen Magiſtrate aus der Schweiz ebenfalls nach Paris abgegangen ſeyn; die ra- dicale Partei der franzöſiſchen Schweiz in Verbindung mit Bern hat in neuerer Zeit bedeutende Fortſchritte gemacht, und dürfte mit ihren Ideen über diejenige der deutſchen Schweiz welche ſich mehr um Zürich gruppirt, das Uebergewicht davontragen. Die außerordentliche Miſ- ſion des Monſ. Luquet iſt bis jetzt mit keinem Erfolg gekrönt worden. Im Gegentheil die Verwickelungen haben ſich zwiſchen den Staatsregierungen und der katholiſchen Kirche nur vermehrt. Im Wallis hat der Staatsrath die Vollziehung der Geſetze, wodurch die Kirchengüter behändigt werden ſollen, letzter Tage angeordnet; in Lu- zern wurde im großen Rath die Aufhebung des St. Urban-Kloſters, welches 2½ Millionen Franken beſitzt, bereits beantragt; der Regie- rungsrath dringt ferner bei dem Biſchof von Baſel auf die Abſetzung oder Verſetzung von ſieben Pfarrern, welche nach dem Rufe der abge- tretenen Regierung im Sonderbundskriege thätig waren. Im Kan- ton Freiburg dringt die Ultrapartei neuerdings auf Aufhebung ſämmt- licher Klöſter und hat eine Adreſſe in dieſem Sinn an die Regierung erlaſſen. Dieſe kirchenfeindlichen Strebungen erſcheinen in dieſem Au- genblick ziemlich unklug; dieſelben dienen nur dazu das Gemüth des katholiſchen Volkes aufzuregen. Es iſt auch nicht leicht zu begreifen, wie dieſe Kloſteraufhebungsgelüſte ſich mit der noch beſtehenden Bun- desacte vertragen, welche die Klöſter und Stifte förmlich garantirt. Ueberhaupt hätten die ſchmerzlichen Folgen der Aargauiſchen Kloſter- aufhebung die radicale Partei eines beſſern belehren ſollen; wirklich hört man daß mehrere einſichtsvollere Führer der herrſchenden Partei

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848, S. 1339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine84_1848/11>, abgerufen am 21.11.2024.