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Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.

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[Spaltenumbruch] mit diesem Ansinnen keineswegs einverstanden sind, und daß dieselben,
jedoch mit wenig Erfolg, zu einem gemäßigteren Verhalten gerathen
haben. In dieser Beziehung wird besonders das vermittelnde Auftre-
ten des Hrn. Schultheißen Kopp von Luzern hervorgehoben. Im Pro-
ject der neuen Bundesurkunde ist jedoch die Klostergarantie bereits
unterdrückt, und somit scheint das Wetterglas für die katholischen Stif-
tungen in der Schweiz auf Sturm zu deuten.

Die Bundesrevisionscommission ist unaus-
gesetzt mit der Lösung ihrer schwierigen Aufgabe beschäftigt. In der-
selben sind nunmehr sämmtliche Stände vertreten mit alleiniger Aus-
nahme Neuenburgs, welches nach geschehener Reconstituirung ohne
Zweifel ebenfalls zu einer Revision Hand bieten wird. Die Arbeiten
der Commission schreiten äußerst langsam vor, überall stößt man auf
Widerspruch, und über die wichtigsten politischen und materiellen Fragen
herrscht eine solche Verschiedenheit der Ansichten daß eine Vereinbarung
beinahe unmöglich scheint. Kein Wunder wenn unter diesen nichts
weniger als erfreulichen Auspicien der Gedanke sich kundgibt und Wurzel
faßt daß die Revisionscommission in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht
geeignet sey die Bundesreform auf eine den Bedürfnissen der Zeit ent-
sprechende Weise zu bewerkstelligen und durchzuführen. Wirklich läßt
sich nicht in Abrede stellen daß eine Tagsatzungscommission, zusammen-
gesetzt aus den ersten Gesandten der betreffenden Kantone, welche sich
mehr oder weniger durch die Interessen und Rücksichten der Stände ge-
bunden fühlen die sie vertreten, und Gefahr laufen müssen sich den Tadel
ihrer Constituenten zuzuziehen wenn sie den hergebrachten Rechten in
etwas vergeben -- sich nicht in der Lage befindet die Sonderinteressen
der einzelnen Stände den allgemeinen Bundeszwecken unterzuordnen,
und das Revisionswerk auf solche Grundlagen zu basiren welche der
schweizerischen Nation eine festere und kräftigere Stellung nach innen
wie nach außen zu verleihen geeignet wären. Denn wenn auch die Mit-
glieder der Commission an keine bestimmten Instructionen gebunden
sind, so sind sie gleichwohl schon vermöge ihrer Eigenschaft als Magistrate
und Abgesandte ihrer Kantone gezwungen sich allzusehr durch Kantonal-
rücksichten leiten zu lassen, während ein direct von dem Volke gewählter
Ausschuß eine weit unabhängigere und freiere Stellung einnehmen würde
und daher auch viel eher im Stande wäre das Revisionswerk auf eine
den Gesammtinteressen der schweizerischen Nation entsprechende Weise zu
vollbringen. Wir geben zwar zu daß ein solcher Nationalcongreß nicht
ganz in Einklang stünde mit den bisherigen föderativen Principien, und
daß namentlich die Vertheidiger der Kantonalsouveränetät sich schwerlich
hiermit einverstanden erklären werden. Allein die jüngsten allgewaltigen
Ereignisse haben so mächtig gewirkt und einen solchen Umschwung in den
Ideen und Grundsätzen hervorgebracht, daß die Einsetzung eines schweize-
rischen Verfassungsraths beinahe als eine politische Nothwendigkeit er-
scheint. (Deutsche Ztg.)

In Neuenburg ist die Ruhe nicht weiter
gestört worden. Der Bezirk la Sagne ist militärisch occupirt und ent-
waffnet. Die Wahlen in den Verfassungsrath, welche am 17 d. statt-
fanden, sind in ihrer großen Mehrzahl in liberalem Sinn ausgefallen.
Von 89 zu wählenden Mitgliedern sind 72 bekannt. Unter ihnen
finden sich nur vier Royalisten; die übrigen sind Republicaner. In
mehreren Bezirken haben sich die königlich Gesinnten der Abstimmung
enthalten. So waren in der Stadt Neuenburg nur 123 Wähler an-
wesend; in Lachauxdefonds dagegen fielen auf die liberalen Candida-
ten nahe an 800 Stimmen. Ueber das Verhältniß der Eidgenossen-
schaft gegenüber Neuenburg spricht sich der radicale Erzähler von
St. Gallen so aus: "Sicher ist daß die Tagsatzung eine Verfassung
die dem Fürsten von Neuenburg Rechte einräumte, garantirte; ferner
daß sie 1831 die alte Regierung wieder auf die Sessel erhob; daß sie
Pfuel in amtlichen Actenstücken mit sich unterhandeln ließ, und daß
trotz der richtigen Bemerkungen Genfs in die jüngste Antwortsnote
der Tagsatzung an Preußen ein Passus über königliche Rechte hinein-
kam. Wir befürchten deßhalb zwar keinen Krieg, sehen aber die
Dinge nicht so glaslauter an wie andere Publicisten. Das beste wäre
ein gütlicher Loskauf, zu welchem die Neuenburger das meiste, die
Schweizer aber etwas beitrügen. Die gänzliche Incorporation in die
Schweiz ist des größten Opfers werth, weil sein Zwitterverhältniß die
verwundbarste Seite der unentbehrlichsten und schönsten Militärgränze
der Schweiz war." In Freiburg ist die neue Verfassung, ohne daß sie
dem Volke zur Genehmigung vorgelegt wurde, in Kraft. Dieser un-
republicanische Act, hervorgerufen von der Befürchtung die Verfas-
[Spaltenumbruch] sung möchte verworfen, oder doch das Land, das jetzt der Ruhe bedürfe,
in große Aufregung versetzt werden, hat besonders im Bezirk Murten
energische Demonstrationen des Unwillens und Mißtrauens veranlaßt.
Da die Geistlichkeit in Wallis den eingeräumten Termin von vierzehn
Tagen, um sich mit 1,500,000 Franken loszukaufen, unbenutzt hat
verstreichen lassen, so wird nun das Decret, wornach alle Güter der
Geistlichkeit für Staatseigenthum erklärt werden, exequirt. Durch
Trommelschlag und mit dem Waibel in der Standesfarbe wurden die
Liebhaber welche geneigt seyen Güter der Geistlichkeit zu pachten, ein-
geladen sich hiefür einschreiben zu lassen. Trotz dem Rundschreiben
des Bischofs an die Geistlichkeit allen die Absolution zu verweigern
welche sich an dem Eigenthum der Kirche vergreifen, haben sich schon
weit mehr Liebhaber eingefunden als man je erwortet hatte. Einiges
Aufsehen macht hier das Ergebniß der Wahlen im Kanton Schwyz in
den Kantonsrath welche über zwei Drittel im Sinne der Sonderbundspar-
tei ausgefallen sind. Sogar die beiden jetzigen Tagsatzungsgesandten
sind durchgefallen. Die Bundesrevisionscommission schreitet nur sehr lang-
sam in ihren Arbeiten vor. An der Aufnahme einer Nationalvertretung in
das Project ist kaum mehr zu zweifeln. Die mit der Frage des Reprä-
sentativsystems beauftragte Commission hat sich dahin verständigt: 1)
daß in Bundesangelegenheiten eine Repräsentation der schweizerischen
Nation nach dem Maßstabe der Bevölkerung (auf 20,000 Seelen ein
Abgeordneter) eingeführt werde (Repräsentantenkammer); 2) daß ne-
ben dieser Repräsentantenkammer noch eine Vertretung der Kantone
nach gleichem Stimmrecht (Tagsatzung) beibehalten werde, welche den
kleinen Kantonen gegen die gefürchtete Uebermacht der großen Garantie
gebe; 3) daß die Competenzen möglichst genau bestimmt, die Befug-
nisse der einen und andern dieser Abtheilungen der obersten Bundes-
versammlung genau ausgeschieden werden sollen, um Conflicten und
zugleich der besorgten Verschleppung der Geschäfte entgegenzuwirken.
Heute findet hier eine Versammlung deutscher Arbeiter statt zur Bera-
thung und Unterzeichnung einer Adresse (die Ausschreibung sagt nicht,
an wen?) um darin den Willen und die Interessen der Arbeiter
in die Wagschale der deutschen Einheit zu legen. Auch hat der hiesige
deutsche Handwerkerverein eine Deputation an die Volksversammlung
nach Offenburg abgeschickt um daselbst für eine deutsche Republik zu
wirken.

Belgien.

Seitdem ich in meinem letzten Schrei-
ben auf die Gefahren hindeutete die der innern Ruhe Belgiens aus
der Arbeitslosigkeit der untern Classen drohen, sind schon Ereignisse
eingetreten die Besorgnisse einflößen. In Gent kam es vorgestern zu
wirklichen Unruhen und einem Angriffe auf das Haus der Jesuiten.
Die öffentliche Macht hat zwar bald die Ordnung wiederhergestellt,
aber es ist leider dabei offenbar geworden daß sich unter den Arbeits-
losen manche befinden die sich leicht verführen lassen. Der ganze
Tumult ist von einigen wenigen Individuen angezettelt gewesen. Man
hat einigen aus dem Volke Geld in die Hände gedrückt um sie zur
Meuterei aufzumuntern. Zwei Aufhetzer, wohlgekleidete Männer, und
wahrscheinlich keine Belgier, waren mit der Eisenbahn von Brüssel
angekommen und hatten die Stadt schon wieder verlassen als der Tu-
mult ausbrach. Einige Individuen sind verhaftet, und eine Kneipe,
wo sich die Ruhestörer versammelten, ist geschlossen worden. Das Be-
unruhigende aber ist daß mehr und mehr die Genter Fabrikherren ihre
Arbeiten einstellen, mithin der Gährungsstoff sich in den Massen
mehren muß. Die Genter kommen dabei, so oft ihre Klagen laut
werden, jedesmal auf das Begehren einer Zollvereinigung mit Frank-
reich zurück, weil nur dadurch ihrer Industrie geholfen werden könne.
Hierum geht man daher auch jetzt die Regierung wieder an; was
kann sie aber in dieser Frage thun? Abgesehen von den politischen
Bedenken die hierin obwalten, läßt sich auch von Frankreich am we-
nigsten in diesem Augenblick etwas erwarten. Es liegt zu sehr in
innern Verlegenheiten verstrickt, und die gepriesene Organisation der
Arbeit, wie man sie dort beabsichtigt, wird schwerlich ein anderes Re-
sultat haben als die Arbeit unfreier und theuerer zu machen, mit-
hin zur Nothwendigkeit eines noch stärkern Schutzes gegen das Aus-
land führen. In Gent ist man indessen auf die Idee einer Zollver-
einigung mit Frankreich so erpicht daß Fabrikanten im Verdacht ste-
hen ihre Werkhäuser absichtlich zu schließen, um mit Gewalt die Me-
gierung in diese Bahn hineinzudrängen. Nach Gent hatte nun ge-

[Spaltenumbruch] mit dieſem Anſinnen keineswegs einverſtanden ſind, und daß dieſelben,
jedoch mit wenig Erfolg, zu einem gemäßigteren Verhalten gerathen
haben. In dieſer Beziehung wird beſonders das vermittelnde Auftre-
ten des Hrn. Schultheißen Kopp von Luzern hervorgehoben. Im Pro-
ject der neuen Bundesurkunde iſt jedoch die Kloſtergarantie bereits
unterdrückt, und ſomit ſcheint das Wetterglas für die katholiſchen Stif-
tungen in der Schweiz auf Sturm zu deuten.

Die Bundesreviſionscommiſſion iſt unaus-
geſetzt mit der Löſung ihrer ſchwierigen Aufgabe beſchäftigt. In der-
ſelben ſind nunmehr ſämmtliche Stände vertreten mit alleiniger Aus-
nahme Neuenburgs, welches nach geſchehener Reconſtituirung ohne
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der Commiſſion ſchreiten äußerſt langſam vor, überall ſtößt man auf
Widerſpruch, und über die wichtigſten politiſchen und materiellen Fragen
herrſcht eine ſolche Verſchiedenheit der Anſichten daß eine Vereinbarung
beinahe unmöglich ſcheint. Kein Wunder wenn unter dieſen nichts
weniger als erfreulichen Auſpicien der Gedanke ſich kundgibt und Wurzel
faßt daß die Reviſionscommiſſion in ihrer gegenwärtigen Geſtalt nicht
geeignet ſey die Bundesreform auf eine den Bedürfniſſen der Zeit ent-
ſprechende Weiſe zu bewerkſtelligen und durchzuführen. Wirklich läßt
ſich nicht in Abrede ſtellen daß eine Tagſatzungscommiſſion, zuſammen-
geſetzt aus den erſten Geſandten der betreffenden Kantone, welche ſich
mehr oder weniger durch die Intereſſen und Rückſichten der Stände ge-
bunden fühlen die ſie vertreten, und Gefahr laufen müſſen ſich den Tadel
ihrer Conſtituenten zuzuziehen wenn ſie den hergebrachten Rechten in
etwas vergeben — ſich nicht in der Lage befindet die Sonderintereſſen
der einzelnen Stände den allgemeinen Bundeszwecken unterzuordnen,
und das Reviſionswerk auf ſolche Grundlagen zu baſiren welche der
ſchweizeriſchen Nation eine feſtere und kräftigere Stellung nach innen
wie nach außen zu verleihen geeignet wären. Denn wenn auch die Mit-
glieder der Commiſſion an keine beſtimmten Inſtructionen gebunden
ſind, ſo ſind ſie gleichwohl ſchon vermöge ihrer Eigenſchaft als Magiſtrate
und Abgeſandte ihrer Kantone gezwungen ſich allzuſehr durch Kantonal-
rückſichten leiten zu laſſen, während ein direct von dem Volke gewählter
Ausſchuß eine weit unabhängigere und freiere Stellung einnehmen würde
und daher auch viel eher im Stande wäre das Reviſionswerk auf eine
den Geſammtintereſſen der ſchweizeriſchen Nation entſprechende Weiſe zu
vollbringen. Wir geben zwar zu daß ein ſolcher Nationalcongreß nicht
ganz in Einklang ſtünde mit den bisherigen föderativen Principien, und
daß namentlich die Vertheidiger der Kantonalſouveränetät ſich ſchwerlich
hiermit einverſtanden erklären werden. Allein die jüngſten allgewaltigen
Ereigniſſe haben ſo mächtig gewirkt und einen ſolchen Umſchwung in den
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riſchen Verfaſſungsraths beinahe als eine politiſche Nothwendigkeit er-
ſcheint. (Deutſche Ztg.)

In Neuenburg iſt die Ruhe nicht weiter
geſtört worden. Der Bezirk la Sagne iſt militäriſch occupirt und ent-
waffnet. Die Wahlen in den Verfaſſungsrath, welche am 17 d. ſtatt-
fanden, ſind in ihrer großen Mehrzahl in liberalem Sinn ausgefallen.
Von 89 zu wählenden Mitgliedern ſind 72 bekannt. Unter ihnen
finden ſich nur vier Royaliſten; die übrigen ſind Republicaner. In
mehreren Bezirken haben ſich die königlich Geſinnten der Abſtimmung
enthalten. So waren in der Stadt Neuenburg nur 123 Wähler an-
weſend; in Lachauxdefonds dagegen fielen auf die liberalen Candida-
ten nahe an 800 Stimmen. Ueber das Verhältniß der Eidgenoſſen-
ſchaft gegenüber Neuenburg ſpricht ſich der radicale Erzähler von
St. Gallen ſo aus: „Sicher iſt daß die Tagſatzung eine Verfaſſung
die dem Fürſten von Neuenburg Rechte einräumte, garantirte; ferner
daß ſie 1831 die alte Regierung wieder auf die Seſſel erhob; daß ſie
Pfuel in amtlichen Actenſtücken mit ſich unterhandeln ließ, und daß
trotz der richtigen Bemerkungen Genfs in die jüngſte Antwortsnote
der Tagſatzung an Preußen ein Paſſus über königliche Rechte hinein-
kam. Wir befürchten deßhalb zwar keinen Krieg, ſehen aber die
Dinge nicht ſo glaslauter an wie andere Publiciſten. Das beſte wäre
ein gütlicher Loskauf, zu welchem die Neuenburger das meiſte, die
Schweizer aber etwas beitrügen. Die gänzliche Incorporation in die
Schweiz iſt des größten Opfers werth, weil ſein Zwitterverhältniß die
verwundbarſte Seite der unentbehrlichſten und ſchönſten Militärgränze
der Schweiz war.“ In Freiburg iſt die neue Verfaſſung, ohne daß ſie
dem Volke zur Genehmigung vorgelegt wurde, in Kraft. Dieſer un-
republicaniſche Act, hervorgerufen von der Befürchtung die Verfaſ-
[Spaltenumbruch] ſung möchte verworfen, oder doch das Land, das jetzt der Ruhe bedürfe,
in große Aufregung verſetzt werden, hat beſonders im Bezirk Murten
energiſche Demonſtrationen des Unwillens und Mißtrauens veranlaßt.
Da die Geiſtlichkeit in Wallis den eingeräumten Termin von vierzehn
Tagen, um ſich mit 1,500,000 Franken loszukaufen, unbenutzt hat
verſtreichen laſſen, ſo wird nun das Decret, wornach alle Güter der
Geiſtlichkeit für Staatseigenthum erklärt werden, exequirt. Durch
Trommelſchlag und mit dem Waibel in der Standesfarbe wurden die
Liebhaber welche geneigt ſeyen Güter der Geiſtlichkeit zu pachten, ein-
geladen ſich hiefür einſchreiben zu laſſen. Trotz dem Rundſchreiben
des Biſchofs an die Geiſtlichkeit allen die Abſolution zu verweigern
welche ſich an dem Eigenthum der Kirche vergreifen, haben ſich ſchon
weit mehr Liebhaber eingefunden als man je erwortet hatte. Einiges
Aufſehen macht hier das Ergebniß der Wahlen im Kanton Schwyz in
den Kantonsrath welche über zwei Drittel im Sinne der Sonderbundspar-
tei ausgefallen ſind. Sogar die beiden jetzigen Tagſatzungsgeſandten
ſind durchgefallen. Die Bundesreviſionscommiſſion ſchreitet nur ſehr lang-
ſam in ihren Arbeiten vor. An der Aufnahme einer Nationalvertretung in
das Project iſt kaum mehr zu zweifeln. Die mit der Frage des Reprä-
ſentativſyſtems beauftragte Commiſſion hat ſich dahin verſtändigt: 1)
daß in Bundesangelegenheiten eine Repräſentation der ſchweizeriſchen
Nation nach dem Maßſtabe der Bevölkerung (auf 20,000 Seelen ein
Abgeordneter) eingeführt werde (Repräſentantenkammer); 2) daß ne-
ben dieſer Repräſentantenkammer noch eine Vertretung der Kantone
nach gleichem Stimmrecht (Tagſatzung) beibehalten werde, welche den
kleinen Kantonen gegen die gefürchtete Uebermacht der großen Garantie
gebe; 3) daß die Competenzen möglichſt genau beſtimmt, die Befug-
niſſe der einen und andern dieſer Abtheilungen der oberſten Bundes-
verſammlung genau ausgeſchieden werden ſollen, um Conflicten und
zugleich der beſorgten Verſchleppung der Geſchäfte entgegenzuwirken.
Heute findet hier eine Verſammlung deutſcher Arbeiter ſtatt zur Bera-
thung und Unterzeichnung einer Adreſſe (die Ausſchreibung ſagt nicht,
an wen?) um darin den Willen und die Intereſſen der Arbeiter
in die Wagſchale der deutſchen Einheit zu legen. Auch hat der hieſige
deutſche Handwerkerverein eine Deputation an die Volksverſammlung
nach Offenburg abgeſchickt um daſelbſt für eine deutſche Republik zu
wirken.

Belgien.

Seitdem ich in meinem letzten Schrei-
ben auf die Gefahren hindeutete die der innern Ruhe Belgiens aus
der Arbeitsloſigkeit der untern Claſſen drohen, ſind ſchon Ereigniſſe
eingetreten die Beſorgniſſe einflößen. In Gent kam es vorgeſtern zu
wirklichen Unruhen und einem Angriffe auf das Haus der Jeſuiten.
Die öffentliche Macht hat zwar bald die Ordnung wiederhergeſtellt,
aber es iſt leider dabei offenbar geworden daß ſich unter den Arbeits-
loſen manche befinden die ſich leicht verführen laſſen. Der ganze
Tumult iſt von einigen wenigen Individuen angezettelt geweſen. Man
hat einigen aus dem Volke Geld in die Hände gedrückt um ſie zur
Meuterei aufzumuntern. Zwei Aufhetzer, wohlgekleidete Männer, und
wahrſcheinlich keine Belgier, waren mit der Eiſenbahn von Brüſſel
angekommen und hatten die Stadt ſchon wieder verlaſſen als der Tu-
mult ausbrach. Einige Individuen ſind verhaftet, und eine Kneipe,
wo ſich die Ruheſtörer verſammelten, iſt geſchloſſen worden. Das Be-
unruhigende aber iſt daß mehr und mehr die Genter Fabrikherren ihre
Arbeiten einſtellen, mithin der Gährungsſtoff ſich in den Maſſen
mehren muß. Die Genter kommen dabei, ſo oft ihre Klagen laut
werden, jedesmal auf das Begehren einer Zollvereinigung mit Frank-
reich zurück, weil nur dadurch ihrer Induſtrie geholfen werden könne.
Hierum geht man daher auch jetzt die Regierung wieder an; was
kann ſie aber in dieſer Frage thun? Abgeſehen von den politiſchen
Bedenken die hierin obwalten, läßt ſich auch von Frankreich am we-
nigſten in dieſem Augenblick etwas erwarten. Es liegt zu ſehr in
innern Verlegenheiten verſtrickt, und die geprieſene Organiſation der
Arbeit, wie man ſie dort beabſichtigt, wird ſchwerlich ein anderes Re-
ſultat haben als die Arbeit unfreier und theuerer zu machen, mit-
hin zur Nothwendigkeit eines noch ſtärkern Schutzes gegen das Aus-
land führen. In Gent iſt man indeſſen auf die Idee einer Zollver-
einigung mit Frankreich ſo erpicht daß Fabrikanten im Verdacht ſte-
hen ihre Werkhäuſer abſichtlich zu ſchließen, um mit Gewalt die Me-
gierung in dieſe Bahn hineinzudrängen. Nach Gent hatte nun ge-

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[1340/0012] mit dieſem Anſinnen keineswegs einverſtanden ſind, und daß dieſelben, jedoch mit wenig Erfolg, zu einem gemäßigteren Verhalten gerathen haben. In dieſer Beziehung wird beſonders das vermittelnde Auftre- ten des Hrn. Schultheißen Kopp von Luzern hervorgehoben. Im Pro- ject der neuen Bundesurkunde iſt jedoch die Kloſtergarantie bereits unterdrückt, und ſomit ſcheint das Wetterglas für die katholiſchen Stif- tungen in der Schweiz auf Sturm zu deuten. Bern, 14 März.Die Bundesreviſionscommiſſion iſt unaus- geſetzt mit der Löſung ihrer ſchwierigen Aufgabe beſchäftigt. In der- ſelben ſind nunmehr ſämmtliche Stände vertreten mit alleiniger Aus- nahme Neuenburgs, welches nach geſchehener Reconſtituirung ohne Zweifel ebenfalls zu einer Reviſion Hand bieten wird. Die Arbeiten der Commiſſion ſchreiten äußerſt langſam vor, überall ſtößt man auf Widerſpruch, und über die wichtigſten politiſchen und materiellen Fragen herrſcht eine ſolche Verſchiedenheit der Anſichten daß eine Vereinbarung beinahe unmöglich ſcheint. Kein Wunder wenn unter dieſen nichts weniger als erfreulichen Auſpicien der Gedanke ſich kundgibt und Wurzel faßt daß die Reviſionscommiſſion in ihrer gegenwärtigen Geſtalt nicht geeignet ſey die Bundesreform auf eine den Bedürfniſſen der Zeit ent- ſprechende Weiſe zu bewerkſtelligen und durchzuführen. Wirklich läßt ſich nicht in Abrede ſtellen daß eine Tagſatzungscommiſſion, zuſammen- geſetzt aus den erſten Geſandten der betreffenden Kantone, welche ſich mehr oder weniger durch die Intereſſen und Rückſichten der Stände ge- bunden fühlen die ſie vertreten, und Gefahr laufen müſſen ſich den Tadel ihrer Conſtituenten zuzuziehen wenn ſie den hergebrachten Rechten in etwas vergeben — ſich nicht in der Lage befindet die Sonderintereſſen der einzelnen Stände den allgemeinen Bundeszwecken unterzuordnen, und das Reviſionswerk auf ſolche Grundlagen zu baſiren welche der ſchweizeriſchen Nation eine feſtere und kräftigere Stellung nach innen wie nach außen zu verleihen geeignet wären. Denn wenn auch die Mit- glieder der Commiſſion an keine beſtimmten Inſtructionen gebunden ſind, ſo ſind ſie gleichwohl ſchon vermöge ihrer Eigenſchaft als Magiſtrate und Abgeſandte ihrer Kantone gezwungen ſich allzuſehr durch Kantonal- rückſichten leiten zu laſſen, während ein direct von dem Volke gewählter Ausſchuß eine weit unabhängigere und freiere Stellung einnehmen würde und daher auch viel eher im Stande wäre das Reviſionswerk auf eine den Geſammtintereſſen der ſchweizeriſchen Nation entſprechende Weiſe zu vollbringen. Wir geben zwar zu daß ein ſolcher Nationalcongreß nicht ganz in Einklang ſtünde mit den bisherigen föderativen Principien, und daß namentlich die Vertheidiger der Kantonalſouveränetät ſich ſchwerlich hiermit einverſtanden erklären werden. Allein die jüngſten allgewaltigen Ereigniſſe haben ſo mächtig gewirkt und einen ſolchen Umſchwung in den Ideen und Grundſätzen hervorgebracht, daß die Einſetzung eines ſchweize- riſchen Verfaſſungsraths beinahe als eine politiſche Nothwendigkeit er- ſcheint. (Deutſche Ztg.) ∆ Bern, 19 März.In Neuenburg iſt die Ruhe nicht weiter geſtört worden. Der Bezirk la Sagne iſt militäriſch occupirt und ent- waffnet. Die Wahlen in den Verfaſſungsrath, welche am 17 d. ſtatt- fanden, ſind in ihrer großen Mehrzahl in liberalem Sinn ausgefallen. Von 89 zu wählenden Mitgliedern ſind 72 bekannt. Unter ihnen finden ſich nur vier Royaliſten; die übrigen ſind Republicaner. In mehreren Bezirken haben ſich die königlich Geſinnten der Abſtimmung enthalten. So waren in der Stadt Neuenburg nur 123 Wähler an- weſend; in Lachauxdefonds dagegen fielen auf die liberalen Candida- ten nahe an 800 Stimmen. Ueber das Verhältniß der Eidgenoſſen- ſchaft gegenüber Neuenburg ſpricht ſich der radicale Erzähler von St. Gallen ſo aus: „Sicher iſt daß die Tagſatzung eine Verfaſſung die dem Fürſten von Neuenburg Rechte einräumte, garantirte; ferner daß ſie 1831 die alte Regierung wieder auf die Seſſel erhob; daß ſie Pfuel in amtlichen Actenſtücken mit ſich unterhandeln ließ, und daß trotz der richtigen Bemerkungen Genfs in die jüngſte Antwortsnote der Tagſatzung an Preußen ein Paſſus über königliche Rechte hinein- kam. Wir befürchten deßhalb zwar keinen Krieg, ſehen aber die Dinge nicht ſo glaslauter an wie andere Publiciſten. Das beſte wäre ein gütlicher Loskauf, zu welchem die Neuenburger das meiſte, die Schweizer aber etwas beitrügen. Die gänzliche Incorporation in die Schweiz iſt des größten Opfers werth, weil ſein Zwitterverhältniß die verwundbarſte Seite der unentbehrlichſten und ſchönſten Militärgränze der Schweiz war.“ In Freiburg iſt die neue Verfaſſung, ohne daß ſie dem Volke zur Genehmigung vorgelegt wurde, in Kraft. Dieſer un- republicaniſche Act, hervorgerufen von der Befürchtung die Verfaſ- ſung möchte verworfen, oder doch das Land, das jetzt der Ruhe bedürfe, in große Aufregung verſetzt werden, hat beſonders im Bezirk Murten energiſche Demonſtrationen des Unwillens und Mißtrauens veranlaßt. Da die Geiſtlichkeit in Wallis den eingeräumten Termin von vierzehn Tagen, um ſich mit 1,500,000 Franken loszukaufen, unbenutzt hat verſtreichen laſſen, ſo wird nun das Decret, wornach alle Güter der Geiſtlichkeit für Staatseigenthum erklärt werden, exequirt. Durch Trommelſchlag und mit dem Waibel in der Standesfarbe wurden die Liebhaber welche geneigt ſeyen Güter der Geiſtlichkeit zu pachten, ein- geladen ſich hiefür einſchreiben zu laſſen. Trotz dem Rundſchreiben des Biſchofs an die Geiſtlichkeit allen die Abſolution zu verweigern welche ſich an dem Eigenthum der Kirche vergreifen, haben ſich ſchon weit mehr Liebhaber eingefunden als man je erwortet hatte. Einiges Aufſehen macht hier das Ergebniß der Wahlen im Kanton Schwyz in den Kantonsrath welche über zwei Drittel im Sinne der Sonderbundspar- tei ausgefallen ſind. Sogar die beiden jetzigen Tagſatzungsgeſandten ſind durchgefallen. Die Bundesreviſionscommiſſion ſchreitet nur ſehr lang- ſam in ihren Arbeiten vor. An der Aufnahme einer Nationalvertretung in das Project iſt kaum mehr zu zweifeln. Die mit der Frage des Reprä- ſentativſyſtems beauftragte Commiſſion hat ſich dahin verſtändigt: 1) daß in Bundesangelegenheiten eine Repräſentation der ſchweizeriſchen Nation nach dem Maßſtabe der Bevölkerung (auf 20,000 Seelen ein Abgeordneter) eingeführt werde (Repräſentantenkammer); 2) daß ne- ben dieſer Repräſentantenkammer noch eine Vertretung der Kantone nach gleichem Stimmrecht (Tagſatzung) beibehalten werde, welche den kleinen Kantonen gegen die gefürchtete Uebermacht der großen Garantie gebe; 3) daß die Competenzen möglichſt genau beſtimmt, die Befug- niſſe der einen und andern dieſer Abtheilungen der oberſten Bundes- verſammlung genau ausgeſchieden werden ſollen, um Conflicten und zugleich der beſorgten Verſchleppung der Geſchäfte entgegenzuwirken. Heute findet hier eine Verſammlung deutſcher Arbeiter ſtatt zur Bera- thung und Unterzeichnung einer Adreſſe (die Ausſchreibung ſagt nicht, an wen?) um darin den Willen und die Intereſſen der Arbeiter in die Wagſchale der deutſchen Einheit zu legen. Auch hat der hieſige deutſche Handwerkerverein eine Deputation an die Volksverſammlung nach Offenburg abgeſchickt um daſelbſt für eine deutſche Republik zu wirken. Belgien. † Brüſſel, 16 März.Seitdem ich in meinem letzten Schrei- ben auf die Gefahren hindeutete die der innern Ruhe Belgiens aus der Arbeitsloſigkeit der untern Claſſen drohen, ſind ſchon Ereigniſſe eingetreten die Beſorgniſſe einflößen. In Gent kam es vorgeſtern zu wirklichen Unruhen und einem Angriffe auf das Haus der Jeſuiten. Die öffentliche Macht hat zwar bald die Ordnung wiederhergeſtellt, aber es iſt leider dabei offenbar geworden daß ſich unter den Arbeits- loſen manche befinden die ſich leicht verführen laſſen. Der ganze Tumult iſt von einigen wenigen Individuen angezettelt geweſen. Man hat einigen aus dem Volke Geld in die Hände gedrückt um ſie zur Meuterei aufzumuntern. Zwei Aufhetzer, wohlgekleidete Männer, und wahrſcheinlich keine Belgier, waren mit der Eiſenbahn von Brüſſel angekommen und hatten die Stadt ſchon wieder verlaſſen als der Tu- mult ausbrach. Einige Individuen ſind verhaftet, und eine Kneipe, wo ſich die Ruheſtörer verſammelten, iſt geſchloſſen worden. Das Be- unruhigende aber iſt daß mehr und mehr die Genter Fabrikherren ihre Arbeiten einſtellen, mithin der Gährungsſtoff ſich in den Maſſen mehren muß. Die Genter kommen dabei, ſo oft ihre Klagen laut werden, jedesmal auf das Begehren einer Zollvereinigung mit Frank- reich zurück, weil nur dadurch ihrer Induſtrie geholfen werden könne. Hierum geht man daher auch jetzt die Regierung wieder an; was kann ſie aber in dieſer Frage thun? Abgeſehen von den politiſchen Bedenken die hierin obwalten, läßt ſich auch von Frankreich am we- nigſten in dieſem Augenblick etwas erwarten. Es liegt zu ſehr in innern Verlegenheiten verſtrickt, und die geprieſene Organiſation der Arbeit, wie man ſie dort beabſichtigt, wird ſchwerlich ein anderes Re- ſultat haben als die Arbeit unfreier und theuerer zu machen, mit- hin zur Nothwendigkeit eines noch ſtärkern Schutzes gegen das Aus- land führen. In Gent iſt man indeſſen auf die Idee einer Zollver- einigung mit Frankreich ſo erpicht daß Fabrikanten im Verdacht ſte- hen ihre Werkhäuſer abſichtlich zu ſchließen, um mit Gewalt die Me- gierung in dieſe Bahn hineinzudrängen. Nach Gent hatte nun ge-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848, S. 1340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine84_1848/12>, abgerufen am 24.11.2024.