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Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.

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Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung
vom 24 März 1848.


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Portugal.

Ein Brief d. d. Lissabon 14 März im Madrider Espannol be-
sagt: "Eine umwälzerische Bewegung scheint hier, in Folge der furcht-
baren Ereignisse in Paris, unvermeidlich. Die Septembristenpartei ist
entschlossen das unerträgliche Joch der Cabrals abzuschütteln und allen-
falls die Königin bis zur Abdankung zu drängen. Man hat den Herzog
v. Palmella brieflich nach Lissabon eingeladen, und er wird in kurzem
erwartet. Man hofft Dona Maria werde, das Beispiel anderer euro-
päischer Monarchen beherzigend, die Cabrals für immer verabschieden
und Palmella mit der Bildung einer volksthümlichen Verwaltung beauf-
tragen. Nur dadurch kann der Thron gerettet werden. Die ausschwei-
fendsten unter den Septembristen sprechen von Errichtung einer Repu-
blik, aber diese ist nicht wahrscheinlich. Die Asociacion Iberica hat
indessen einen Abgeordneten nach Paris entsandt um den Franzosen zur
Annahme der republicanischen Regierungsform Glück zu wünschen.
Septembristen-Aussendlinge sind auch nach verschiedenen Gegenden Por-
tugals, besonders nach den Nordprovinzen, abgegangen um eine revo-
lutionäre Bewegung vorzubereiten. Allein wenn Dona Maria so ver-
ständig ist mit Mäßigung zu verfahren und die gerechten Wünsche der
Nation zu erfüllen, so kann sie wohl noch einer Umwälzung vorbauen.
Die be iden Kammern haben ihre Sitzungen einstweilen eingestellt. Die
brittische Flotte ist aus dem Tejo abgesegelt, nur ein Schiff zurücklas-
send welches die von der Insel Madeira nach England heimkehrende Kö-
nigin-Wittwe Adelheid erwarten soll."

Spanien.

Madrider Blätter vom 14 März melden die Tags zuvor er-
folgte Annahme der Bill zur Verleihung außerordentlicher Gewalten
an die Regierung im Senat mit 83 gegen 13 Stimmen. Die Königin
ertheilte dem Gesetze sogleich ihre Sanction, und diese sollte am 16 in
beiden Kammern verkündigt werden. Die Verhandlungen in der Depu-
tirtenkammer waren ohne allgemeineres Interesse; indessen sollte eben
die Berathung des Entwurfs eines neuen Strafgesetzbuchs beginnen.
Der Heraldo kündigt an (und dasselbe meldet unser * Correspondent)
daß die Regierung alles nöthige vorbereitet hat auf daß Ihre k. Hoh.
die Frau Herzogin v. Montpenster bei ihrer Rückkehr in ihre Vaterstadt
alle die Lebensbequemlichkeiten wiederfinde, deren sie bei der neulichen
Umwälzung in Paris so kläglich beraubt worden. Das Journal Siglo
wurde wegen Veröffentlichung eines Artikels über den 9 (24?) Febr.,
welcher dem Schwurgericht als aufrührisch erschien, zu 20,000 Realen
Buße und den Proceßkosten verurtheilt.

Frankreich.

Man hüte sich dem panischen Schrecken der
einen Theil der höheren Stände jetzt bewegt, eine andere Bedeutung zu
geben als er hat. Die Leute wandern vielfach aus, aber nicht über die
Gränze, nicht nach Coblenz, sondern in die Provinz. Es ist ihnen
nicht recht geheuer in Paris, wo sie alle Tage, und von Zeit zu Zeit
Schaaren von zehn- und hunderttausend Leuten begegnen, vor denen
man den höheren Ständen grundsätzlich seit langer Zeit Angst gemacht
hat. Wenn sie vor diesen fliehen, so denken sie dabei nicht wie am Ende
des vorigen Jahrhunderts an den nahen Untergang der Republik, so
rufen sie nicht wie damals das Ausland auf diesen Untergang beschleu-
nigen zu helfen. Sie ziehen in die Provinz, nicht mit einem Gedanken
die Pro vinz gegen Paris zu Hülfe zu rufen, sondern einfach in der Pro-
vinz Hülfe gegen ihren eigenen Schrecken zu suchen. Dieser Schrecken,
diese Angst ist in den letzten Tagen um viele Procente gestiegen. Die
vollkommene Niederlage der alten Nationalgarde, der glänzende Sieg
des "Volkes", dem wir in den letzten Tagen beiwohnten, hat für sehr
viele Leute das Maß ihrer Angst überlaufen machen. Es ist auch nicht
zu läugmen daß nun dennoch Bourgeoisie und Volk in zwei geschie-
dene Lager gedrängt sind, und sich in gewisser Beziehung feindlich gegen-
überstehen. Die Demonstration der Nationalgarde war im wesent-
lichen
nur gegen den in Hrn. Ledru-Rollins Circular an die Dele-
girten der provisorischen Regierung herrschenden Geist gerichtet. Aber es
war nicht schwer diese Demonstration als einen Reactionsversuch darzu-
stellen, und es ist dieß den Leuten die da sagen: nous sommes le
peuple, et le peuple est tout!
leider nur zu sehr gelungen. Die
Antwort die das Volk vorgestern auf die Demonstration der National-
[Spaltenumbruch] garde gab, sollte im wesentlichen ebenfalls nichts seyn als eine Er-
gebenheitserklärung für die ganze provisorische Regierung und Hrn.
Ledru-Rollin insbesondere. Aber man hat dann die Sache so zu wen-
den gewußt daß die Demonstration sehr bald ausschließlich zum Besten
der in Hrn. Ledru-Rollin vertretenen Partei ausfallen mußte, ja
endlich nur der Partei die Hrn. Ledru-Rollin die Sporen in die Rippen
setzt, ausfallen soll. Die Ultraclubs betreiben nämlich die Aussetzung
der Wahlen zur Nationalversammlung als die Hauptfrage des Augen-
blicks, da sie voraussetzen daß Frankreich noch nicht hinlänglich revolu-
tionirt und republicanisirt sey, um schon jetzt gute Wahlen, das heißt
Wahlen welche die äußersten Parteien ans Ruder bringen, zu geben.
Diese Ansicht ist noch durch die HH. Ledru. Rollin, Blanc, Flocon in der
provisorischen Regierung vertreten. Die Clubführer die dieselbe betrei-
ben, stellten sich vorgestern an die Spitze des "Volkes," Cabet, Sobrier etc.
waren die einzigen Leute die in seinem Namen sprachen, und Hr. Louis
Blanc antwortete ihnen, als ob er ihr Wort für das Wort des "Volkes"
nähme; während es nicht zweifelhaft ist daß die unendliche Mehr-
zahl des Volkes in Paris nicht für die HH. Cabet, Sobrier, Blanc
und ihre Ansicht stimmen werde. Das Ergebniß der letzten Tage ist
also daß die Bourgeoiste und das Volk dennoch in zwei getrennte Lager
geschoben sind, daß die Bourgeoiste in der friedlichen Demonstration des
Volkes bestegt wurde, und daß dieser Sieg bis jetzt nicht sowohl zum
Besten der An- und Absichten des ganzen Volkes, sondern eines Theiles,
der in Cabet, Blanqui, Sobrier außer der provisorischen Regierung, und
in Blanc, Ledru-Rollin,-Flocon in derselben vertretenen Minorität aus-
gefallen ist. Es fragt sich nur ob Lamartine und die Majorität der pro-
visorischen Regierung sich ebenfalls für geschlagen halten, und die Aus-
setzung der Wahlen zugeben; denn dann ist der Sieg und die Niederlage
der gegenüberstehenden Parteien vollständig. Gott bewahre Deutsch-
land vor dem Unheile daß ein Theil der Nation sich vorzugsweise das
Volk
nennen kann, und wie in Frankreich dazu durch die Einfalt und
den Egoismus von Freund und Feind zugleich getrieben werde!

Schon seit einigen Tagen gibt sich
unter den zahlreichen Arbeitern dahier eine bedenkliche Mißstimmung
kund. Heute zogen Haufen zu hunderten durch die Straßen und ließen
den Wunsch lauten werden daß man die heimischen Arbeiter mehr als
bisher berücksichtigen und in der Aufnahme von Ausländern sparsamer
seyn möchte. Zu eigentlichen Unordnungen kam es nicht, jedoch sah sich
die Behörde veranlaßt die Wachtposten durch die Nationalgarde zu ver-
stärken. So eben, Nachmittags 3 Uhr, erscheint eine Proclamation der
Municipalcommission, in welcher die Arbeiter zur Ruhe und Ordnung
gemahnt werden. Zu gleicher Zeit ist auf der Mairie eine Subscription
zu Gunsten der Beschäftigungslosen eröffnet. Die Nachrichten aus dem
Oberelsaß über die Stockung der dortigen Geschäfte lauten betrübend,
doch trägt alles dazu bei der ungewöhnlichen Krise kräftigst die Stirn zu
bieten.

Italien.

So eben erhalte ich die officielle Nach-
richt daß die Sicilianer alles ausgeschlagen. Sie verlangen
daß der König zu Gunsten seines Nachfolgers abdanke.

Lord Minto beschloß nach Neapel zurückzukehren. Inzwischen hat das
Generalcomitat einen Boten nach Messina abgeschickt mit dem Befehl die
Feindseligkeiten gegen die Citadelle einzustellen. Am 28 März versam-
melt sich endlich das sicilische Parlament, und da wird alles ohne weitere
Rücksicht auf den König abgemacht werden. In Messina und Catania
haben sich schon viele Stimmen für die Republik hören lassen. König
Ferdinand II scheint den Kopf verloren zu haben: er sitzt in Caserta,
weint, ruft unaufhörlich nach seinen Ministern und erklärt sich bereit
alles zu unterschreiben was man ihm vorlegt. Diesen Morgen und
diesen Nachmittag. fanden verschiedene Lazzaronibewegungen statt. In
den Quartieren von Carmine und Bassoporto liegen Haufen Steine
als Waffen bereit. Das Volk murrt über die Wegführung der Jesuiten
fürchtet den Umsturz des Heiligen, die Verbannung ihrer Priester und
schreit nach Rache. Mit dem Rufe: Evviva il Re, Evviva la Ma-
donna di Carmine!
stürzte sich diesen Morgen ein Trupp von 80--100
Lazzaroni, hauptsächlich Buben von 12--15 Jahren, auf die Bürger.
Grimmige, athletische Gestalten führten sie an. Mit großer Kühnheit

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Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitung
vom 24 März 1848.


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Portugal.

Ein Brief d. d. Liſſabon 14 März im Madrider Eſpañol be-
ſagt: „Eine umwälzeriſche Bewegung ſcheint hier, in Folge der furcht-
baren Ereigniſſe in Paris, unvermeidlich. Die Septembriſtenpartei iſt
entſchloſſen das unerträgliche Joch der Cabrals abzuſchütteln und allen-
falls die Königin bis zur Abdankung zu drängen. Man hat den Herzog
v. Palmella brieflich nach Liſſabon eingeladen, und er wird in kurzem
erwartet. Man hofft Dona Maria werde, das Beiſpiel anderer euro-
päiſcher Monarchen beherzigend, die Cabrals für immer verabſchieden
und Palmella mit der Bildung einer volksthümlichen Verwaltung beauf-
tragen. Nur dadurch kann der Thron gerettet werden. Die ausſchwei-
fendſten unter den Septembriſten ſprechen von Errichtung einer Repu-
blik, aber dieſe iſt nicht wahrſcheinlich. Die Aſociacion Iberica hat
indeſſen einen Abgeordneten nach Paris entſandt um den Franzoſen zur
Annahme der republicaniſchen Regierungsform Glück zu wünſchen.
Septembriſten-Ausſendlinge ſind auch nach verſchiedenen Gegenden Por-
tugals, beſonders nach den Nordprovinzen, abgegangen um eine revo-
lutionäre Bewegung vorzubereiten. Allein wenn Dona Maria ſo ver-
ſtändig iſt mit Mäßigung zu verfahren und die gerechten Wünſche der
Nation zu erfüllen, ſo kann ſie wohl noch einer Umwälzung vorbauen.
Die be iden Kammern haben ihre Sitzungen einſtweilen eingeſtellt. Die
brittiſche Flotte iſt aus dem Tejo abgeſegelt, nur ein Schiff zurücklaſ-
ſend welches die von der Inſel Madeira nach England heimkehrende Kö-
nigin-Wittwe Adelheid erwarten ſoll.“

Spanien.

Madrider Blätter vom 14 März melden die Tags zuvor er-
folgte Annahme der Bill zur Verleihung außerordentlicher Gewalten
an die Regierung im Senat mit 83 gegen 13 Stimmen. Die Königin
ertheilte dem Geſetze ſogleich ihre Sanction, und dieſe ſollte am 16 in
beiden Kammern verkündigt werden. Die Verhandlungen in der Depu-
tirtenkammer waren ohne allgemeineres Intereſſe; indeſſen ſollte eben
die Berathung des Entwurfs eines neuen Strafgeſetzbuchs beginnen.
Der Heraldo kündigt an (und dasſelbe meldet unſer * Correſpondent)
daß die Regierung alles nöthige vorbereitet hat auf daß Ihre k. Hoh.
die Frau Herzogin v. Montpenſter bei ihrer Rückkehr in ihre Vaterſtadt
alle die Lebensbequemlichkeiten wiederfinde, deren ſie bei der neulichen
Umwälzung in Paris ſo kläglich beraubt worden. Das Journal Siglo
wurde wegen Veröffentlichung eines Artikels über den 9 (24?) Febr.,
welcher dem Schwurgericht als aufrühriſch erſchien, zu 20,000 Realen
Buße und den Proceßkoſten verurtheilt.

Frankreich.

Man hüte ſich dem paniſchen Schrecken der
einen Theil der höheren Stände jetzt bewegt, eine andere Bedeutung zu
geben als er hat. Die Leute wandern vielfach aus, aber nicht über die
Gränze, nicht nach Coblenz, ſondern in die Provinz. Es iſt ihnen
nicht recht geheuer in Paris, wo ſie alle Tage, und von Zeit zu Zeit
Schaaren von zehn- und hunderttauſend Leuten begegnen, vor denen
man den höheren Ständen grundſätzlich ſeit langer Zeit Angſt gemacht
hat. Wenn ſie vor dieſen fliehen, ſo denken ſie dabei nicht wie am Ende
des vorigen Jahrhunderts an den nahen Untergang der Republik, ſo
rufen ſie nicht wie damals das Ausland auf dieſen Untergang beſchleu-
nigen zu helfen. Sie ziehen in die Provinz, nicht mit einem Gedanken
die Pro vinz gegen Paris zu Hülfe zu rufen, ſondern einfach in der Pro-
vinz Hülfe gegen ihren eigenen Schrecken zu ſuchen. Dieſer Schrecken,
dieſe Angſt iſt in den letzten Tagen um viele Procente geſtiegen. Die
vollkommene Niederlage der alten Nationalgarde, der glänzende Sieg
des „Volkes“, dem wir in den letzten Tagen beiwohnten, hat für ſehr
viele Leute das Maß ihrer Angſt überlaufen machen. Es iſt auch nicht
zu läugmen daß nun dennoch Bourgeoiſie und Volk in zwei geſchie-
dene Lager gedrängt ſind, und ſich in gewiſſer Beziehung feindlich gegen-
überſtehen. Die Demonſtration der Nationalgarde war im weſent-
lichen
nur gegen den in Hrn. Ledru-Rollins Circular an die Dele-
girten der proviſoriſchen Regierung herrſchenden Geiſt gerichtet. Aber es
war nicht ſchwer dieſe Demonſtration als einen Reactionsverſuch darzu-
ſtellen, und es iſt dieß den Leuten die da ſagen: nous sommes le
peuple, et le peuple est tout!
leider nur zu ſehr gelungen. Die
Antwort die das Volk vorgeſtern auf die Demonſtration der National-
[Spaltenumbruch] garde gab, ſollte im weſentlichen ebenfalls nichts ſeyn als eine Er-
gebenheitserklärung für die ganze proviſoriſche Regierung und Hrn.
Ledru-Rollin insbeſondere. Aber man hat dann die Sache ſo zu wen-
den gewußt daß die Demonſtration ſehr bald ausſchließlich zum Beſten
der in Hrn. Ledru-Rollin vertretenen Partei ausfallen mußte, ja
endlich nur der Partei die Hrn. Ledru-Rollin die Sporen in die Rippen
ſetzt, ausfallen ſoll. Die Ultraclubs betreiben nämlich die Ausſetzung
der Wahlen zur Nationalverſammlung als die Hauptfrage des Augen-
blicks, da ſie vorausſetzen daß Frankreich noch nicht hinlänglich revolu-
tionirt und republicaniſirt ſey, um ſchon jetzt gute Wahlen, das heißt
Wahlen welche die äußerſten Parteien ans Ruder bringen, zu geben.
Dieſe Anſicht iſt noch durch die HH. Ledru. Rollin, Blanc, Flocon in der
proviſoriſchen Regierung vertreten. Die Clubführer die dieſelbe betrei-
ben, ſtellten ſich vorgeſtern an die Spitze des „Volkes,“ Cabet, Sobrier ꝛc.
waren die einzigen Leute die in ſeinem Namen ſprachen, und Hr. Louis
Blanc antwortete ihnen, als ob er ihr Wort für das Wort des „Volkes“
nähme; während es nicht zweifelhaft iſt daß die unendliche Mehr-
zahl des Volkes in Paris nicht für die HH. Cabet, Sobrier, Blanc
und ihre Anſicht ſtimmen werde. Das Ergebniß der letzten Tage iſt
alſo daß die Bourgeoiſte und das Volk dennoch in zwei getrennte Lager
geſchoben ſind, daß die Bourgeoiſte in der friedlichen Demonſtration des
Volkes beſtegt wurde, und daß dieſer Sieg bis jetzt nicht ſowohl zum
Beſten der An- und Abſichten des ganzen Volkes, ſondern eines Theiles,
der in Cabet, Blanqui, Sobrier außer der proviſoriſchen Regierung, und
in Blanc, Ledru-Rollin,-Flocon in derſelben vertretenen Minorität aus-
gefallen iſt. Es fragt ſich nur ob Lamartine und die Majorität der pro-
viſoriſchen Regierung ſich ebenfalls für geſchlagen halten, und die Aus-
ſetzung der Wahlen zugeben; denn dann iſt der Sieg und die Niederlage
der gegenüberſtehenden Parteien vollſtändig. Gott bewahre Deutſch-
land vor dem Unheile daß ein Theil der Nation ſich vorzugsweiſe das
Volk
nennen kann, und wie in Frankreich dazu durch die Einfalt und
den Egoismus von Freund und Feind zugleich getrieben werde!

Schon ſeit einigen Tagen gibt ſich
unter den zahlreichen Arbeitern dahier eine bedenkliche Mißſtimmung
kund. Heute zogen Haufen zu hunderten durch die Straßen und ließen
den Wunſch lauten werden daß man die heimiſchen Arbeiter mehr als
bisher berückſichtigen und in der Aufnahme von Ausländern ſparſamer
ſeyn möchte. Zu eigentlichen Unordnungen kam es nicht, jedoch ſah ſich
die Behörde veranlaßt die Wachtpoſten durch die Nationalgarde zu ver-
ſtärken. So eben, Nachmittags 3 Uhr, erſcheint eine Proclamation der
Municipalcommiſſion, in welcher die Arbeiter zur Ruhe und Ordnung
gemahnt werden. Zu gleicher Zeit iſt auf der Mairie eine Subſcription
zu Gunſten der Beſchäftigungsloſen eröffnet. Die Nachrichten aus dem
Oberelſaß über die Stockung der dortigen Geſchäfte lauten betrübend,
doch trägt alles dazu bei der ungewöhnlichen Kriſe kräftigſt die Stirn zu
bieten.

Italien.

So eben erhalte ich die officielle Nach-
richt daß die Sicilianer alles ausgeſchlagen. Sie verlangen
daß der König zu Gunſten ſeines Nachfolgers abdanke.

Lord Minto beſchloß nach Neapel zurückzukehren. Inzwiſchen hat das
Generalcomitat einen Boten nach Meſſina abgeſchickt mit dem Befehl die
Feindſeligkeiten gegen die Citadelle einzuſtellen. Am 28 März verſam-
melt ſich endlich das ſiciliſche Parlament, und da wird alles ohne weitere
Rückſicht auf den König abgemacht werden. In Meſſina und Catania
haben ſich ſchon viele Stimmen für die Republik hören laſſen. König
Ferdinand II ſcheint den Kopf verloren zu haben: er ſitzt in Caſerta,
weint, ruft unaufhörlich nach ſeinen Miniſtern und erklärt ſich bereit
alles zu unterſchreiben was man ihm vorlegt. Dieſen Morgen und
dieſen Nachmittag. fanden verſchiedene Lazzaronibewegungen ſtatt. In
den Quartieren von Carmine und Baſſoporto liegen Haufen Steine
als Waffen bereit. Das Volk murrt über die Wegführung der Jeſuiten
fürchtet den Umſturz des Heiligen, die Verbannung ihrer Prieſter und
ſchreit nach Rache. Mit dem Rufe: Evviva il Re, Evviva la Ma-
donna di Carmine!
ſtürzte ſich dieſen Morgen ein Trupp von 80—100
Lazzaroni, hauptſächlich Buben von 12—15 Jahren, auf die Bürger.
Grimmige, athletiſche Geſtalten führten ſie an. Mit großer Kühnheit

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[0017] Außerordentliche Beilage zur Allgemeinen Zeitungvom 24 März 1848. Portugal. Ein Brief d. d. Liſſabon 14 März im Madrider Eſpañol be- ſagt: „Eine umwälzeriſche Bewegung ſcheint hier, in Folge der furcht- baren Ereigniſſe in Paris, unvermeidlich. Die Septembriſtenpartei iſt entſchloſſen das unerträgliche Joch der Cabrals abzuſchütteln und allen- falls die Königin bis zur Abdankung zu drängen. Man hat den Herzog v. Palmella brieflich nach Liſſabon eingeladen, und er wird in kurzem erwartet. Man hofft Dona Maria werde, das Beiſpiel anderer euro- päiſcher Monarchen beherzigend, die Cabrals für immer verabſchieden und Palmella mit der Bildung einer volksthümlichen Verwaltung beauf- tragen. Nur dadurch kann der Thron gerettet werden. Die ausſchwei- fendſten unter den Septembriſten ſprechen von Errichtung einer Repu- blik, aber dieſe iſt nicht wahrſcheinlich. Die Aſociacion Iberica hat indeſſen einen Abgeordneten nach Paris entſandt um den Franzoſen zur Annahme der republicaniſchen Regierungsform Glück zu wünſchen. Septembriſten-Ausſendlinge ſind auch nach verſchiedenen Gegenden Por- tugals, beſonders nach den Nordprovinzen, abgegangen um eine revo- lutionäre Bewegung vorzubereiten. Allein wenn Dona Maria ſo ver- ſtändig iſt mit Mäßigung zu verfahren und die gerechten Wünſche der Nation zu erfüllen, ſo kann ſie wohl noch einer Umwälzung vorbauen. Die be iden Kammern haben ihre Sitzungen einſtweilen eingeſtellt. Die brittiſche Flotte iſt aus dem Tejo abgeſegelt, nur ein Schiff zurücklaſ- ſend welches die von der Inſel Madeira nach England heimkehrende Kö- nigin-Wittwe Adelheid erwarten ſoll.“ Spanien. Madrider Blätter vom 14 März melden die Tags zuvor er- folgte Annahme der Bill zur Verleihung außerordentlicher Gewalten an die Regierung im Senat mit 83 gegen 13 Stimmen. Die Königin ertheilte dem Geſetze ſogleich ihre Sanction, und dieſe ſollte am 16 in beiden Kammern verkündigt werden. Die Verhandlungen in der Depu- tirtenkammer waren ohne allgemeineres Intereſſe; indeſſen ſollte eben die Berathung des Entwurfs eines neuen Strafgeſetzbuchs beginnen. Der Heraldo kündigt an (und dasſelbe meldet unſer * Correſpondent) daß die Regierung alles nöthige vorbereitet hat auf daß Ihre k. Hoh. die Frau Herzogin v. Montpenſter bei ihrer Rückkehr in ihre Vaterſtadt alle die Lebensbequemlichkeiten wiederfinde, deren ſie bei der neulichen Umwälzung in Paris ſo kläglich beraubt worden. Das Journal Siglo wurde wegen Veröffentlichung eines Artikels über den 9 (24?) Febr., welcher dem Schwurgericht als aufrühriſch erſchien, zu 20,000 Realen Buße und den Proceßkoſten verurtheilt. Frankreich. ∆ Paris, 19 März.Man hüte ſich dem paniſchen Schrecken der einen Theil der höheren Stände jetzt bewegt, eine andere Bedeutung zu geben als er hat. Die Leute wandern vielfach aus, aber nicht über die Gränze, nicht nach Coblenz, ſondern in die Provinz. Es iſt ihnen nicht recht geheuer in Paris, wo ſie alle Tage, und von Zeit zu Zeit Schaaren von zehn- und hunderttauſend Leuten begegnen, vor denen man den höheren Ständen grundſätzlich ſeit langer Zeit Angſt gemacht hat. Wenn ſie vor dieſen fliehen, ſo denken ſie dabei nicht wie am Ende des vorigen Jahrhunderts an den nahen Untergang der Republik, ſo rufen ſie nicht wie damals das Ausland auf dieſen Untergang beſchleu- nigen zu helfen. Sie ziehen in die Provinz, nicht mit einem Gedanken die Pro vinz gegen Paris zu Hülfe zu rufen, ſondern einfach in der Pro- vinz Hülfe gegen ihren eigenen Schrecken zu ſuchen. Dieſer Schrecken, dieſe Angſt iſt in den letzten Tagen um viele Procente geſtiegen. Die vollkommene Niederlage der alten Nationalgarde, der glänzende Sieg des „Volkes“, dem wir in den letzten Tagen beiwohnten, hat für ſehr viele Leute das Maß ihrer Angſt überlaufen machen. Es iſt auch nicht zu läugmen daß nun dennoch Bourgeoiſie und Volk in zwei geſchie- dene Lager gedrängt ſind, und ſich in gewiſſer Beziehung feindlich gegen- überſtehen. Die Demonſtration der Nationalgarde war im weſent- lichen nur gegen den in Hrn. Ledru-Rollins Circular an die Dele- girten der proviſoriſchen Regierung herrſchenden Geiſt gerichtet. Aber es war nicht ſchwer dieſe Demonſtration als einen Reactionsverſuch darzu- ſtellen, und es iſt dieß den Leuten die da ſagen: nous sommes le peuple, et le peuple est tout! leider nur zu ſehr gelungen. Die Antwort die das Volk vorgeſtern auf die Demonſtration der National- garde gab, ſollte im weſentlichen ebenfalls nichts ſeyn als eine Er- gebenheitserklärung für die ganze proviſoriſche Regierung und Hrn. Ledru-Rollin insbeſondere. Aber man hat dann die Sache ſo zu wen- den gewußt daß die Demonſtration ſehr bald ausſchließlich zum Beſten der in Hrn. Ledru-Rollin vertretenen Partei ausfallen mußte, ja endlich nur der Partei die Hrn. Ledru-Rollin die Sporen in die Rippen ſetzt, ausfallen ſoll. Die Ultraclubs betreiben nämlich die Ausſetzung der Wahlen zur Nationalverſammlung als die Hauptfrage des Augen- blicks, da ſie vorausſetzen daß Frankreich noch nicht hinlänglich revolu- tionirt und republicaniſirt ſey, um ſchon jetzt gute Wahlen, das heißt Wahlen welche die äußerſten Parteien ans Ruder bringen, zu geben. Dieſe Anſicht iſt noch durch die HH. Ledru. Rollin, Blanc, Flocon in der proviſoriſchen Regierung vertreten. Die Clubführer die dieſelbe betrei- ben, ſtellten ſich vorgeſtern an die Spitze des „Volkes,“ Cabet, Sobrier ꝛc. waren die einzigen Leute die in ſeinem Namen ſprachen, und Hr. Louis Blanc antwortete ihnen, als ob er ihr Wort für das Wort des „Volkes“ nähme; während es nicht zweifelhaft iſt daß die unendliche Mehr- zahl des Volkes in Paris nicht für die HH. Cabet, Sobrier, Blanc und ihre Anſicht ſtimmen werde. Das Ergebniß der letzten Tage iſt alſo daß die Bourgeoiſte und das Volk dennoch in zwei getrennte Lager geſchoben ſind, daß die Bourgeoiſte in der friedlichen Demonſtration des Volkes beſtegt wurde, und daß dieſer Sieg bis jetzt nicht ſowohl zum Beſten der An- und Abſichten des ganzen Volkes, ſondern eines Theiles, der in Cabet, Blanqui, Sobrier außer der proviſoriſchen Regierung, und in Blanc, Ledru-Rollin,-Flocon in derſelben vertretenen Minorität aus- gefallen iſt. Es fragt ſich nur ob Lamartine und die Majorität der pro- viſoriſchen Regierung ſich ebenfalls für geſchlagen halten, und die Aus- ſetzung der Wahlen zugeben; denn dann iſt der Sieg und die Niederlage der gegenüberſtehenden Parteien vollſtändig. Gott bewahre Deutſch- land vor dem Unheile daß ein Theil der Nation ſich vorzugsweiſe das Volk nennen kann, und wie in Frankreich dazu durch die Einfalt und den Egoismus von Freund und Feind zugleich getrieben werde! # Straßburg, 20 März.Schon ſeit einigen Tagen gibt ſich unter den zahlreichen Arbeitern dahier eine bedenkliche Mißſtimmung kund. Heute zogen Haufen zu hunderten durch die Straßen und ließen den Wunſch lauten werden daß man die heimiſchen Arbeiter mehr als bisher berückſichtigen und in der Aufnahme von Ausländern ſparſamer ſeyn möchte. Zu eigentlichen Unordnungen kam es nicht, jedoch ſah ſich die Behörde veranlaßt die Wachtpoſten durch die Nationalgarde zu ver- ſtärken. So eben, Nachmittags 3 Uhr, erſcheint eine Proclamation der Municipalcommiſſion, in welcher die Arbeiter zur Ruhe und Ordnung gemahnt werden. Zu gleicher Zeit iſt auf der Mairie eine Subſcription zu Gunſten der Beſchäftigungsloſen eröffnet. Die Nachrichten aus dem Oberelſaß über die Stockung der dortigen Geſchäfte lauten betrübend, doch trägt alles dazu bei der ungewöhnlichen Kriſe kräftigſt die Stirn zu bieten. Italien. ∆ Neapel, 13 März.So eben erhalte ich die officielle Nach- richt daß die Sicilianer alles ausgeſchlagen. Sie verlangen daß der König zu Gunſten ſeines Nachfolgers abdanke. Lord Minto beſchloß nach Neapel zurückzukehren. Inzwiſchen hat das Generalcomitat einen Boten nach Meſſina abgeſchickt mit dem Befehl die Feindſeligkeiten gegen die Citadelle einzuſtellen. Am 28 März verſam- melt ſich endlich das ſiciliſche Parlament, und da wird alles ohne weitere Rückſicht auf den König abgemacht werden. In Meſſina und Catania haben ſich ſchon viele Stimmen für die Republik hören laſſen. König Ferdinand II ſcheint den Kopf verloren zu haben: er ſitzt in Caſerta, weint, ruft unaufhörlich nach ſeinen Miniſtern und erklärt ſich bereit alles zu unterſchreiben was man ihm vorlegt. Dieſen Morgen und dieſen Nachmittag. fanden verſchiedene Lazzaronibewegungen ſtatt. In den Quartieren von Carmine und Baſſoporto liegen Haufen Steine als Waffen bereit. Das Volk murrt über die Wegführung der Jeſuiten fürchtet den Umſturz des Heiligen, die Verbannung ihrer Prieſter und ſchreit nach Rache. Mit dem Rufe: Evviva il Re, Evviva la Ma- donna di Carmine! ſtürzte ſich dieſen Morgen ein Trupp von 80—100 Lazzaroni, hauptſächlich Buben von 12—15 Jahren, auf die Bürger. Grimmige, athletiſche Geſtalten führten ſie an. Mit großer Kühnheit 27

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Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine84_1848/17>, abgerufen am 21.11.2024.