Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.[Spaltenumbruch]
drangen sie von Bassoporto über Largo di Castello bis vors Schloß. Neapel, 14 März. Es gab in dem gestrigen Zusammenstoß Rom, 15 März. Gestern Abend wurde noch plötzlich folgen- "Die wiederholten Erklä- Pius PP. IX." verstärkt. Die Jesuiten hatten alle ihre Koffer gepackt und bürgerliche Kleider zur Abreise bereit. Es wird sogar versichert der P. General habe vom Papst die Auflösung des Ordens oder wenigstens die Erlaub- niß zur Abreise erbeten. Weder das eine noch das andere soll gewährt worden seyn. Mehrere die noch nicht Profeß abgelegt hatten, erhielten die Erlaubniß nach Hause zurückzukehren. Unterdessen fand die hiesige Bevölkerung selbst Gelegenheit ihre Stimmung in Betreff einer solchen Gewaltmaßregel, wie sie beabsichtigt gewesen seyn soll, an den Tag zu legen. Die großartige Thätigkeit welche der Orden in den drangvollen Zeiten der Cholera entwickelt, ist noch allen in dankbarer Erinnerung gegenwärtig. Die Wohlthaten welche sie noch täglich vielen hundert Armen und Hülflosen angedeihen lassen, nöthigten letztern einen Schrei des Entsetzens ab. Es fielen bittere Aeußerungen gegen die rücksichts- losen Neuerer. Ein Theil der Bevölkerung soll geradezu mit der thät- lichen Vertheidigung der als unermüdliche Seelsorger und Helfer be- währten Väter gedroht haben. Kurz sie bleiben, und feiern den Triumph daß ihre hiesigen Freunde in der Mehrzahl vorhanden sind, während es [Spaltenumbruch] mehr und mehr klar zu werden scheint daß diejenigen welche ihre Stim- men gegen sie erhoben, meist solchen angehören die mit dem Kirchenstaat nicht so zu sagen verwachsen sind. Die Predigt aber, welche die Aufre- gung gegen sie hervorgerufen, hat kein Drucker zu drucken gewagt. Rom, 16 März. Gestern gegen Mittag ist das Statut welches Wir erhielten gestern mit andern italienischen keine Turiner Zei- [Spaltenumbruch]
drangen ſie von Baſſoporto über Largo di Caſtello bis vors Schloß. ∆ Neapel, 14 März. Es gab in dem geſtrigen Zuſammenſtoß ∆ Rom, 15 März. Geſtern Abend wurde noch plötzlich folgen- „Die wiederholten Erklä- Pius PP. IX.“ verſtärkt. Die Jeſuiten hatten alle ihre Koffer gepackt und bürgerliche Kleider zur Abreiſe bereit. Es wird ſogar verſichert der P. General habe vom Papſt die Auflöſung des Ordens oder wenigſtens die Erlaub- niß zur Abreiſe erbeten. Weder das eine noch das andere ſoll gewährt worden ſeyn. Mehrere die noch nicht Profeß abgelegt hatten, erhielten die Erlaubniß nach Hauſe zurückzukehren. Unterdeſſen fand die hieſige Bevölkerung ſelbſt Gelegenheit ihre Stimmung in Betreff einer ſolchen Gewaltmaßregel, wie ſie beabſichtigt geweſen ſeyn ſoll, an den Tag zu legen. Die großartige Thätigkeit welche der Orden in den drangvollen Zeiten der Cholera entwickelt, iſt noch allen in dankbarer Erinnerung gegenwärtig. Die Wohlthaten welche ſie noch täglich vielen hundert Armen und Hülfloſen angedeihen laſſen, nöthigten letztern einen Schrei des Entſetzens ab. Es fielen bittere Aeußerungen gegen die rückſichts- loſen Neuerer. Ein Theil der Bevölkerung ſoll geradezu mit der thät- lichen Vertheidigung der als unermüdliche Seelſorger und Helfer be- währten Väter gedroht haben. Kurz ſie bleiben, und feiern den Triumph daß ihre hieſigen Freunde in der Mehrzahl vorhanden ſind, während es [Spaltenumbruch] mehr und mehr klar zu werden ſcheint daß diejenigen welche ihre Stim- men gegen ſie erhoben, meiſt ſolchen angehören die mit dem Kirchenſtaat nicht ſo zu ſagen verwachſen ſind. Die Predigt aber, welche die Aufre- gung gegen ſie hervorgerufen, hat kein Drucker zu drucken gewagt. ♀ Rom, 16 März. Geſtern gegen Mittag iſt das Statut welches Wir erhielten geſtern mit andern italieniſchen keine Turiner Zei- <TEI> <text> <body> <div type="jSupplement" n="1"> <floatingText> <body> <div type="jPoliticalNews" n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p><pb facs="#f0018" n="2"/><cb/> drangen ſie von Baſſoporto über Largo di Caſtello bis vors Schloß.<lb/> Alles floh beim erſten Schrecken, und die Schloßwache benahm ſich —<lb/> unthätig. Vom Schloſſe ſtürzten ſie ſich in den Toledo. Endlich ver-<lb/> ſammelten ſich Nationalgarden, Schweizer und Huſaren, und ver-<lb/> hafteten die Angreifenden, bei denen ſich auch viele lange Meſſer in<lb/> den Aermeln fanden. Mehrere wurden verwundet und an einigen Orten<lb/> ward ſcharf gefeuert.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>∆ <hi rendition="#b">Neapel,</hi> 14 März.</dateline> <p>Es gab in dem geſtrigen Zuſammenſtoß<lb/> mit den Lazzaroni 3 Todte, 38 Verwundete und 75 Verhaftete. Man<lb/> hatte die Madonna vor die Kirche S. Carmine geſtellt, und Prieſter<lb/> regten das Volk auf. Auf dem Mercato (dem berühmten Revolutions-<lb/> markt Maſſaniello’s) waren Karren mit Steinen aufgefahren; damit<lb/> bewaffnete ſich jedermann — auch Weiber nahmen Antheil — und in<lb/> verſchiedenen Richtungen wurden die übrigen Stadttheile angegriffen.<lb/> Unbegreiflich iſts daß ein Schwarm von 80 Buben vor der Hauptwache<lb/> auf dem Largo di Caſtello vorbei und bis in den Toledo ſteinſchleudernd<lb/> vordringen konnte. Wir wiſſen nicht wer auf der Hauptwache das<lb/> Commando geführt. Die Nationalgarde iſt feſt entſchloſſen ſcharf zu<lb/> feuern, ſobald die Lazzaroni noch einen zweiten Angriff wagen, und wahrlich<lb/> es bedarf energiſcher Maßregeln. In der Nähe der Hauptwache wurde<lb/> vorzugsweiſe ein franzöſiſches Café und Billard arg verwüſtet. Auch<lb/> an vielen andern Punkten wurde Unheil verübt. Endlich erſchien die-<lb/> ſen Morgen das vollſtändige Nationalgardengeſetz mit Beſtimmung der<lb/> Waffen, Uniformen, Wachen ꝛc. Andere Decrete ſind gegen die Ruhe-<lb/> ſtörungen gerichtet. Es wäre gut wenn man einige Cafés, wo es be-<lb/> ſonders lärmend hergeht, ganz ſchließen würde. Man iſt im eigentlich-<lb/> ſten Sinne des Worts ſeines Lebens in Neapel keine Minute ſicher!<lb/> Saliceti will nicht Gnaden- und Juſtizminiſter ſeyn; Marcarelli über-<lb/> nahm ſeine Stelle. Die Jeſuiten ſollen zum Theil entſchlüpft ſeyn: ſie<lb/> lagen während des Sturms im Golf von Bajae, wo ſie durch Erbſchlei-<lb/> cherei vom Marcheſe Mascara große Güter erwarben. Der König läßt<lb/> ſich nirgends blicken, er hat einen Anflug von Gelbſucht und ſoll ſich<lb/> nach der Zurückgezogenheit eines Kloſters ſehnen. 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Ich empfehle indeß unter den gegen-<lb/> wärtigen Umſtänden daß ſowohl die Perſonen als die Beſitzthümer aller<lb/> ohne Unterſchied unangetaſtet bleiben mögen, für den Fall daß von Auf-<lb/> rühreriſchen auf die einen oder die andern ein Angriff gewagt werden<lb/> ſollte. Ich wiederhole, Hr. General, bei dieſer Gelegenheit die Geſin-<lb/> nungen des unbegränzten Vertrauens welches wir in die Civica geſetzt,<lb/> und die Wir ihr an jenem für Uns troſtreichen Tag gezeigt haben an<lb/> welchem Wir Uns von allen Bataillonchefs umgeben ſahen und in dem<lb/> Augenbick in welchem Wir zum ganzen Corps ſprachen. Gott ſegne<lb/> die Civica und mache ſie in ſeinen Händen zum Werkzeug der Verhü-<lb/> tung jedes Scandals und jedes Exceſſes in dieſer Seiner Stadt. </p><closer><signed><hi rendition="#g">Pius</hi><lb/> PP. <hi rendition="#aq">IX.</hi>“</signed></closer></div></body></floatingText> Die Patrouillen der Civica wurden bis auf zwanzig Mann<lb/> verſtärkt. Die Jeſuiten hatten alle ihre Koffer gepackt und bürgerliche<lb/> Kleider zur Abreiſe bereit. Es wird ſogar verſichert der P. General<lb/> habe vom Papſt die Auflöſung des Ordens oder wenigſtens die Erlaub-<lb/> niß zur Abreiſe erbeten. Weder das eine noch das andere ſoll gewährt<lb/> worden ſeyn. Mehrere die noch nicht Profeß abgelegt hatten, erhielten<lb/> die Erlaubniß nach Hauſe zurückzukehren. Unterdeſſen fand die hieſige<lb/> Bevölkerung ſelbſt Gelegenheit ihre Stimmung in Betreff einer ſolchen<lb/> Gewaltmaßregel, wie ſie beabſichtigt geweſen ſeyn ſoll, an den Tag zu<lb/> legen. Die großartige Thätigkeit welche der Orden in den drangvollen<lb/> Zeiten der Cholera entwickelt, iſt noch allen in dankbarer Erinnerung<lb/> gegenwärtig. Die Wohlthaten welche ſie noch täglich vielen hundert<lb/> Armen und Hülfloſen angedeihen laſſen, nöthigten letztern einen Schrei<lb/> des Entſetzens ab. Es fielen bittere Aeußerungen gegen die rückſichts-<lb/> loſen Neuerer. Ein Theil der Bevölkerung ſoll geradezu mit der thät-<lb/> lichen Vertheidigung der als unermüdliche Seelſorger und Helfer be-<lb/> währten Väter gedroht haben. Kurz ſie bleiben, und feiern den Triumph<lb/> daß ihre hieſigen Freunde in der Mehrzahl vorhanden ſind, während es<lb/><cb/> mehr und mehr klar zu werden ſcheint daß diejenigen welche ihre Stim-<lb/> men gegen ſie erhoben, meiſt ſolchen angehören die mit dem Kirchenſtaat<lb/> nicht ſo zu ſagen verwachſen ſind. Die Predigt aber, welche die Aufre-<lb/> gung gegen ſie hervorgerufen, hat kein Drucker zu drucken gewagt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>♀ <hi rendition="#b">Rom,</hi> 16 März.</dateline> <p>Geſtern gegen Mittag iſt das Statut welches<lb/> Pius <hi rendition="#aq">IX</hi> am 14 März unterzeichnet hat, durch Maueranſchlag veröffent-<lb/> licht worden — die Conſtitution! Bis jetzt hat es nur ungetheilten Bei-<lb/> fall geerntet. Die geſammte Bevölkerung Roms wurde durch dieſes un-<lb/> geheure Ereigniß in die freudigſte Bewegung verſetzt. Bald hörte man<lb/> die Trommeln der Civica rühren. Es wurde Generalmarſch geſchlagen.<lb/> Die Bürgergardiſten traten zahlreich unter das Gewehr. Die verſchie-<lb/> denen Bataillone ſtießen auf Piazza del Popolo zuſammen, und zogen<lb/> von dort aus über den Corſo nach dem Quirinal. Der Jubel war groß.<lb/> Auch das deutſche Künſtlercaſino hatte die ſchwarz-roth-goldene Fahne<lb/> ausgehängt, welche mit einem donnernden Vivat auf den deutſchen Bund<lb/><hi rendition="#aq">(Evviva la Consederazione Germanica!)</hi> begrüßt wurde. Nachdem<lb/> die Schaaren vor dem päpſtlichen Palaſt aufmarſchirt waren, erſchien<lb/> Pius <hi rendition="#aq">IX.</hi> Beim Durchgang durch die Gemächer, welche nach der Loggia<lb/> führen, konnte er der Verſuchung nicht widerſtehen auf die bunte Menge<lb/> einen verſtohlnen Blick zu werfen. Dieſe wurde ihn gewahr und jauchzte<lb/> hoch auf. Nichts vermag die Freudigkeit ſeines ſtrahlenden Ant-<lb/> litzes zu ſchildern womit er den Segen ertheilte. Die Stimmung welche<lb/> er dadurch über die ungeheuren Maſſen verbreitete, war rein und ſchön.<lb/> Die Garden ſteckten ihre Helme, Hüte und Mützen auf die Bajonnette<lb/> der hocherhobenen Gewehre. Es war ein bunter Anblick. Die Sonne<lb/> hatte ſich bereits tief gegen den Horizont hinabgeneigt, und leuchtete<lb/> dem beglückten und beglückenden Herrſcher gerade ins Angeſicht. Er<lb/> ſuchte ſich durch die vorgehaltene Hand gegen die Strahlen derſelben zu<lb/> ſchützen, ſchaute ſich mit wohlthuendem Selbſtgefühl die bunten Maſſen<lb/> noch einmal an, und zog ſich dann nach ſeinen Gemächern zurück. Abends<lb/> waren die Straßen der Stadt erleuchtet. Vor dem Caſino der Kaufleute<lb/> verſammelte ſich eine große. Menſchenmenge und ſang Lieder ab. 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Sie hat der allgemeinen Zu-<lb/> friedenheit, dankbarer Freude und wahrer Beruhigung Raum gegeben.<lb/> Wenn man bedenkt welche Vorurtheile an dieſer Stelle haben überwun-<lb/> den werden müſſen um zu dieſer Stellung des volksthümlichen Rechts-<lb/> begriffs zu gelangen, ſo muß man das ſtattgehabte Ereigniß, ohne Ueber-<lb/> treibung zu reden, einem Wunder gleich achten.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <p>Wir erhielten geſtern mit andern italieniſchen keine Turiner Zei-<lb/> tungen. Genueſer Blätter melden: Graf Cervino di Cervignano, Director<lb/> des Geſtütweſens im Lande, ſollte ſchon vor 14 Tagen nach der Schweiz ab-<lb/> gehen um 1200 Pferde für die ſardiniſche Artillerie einzukaufen; aber das<lb/> dazu nöthige Geld war ihm von der Regierung noch nicht eingehändigt<lb/> worden. „Da ſpotte man noch,“ ruft die <hi rendition="#g">Lega Italiana</hi> aus, „über<lb/> die öſterreichiſche Langſamkeit und das Wiener Schreiberregiment!“<lb/> — Die <hi rendition="#g">Concordia</hi> meldet aus <hi rendition="#g">Genua</hi> vom 10 März: „Die zahl-<lb/> reiche Familie der Affiliirten jener berüchtigten Geſellſchaft der „Rugia-<lb/> doſt“ macht ſich allmählich aus unſerer Stadt fort. Abgezogen ſind die<lb/> Ignorantelli, die Paſſioniſti, die Schweſtern vom heiligen Herzen, die<lb/> Medee (?) u. ſ. w., und eben verabſchieden ſich die Schweſtern vom gu-<lb/> ten Hirten und die „Dorotheen.“ Hier bleiben mit allgemeinem Beifall<lb/> die wohlverdienten „Brignole“ (ein Laieninſtitut vom Jahr 1619), welche<lb/> zu aller Zeit ihrer wahrhaft evangeliſchen Aufgabe Genüge gethan ha-<lb/> ben, indem ſie die Armen und Kranken in den Spitälern, Lazarethen,<lb/> im Irrenhaus und im Hauſe der Büßenden verpflegten.“ Der <hi rendition="#g">Cor-<lb/> riere Mercantile</hi> tadelt es ſcharf daß der Erzbiſchof von Turin ſei-<lb/> nen Geiſtlichen verboten hat ſich mit Politik zu beſchäftigen und an den<lb/> öffentlichen politiſchen Freudenbezeugungen dieſer Tage theilzunehmen.<lb/> Dagegen wird der Biſchof von Foſſano gelobt der die Prieſter ſeines<lb/> Sprengels ſogar aufgefordert habe dem Volke die Conſtitution von der<lb/> Kanzel zu verkündigen. In Sardinien ſind, ſcheint es, Flugſchriften<lb/> über die Frage erſchienen: ob Geiſtliche als Deputirte wählbar ſeyen.<lb/> Eine derſelben beantwortete die Frage mit Nein, weil ſie vermöge des<lb/> Cölibats außerhalb der bürgerlichen Geſellſchaft ſtänden. — Aus<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [2/0018]
drangen ſie von Baſſoporto über Largo di Caſtello bis vors Schloß.
Alles floh beim erſten Schrecken, und die Schloßwache benahm ſich —
unthätig. Vom Schloſſe ſtürzten ſie ſich in den Toledo. Endlich ver-
ſammelten ſich Nationalgarden, Schweizer und Huſaren, und ver-
hafteten die Angreifenden, bei denen ſich auch viele lange Meſſer in
den Aermeln fanden. Mehrere wurden verwundet und an einigen Orten
ward ſcharf gefeuert.
∆ Neapel, 14 März.Es gab in dem geſtrigen Zuſammenſtoß
mit den Lazzaroni 3 Todte, 38 Verwundete und 75 Verhaftete. Man
hatte die Madonna vor die Kirche S. Carmine geſtellt, und Prieſter
regten das Volk auf. Auf dem Mercato (dem berühmten Revolutions-
markt Maſſaniello’s) waren Karren mit Steinen aufgefahren; damit
bewaffnete ſich jedermann — auch Weiber nahmen Antheil — und in
verſchiedenen Richtungen wurden die übrigen Stadttheile angegriffen.
Unbegreiflich iſts daß ein Schwarm von 80 Buben vor der Hauptwache
auf dem Largo di Caſtello vorbei und bis in den Toledo ſteinſchleudernd
vordringen konnte. Wir wiſſen nicht wer auf der Hauptwache das
Commando geführt. Die Nationalgarde iſt feſt entſchloſſen ſcharf zu
feuern, ſobald die Lazzaroni noch einen zweiten Angriff wagen, und wahrlich
es bedarf energiſcher Maßregeln. In der Nähe der Hauptwache wurde
vorzugsweiſe ein franzöſiſches Café und Billard arg verwüſtet. Auch
an vielen andern Punkten wurde Unheil verübt. Endlich erſchien die-
ſen Morgen das vollſtändige Nationalgardengeſetz mit Beſtimmung der
Waffen, Uniformen, Wachen ꝛc. Andere Decrete ſind gegen die Ruhe-
ſtörungen gerichtet. Es wäre gut wenn man einige Cafés, wo es be-
ſonders lärmend hergeht, ganz ſchließen würde. Man iſt im eigentlich-
ſten Sinne des Worts ſeines Lebens in Neapel keine Minute ſicher!
Saliceti will nicht Gnaden- und Juſtizminiſter ſeyn; Marcarelli über-
nahm ſeine Stelle. Die Jeſuiten ſollen zum Theil entſchlüpft ſeyn: ſie
lagen während des Sturms im Golf von Bajae, wo ſie durch Erbſchlei-
cherei vom Marcheſe Mascara große Güter erwarben. Der König läßt
ſich nirgends blicken, er hat einen Anflug von Gelbſucht und ſoll ſich
nach der Zurückgezogenheit eines Kloſters ſehnen. Der Prinz von Sa-
lerno ließ ſich heute blicken und wurde freundlich begrüßt.
∆ Rom, 15 März.Geſtern Abend wurde noch plötzlich folgen-
des Handſchreiben des Papſtes an den Generallieutenant der Civica,
welches die Beſtimmung hatte in allen Quartieren derſelben unverzüg-
lig angeſchlagen zu werden, veröffentlicht: „Die wiederholten Erklä-
rungen welche Sie, Hr. General, und die ganze Civica Uns über ihre
Anhänglichkeit und Unſere Heil. Perſon und die öffentliche Ordnung
an den Tag gelegt, ſind der Art daß ſie Uns überzeugt haben und Uns
überzeugen daß ſie ſich in der That mit der Legalität bewähren werden
welche dieſes Corps auszeichnet. Ich empfehle indeß unter den gegen-
wärtigen Umſtänden daß ſowohl die Perſonen als die Beſitzthümer aller
ohne Unterſchied unangetaſtet bleiben mögen, für den Fall daß von Auf-
rühreriſchen auf die einen oder die andern ein Angriff gewagt werden
ſollte. Ich wiederhole, Hr. General, bei dieſer Gelegenheit die Geſin-
nungen des unbegränzten Vertrauens welches wir in die Civica geſetzt,
und die Wir ihr an jenem für Uns troſtreichen Tag gezeigt haben an
welchem Wir Uns von allen Bataillonchefs umgeben ſahen und in dem
Augenbick in welchem Wir zum ganzen Corps ſprachen. Gott ſegne
die Civica und mache ſie in ſeinen Händen zum Werkzeug der Verhü-
tung jedes Scandals und jedes Exceſſes in dieſer Seiner Stadt.
Pius
PP. IX.“ Die Patrouillen der Civica wurden bis auf zwanzig Mann
verſtärkt. Die Jeſuiten hatten alle ihre Koffer gepackt und bürgerliche
Kleider zur Abreiſe bereit. Es wird ſogar verſichert der P. General
habe vom Papſt die Auflöſung des Ordens oder wenigſtens die Erlaub-
niß zur Abreiſe erbeten. Weder das eine noch das andere ſoll gewährt
worden ſeyn. Mehrere die noch nicht Profeß abgelegt hatten, erhielten
die Erlaubniß nach Hauſe zurückzukehren. Unterdeſſen fand die hieſige
Bevölkerung ſelbſt Gelegenheit ihre Stimmung in Betreff einer ſolchen
Gewaltmaßregel, wie ſie beabſichtigt geweſen ſeyn ſoll, an den Tag zu
legen. Die großartige Thätigkeit welche der Orden in den drangvollen
Zeiten der Cholera entwickelt, iſt noch allen in dankbarer Erinnerung
gegenwärtig. Die Wohlthaten welche ſie noch täglich vielen hundert
Armen und Hülfloſen angedeihen laſſen, nöthigten letztern einen Schrei
des Entſetzens ab. Es fielen bittere Aeußerungen gegen die rückſichts-
loſen Neuerer. Ein Theil der Bevölkerung ſoll geradezu mit der thät-
lichen Vertheidigung der als unermüdliche Seelſorger und Helfer be-
währten Väter gedroht haben. Kurz ſie bleiben, und feiern den Triumph
daß ihre hieſigen Freunde in der Mehrzahl vorhanden ſind, während es
mehr und mehr klar zu werden ſcheint daß diejenigen welche ihre Stim-
men gegen ſie erhoben, meiſt ſolchen angehören die mit dem Kirchenſtaat
nicht ſo zu ſagen verwachſen ſind. Die Predigt aber, welche die Aufre-
gung gegen ſie hervorgerufen, hat kein Drucker zu drucken gewagt.
♀ Rom, 16 März.Geſtern gegen Mittag iſt das Statut welches
Pius IX am 14 März unterzeichnet hat, durch Maueranſchlag veröffent-
licht worden — die Conſtitution! Bis jetzt hat es nur ungetheilten Bei-
fall geerntet. Die geſammte Bevölkerung Roms wurde durch dieſes un-
geheure Ereigniß in die freudigſte Bewegung verſetzt. Bald hörte man
die Trommeln der Civica rühren. Es wurde Generalmarſch geſchlagen.
Die Bürgergardiſten traten zahlreich unter das Gewehr. Die verſchie-
denen Bataillone ſtießen auf Piazza del Popolo zuſammen, und zogen
von dort aus über den Corſo nach dem Quirinal. Der Jubel war groß.
Auch das deutſche Künſtlercaſino hatte die ſchwarz-roth-goldene Fahne
ausgehängt, welche mit einem donnernden Vivat auf den deutſchen Bund
(Evviva la Consederazione Germanica!) begrüßt wurde. Nachdem
die Schaaren vor dem päpſtlichen Palaſt aufmarſchirt waren, erſchien
Pius IX. Beim Durchgang durch die Gemächer, welche nach der Loggia
führen, konnte er der Verſuchung nicht widerſtehen auf die bunte Menge
einen verſtohlnen Blick zu werfen. Dieſe wurde ihn gewahr und jauchzte
hoch auf. Nichts vermag die Freudigkeit ſeines ſtrahlenden Ant-
litzes zu ſchildern womit er den Segen ertheilte. Die Stimmung welche
er dadurch über die ungeheuren Maſſen verbreitete, war rein und ſchön.
Die Garden ſteckten ihre Helme, Hüte und Mützen auf die Bajonnette
der hocherhobenen Gewehre. Es war ein bunter Anblick. Die Sonne
hatte ſich bereits tief gegen den Horizont hinabgeneigt, und leuchtete
dem beglückten und beglückenden Herrſcher gerade ins Angeſicht. Er
ſuchte ſich durch die vorgehaltene Hand gegen die Strahlen derſelben zu
ſchützen, ſchaute ſich mit wohlthuendem Selbſtgefühl die bunten Maſſen
noch einmal an, und zog ſich dann nach ſeinen Gemächern zurück. Abends
waren die Straßen der Stadt erleuchtet. Vor dem Caſino der Kaufleute
verſammelte ſich eine große. Menſchenmenge und ſang Lieder ab. Die
tricolore Fahne wurde geſchwenkt, die Büſte Pius’ IX mit ungeheurem
Applaus dem Volke aus dem Fenſter vorgezeigt. Alle Welt hatte ſich
mit grün-roth-weißen Cocarden, Schleifen und Sternen geſchmückt,
ſelbſt kein Polizeiſoldat erſchien ohne dieſelben. Der Senat hat heute
Nachmittag eine große Dankfeier in der Kirche von Ari Cöli und in
St. Peter angeordnet, und die Bürger eingeladen heute Abend zu illu-
miniren. Von der drückenden, mißtrauenvollen Stimmung der letzten
Tage läßt ſich keine Spur mehr entdecken. Sie hat der allgemeinen Zu-
friedenheit, dankbarer Freude und wahrer Beruhigung Raum gegeben.
Wenn man bedenkt welche Vorurtheile an dieſer Stelle haben überwun-
den werden müſſen um zu dieſer Stellung des volksthümlichen Rechts-
begriffs zu gelangen, ſo muß man das ſtattgehabte Ereigniß, ohne Ueber-
treibung zu reden, einem Wunder gleich achten.
Wir erhielten geſtern mit andern italieniſchen keine Turiner Zei-
tungen. Genueſer Blätter melden: Graf Cervino di Cervignano, Director
des Geſtütweſens im Lande, ſollte ſchon vor 14 Tagen nach der Schweiz ab-
gehen um 1200 Pferde für die ſardiniſche Artillerie einzukaufen; aber das
dazu nöthige Geld war ihm von der Regierung noch nicht eingehändigt
worden. „Da ſpotte man noch,“ ruft die Lega Italiana aus, „über
die öſterreichiſche Langſamkeit und das Wiener Schreiberregiment!“
— Die Concordia meldet aus Genua vom 10 März: „Die zahl-
reiche Familie der Affiliirten jener berüchtigten Geſellſchaft der „Rugia-
doſt“ macht ſich allmählich aus unſerer Stadt fort. Abgezogen ſind die
Ignorantelli, die Paſſioniſti, die Schweſtern vom heiligen Herzen, die
Medee (?) u. ſ. w., und eben verabſchieden ſich die Schweſtern vom gu-
ten Hirten und die „Dorotheen.“ Hier bleiben mit allgemeinem Beifall
die wohlverdienten „Brignole“ (ein Laieninſtitut vom Jahr 1619), welche
zu aller Zeit ihrer wahrhaft evangeliſchen Aufgabe Genüge gethan ha-
ben, indem ſie die Armen und Kranken in den Spitälern, Lazarethen,
im Irrenhaus und im Hauſe der Büßenden verpflegten.“ Der Cor-
riere Mercantile tadelt es ſcharf daß der Erzbiſchof von Turin ſei-
nen Geiſtlichen verboten hat ſich mit Politik zu beſchäftigen und an den
öffentlichen politiſchen Freudenbezeugungen dieſer Tage theilzunehmen.
Dagegen wird der Biſchof von Foſſano gelobt der die Prieſter ſeines
Sprengels ſogar aufgefordert habe dem Volke die Conſtitution von der
Kanzel zu verkündigen. In Sardinien ſind, ſcheint es, Flugſchriften
über die Frage erſchienen: ob Geiſtliche als Deputirte wählbar ſeyen.
Eine derſelben beantwortete die Frage mit Nein, weil ſie vermöge des
Cölibats außerhalb der bürgerlichen Geſellſchaft ſtänden. — Aus
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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