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Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.

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[Spaltenumbruch] drangen sie von Bassoporto über Largo di Castello bis vors Schloß.
Alles floh beim ersten Schrecken, und die Schloßwache benahm sich --
unthätig. Vom Schlosse stürzten sie sich in den Toledo. Endlich ver-
sammelten sich Nationalgarden, Schweizer und Husaren, und ver-
hafteten die Angreifenden, bei denen sich auch viele lange Messer in
den Aermeln fanden. Mehrere wurden verwundet und an einigen Orten
ward scharf gefeuert.

Es gab in dem gestrigen Zusammenstoß
mit den Lazzaroni 3 Todte, 38 Verwundete und 75 Verhaftete. Man
hatte die Madonna vor die Kirche S. Carmine gestellt, und Priester
regten das Volk auf. Auf dem Mercato (dem berühmten Revolutions-
markt Massaniello's) waren Karren mit Steinen aufgefahren; damit
bewaffnete sich jedermann -- auch Weiber nahmen Antheil -- und in
verschiedenen Richtungen wurden die übrigen Stadttheile angegriffen.
Unbegreiflich ists daß ein Schwarm von 80 Buben vor der Hauptwache
auf dem Largo di Castello vorbei und bis in den Toledo steinschleudernd
vordringen konnte. Wir wissen nicht wer auf der Hauptwache das
Commando geführt. Die Nationalgarde ist fest entschlossen scharf zu
feuern, sobald die Lazzaroni noch einen zweiten Angriff wagen, und wahrlich
es bedarf energischer Maßregeln. In der Nähe der Hauptwache wurde
vorzugsweise ein französisches Cafe und Billard arg verwüstet. Auch
an vielen andern Punkten wurde Unheil verübt. Endlich erschien die-
sen Morgen das vollständige Nationalgardengesetz mit Bestimmung der
Waffen, Uniformen, Wachen etc. Andere Decrete sind gegen die Ruhe-
störungen gerichtet. Es wäre gut wenn man einige Cafes, wo es be-
sonders lärmend hergeht, ganz schließen würde. Man ist im eigentlich-
sten Sinne des Worts seines Lebens in Neapel keine Minute sicher!
Saliceti will nicht Gnaden- und Justizminister seyn; Marcarelli über-
nahm seine Stelle. Die Jesuiten sollen zum Theil entschlüpft seyn: sie
lagen während des Sturms im Golf von Bajae, wo sie durch Erbschlei-
cherei vom Marchese Mascara große Güter erwarben. Der König läßt
sich nirgends blicken, er hat einen Anflug von Gelbsucht und soll sich
nach der Zurückgezogenheit eines Klosters sehnen. Der Prinz von Sa-
lerno ließ sich heute blicken und wurde freundlich begrüßt.

Gestern Abend wurde noch plötzlich folgen-
des Handschreiben des Papstes an den Generallieutenant der Civica,
welches die Bestimmung hatte in allen Quartieren derselben unverzüg-
lig angeschlagen zu werden, veröffentlicht:

"Die wiederholten Erklä-
rungen welche Sie, Hr. General, und die ganze Civica Uns über ihre
Anhänglichkeit und Unsere Heil. Person und die öffentliche Ordnung
an den Tag gelegt, sind der Art daß sie Uns überzeugt haben und Uns
überzeugen daß sie sich in der That mit der Legalität bewähren werden
welche dieses Corps auszeichnet. Ich empfehle indeß unter den gegen-
wärtigen Umständen daß sowohl die Personen als die Besitzthümer aller
ohne Unterschied unangetastet bleiben mögen, für den Fall daß von Auf-
rührerischen auf die einen oder die andern ein Angriff gewagt werden
sollte. Ich wiederhole, Hr. General, bei dieser Gelegenheit die Gesin-
nungen des unbegränzten Vertrauens welches wir in die Civica gesetzt,
und die Wir ihr an jenem für Uns trostreichen Tag gezeigt haben an
welchem Wir Uns von allen Bataillonchefs umgeben sahen und in dem
Augenbick in welchem Wir zum ganzen Corps sprachen. Gott segne
die Civica und mache sie in seinen Händen zum Werkzeug der Verhü-
tung jedes Scandals und jedes Excesses in dieser Seiner Stadt.

Pius
PP. IX."
Die Patrouillen der Civica wurden bis auf zwanzig Mann
verstärkt. Die Jesuiten hatten alle ihre Koffer gepackt und bürgerliche
Kleider zur Abreise bereit. Es wird sogar versichert der P. General
habe vom Papst die Auflösung des Ordens oder wenigstens die Erlaub-
niß zur Abreise erbeten. Weder das eine noch das andere soll gewährt
worden seyn. Mehrere die noch nicht Profeß abgelegt hatten, erhielten
die Erlaubniß nach Hause zurückzukehren. Unterdessen fand die hiesige
Bevölkerung selbst Gelegenheit ihre Stimmung in Betreff einer solchen
Gewaltmaßregel, wie sie beabsichtigt gewesen seyn soll, an den Tag zu
legen. Die großartige Thätigkeit welche der Orden in den drangvollen
Zeiten der Cholera entwickelt, ist noch allen in dankbarer Erinnerung
gegenwärtig. Die Wohlthaten welche sie noch täglich vielen hundert
Armen und Hülflosen angedeihen lassen, nöthigten letztern einen Schrei
des Entsetzens ab. Es fielen bittere Aeußerungen gegen die rücksichts-
losen Neuerer. Ein Theil der Bevölkerung soll geradezu mit der thät-
lichen Vertheidigung der als unermüdliche Seelsorger und Helfer be-
währten Väter gedroht haben. Kurz sie bleiben, und feiern den Triumph
daß ihre hiesigen Freunde in der Mehrzahl vorhanden sind, während es
[Spaltenumbruch] mehr und mehr klar zu werden scheint daß diejenigen welche ihre Stim-
men gegen sie erhoben, meist solchen angehören die mit dem Kirchenstaat
nicht so zu sagen verwachsen sind. Die Predigt aber, welche die Aufre-
gung gegen sie hervorgerufen, hat kein Drucker zu drucken gewagt.

Gestern gegen Mittag ist das Statut welches
Pius IX am 14 März unterzeichnet hat, durch Maueranschlag veröffent-
licht worden -- die Constitution! Bis jetzt hat es nur ungetheilten Bei-
fall geerntet. Die gesammte Bevölkerung Roms wurde durch dieses un-
geheure Ereigniß in die freudigste Bewegung versetzt. Bald hörte man
die Trommeln der Civica rühren. Es wurde Generalmarsch geschlagen.
Die Bürgergardisten traten zahlreich unter das Gewehr. Die verschie-
denen Bataillone stießen auf Piazza del Popolo zusammen, und zogen
von dort aus über den Corso nach dem Quirinal. Der Jubel war groß.
Auch das deutsche Künstlercasino hatte die schwarz-roth-goldene Fahne
ausgehängt, welche mit einem donnernden Vivat auf den deutschen Bund
(Evviva la Consederazione Germanica!) begrüßt wurde. Nachdem
die Schaaren vor dem päpstlichen Palast aufmarschirt waren, erschien
Pius IX. Beim Durchgang durch die Gemächer, welche nach der Loggia
führen, konnte er der Versuchung nicht widerstehen auf die bunte Menge
einen verstohlnen Blick zu werfen. Diese wurde ihn gewahr und jauchzte
hoch auf. Nichts vermag die Freudigkeit seines strahlenden Ant-
litzes zu schildern womit er den Segen ertheilte. Die Stimmung welche
er dadurch über die ungeheuren Massen verbreitete, war rein und schön.
Die Garden steckten ihre Helme, Hüte und Mützen auf die Bajonnette
der hocherhobenen Gewehre. Es war ein bunter Anblick. Die Sonne
hatte sich bereits tief gegen den Horizont hinabgeneigt, und leuchtete
dem beglückten und beglückenden Herrscher gerade ins Angesicht. Er
suchte sich durch die vorgehaltene Hand gegen die Strahlen derselben zu
schützen, schaute sich mit wohlthuendem Selbstgefühl die bunten Massen
noch einmal an, und zog sich dann nach seinen Gemächern zurück. Abends
waren die Straßen der Stadt erleuchtet. Vor dem Casino der Kaufleute
versammelte sich eine große. Menschenmenge und sang Lieder ab. Die
tricolore Fahne wurde geschwenkt, die Büste Pius' IX mit ungeheurem
Applaus dem Volke aus dem Fenster vorgezeigt. Alle Welt hatte sich
mit grün-roth-weißen Cocarden, Schleifen und Sternen geschmückt,
selbst kein Polizeisoldat erschien ohne dieselben. Der Senat hat heute
Nachmittag eine große Dankfeier in der Kirche von Ari Cöli und in
St. Peter angeordnet, und die Bürger eingeladen heute Abend zu illu-
miniren. Von der drückenden, mißtrauenvollen Stimmung der letzten
Tage läßt sich keine Spur mehr entdecken. Sie hat der allgemeinen Zu-
friedenheit, dankbarer Freude und wahrer Beruhigung Raum gegeben.
Wenn man bedenkt welche Vorurtheile an dieser Stelle haben überwun-
den werden müssen um zu dieser Stellung des volksthümlichen Rechts-
begriffs zu gelangen, so muß man das stattgehabte Ereigniß, ohne Ueber-
treibung zu reden, einem Wunder gleich achten.

Wir erhielten gestern mit andern italienischen keine Turiner Zei-
tungen. Genueser Blätter melden: Graf Cervino di Cervignano, Director
des Gestütwesens im Lande, sollte schon vor 14 Tagen nach der Schweiz ab-
gehen um 1200 Pferde für die sardinische Artillerie einzukaufen; aber das
dazu nöthige Geld war ihm von der Regierung noch nicht eingehändigt
worden. "Da spotte man noch," ruft die Lega Italiana aus, "über
die österreichische Langsamkeit und das Wiener Schreiberregiment!"
-- Die Concordia meldet aus Genua vom 10 März: "Die zahl-
reiche Familie der Affiliirten jener berüchtigten Gesellschaft der "Rugia-
dost" macht sich allmählich aus unserer Stadt fort. Abgezogen sind die
Ignorantelli, die Passionisti, die Schwestern vom heiligen Herzen, die
Medee (?) u. s. w., und eben verabschieden sich die Schwestern vom gu-
ten Hirten und die "Dorotheen." Hier bleiben mit allgemeinem Beifall
die wohlverdienten "Brignole" (ein Laieninstitut vom Jahr 1619), welche
zu aller Zeit ihrer wahrhaft evangelischen Aufgabe Genüge gethan ha-
ben, indem sie die Armen und Kranken in den Spitälern, Lazarethen,
im Irrenhaus und im Hause der Büßenden verpflegten." Der Cor-
riere Mercantile
tadelt es scharf daß der Erzbischof von Turin sei-
nen Geistlichen verboten hat sich mit Politik zu beschäftigen und an den
öffentlichen politischen Freudenbezeugungen dieser Tage theilzunehmen.
Dagegen wird der Bischof von Fossano gelobt der die Priester seines
Sprengels sogar aufgefordert habe dem Volke die Constitution von der
Kanzel zu verkündigen. In Sardinien sind, scheint es, Flugschriften
über die Frage erschienen: ob Geistliche als Deputirte wählbar seyen.
Eine derselben beantwortete die Frage mit Nein, weil sie vermöge des
Cölibats außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft ständen. -- Aus

[Spaltenumbruch] drangen ſie von Baſſoporto über Largo di Caſtello bis vors Schloß.
Alles floh beim erſten Schrecken, und die Schloßwache benahm ſich —
unthätig. Vom Schloſſe ſtürzten ſie ſich in den Toledo. Endlich ver-
ſammelten ſich Nationalgarden, Schweizer und Huſaren, und ver-
hafteten die Angreifenden, bei denen ſich auch viele lange Meſſer in
den Aermeln fanden. Mehrere wurden verwundet und an einigen Orten
ward ſcharf gefeuert.

Es gab in dem geſtrigen Zuſammenſtoß
mit den Lazzaroni 3 Todte, 38 Verwundete und 75 Verhaftete. Man
hatte die Madonna vor die Kirche S. Carmine geſtellt, und Prieſter
regten das Volk auf. Auf dem Mercato (dem berühmten Revolutions-
markt Maſſaniello’s) waren Karren mit Steinen aufgefahren; damit
bewaffnete ſich jedermann — auch Weiber nahmen Antheil — und in
verſchiedenen Richtungen wurden die übrigen Stadttheile angegriffen.
Unbegreiflich iſts daß ein Schwarm von 80 Buben vor der Hauptwache
auf dem Largo di Caſtello vorbei und bis in den Toledo ſteinſchleudernd
vordringen konnte. Wir wiſſen nicht wer auf der Hauptwache das
Commando geführt. Die Nationalgarde iſt feſt entſchloſſen ſcharf zu
feuern, ſobald die Lazzaroni noch einen zweiten Angriff wagen, und wahrlich
es bedarf energiſcher Maßregeln. In der Nähe der Hauptwache wurde
vorzugsweiſe ein franzöſiſches Café und Billard arg verwüſtet. Auch
an vielen andern Punkten wurde Unheil verübt. Endlich erſchien die-
ſen Morgen das vollſtändige Nationalgardengeſetz mit Beſtimmung der
Waffen, Uniformen, Wachen ꝛc. Andere Decrete ſind gegen die Ruhe-
ſtörungen gerichtet. Es wäre gut wenn man einige Cafés, wo es be-
ſonders lärmend hergeht, ganz ſchließen würde. Man iſt im eigentlich-
ſten Sinne des Worts ſeines Lebens in Neapel keine Minute ſicher!
Saliceti will nicht Gnaden- und Juſtizminiſter ſeyn; Marcarelli über-
nahm ſeine Stelle. Die Jeſuiten ſollen zum Theil entſchlüpft ſeyn: ſie
lagen während des Sturms im Golf von Bajae, wo ſie durch Erbſchlei-
cherei vom Marcheſe Mascara große Güter erwarben. Der König läßt
ſich nirgends blicken, er hat einen Anflug von Gelbſucht und ſoll ſich
nach der Zurückgezogenheit eines Kloſters ſehnen. Der Prinz von Sa-
lerno ließ ſich heute blicken und wurde freundlich begrüßt.

Geſtern Abend wurde noch plötzlich folgen-
des Handſchreiben des Papſtes an den Generallieutenant der Civica,
welches die Beſtimmung hatte in allen Quartieren derſelben unverzüg-
lig angeſchlagen zu werden, veröffentlicht:

„Die wiederholten Erklä-
rungen welche Sie, Hr. General, und die ganze Civica Uns über ihre
Anhänglichkeit und Unſere Heil. Perſon und die öffentliche Ordnung
an den Tag gelegt, ſind der Art daß ſie Uns überzeugt haben und Uns
überzeugen daß ſie ſich in der That mit der Legalität bewähren werden
welche dieſes Corps auszeichnet. Ich empfehle indeß unter den gegen-
wärtigen Umſtänden daß ſowohl die Perſonen als die Beſitzthümer aller
ohne Unterſchied unangetaſtet bleiben mögen, für den Fall daß von Auf-
rühreriſchen auf die einen oder die andern ein Angriff gewagt werden
ſollte. Ich wiederhole, Hr. General, bei dieſer Gelegenheit die Geſin-
nungen des unbegränzten Vertrauens welches wir in die Civica geſetzt,
und die Wir ihr an jenem für Uns troſtreichen Tag gezeigt haben an
welchem Wir Uns von allen Bataillonchefs umgeben ſahen und in dem
Augenbick in welchem Wir zum ganzen Corps ſprachen. Gott ſegne
die Civica und mache ſie in ſeinen Händen zum Werkzeug der Verhü-
tung jedes Scandals und jedes Exceſſes in dieſer Seiner Stadt.

Pius
PP. IX.
Die Patrouillen der Civica wurden bis auf zwanzig Mann
verſtärkt. Die Jeſuiten hatten alle ihre Koffer gepackt und bürgerliche
Kleider zur Abreiſe bereit. Es wird ſogar verſichert der P. General
habe vom Papſt die Auflöſung des Ordens oder wenigſtens die Erlaub-
niß zur Abreiſe erbeten. Weder das eine noch das andere ſoll gewährt
worden ſeyn. Mehrere die noch nicht Profeß abgelegt hatten, erhielten
die Erlaubniß nach Hauſe zurückzukehren. Unterdeſſen fand die hieſige
Bevölkerung ſelbſt Gelegenheit ihre Stimmung in Betreff einer ſolchen
Gewaltmaßregel, wie ſie beabſichtigt geweſen ſeyn ſoll, an den Tag zu
legen. Die großartige Thätigkeit welche der Orden in den drangvollen
Zeiten der Cholera entwickelt, iſt noch allen in dankbarer Erinnerung
gegenwärtig. Die Wohlthaten welche ſie noch täglich vielen hundert
Armen und Hülfloſen angedeihen laſſen, nöthigten letztern einen Schrei
des Entſetzens ab. Es fielen bittere Aeußerungen gegen die rückſichts-
loſen Neuerer. Ein Theil der Bevölkerung ſoll geradezu mit der thät-
lichen Vertheidigung der als unermüdliche Seelſorger und Helfer be-
währten Väter gedroht haben. Kurz ſie bleiben, und feiern den Triumph
daß ihre hieſigen Freunde in der Mehrzahl vorhanden ſind, während es
[Spaltenumbruch] mehr und mehr klar zu werden ſcheint daß diejenigen welche ihre Stim-
men gegen ſie erhoben, meiſt ſolchen angehören die mit dem Kirchenſtaat
nicht ſo zu ſagen verwachſen ſind. Die Predigt aber, welche die Aufre-
gung gegen ſie hervorgerufen, hat kein Drucker zu drucken gewagt.

Geſtern gegen Mittag iſt das Statut welches
Pius IX am 14 März unterzeichnet hat, durch Maueranſchlag veröffent-
licht worden — die Conſtitution! Bis jetzt hat es nur ungetheilten Bei-
fall geerntet. Die geſammte Bevölkerung Roms wurde durch dieſes un-
geheure Ereigniß in die freudigſte Bewegung verſetzt. Bald hörte man
die Trommeln der Civica rühren. Es wurde Generalmarſch geſchlagen.
Die Bürgergardiſten traten zahlreich unter das Gewehr. Die verſchie-
denen Bataillone ſtießen auf Piazza del Popolo zuſammen, und zogen
von dort aus über den Corſo nach dem Quirinal. Der Jubel war groß.
Auch das deutſche Künſtlercaſino hatte die ſchwarz-roth-goldene Fahne
ausgehängt, welche mit einem donnernden Vivat auf den deutſchen Bund
(Evviva la Consederazione Germanica!) begrüßt wurde. Nachdem
die Schaaren vor dem päpſtlichen Palaſt aufmarſchirt waren, erſchien
Pius IX. Beim Durchgang durch die Gemächer, welche nach der Loggia
führen, konnte er der Verſuchung nicht widerſtehen auf die bunte Menge
einen verſtohlnen Blick zu werfen. Dieſe wurde ihn gewahr und jauchzte
hoch auf. Nichts vermag die Freudigkeit ſeines ſtrahlenden Ant-
litzes zu ſchildern womit er den Segen ertheilte. Die Stimmung welche
er dadurch über die ungeheuren Maſſen verbreitete, war rein und ſchön.
Die Garden ſteckten ihre Helme, Hüte und Mützen auf die Bajonnette
der hocherhobenen Gewehre. Es war ein bunter Anblick. Die Sonne
hatte ſich bereits tief gegen den Horizont hinabgeneigt, und leuchtete
dem beglückten und beglückenden Herrſcher gerade ins Angeſicht. Er
ſuchte ſich durch die vorgehaltene Hand gegen die Strahlen derſelben zu
ſchützen, ſchaute ſich mit wohlthuendem Selbſtgefühl die bunten Maſſen
noch einmal an, und zog ſich dann nach ſeinen Gemächern zurück. Abends
waren die Straßen der Stadt erleuchtet. Vor dem Caſino der Kaufleute
verſammelte ſich eine große. Menſchenmenge und ſang Lieder ab. Die
tricolore Fahne wurde geſchwenkt, die Büſte Pius’ IX mit ungeheurem
Applaus dem Volke aus dem Fenſter vorgezeigt. Alle Welt hatte ſich
mit grün-roth-weißen Cocarden, Schleifen und Sternen geſchmückt,
ſelbſt kein Polizeiſoldat erſchien ohne dieſelben. Der Senat hat heute
Nachmittag eine große Dankfeier in der Kirche von Ari Cöli und in
St. Peter angeordnet, und die Bürger eingeladen heute Abend zu illu-
miniren. Von der drückenden, mißtrauenvollen Stimmung der letzten
Tage läßt ſich keine Spur mehr entdecken. Sie hat der allgemeinen Zu-
friedenheit, dankbarer Freude und wahrer Beruhigung Raum gegeben.
Wenn man bedenkt welche Vorurtheile an dieſer Stelle haben überwun-
den werden müſſen um zu dieſer Stellung des volksthümlichen Rechts-
begriffs zu gelangen, ſo muß man das ſtattgehabte Ereigniß, ohne Ueber-
treibung zu reden, einem Wunder gleich achten.

Wir erhielten geſtern mit andern italieniſchen keine Turiner Zei-
tungen. Genueſer Blätter melden: Graf Cervino di Cervignano, Director
des Geſtütweſens im Lande, ſollte ſchon vor 14 Tagen nach der Schweiz ab-
gehen um 1200 Pferde für die ſardiniſche Artillerie einzukaufen; aber das
dazu nöthige Geld war ihm von der Regierung noch nicht eingehändigt
worden. „Da ſpotte man noch,“ ruft die Lega Italiana aus, „über
die öſterreichiſche Langſamkeit und das Wiener Schreiberregiment!“
— Die Concordia meldet aus Genua vom 10 März: „Die zahl-
reiche Familie der Affiliirten jener berüchtigten Geſellſchaft der „Rugia-
doſt“ macht ſich allmählich aus unſerer Stadt fort. Abgezogen ſind die
Ignorantelli, die Paſſioniſti, die Schweſtern vom heiligen Herzen, die
Medee (?) u. ſ. w., und eben verabſchieden ſich die Schweſtern vom gu-
ten Hirten und die „Dorotheen.“ Hier bleiben mit allgemeinem Beifall
die wohlverdienten „Brignole“ (ein Laieninſtitut vom Jahr 1619), welche
zu aller Zeit ihrer wahrhaft evangeliſchen Aufgabe Genüge gethan ha-
ben, indem ſie die Armen und Kranken in den Spitälern, Lazarethen,
im Irrenhaus und im Hauſe der Büßenden verpflegten.“ Der Cor-
riere Mercantile
tadelt es ſcharf daß der Erzbiſchof von Turin ſei-
nen Geiſtlichen verboten hat ſich mit Politik zu beſchäftigen und an den
öffentlichen politiſchen Freudenbezeugungen dieſer Tage theilzunehmen.
Dagegen wird der Biſchof von Foſſano gelobt der die Prieſter ſeines
Sprengels ſogar aufgefordert habe dem Volke die Conſtitution von der
Kanzel zu verkündigen. In Sardinien ſind, ſcheint es, Flugſchriften
über die Frage erſchienen: ob Geiſtliche als Deputirte wählbar ſeyen.
Eine derſelben beantwortete die Frage mit Nein, weil ſie vermöge des
Cölibats außerhalb der bürgerlichen Geſellſchaft ſtänden. — Aus

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[2/0018] drangen ſie von Baſſoporto über Largo di Caſtello bis vors Schloß. Alles floh beim erſten Schrecken, und die Schloßwache benahm ſich — unthätig. Vom Schloſſe ſtürzten ſie ſich in den Toledo. Endlich ver- ſammelten ſich Nationalgarden, Schweizer und Huſaren, und ver- hafteten die Angreifenden, bei denen ſich auch viele lange Meſſer in den Aermeln fanden. Mehrere wurden verwundet und an einigen Orten ward ſcharf gefeuert. ∆ Neapel, 14 März.Es gab in dem geſtrigen Zuſammenſtoß mit den Lazzaroni 3 Todte, 38 Verwundete und 75 Verhaftete. Man hatte die Madonna vor die Kirche S. Carmine geſtellt, und Prieſter regten das Volk auf. Auf dem Mercato (dem berühmten Revolutions- markt Maſſaniello’s) waren Karren mit Steinen aufgefahren; damit bewaffnete ſich jedermann — auch Weiber nahmen Antheil — und in verſchiedenen Richtungen wurden die übrigen Stadttheile angegriffen. Unbegreiflich iſts daß ein Schwarm von 80 Buben vor der Hauptwache auf dem Largo di Caſtello vorbei und bis in den Toledo ſteinſchleudernd vordringen konnte. Wir wiſſen nicht wer auf der Hauptwache das Commando geführt. Die Nationalgarde iſt feſt entſchloſſen ſcharf zu feuern, ſobald die Lazzaroni noch einen zweiten Angriff wagen, und wahrlich es bedarf energiſcher Maßregeln. In der Nähe der Hauptwache wurde vorzugsweiſe ein franzöſiſches Café und Billard arg verwüſtet. Auch an vielen andern Punkten wurde Unheil verübt. Endlich erſchien die- ſen Morgen das vollſtändige Nationalgardengeſetz mit Beſtimmung der Waffen, Uniformen, Wachen ꝛc. Andere Decrete ſind gegen die Ruhe- ſtörungen gerichtet. Es wäre gut wenn man einige Cafés, wo es be- ſonders lärmend hergeht, ganz ſchließen würde. Man iſt im eigentlich- ſten Sinne des Worts ſeines Lebens in Neapel keine Minute ſicher! Saliceti will nicht Gnaden- und Juſtizminiſter ſeyn; Marcarelli über- nahm ſeine Stelle. Die Jeſuiten ſollen zum Theil entſchlüpft ſeyn: ſie lagen während des Sturms im Golf von Bajae, wo ſie durch Erbſchlei- cherei vom Marcheſe Mascara große Güter erwarben. Der König läßt ſich nirgends blicken, er hat einen Anflug von Gelbſucht und ſoll ſich nach der Zurückgezogenheit eines Kloſters ſehnen. Der Prinz von Sa- lerno ließ ſich heute blicken und wurde freundlich begrüßt. ∆ Rom, 15 März.Geſtern Abend wurde noch plötzlich folgen- des Handſchreiben des Papſtes an den Generallieutenant der Civica, welches die Beſtimmung hatte in allen Quartieren derſelben unverzüg- lig angeſchlagen zu werden, veröffentlicht: „Die wiederholten Erklä- rungen welche Sie, Hr. General, und die ganze Civica Uns über ihre Anhänglichkeit und Unſere Heil. Perſon und die öffentliche Ordnung an den Tag gelegt, ſind der Art daß ſie Uns überzeugt haben und Uns überzeugen daß ſie ſich in der That mit der Legalität bewähren werden welche dieſes Corps auszeichnet. Ich empfehle indeß unter den gegen- wärtigen Umſtänden daß ſowohl die Perſonen als die Beſitzthümer aller ohne Unterſchied unangetaſtet bleiben mögen, für den Fall daß von Auf- rühreriſchen auf die einen oder die andern ein Angriff gewagt werden ſollte. Ich wiederhole, Hr. General, bei dieſer Gelegenheit die Geſin- nungen des unbegränzten Vertrauens welches wir in die Civica geſetzt, und die Wir ihr an jenem für Uns troſtreichen Tag gezeigt haben an welchem Wir Uns von allen Bataillonchefs umgeben ſahen und in dem Augenbick in welchem Wir zum ganzen Corps ſprachen. Gott ſegne die Civica und mache ſie in ſeinen Händen zum Werkzeug der Verhü- tung jedes Scandals und jedes Exceſſes in dieſer Seiner Stadt. Pius PP. IX.“ Die Patrouillen der Civica wurden bis auf zwanzig Mann verſtärkt. Die Jeſuiten hatten alle ihre Koffer gepackt und bürgerliche Kleider zur Abreiſe bereit. Es wird ſogar verſichert der P. General habe vom Papſt die Auflöſung des Ordens oder wenigſtens die Erlaub- niß zur Abreiſe erbeten. Weder das eine noch das andere ſoll gewährt worden ſeyn. Mehrere die noch nicht Profeß abgelegt hatten, erhielten die Erlaubniß nach Hauſe zurückzukehren. Unterdeſſen fand die hieſige Bevölkerung ſelbſt Gelegenheit ihre Stimmung in Betreff einer ſolchen Gewaltmaßregel, wie ſie beabſichtigt geweſen ſeyn ſoll, an den Tag zu legen. Die großartige Thätigkeit welche der Orden in den drangvollen Zeiten der Cholera entwickelt, iſt noch allen in dankbarer Erinnerung gegenwärtig. Die Wohlthaten welche ſie noch täglich vielen hundert Armen und Hülfloſen angedeihen laſſen, nöthigten letztern einen Schrei des Entſetzens ab. Es fielen bittere Aeußerungen gegen die rückſichts- loſen Neuerer. Ein Theil der Bevölkerung ſoll geradezu mit der thät- lichen Vertheidigung der als unermüdliche Seelſorger und Helfer be- währten Väter gedroht haben. Kurz ſie bleiben, und feiern den Triumph daß ihre hieſigen Freunde in der Mehrzahl vorhanden ſind, während es mehr und mehr klar zu werden ſcheint daß diejenigen welche ihre Stim- men gegen ſie erhoben, meiſt ſolchen angehören die mit dem Kirchenſtaat nicht ſo zu ſagen verwachſen ſind. Die Predigt aber, welche die Aufre- gung gegen ſie hervorgerufen, hat kein Drucker zu drucken gewagt. ♀ Rom, 16 März.Geſtern gegen Mittag iſt das Statut welches Pius IX am 14 März unterzeichnet hat, durch Maueranſchlag veröffent- licht worden — die Conſtitution! Bis jetzt hat es nur ungetheilten Bei- fall geerntet. Die geſammte Bevölkerung Roms wurde durch dieſes un- geheure Ereigniß in die freudigſte Bewegung verſetzt. Bald hörte man die Trommeln der Civica rühren. Es wurde Generalmarſch geſchlagen. Die Bürgergardiſten traten zahlreich unter das Gewehr. Die verſchie- denen Bataillone ſtießen auf Piazza del Popolo zuſammen, und zogen von dort aus über den Corſo nach dem Quirinal. Der Jubel war groß. Auch das deutſche Künſtlercaſino hatte die ſchwarz-roth-goldene Fahne ausgehängt, welche mit einem donnernden Vivat auf den deutſchen Bund (Evviva la Consederazione Germanica!) begrüßt wurde. Nachdem die Schaaren vor dem päpſtlichen Palaſt aufmarſchirt waren, erſchien Pius IX. Beim Durchgang durch die Gemächer, welche nach der Loggia führen, konnte er der Verſuchung nicht widerſtehen auf die bunte Menge einen verſtohlnen Blick zu werfen. Dieſe wurde ihn gewahr und jauchzte hoch auf. Nichts vermag die Freudigkeit ſeines ſtrahlenden Ant- litzes zu ſchildern womit er den Segen ertheilte. Die Stimmung welche er dadurch über die ungeheuren Maſſen verbreitete, war rein und ſchön. Die Garden ſteckten ihre Helme, Hüte und Mützen auf die Bajonnette der hocherhobenen Gewehre. Es war ein bunter Anblick. Die Sonne hatte ſich bereits tief gegen den Horizont hinabgeneigt, und leuchtete dem beglückten und beglückenden Herrſcher gerade ins Angeſicht. Er ſuchte ſich durch die vorgehaltene Hand gegen die Strahlen derſelben zu ſchützen, ſchaute ſich mit wohlthuendem Selbſtgefühl die bunten Maſſen noch einmal an, und zog ſich dann nach ſeinen Gemächern zurück. Abends waren die Straßen der Stadt erleuchtet. Vor dem Caſino der Kaufleute verſammelte ſich eine große. Menſchenmenge und ſang Lieder ab. Die tricolore Fahne wurde geſchwenkt, die Büſte Pius’ IX mit ungeheurem Applaus dem Volke aus dem Fenſter vorgezeigt. Alle Welt hatte ſich mit grün-roth-weißen Cocarden, Schleifen und Sternen geſchmückt, ſelbſt kein Polizeiſoldat erſchien ohne dieſelben. Der Senat hat heute Nachmittag eine große Dankfeier in der Kirche von Ari Cöli und in St. Peter angeordnet, und die Bürger eingeladen heute Abend zu illu- miniren. Von der drückenden, mißtrauenvollen Stimmung der letzten Tage läßt ſich keine Spur mehr entdecken. Sie hat der allgemeinen Zu- friedenheit, dankbarer Freude und wahrer Beruhigung Raum gegeben. Wenn man bedenkt welche Vorurtheile an dieſer Stelle haben überwun- den werden müſſen um zu dieſer Stellung des volksthümlichen Rechts- begriffs zu gelangen, ſo muß man das ſtattgehabte Ereigniß, ohne Ueber- treibung zu reden, einem Wunder gleich achten. Wir erhielten geſtern mit andern italieniſchen keine Turiner Zei- tungen. Genueſer Blätter melden: Graf Cervino di Cervignano, Director des Geſtütweſens im Lande, ſollte ſchon vor 14 Tagen nach der Schweiz ab- gehen um 1200 Pferde für die ſardiniſche Artillerie einzukaufen; aber das dazu nöthige Geld war ihm von der Regierung noch nicht eingehändigt worden. „Da ſpotte man noch,“ ruft die Lega Italiana aus, „über die öſterreichiſche Langſamkeit und das Wiener Schreiberregiment!“ — Die Concordia meldet aus Genua vom 10 März: „Die zahl- reiche Familie der Affiliirten jener berüchtigten Geſellſchaft der „Rugia- doſt“ macht ſich allmählich aus unſerer Stadt fort. Abgezogen ſind die Ignorantelli, die Paſſioniſti, die Schweſtern vom heiligen Herzen, die Medee (?) u. ſ. w., und eben verabſchieden ſich die Schweſtern vom gu- ten Hirten und die „Dorotheen.“ Hier bleiben mit allgemeinem Beifall die wohlverdienten „Brignole“ (ein Laieninſtitut vom Jahr 1619), welche zu aller Zeit ihrer wahrhaft evangeliſchen Aufgabe Genüge gethan ha- ben, indem ſie die Armen und Kranken in den Spitälern, Lazarethen, im Irrenhaus und im Hauſe der Büßenden verpflegten.“ Der Cor- riere Mercantile tadelt es ſcharf daß der Erzbiſchof von Turin ſei- nen Geiſtlichen verboten hat ſich mit Politik zu beſchäftigen und an den öffentlichen politiſchen Freudenbezeugungen dieſer Tage theilzunehmen. Dagegen wird der Biſchof von Foſſano gelobt der die Prieſter ſeines Sprengels ſogar aufgefordert habe dem Volke die Conſtitution von der Kanzel zu verkündigen. In Sardinien ſind, ſcheint es, Flugſchriften über die Frage erſchienen: ob Geiſtliche als Deputirte wählbar ſeyen. Eine derſelben beantwortete die Frage mit Nein, weil ſie vermöge des Cölibats außerhalb der bürgerlichen Geſellſchaft ſtänden. — Aus

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine84_1848/18>, abgerufen am 21.11.2024.