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Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.

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[Spaltenumbruch] Mailand meldet die Lega Italiana vom 13 März: "Hier geht es
schlimm. Neue Verhaftungen wurden gestern und in der letzten Nacht
vorgenommen. Man ist in ängstlicher Spannung. Zwei italienische
Grenadiere stehen der Theilnahme an einer Verschwörung angeklagt vor
dem Kriegsgericht; man glaubt sie werden erschossen werden. Alle ita-
lienischen Grenadiere mußten heute Morgens die Stadt verlassen, weil
man eine Empörung derselben zu Gunsten ihrer Cameraden besorgte.
Sie zogen in strömendem Regen ab." Aus Parma meldet dasselbe
Blatt: der Herzog welcher, um sich Geld zu machen, alsbald das Lotto
auch in seinen neuen von Toscana und Modena überkommenen Gebiets-
theilen eingeführt, sey auf das neue Mittel verfallen eine Hutstempel-
taxe zu erheben. Die Verfolgung der sogenannten Calabresenhüte
dauert nämlich mit Eifer fort. -- In Rom hat sich, unter den Au-
spicien des Fürsten Torlonia, eine wahrhaft wohlthätige Gesellschaft ge-
bildet, welche den Zweck hat die armen Volksclassen mit gemeinnützigen
Schriften, nach dem Muster der englischen "Gesellschaft zur Verbreitung
nützlicher Kenntnisse," zu versorgen. -- Ein Extrablatt der Venedi-
ger Zeitung
vom 19 März enthält die Bekanntmachung des dortigen
Gemeinderaths über Bildung der Guardia Civica.

Der für die Volksruhe wohlthätige Re-
gen dauerte heute Morgens bis 10 Uhr fort, später aber klärte sich der
Himmel auf und mit der wiederkehrenden Sonne kehrten auch die Volks-
massen auf den Markusplatz zurück, wo man gruppenweise beisammen-
stand und die Angelegenheiten der Stadt laut und lärmend verhandelte.
Ein starker Militärposten hielt den Thurmeingang des Gouvernements-
palastes und die vicekönigliche Halle besetzt, und häufige Patrouillen
durchstreiften den Platz. Das immer mehr anwachsende Volk schien sehr
aufgeregt, ja in manchen Aeußerungen war große Erbitterung zu erken-
nen. Die einen riefen um die Guardia civica, die andern verlangten daß
das deutsche Regiment Kinsky Venedig räumen solle u. s. w. Der Lärm
wurde immer größer und selbst ein Versuch des Patriarchen das Volk
anzureden blieb fruchtlos. Da wurde endlich an einem Punkte des Pla-
tzes das Pflaster*) aufgerissen und auf die Gränzerpatrouille geworfen;
diese wehrte sich natürlich; als einige von ihnen vom Volke entwaffnet
worden waren, rückte ein Reservepiket des Regimentes Kinsky vor und
gab Feuer. Wüthende Racherufe ertönten auf dem Platze, 5 Todte**) und
17 Verwundete wurden hinweggetragen. Die Allarmschüsse vom Wacht-
schiffe im Hafen erdonnerten und alle Plätze waren in wenigen Augen-
blicken mit zahlreichen Truppen besetzt. Die Menschenmenge verschwand
vom Marcusplatze, eine unheimliche Stille lagerte sich über der Stadt.
Im Gouvernementgebäude aber versammelten sich die leitenden Oberhäup-
ter und Volksmänner, die augenblickliche Errichtung der Guardia
civica wurde als das einzige Mittel erkannt um die Ruhe in der
Stadt zu sichern. Zahlreiche Redner traten auf, die zum Volke spra-
chen, es zur Ordnung riefen, ihm Vorstellungen machten und zugleich
die Errichtung der Bürgergarde verhießen. Um 4 Uhr Nachmittags
brachte man Waffen, um 6 Uhr schon patrouillirten die ersten Ab-
theilungen der neu errichteten Sicherheitswachen durch die Stadt.
Weiße Schärpen, welche die Anführer schief über die rechte Achsel,
alle übrigen um den Leib trugen, waren die Abzeichen. Das Volk
begrüßte mit Jubel die neue Miliz die, in den buntesten Trachten zusam-
mengestellt, doch ganz militärisch einherschritt und jeden vorbeikom-
menden kais. Officier auf das anständigste grüßte. Noch war aber in
den weiteren Stadttheilen die Ruhe nicht gesichert, noch sprach man von
Rache für die am Morgen Gebliebenen, und die Erbitterung sprach sich
noch in tausend Symptomen aus. Da langte gegen 11 Uhr Nachts ein
Dampfboot aus Triestan, das die officielle Nachricht über die Concessionen,
die mit Ungeduld erwartet wurden, überbrachte. Wer Venedig und sein
Volk in diesem Moment nicht gesehen hat, kann sich keine Vorstellung
machen was freudige Begeisterung in wenigen Augenblicken zu bewirken
im Stande ist. Ganz Venedig strömte wieder auf den Marcusplatz und
auf die Riva, das Militär-Musikcorps abzuholen, das bewilligt
wurde und bis um 2 Uhr in der Nacht spielte. Plötzlich stürzte wieder
ein dichter Regen herab, der aber dießmal das Freudenfeuer nicht löschen
konnte und die begeisterte Menge nicht verhinderte die Militärmusik der
kais. Marine bis in ihre Caserne zu begleiten. Bis zum dämmernden
Morgen ertönten die Vivatrufe, und die Guardia civica welche die ganze
[Spaltenumbruch] Nacht hindurch patrouillirte, hatte nicht wenig zu thun um die Freude-
trunkenen zur Ruhe zu bringen.

Ein sonnenheller Tag lacht über der La-
gune. Die sämmtlichen Schiffe im Hafen stehen im Feierkleide ihrer
Wimpeln und Flaggen da, freundlich und heiter wie der Tag ist die
Stimmung des Volkes, kein trauriges Gesicht, keinen mürrischen Zug
auf dem Antlitze der gutmüthigen leicht vergessenden Bevölkerung. Alles
begrüßt sich auf der Straße mit Viva l'Italia. Neue Mitglieder der
Guardia melden sich in jedem Augenblick. Der Marcusplatz ist ein Freu-
densaal, die Menge wogt fröhlich auf und nieder. Auf allen Standarten
wehen die kaiserlichen Flaggen, Jubel und Freude schallen in den ver-
schiedenartigsten Tönen durch die Luft. So mußte Venedigs Krisis en-
den; nur so konnte sich ein Volk benehmen dessen Gemüth das argloseste
ist, weit empfänglicher für Milde als für Strenge, biegsam und geschmei-
dig wenn die angewandten Mittel die geeigneten sind. Noch haben wir
keine Nachrichten aus den Provinzen.

Viva l'Italia ist der Gruß den jeder dem
andern zuruft, viva l'Italia die Antwort. Die Stadt war gestern trotz
des herrlichen Wetters, trotz der Menschenmassen, die bunt und unüber-
sehbar unter einander wogten, ruhig. Die häufigen Streifzüge der Na-
tionalgarde sicherten die innere Ordnung auch zur Nachtzeit. Abends
war ein großer Theil der Stadt, besonders die Umgebung von St. Mar-
cus, festlich beleuchtet, die Theater mit Menschen überfüllt, deren Jubel
und freudige Stimmung bald in Viva la costituzione bald in Viva
l'imperatore
ausbrach. Das Haupt der Bürgerwache ist der Bürger-
meister Correr, alle anderen Mitglieder der Municipalität sind ebenfalls
geworben, Manin begleitet die Stelle eines Capitano; den sämmtlichen
kais. Truppen ist der Befehl ertheilt der Nationalgarde die gebührenden
militärischen Ehrenbezeigungen zu leisten. Sbirren und Polizeisoldaten
sieht man nirgends. Der Polizeidirector soll um seine Entlassung an-
gesucht haben.

Mailand ist wie wir eben
hören ganz in den Händen des Volks, in Brescia kämpft man mit
Wuth und hier verbreiten sich die unheimlichsten Gerüchte.

Seit zwei Tagen fehlen die Briefe
aus Mailand, allein so eben verbreitet sich das Gerücht daß diese Stadt
in den Händen des Volkes sey das die Constitution nicht annehmen
wolle. Radetzky sey gefangen. Hier wollten sie heute Morgen den
Kopf des Obersten der Marine, Marinovich; er wurde vom Arsenal
durch Nationalgarde nach Hause gebracht. Die Waffen der Arsenalsäle
wurden unter die Nationalgarde vertheilt. Die ungewissen Nach-
richten von Mailand setzen neuerdings alles in Allarm. -- In Brescia
wurden die Jesuiten fortgejagt.

* Noch zur Stunde (Morgens halb 11 Uhr) fehlen uns directe Be-
richte aus Mailand. Aber sowie der obige Brief aus Venedig die Kunde
bestätigt daß dort der volle Aufstand ausgebrochen sey, so bringen die-
selbe Nachricht Briefe die wir aus Padua von 20 erhalten. Da hieß
es, man habe in Mailand die Republik verkündigt. Auch in Padua
forderten viele Stimmen die Republik. Es herrschte die furchtbarste
Aufregung. Das Militär rührte sich nicht. Alle Civilbehörden, selbst
die Polizei hatten die dreifarbige (italienische) Cocarde aufgesteckt; die
Tricolorfahne wehte von den Thürmen, der Bischof segnete die Volks-
haufen welche: "Es lebe Italien" riefen, während Studenten und an-
dere lärmende Gruppen "Krieg! Krieg!" schrien. Die erste freudige
Bewegung über die in Wien verliehene Constitution war bald beseitigt
durch jene nach Krieg und Republik verlangenden Stimmen. Zu
spät!
war auch hier das Losungswort. Unser Paduaner Correspondent
schließt mit den Worten: "Nur ein Wunder kann die Monarchie von
dem Verlust Italiens retten." Hoffen wir daß diese düstere Prophezeiung
sich wenigstens in Bezug auf die Stellung Oesterreichs am adriatischen
Meer nicht bewahrheite. Es wäre dieß ein ungeheurer Verlust: die
ganze österreichische Handelsmarine wäre damit gelähmt, der deutschen
Bewegung nach der Levante -- so großartig durch Triest angebahnt --
die Hauptpulsader durchschnitten.

Ein eben erscheinendes Bülletin des libe-
ralen Alpenboten sagt: "In Mailand ist die Revolution ausgebrochen.
Die Clevner Post welche am 19 Abends hier eintreffen sollte ist erst
diese Nacht angelangt. Ein Privatbrief von Cleven (Chiavenna) meldet
folgendes: ""General Radetzki hat sich mit seinen Truppen ins Castell
von Mailand zurückgezogen und ist dort eingeschlossen. Der Vice-
könig ist gefangen in Brescia
, Como, Bergamo und die andern

*) Die mächtigen Quadern? Es scheint; wenigstens sprechen drei vor uns
liegende Briefe von Pflasterausceißen.
**) Die Angaben wechseln zwischen 5, 7 und 10 Todten.

[Spaltenumbruch] Mailand meldet die Lega Italiana vom 13 März: „Hier geht es
ſchlimm. Neue Verhaftungen wurden geſtern und in der letzten Nacht
vorgenommen. Man iſt in ängſtlicher Spannung. Zwei italieniſche
Grenadiere ſtehen der Theilnahme an einer Verſchwörung angeklagt vor
dem Kriegsgericht; man glaubt ſie werden erſchoſſen werden. Alle ita-
lieniſchen Grenadiere mußten heute Morgens die Stadt verlaſſen, weil
man eine Empörung derſelben zu Gunſten ihrer Cameraden beſorgte.
Sie zogen in ſtrömendem Regen ab.“ Aus Parma meldet dasſelbe
Blatt: der Herzog welcher, um ſich Geld zu machen, alsbald das Lotto
auch in ſeinen neuen von Toſcana und Modena überkommenen Gebiets-
theilen eingeführt, ſey auf das neue Mittel verfallen eine Hutſtempel-
taxe zu erheben. Die Verfolgung der ſogenannten Calabreſenhüte
dauert nämlich mit Eifer fort. — In Rom hat ſich, unter den Au-
ſpicien des Fürſten Torlonia, eine wahrhaft wohlthätige Geſellſchaft ge-
bildet, welche den Zweck hat die armen Volksclaſſen mit gemeinnützigen
Schriften, nach dem Muſter der engliſchen „Geſellſchaft zur Verbreitung
nützlicher Kenntniſſe,“ zu verſorgen. — Ein Extrablatt der Venedi-
ger Zeitung
vom 19 März enthält die Bekanntmachung des dortigen
Gemeinderaths über Bildung der Guardia Civica.

Der für die Volksruhe wohlthätige Re-
gen dauerte heute Morgens bis 10 Uhr fort, ſpäter aber klärte ſich der
Himmel auf und mit der wiederkehrenden Sonne kehrten auch die Volks-
maſſen auf den Markusplatz zurück, wo man gruppenweiſe beiſammen-
ſtand und die Angelegenheiten der Stadt laut und lärmend verhandelte.
Ein ſtarker Militärpoſten hielt den Thurmeingang des Gouvernements-
palaſtes und die vicekönigliche Halle beſetzt, und häufige Patrouillen
durchſtreiften den Platz. Das immer mehr anwachſende Volk ſchien ſehr
aufgeregt, ja in manchen Aeußerungen war große Erbitterung zu erken-
nen. Die einen riefen um die Guardia civica, die andern verlangten daß
das deutſche Regiment Kinsky Venedig räumen ſolle u. ſ. w. Der Lärm
wurde immer größer und ſelbſt ein Verſuch des Patriarchen das Volk
anzureden blieb fruchtlos. Da wurde endlich an einem Punkte des Pla-
tzes das Pflaſter*) aufgeriſſen und auf die Gränzerpatrouille geworfen;
dieſe wehrte ſich natürlich; als einige von ihnen vom Volke entwaffnet
worden waren, rückte ein Reſervepiket des Regimentes Kinsky vor und
gab Feuer. Wüthende Racherufe ertönten auf dem Platze, 5 Todte**) und
17 Verwundete wurden hinweggetragen. Die Allarmſchüſſe vom Wacht-
ſchiffe im Hafen erdonnerten und alle Plätze waren in wenigen Augen-
blicken mit zahlreichen Truppen beſetzt. Die Menſchenmenge verſchwand
vom Marcusplatze, eine unheimliche Stille lagerte ſich über der Stadt.
Im Gouvernementgebäude aber verſammelten ſich die leitenden Oberhäup-
ter und Volksmänner, die augenblickliche Errichtung der Guardia
civica wurde als das einzige Mittel erkannt um die Ruhe in der
Stadt zu ſichern. Zahlreiche Redner traten auf, die zum Volke ſpra-
chen, es zur Ordnung riefen, ihm Vorſtellungen machten und zugleich
die Errichtung der Bürgergarde verhießen. Um 4 Uhr Nachmittags
brachte man Waffen, um 6 Uhr ſchon patrouillirten die erſten Ab-
theilungen der neu errichteten Sicherheitswachen durch die Stadt.
Weiße Schärpen, welche die Anführer ſchief über die rechte Achſel,
alle übrigen um den Leib trugen, waren die Abzeichen. Das Volk
begrüßte mit Jubel die neue Miliz die, in den bunteſten Trachten zuſam-
mengeſtellt, doch ganz militäriſch einherſchritt und jeden vorbeikom-
menden kaiſ. Officier auf das anſtändigſte grüßte. Noch war aber in
den weiteren Stadttheilen die Ruhe nicht geſichert, noch ſprach man von
Rache für die am Morgen Gebliebenen, und die Erbitterung ſprach ſich
noch in tauſend Symptomen aus. Da langte gegen 11 Uhr Nachts ein
Dampfboot aus Trieſtan, das die officielle Nachricht über die Conceſſionen,
die mit Ungeduld erwartet wurden, überbrachte. Wer Venedig und ſein
Volk in dieſem Moment nicht geſehen hat, kann ſich keine Vorſtellung
machen was freudige Begeiſterung in wenigen Augenblicken zu bewirken
im Stande iſt. Ganz Venedig ſtrömte wieder auf den Marcusplatz und
auf die Riva, das Militär-Muſikcorps abzuholen, das bewilligt
wurde und bis um 2 Uhr in der Nacht ſpielte. Plötzlich ſtürzte wieder
ein dichter Regen herab, der aber dießmal das Freudenfeuer nicht löſchen
konnte und die begeiſterte Menge nicht verhinderte die Militärmuſik der
kaiſ. Marine bis in ihre Caſerne zu begleiten. Bis zum dämmernden
Morgen ertönten die Vivatrufe, und die Guardia civica welche die ganze
[Spaltenumbruch] Nacht hindurch patrouillirte, hatte nicht wenig zu thun um die Freude-
trunkenen zur Ruhe zu bringen.

Ein ſonnenheller Tag lacht über der La-
gune. Die ſämmtlichen Schiffe im Hafen ſtehen im Feierkleide ihrer
Wimpeln und Flaggen da, freundlich und heiter wie der Tag iſt die
Stimmung des Volkes, kein trauriges Geſicht, keinen mürriſchen Zug
auf dem Antlitze der gutmüthigen leicht vergeſſenden Bevölkerung. Alles
begrüßt ſich auf der Straße mit Viva l’Italia. Neue Mitglieder der
Guardia melden ſich in jedem Augenblick. Der Marcusplatz iſt ein Freu-
denſaal, die Menge wogt fröhlich auf und nieder. Auf allen Standarten
wehen die kaiſerlichen Flaggen, Jubel und Freude ſchallen in den ver-
ſchiedenartigſten Tönen durch die Luft. So mußte Venedigs Kriſis en-
den; nur ſo konnte ſich ein Volk benehmen deſſen Gemüth das argloſeſte
iſt, weit empfänglicher für Milde als für Strenge, biegſam und geſchmei-
dig wenn die angewandten Mittel die geeigneten ſind. Noch haben wir
keine Nachrichten aus den Provinzen.

Viva l’Italia iſt der Gruß den jeder dem
andern zuruft, viva l’Italia die Antwort. Die Stadt war geſtern trotz
des herrlichen Wetters, trotz der Menſchenmaſſen, die bunt und unüber-
ſehbar unter einander wogten, ruhig. Die häufigen Streifzüge der Na-
tionalgarde ſicherten die innere Ordnung auch zur Nachtzeit. Abends
war ein großer Theil der Stadt, beſonders die Umgebung von St. Mar-
cus, feſtlich beleuchtet, die Theater mit Menſchen überfüllt, deren Jubel
und freudige Stimmung bald in Viva la costituzione bald in Viva
l’imperatore
ausbrach. Das Haupt der Bürgerwache iſt der Bürger-
meiſter Correr, alle anderen Mitglieder der Municipalität ſind ebenfalls
geworben, Manin begleitet die Stelle eines Capitano; den ſämmtlichen
kaiſ. Truppen iſt der Befehl ertheilt der Nationalgarde die gebührenden
militäriſchen Ehrenbezeigungen zu leiſten. Sbirren und Polizeiſoldaten
ſieht man nirgends. Der Polizeidirector ſoll um ſeine Entlaſſung an-
geſucht haben.

Mailand iſt wie wir eben
hören ganz in den Händen des Volks, in Breſcia kämpft man mit
Wuth und hier verbreiten ſich die unheimlichſten Gerüchte.

Seit zwei Tagen fehlen die Briefe
aus Mailand, allein ſo eben verbreitet ſich das Gerücht daß dieſe Stadt
in den Händen des Volkes ſey das die Conſtitution nicht annehmen
wolle. Radetzky ſey gefangen. Hier wollten ſie heute Morgen den
Kopf des Oberſten der Marine, Marinovich; er wurde vom Arſenal
durch Nationalgarde nach Hauſe gebracht. Die Waffen der Arſenalſäle
wurden unter die Nationalgarde vertheilt. Die ungewiſſen Nach-
richten von Mailand ſetzen neuerdings alles in Allarm. — In Brescia
wurden die Jeſuiten fortgejagt.

* Noch zur Stunde (Morgens halb 11 Uhr) fehlen uns directe Be-
richte aus Mailand. Aber ſowie der obige Brief aus Venedig die Kunde
beſtätigt daß dort der volle Aufſtand ausgebrochen ſey, ſo bringen die-
ſelbe Nachricht Briefe die wir aus Padua von 20 erhalten. Da hieß
es, man habe in Mailand die Republik verkündigt. Auch in Padua
forderten viele Stimmen die Republik. Es herrſchte die furchtbarſte
Aufregung. Das Militär rührte ſich nicht. Alle Civilbehörden, ſelbſt
die Polizei hatten die dreifarbige (italieniſche) Cocarde aufgeſteckt; die
Tricolorfahne wehte von den Thürmen, der Biſchof ſegnete die Volks-
haufen welche: „Es lebe Italien“ riefen, während Studenten und an-
dere lärmende Gruppen „Krieg! Krieg!“ ſchrien. Die erſte freudige
Bewegung über die in Wien verliehene Conſtitution war bald beſeitigt
durch jene nach Krieg und Republik verlangenden Stimmen. Zu
ſpät!
war auch hier das Loſungswort. Unſer Paduaner Correſpondent
ſchließt mit den Worten: „Nur ein Wunder kann die Monarchie von
dem Verluſt Italiens retten.“ Hoffen wir daß dieſe düſtere Prophezeiung
ſich wenigſtens in Bezug auf die Stellung Oeſterreichs am adriatiſchen
Meer nicht bewahrheite. Es wäre dieß ein ungeheurer Verluſt: die
ganze öſterreichiſche Handelsmarine wäre damit gelähmt, der deutſchen
Bewegung nach der Levante — ſo großartig durch Trieſt angebahnt —
die Hauptpulsader durchſchnitten.

Ein eben erſcheinendes Bülletin des libe-
ralen Alpenboten ſagt: „In Mailand iſt die Revolution ausgebrochen.
Die Clevner Poſt welche am 19 Abends hier eintreffen ſollte iſt erſt
dieſe Nacht angelangt. Ein Privatbrief von Cleven (Chiavenna) meldet
folgendes: „„General Radetzki hat ſich mit ſeinen Truppen ins Caſtell
von Mailand zurückgezogen und iſt dort eingeſchloſſen. Der Vice-
könig iſt gefangen in Brescia
, Como, Bergamo und die andern

*) Die mächtigen Quadern? Es ſcheint; wenigſtens ſprechen drei vor uns
liegende Briefe von Pflaſterauſceißen.
**) Die Angaben wechſeln zwiſchen 5, 7 und 10 Todten.
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[3/0019] Mailand meldet die Lega Italiana vom 13 März: „Hier geht es ſchlimm. Neue Verhaftungen wurden geſtern und in der letzten Nacht vorgenommen. Man iſt in ängſtlicher Spannung. Zwei italieniſche Grenadiere ſtehen der Theilnahme an einer Verſchwörung angeklagt vor dem Kriegsgericht; man glaubt ſie werden erſchoſſen werden. Alle ita- lieniſchen Grenadiere mußten heute Morgens die Stadt verlaſſen, weil man eine Empörung derſelben zu Gunſten ihrer Cameraden beſorgte. Sie zogen in ſtrömendem Regen ab.“ Aus Parma meldet dasſelbe Blatt: der Herzog welcher, um ſich Geld zu machen, alsbald das Lotto auch in ſeinen neuen von Toſcana und Modena überkommenen Gebiets- theilen eingeführt, ſey auf das neue Mittel verfallen eine Hutſtempel- taxe zu erheben. Die Verfolgung der ſogenannten Calabreſenhüte dauert nämlich mit Eifer fort. — In Rom hat ſich, unter den Au- ſpicien des Fürſten Torlonia, eine wahrhaft wohlthätige Geſellſchaft ge- bildet, welche den Zweck hat die armen Volksclaſſen mit gemeinnützigen Schriften, nach dem Muſter der engliſchen „Geſellſchaft zur Verbreitung nützlicher Kenntniſſe,“ zu verſorgen. — Ein Extrablatt der Venedi- ger Zeitung vom 19 März enthält die Bekanntmachung des dortigen Gemeinderaths über Bildung der Guardia Civica. * Venedig, 18 März.Der für die Volksruhe wohlthätige Re- gen dauerte heute Morgens bis 10 Uhr fort, ſpäter aber klärte ſich der Himmel auf und mit der wiederkehrenden Sonne kehrten auch die Volks- maſſen auf den Markusplatz zurück, wo man gruppenweiſe beiſammen- ſtand und die Angelegenheiten der Stadt laut und lärmend verhandelte. Ein ſtarker Militärpoſten hielt den Thurmeingang des Gouvernements- palaſtes und die vicekönigliche Halle beſetzt, und häufige Patrouillen durchſtreiften den Platz. Das immer mehr anwachſende Volk ſchien ſehr aufgeregt, ja in manchen Aeußerungen war große Erbitterung zu erken- nen. Die einen riefen um die Guardia civica, die andern verlangten daß das deutſche Regiment Kinsky Venedig räumen ſolle u. ſ. w. Der Lärm wurde immer größer und ſelbſt ein Verſuch des Patriarchen das Volk anzureden blieb fruchtlos. Da wurde endlich an einem Punkte des Pla- tzes das Pflaſter *) aufgeriſſen und auf die Gränzerpatrouille geworfen; dieſe wehrte ſich natürlich; als einige von ihnen vom Volke entwaffnet worden waren, rückte ein Reſervepiket des Regimentes Kinsky vor und gab Feuer. Wüthende Racherufe ertönten auf dem Platze, 5 Todte **) und 17 Verwundete wurden hinweggetragen. Die Allarmſchüſſe vom Wacht- ſchiffe im Hafen erdonnerten und alle Plätze waren in wenigen Augen- blicken mit zahlreichen Truppen beſetzt. Die Menſchenmenge verſchwand vom Marcusplatze, eine unheimliche Stille lagerte ſich über der Stadt. Im Gouvernementgebäude aber verſammelten ſich die leitenden Oberhäup- ter und Volksmänner, die augenblickliche Errichtung der Guardia civica wurde als das einzige Mittel erkannt um die Ruhe in der Stadt zu ſichern. Zahlreiche Redner traten auf, die zum Volke ſpra- chen, es zur Ordnung riefen, ihm Vorſtellungen machten und zugleich die Errichtung der Bürgergarde verhießen. Um 4 Uhr Nachmittags brachte man Waffen, um 6 Uhr ſchon patrouillirten die erſten Ab- theilungen der neu errichteten Sicherheitswachen durch die Stadt. Weiße Schärpen, welche die Anführer ſchief über die rechte Achſel, alle übrigen um den Leib trugen, waren die Abzeichen. Das Volk begrüßte mit Jubel die neue Miliz die, in den bunteſten Trachten zuſam- mengeſtellt, doch ganz militäriſch einherſchritt und jeden vorbeikom- menden kaiſ. Officier auf das anſtändigſte grüßte. Noch war aber in den weiteren Stadttheilen die Ruhe nicht geſichert, noch ſprach man von Rache für die am Morgen Gebliebenen, und die Erbitterung ſprach ſich noch in tauſend Symptomen aus. Da langte gegen 11 Uhr Nachts ein Dampfboot aus Trieſtan, das die officielle Nachricht über die Conceſſionen, die mit Ungeduld erwartet wurden, überbrachte. Wer Venedig und ſein Volk in dieſem Moment nicht geſehen hat, kann ſich keine Vorſtellung machen was freudige Begeiſterung in wenigen Augenblicken zu bewirken im Stande iſt. Ganz Venedig ſtrömte wieder auf den Marcusplatz und auf die Riva, das Militär-Muſikcorps abzuholen, das bewilligt wurde und bis um 2 Uhr in der Nacht ſpielte. Plötzlich ſtürzte wieder ein dichter Regen herab, der aber dießmal das Freudenfeuer nicht löſchen konnte und die begeiſterte Menge nicht verhinderte die Militärmuſik der kaiſ. Marine bis in ihre Caſerne zu begleiten. Bis zum dämmernden Morgen ertönten die Vivatrufe, und die Guardia civica welche die ganze Nacht hindurch patrouillirte, hatte nicht wenig zu thun um die Freude- trunkenen zur Ruhe zu bringen. * Venedig, 19 März.Ein ſonnenheller Tag lacht über der La- gune. Die ſämmtlichen Schiffe im Hafen ſtehen im Feierkleide ihrer Wimpeln und Flaggen da, freundlich und heiter wie der Tag iſt die Stimmung des Volkes, kein trauriges Geſicht, keinen mürriſchen Zug auf dem Antlitze der gutmüthigen leicht vergeſſenden Bevölkerung. Alles begrüßt ſich auf der Straße mit Viva l’Italia. Neue Mitglieder der Guardia melden ſich in jedem Augenblick. Der Marcusplatz iſt ein Freu- denſaal, die Menge wogt fröhlich auf und nieder. Auf allen Standarten wehen die kaiſerlichen Flaggen, Jubel und Freude ſchallen in den ver- ſchiedenartigſten Tönen durch die Luft. So mußte Venedigs Kriſis en- den; nur ſo konnte ſich ein Volk benehmen deſſen Gemüth das argloſeſte iſt, weit empfänglicher für Milde als für Strenge, biegſam und geſchmei- dig wenn die angewandten Mittel die geeigneten ſind. Noch haben wir keine Nachrichten aus den Provinzen. * Venedig, 20 März.Viva l’Italia iſt der Gruß den jeder dem andern zuruft, viva l’Italia die Antwort. Die Stadt war geſtern trotz des herrlichen Wetters, trotz der Menſchenmaſſen, die bunt und unüber- ſehbar unter einander wogten, ruhig. Die häufigen Streifzüge der Na- tionalgarde ſicherten die innere Ordnung auch zur Nachtzeit. Abends war ein großer Theil der Stadt, beſonders die Umgebung von St. Mar- cus, feſtlich beleuchtet, die Theater mit Menſchen überfüllt, deren Jubel und freudige Stimmung bald in Viva la costituzione bald in Viva l’imperatore ausbrach. Das Haupt der Bürgerwache iſt der Bürger- meiſter Correr, alle anderen Mitglieder der Municipalität ſind ebenfalls geworben, Manin begleitet die Stelle eines Capitano; den ſämmtlichen kaiſ. Truppen iſt der Befehl ertheilt der Nationalgarde die gebührenden militäriſchen Ehrenbezeigungen zu leiſten. Sbirren und Polizeiſoldaten ſieht man nirgends. Der Polizeidirector ſoll um ſeine Entlaſſung an- geſucht haben. * Venedig, 20 März. Nachmittag.Mailand iſt wie wir eben hören ganz in den Händen des Volks, in Breſcia kämpft man mit Wuth und hier verbreiten ſich die unheimlichſten Gerüchte. *** Venedig, 20 März.Seit zwei Tagen fehlen die Briefe aus Mailand, allein ſo eben verbreitet ſich das Gerücht daß dieſe Stadt in den Händen des Volkes ſey das die Conſtitution nicht annehmen wolle. Radetzky ſey gefangen. Hier wollten ſie heute Morgen den Kopf des Oberſten der Marine, Marinovich; er wurde vom Arſenal durch Nationalgarde nach Hauſe gebracht. Die Waffen der Arſenalſäle wurden unter die Nationalgarde vertheilt. Die ungewiſſen Nach- richten von Mailand ſetzen neuerdings alles in Allarm. — In Brescia wurden die Jeſuiten fortgejagt. * Noch zur Stunde (Morgens halb 11 Uhr) fehlen uns directe Be- richte aus Mailand. Aber ſowie der obige Brief aus Venedig die Kunde beſtätigt daß dort der volle Aufſtand ausgebrochen ſey, ſo bringen die- ſelbe Nachricht Briefe die wir aus Padua von 20 erhalten. Da hieß es, man habe in Mailand die Republik verkündigt. Auch in Padua forderten viele Stimmen die Republik. Es herrſchte die furchtbarſte Aufregung. Das Militär rührte ſich nicht. Alle Civilbehörden, ſelbſt die Polizei hatten die dreifarbige (italieniſche) Cocarde aufgeſteckt; die Tricolorfahne wehte von den Thürmen, der Biſchof ſegnete die Volks- haufen welche: „Es lebe Italien“ riefen, während Studenten und an- dere lärmende Gruppen „Krieg! Krieg!“ ſchrien. Die erſte freudige Bewegung über die in Wien verliehene Conſtitution war bald beſeitigt durch jene nach Krieg und Republik verlangenden Stimmen. Zu ſpät! war auch hier das Loſungswort. Unſer Paduaner Correſpondent ſchließt mit den Worten: „Nur ein Wunder kann die Monarchie von dem Verluſt Italiens retten.“ Hoffen wir daß dieſe düſtere Prophezeiung ſich wenigſtens in Bezug auf die Stellung Oeſterreichs am adriatiſchen Meer nicht bewahrheite. Es wäre dieß ein ungeheurer Verluſt: die ganze öſterreichiſche Handelsmarine wäre damit gelähmt, der deutſchen Bewegung nach der Levante — ſo großartig durch Trieſt angebahnt — die Hauptpulsader durchſchnitten. * Chur, 21 März.Ein eben erſcheinendes Bülletin des libe- ralen Alpenboten ſagt: „In Mailand iſt die Revolution ausgebrochen. Die Clevner Poſt welche am 19 Abends hier eintreffen ſollte iſt erſt dieſe Nacht angelangt. Ein Privatbrief von Cleven (Chiavenna) meldet folgendes: „„General Radetzki hat ſich mit ſeinen Truppen ins Caſtell von Mailand zurückgezogen und iſt dort eingeſchloſſen. Der Vice- könig iſt gefangen in Brescia, Como, Bergamo und die andern *) Die mächtigen Quadern? Es ſcheint; wenigſtens ſprechen drei vor uns liegende Briefe von Pflaſterauſceißen. **) Die Angaben wechſeln zwiſchen 5, 7 und 10 Todten.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine84_1848/19>, abgerufen am 21.11.2024.