Allgemeine Zeitung, Nr. 84, 24. März 1848.[Spaltenumbruch]
Mailand meldet die Lega Italiana vom 13 März: "Hier geht es * Venedig, 18 März. Der für die Volksruhe wohlthätige Re- * Venedig, 19 März. Ein sonnenheller Tag lacht über der La- * Venedig, 20 März. Viva l'Italia ist der Gruß den jeder dem * Venedig, 20 März. Nachmittag. Mailand ist wie wir eben *** Venedig, 20 März. Seit zwei Tagen fehlen die Briefe richte aus Mailand. Aber sowie der obige Brief aus Venedig die Kunde bestätigt daß dort der volle Aufstand ausgebrochen sey, so bringen die- selbe Nachricht Briefe die wir aus Padua von 20 erhalten. Da hieß es, man habe in Mailand die Republik verkündigt. Auch in Padua forderten viele Stimmen die Republik. Es herrschte die furchtbarste Aufregung. Das Militär rührte sich nicht. Alle Civilbehörden, selbst die Polizei hatten die dreifarbige (italienische) Cocarde aufgesteckt; die Tricolorfahne wehte von den Thürmen, der Bischof segnete die Volks- haufen welche: "Es lebe Italien" riefen, während Studenten und an- dere lärmende Gruppen "Krieg! Krieg!" schrien. Die erste freudige Bewegung über die in Wien verliehene Constitution war bald beseitigt durch jene nach Krieg und Republik verlangenden Stimmen. Zu spät! war auch hier das Losungswort. Unser Paduaner Correspondent schließt mit den Worten: "Nur ein Wunder kann die Monarchie von dem Verlust Italiens retten." Hoffen wir daß diese düstere Prophezeiung sich wenigstens in Bezug auf die Stellung Oesterreichs am adriatischen Meer nicht bewahrheite. Es wäre dieß ein ungeheurer Verlust: die ganze österreichische Handelsmarine wäre damit gelähmt, der deutschen Bewegung nach der Levante -- so großartig durch Triest angebahnt -- die Hauptpulsader durchschnitten. * Chur, 21 März. Ein eben erscheinendes Bülletin des libe- *) Die mächtigen Quadern? Es scheint; wenigstens sprechen drei vor uns liegende Briefe von Pflasterausceißen. **) Die Angaben wechseln zwischen 5, 7 und 10 Todten.
[Spaltenumbruch]
Mailand meldet die Lega Italiana vom 13 März: „Hier geht es * Venedig, 18 März. Der für die Volksruhe wohlthätige Re- * Venedig, 19 März. Ein ſonnenheller Tag lacht über der La- * Venedig, 20 März. Viva l’Italia iſt der Gruß den jeder dem * Venedig, 20 März. Nachmittag. Mailand iſt wie wir eben *** Venedig, 20 März. Seit zwei Tagen fehlen die Briefe richte aus Mailand. Aber ſowie der obige Brief aus Venedig die Kunde beſtätigt daß dort der volle Aufſtand ausgebrochen ſey, ſo bringen die- ſelbe Nachricht Briefe die wir aus Padua von 20 erhalten. Da hieß es, man habe in Mailand die Republik verkündigt. Auch in Padua forderten viele Stimmen die Republik. Es herrſchte die furchtbarſte Aufregung. Das Militär rührte ſich nicht. Alle Civilbehörden, ſelbſt die Polizei hatten die dreifarbige (italieniſche) Cocarde aufgeſteckt; die Tricolorfahne wehte von den Thürmen, der Biſchof ſegnete die Volks- haufen welche: „Es lebe Italien“ riefen, während Studenten und an- dere lärmende Gruppen „Krieg! Krieg!“ ſchrien. Die erſte freudige Bewegung über die in Wien verliehene Conſtitution war bald beſeitigt durch jene nach Krieg und Republik verlangenden Stimmen. Zu ſpät! war auch hier das Loſungswort. Unſer Paduaner Correſpondent ſchließt mit den Worten: „Nur ein Wunder kann die Monarchie von dem Verluſt Italiens retten.“ Hoffen wir daß dieſe düſtere Prophezeiung ſich wenigſtens in Bezug auf die Stellung Oeſterreichs am adriatiſchen Meer nicht bewahrheite. Es wäre dieß ein ungeheurer Verluſt: die ganze öſterreichiſche Handelsmarine wäre damit gelähmt, der deutſchen Bewegung nach der Levante — ſo großartig durch Trieſt angebahnt — die Hauptpulsader durchſchnitten. * Chur, 21 März. Ein eben erſcheinendes Bülletin des libe- *) Die mächtigen Quadern? Es ſcheint; wenigſtens ſprechen drei vor uns liegende Briefe von Pflaſterauſceißen. **) Die Angaben wechſeln zwiſchen 5, 7 und 10 Todten.
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Das Volk<lb/> begrüßte mit Jubel die neue Miliz die, in den bunteſten Trachten zuſam-<lb/> mengeſtellt, doch ganz militäriſch einherſchritt und jeden vorbeikom-<lb/> menden kaiſ. Officier auf das anſtändigſte grüßte. Noch war aber in<lb/> den weiteren Stadttheilen die Ruhe nicht geſichert, noch ſprach man von<lb/> Rache für die am Morgen Gebliebenen, und die Erbitterung ſprach ſich<lb/> noch in tauſend Symptomen aus. Da langte gegen 11 Uhr Nachts ein<lb/> Dampfboot aus Trieſtan, das die officielle Nachricht über die Conceſſionen,<lb/> die mit Ungeduld erwartet wurden, überbrachte. Wer Venedig und ſein<lb/> Volk in dieſem Moment nicht geſehen hat, kann ſich keine Vorſtellung<lb/> machen was freudige Begeiſterung in wenigen Augenblicken zu bewirken<lb/> im Stande iſt. Ganz Venedig ſtrömte wieder auf den Marcusplatz und<lb/> auf die Riva, das Militär-Muſikcorps abzuholen, das bewilligt<lb/> wurde und bis um 2 Uhr in der Nacht ſpielte. Plötzlich ſtürzte wieder<lb/> ein dichter Regen herab, der aber dießmal das Freudenfeuer nicht löſchen<lb/> konnte und die begeiſterte Menge nicht verhinderte die Militärmuſik der<lb/> kaiſ. Marine bis in ihre Caſerne zu begleiten. Bis zum dämmernden<lb/> Morgen ertönten die Vivatrufe, und die Guardia civica welche die ganze<lb/><cb/> Nacht hindurch patrouillirte, hatte nicht wenig zu thun um die Freude-<lb/> trunkenen zur Ruhe zu bringen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>* <hi rendition="#b">Venedig,</hi> 19 März.</dateline> <p>Ein ſonnenheller Tag lacht über der La-<lb/> gune. Die ſämmtlichen Schiffe im Hafen ſtehen im Feierkleide ihrer<lb/> Wimpeln und Flaggen da, freundlich und heiter wie der Tag iſt die<lb/> Stimmung des Volkes, kein trauriges Geſicht, keinen mürriſchen Zug<lb/> auf dem Antlitze der gutmüthigen leicht vergeſſenden Bevölkerung. 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Die erſte freudige<lb/> Bewegung über die in Wien verliehene Conſtitution war bald beſeitigt<lb/> durch jene nach Krieg und Republik verlangenden Stimmen. <hi rendition="#g">Zu<lb/> ſpät!</hi> war auch hier das Loſungswort. Unſer Paduaner Correſpondent<lb/> ſchließt mit den Worten: „Nur ein Wunder kann die Monarchie von<lb/> dem Verluſt Italiens retten.“ Hoffen wir daß dieſe düſtere Prophezeiung<lb/> ſich wenigſtens in Bezug auf die Stellung Oeſterreichs am adriatiſchen<lb/> Meer nicht bewahrheite. Es wäre dieß ein ungeheurer Verluſt: die<lb/> ganze öſterreichiſche Handelsmarine wäre damit gelähmt, der deutſchen<lb/> Bewegung nach der Levante — ſo großartig durch Trieſt angebahnt —<lb/> die Hauptpulsader durchſchnitten.</trailer> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>* <hi rendition="#b">Chur,</hi> 21 März.</dateline> <p>Ein eben erſcheinendes <hi rendition="#g">Bülletin</hi> des libe-<lb/> ralen Alpenboten ſagt: „In Mailand iſt die Revolution ausgebrochen.<lb/> Die Clevner Poſt welche am 19 Abends hier eintreffen ſollte iſt erſt<lb/> dieſe Nacht angelangt. Ein Privatbrief von Cleven (Chiavenna) meldet<lb/> folgendes: „„General Radetzki hat ſich mit ſeinen Truppen ins Caſtell<lb/> von Mailand zurückgezogen und iſt dort eingeſchloſſen. <hi rendition="#g">Der Vice-<lb/> könig iſt gefangen in Brescia</hi>, Como, Bergamo und die andern<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [3/0019]
Mailand meldet die Lega Italiana vom 13 März: „Hier geht es
ſchlimm. Neue Verhaftungen wurden geſtern und in der letzten Nacht
vorgenommen. Man iſt in ängſtlicher Spannung. Zwei italieniſche
Grenadiere ſtehen der Theilnahme an einer Verſchwörung angeklagt vor
dem Kriegsgericht; man glaubt ſie werden erſchoſſen werden. Alle ita-
lieniſchen Grenadiere mußten heute Morgens die Stadt verlaſſen, weil
man eine Empörung derſelben zu Gunſten ihrer Cameraden beſorgte.
Sie zogen in ſtrömendem Regen ab.“ Aus Parma meldet dasſelbe
Blatt: der Herzog welcher, um ſich Geld zu machen, alsbald das Lotto
auch in ſeinen neuen von Toſcana und Modena überkommenen Gebiets-
theilen eingeführt, ſey auf das neue Mittel verfallen eine Hutſtempel-
taxe zu erheben. Die Verfolgung der ſogenannten Calabreſenhüte
dauert nämlich mit Eifer fort. — In Rom hat ſich, unter den Au-
ſpicien des Fürſten Torlonia, eine wahrhaft wohlthätige Geſellſchaft ge-
bildet, welche den Zweck hat die armen Volksclaſſen mit gemeinnützigen
Schriften, nach dem Muſter der engliſchen „Geſellſchaft zur Verbreitung
nützlicher Kenntniſſe,“ zu verſorgen. — Ein Extrablatt der Venedi-
ger Zeitung vom 19 März enthält die Bekanntmachung des dortigen
Gemeinderaths über Bildung der Guardia Civica.
* Venedig, 18 März.Der für die Volksruhe wohlthätige Re-
gen dauerte heute Morgens bis 10 Uhr fort, ſpäter aber klärte ſich der
Himmel auf und mit der wiederkehrenden Sonne kehrten auch die Volks-
maſſen auf den Markusplatz zurück, wo man gruppenweiſe beiſammen-
ſtand und die Angelegenheiten der Stadt laut und lärmend verhandelte.
Ein ſtarker Militärpoſten hielt den Thurmeingang des Gouvernements-
palaſtes und die vicekönigliche Halle beſetzt, und häufige Patrouillen
durchſtreiften den Platz. Das immer mehr anwachſende Volk ſchien ſehr
aufgeregt, ja in manchen Aeußerungen war große Erbitterung zu erken-
nen. Die einen riefen um die Guardia civica, die andern verlangten daß
das deutſche Regiment Kinsky Venedig räumen ſolle u. ſ. w. Der Lärm
wurde immer größer und ſelbſt ein Verſuch des Patriarchen das Volk
anzureden blieb fruchtlos. Da wurde endlich an einem Punkte des Pla-
tzes das Pflaſter *) aufgeriſſen und auf die Gränzerpatrouille geworfen;
dieſe wehrte ſich natürlich; als einige von ihnen vom Volke entwaffnet
worden waren, rückte ein Reſervepiket des Regimentes Kinsky vor und
gab Feuer. Wüthende Racherufe ertönten auf dem Platze, 5 Todte **) und
17 Verwundete wurden hinweggetragen. Die Allarmſchüſſe vom Wacht-
ſchiffe im Hafen erdonnerten und alle Plätze waren in wenigen Augen-
blicken mit zahlreichen Truppen beſetzt. Die Menſchenmenge verſchwand
vom Marcusplatze, eine unheimliche Stille lagerte ſich über der Stadt.
Im Gouvernementgebäude aber verſammelten ſich die leitenden Oberhäup-
ter und Volksmänner, die augenblickliche Errichtung der Guardia
civica wurde als das einzige Mittel erkannt um die Ruhe in der
Stadt zu ſichern. Zahlreiche Redner traten auf, die zum Volke ſpra-
chen, es zur Ordnung riefen, ihm Vorſtellungen machten und zugleich
die Errichtung der Bürgergarde verhießen. Um 4 Uhr Nachmittags
brachte man Waffen, um 6 Uhr ſchon patrouillirten die erſten Ab-
theilungen der neu errichteten Sicherheitswachen durch die Stadt.
Weiße Schärpen, welche die Anführer ſchief über die rechte Achſel,
alle übrigen um den Leib trugen, waren die Abzeichen. Das Volk
begrüßte mit Jubel die neue Miliz die, in den bunteſten Trachten zuſam-
mengeſtellt, doch ganz militäriſch einherſchritt und jeden vorbeikom-
menden kaiſ. Officier auf das anſtändigſte grüßte. Noch war aber in
den weiteren Stadttheilen die Ruhe nicht geſichert, noch ſprach man von
Rache für die am Morgen Gebliebenen, und die Erbitterung ſprach ſich
noch in tauſend Symptomen aus. Da langte gegen 11 Uhr Nachts ein
Dampfboot aus Trieſtan, das die officielle Nachricht über die Conceſſionen,
die mit Ungeduld erwartet wurden, überbrachte. Wer Venedig und ſein
Volk in dieſem Moment nicht geſehen hat, kann ſich keine Vorſtellung
machen was freudige Begeiſterung in wenigen Augenblicken zu bewirken
im Stande iſt. Ganz Venedig ſtrömte wieder auf den Marcusplatz und
auf die Riva, das Militär-Muſikcorps abzuholen, das bewilligt
wurde und bis um 2 Uhr in der Nacht ſpielte. Plötzlich ſtürzte wieder
ein dichter Regen herab, der aber dießmal das Freudenfeuer nicht löſchen
konnte und die begeiſterte Menge nicht verhinderte die Militärmuſik der
kaiſ. Marine bis in ihre Caſerne zu begleiten. Bis zum dämmernden
Morgen ertönten die Vivatrufe, und die Guardia civica welche die ganze
Nacht hindurch patrouillirte, hatte nicht wenig zu thun um die Freude-
trunkenen zur Ruhe zu bringen.
* Venedig, 19 März.Ein ſonnenheller Tag lacht über der La-
gune. Die ſämmtlichen Schiffe im Hafen ſtehen im Feierkleide ihrer
Wimpeln und Flaggen da, freundlich und heiter wie der Tag iſt die
Stimmung des Volkes, kein trauriges Geſicht, keinen mürriſchen Zug
auf dem Antlitze der gutmüthigen leicht vergeſſenden Bevölkerung. Alles
begrüßt ſich auf der Straße mit Viva l’Italia. Neue Mitglieder der
Guardia melden ſich in jedem Augenblick. Der Marcusplatz iſt ein Freu-
denſaal, die Menge wogt fröhlich auf und nieder. Auf allen Standarten
wehen die kaiſerlichen Flaggen, Jubel und Freude ſchallen in den ver-
ſchiedenartigſten Tönen durch die Luft. So mußte Venedigs Kriſis en-
den; nur ſo konnte ſich ein Volk benehmen deſſen Gemüth das argloſeſte
iſt, weit empfänglicher für Milde als für Strenge, biegſam und geſchmei-
dig wenn die angewandten Mittel die geeigneten ſind. Noch haben wir
keine Nachrichten aus den Provinzen.
* Venedig, 20 März.Viva l’Italia iſt der Gruß den jeder dem
andern zuruft, viva l’Italia die Antwort. Die Stadt war geſtern trotz
des herrlichen Wetters, trotz der Menſchenmaſſen, die bunt und unüber-
ſehbar unter einander wogten, ruhig. Die häufigen Streifzüge der Na-
tionalgarde ſicherten die innere Ordnung auch zur Nachtzeit. Abends
war ein großer Theil der Stadt, beſonders die Umgebung von St. Mar-
cus, feſtlich beleuchtet, die Theater mit Menſchen überfüllt, deren Jubel
und freudige Stimmung bald in Viva la costituzione bald in Viva
l’imperatore ausbrach. Das Haupt der Bürgerwache iſt der Bürger-
meiſter Correr, alle anderen Mitglieder der Municipalität ſind ebenfalls
geworben, Manin begleitet die Stelle eines Capitano; den ſämmtlichen
kaiſ. Truppen iſt der Befehl ertheilt der Nationalgarde die gebührenden
militäriſchen Ehrenbezeigungen zu leiſten. Sbirren und Polizeiſoldaten
ſieht man nirgends. Der Polizeidirector ſoll um ſeine Entlaſſung an-
geſucht haben.
* Venedig, 20 März. Nachmittag.Mailand iſt wie wir eben
hören ganz in den Händen des Volks, in Breſcia kämpft man mit
Wuth und hier verbreiten ſich die unheimlichſten Gerüchte.
*** Venedig, 20 März.Seit zwei Tagen fehlen die Briefe
aus Mailand, allein ſo eben verbreitet ſich das Gerücht daß dieſe Stadt
in den Händen des Volkes ſey das die Conſtitution nicht annehmen
wolle. Radetzky ſey gefangen. Hier wollten ſie heute Morgen den
Kopf des Oberſten der Marine, Marinovich; er wurde vom Arſenal
durch Nationalgarde nach Hauſe gebracht. Die Waffen der Arſenalſäle
wurden unter die Nationalgarde vertheilt. Die ungewiſſen Nach-
richten von Mailand ſetzen neuerdings alles in Allarm. — In Brescia
wurden die Jeſuiten fortgejagt.
* Noch zur Stunde (Morgens halb 11 Uhr) fehlen uns directe Be-
richte aus Mailand. Aber ſowie der obige Brief aus Venedig die Kunde
beſtätigt daß dort der volle Aufſtand ausgebrochen ſey, ſo bringen die-
ſelbe Nachricht Briefe die wir aus Padua von 20 erhalten. Da hieß
es, man habe in Mailand die Republik verkündigt. Auch in Padua
forderten viele Stimmen die Republik. Es herrſchte die furchtbarſte
Aufregung. Das Militär rührte ſich nicht. Alle Civilbehörden, ſelbſt
die Polizei hatten die dreifarbige (italieniſche) Cocarde aufgeſteckt; die
Tricolorfahne wehte von den Thürmen, der Biſchof ſegnete die Volks-
haufen welche: „Es lebe Italien“ riefen, während Studenten und an-
dere lärmende Gruppen „Krieg! Krieg!“ ſchrien. Die erſte freudige
Bewegung über die in Wien verliehene Conſtitution war bald beſeitigt
durch jene nach Krieg und Republik verlangenden Stimmen. Zu
ſpät! war auch hier das Loſungswort. Unſer Paduaner Correſpondent
ſchließt mit den Worten: „Nur ein Wunder kann die Monarchie von
dem Verluſt Italiens retten.“ Hoffen wir daß dieſe düſtere Prophezeiung
ſich wenigſtens in Bezug auf die Stellung Oeſterreichs am adriatiſchen
Meer nicht bewahrheite. Es wäre dieß ein ungeheurer Verluſt: die
ganze öſterreichiſche Handelsmarine wäre damit gelähmt, der deutſchen
Bewegung nach der Levante — ſo großartig durch Trieſt angebahnt —
die Hauptpulsader durchſchnitten.
* Chur, 21 März.Ein eben erſcheinendes Bülletin des libe-
ralen Alpenboten ſagt: „In Mailand iſt die Revolution ausgebrochen.
Die Clevner Poſt welche am 19 Abends hier eintreffen ſollte iſt erſt
dieſe Nacht angelangt. Ein Privatbrief von Cleven (Chiavenna) meldet
folgendes: „„General Radetzki hat ſich mit ſeinen Truppen ins Caſtell
von Mailand zurückgezogen und iſt dort eingeſchloſſen. Der Vice-
könig iſt gefangen in Brescia, Como, Bergamo und die andern
*) Die mächtigen Quadern? Es ſcheint; wenigſtens ſprechen drei vor uns
liegende Briefe von Pflaſterauſceißen.
**) Die Angaben wechſeln zwiſchen 5, 7 und 10 Todten.
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(2022-04-08T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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